Ein früher Morgen in Paris. Wir drehen hier für Arte in der Stadt, in der ich vor 15 Jahren studiert habe. Mit Schwung betrete ich die Bäckerei, mit Elan bestelle ich die Croissants fürs Team — und mit einem « Voilà, Mademoiselle ! » reicht sie mir die Bäckerin.
2011 am Kiosk |
Mademoiselle – das war ich bis zum Ende meines Studiums in Frankreich. Als ich nach Deutschland gegangen bin, war ich von einem Schlag auf den anderen « Frau ». Das passte gut zum Alter, in dem man sich Respekt wünscht. Damals sagte in Deutschland kaum einer mehr « Fräulein ».
Einmal, noch im Studium, war ich zu Besuch in Berlin. Die Bibliothekarin sagte in meine Richtung: « Frau Elias » – und ich drehte mich um. Ich dachte, jetzt steht meine Mutter hinter mir.
Das « Mademoiselle » ist aber nicht nur ein Kompliment für jugendliche Energie. Es ist Teil der Sprache der Verführung und zeigt an, dass die betreffende Person weiblichen Geschlechts noch « zu haben » ist. In Frankreich gibt es jetzt eine Bewegung gegen das « Mademoiselle ». Immer mehr Frauen empfinden es als diskriminierend, als mache erst der Ehemann aus einer Frau eine Frau. « Mademoiselle » taucht indes sogar in offiziellen Formularen auf, obwohl kein französisches Gesetz eine Unterteilung der Frauen in ‘verheiratet’ und ‘unverheiratet’ vorsieht.
In Deutschland ist das Fräulein inzwischen sogar politisch unkorrekt. Es ist fast ausgestorben. « Fräu-lein! » mit einer betonten Verlangsamung des betonten Umlauts, das ist eine Drohung, die manches kleine oder größere Mädchen hierzulande kennt. Übersetzt heißt es: « Mach’ was ich sage, oder es setzt Konsequenzen! »
Mademoiselle aber finden viele noch heute charmant. Manche Französin hat aus der Familienstandsangabe einen Teil der eigenen Person gemacht. Mademoiselle Nathalie Baye durfte ich letztens in Berlin interviewen, ich war natürlich Frau Elias. Sie ist etwas jünger als meine Mutter. Das Gleiche hätte mir mit Mademoiselle Jeanne Moreau passiert sein können, die noch eine Generation älter ist.
Die berühmteste Mademoiselle von allen war aber Coco Chanel, sie hieß damals nur « Mademoiselle », ganz ohne Namen.
Abends, wieder beim Bäcker, nach einem langen Arbeitstag eine Quiche: « Vous désirez autre chose, Madame? »
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Der Text entstand 2006 für La Gazette de Berlin. Nathalie Baye habe ich damals natürlich gedolmetscht, nicht interviewt. Die Redaktion fand aber, "interviewt" wirke bedeutender. Wie die französischen Guillemets. Und ich hab' hier englische Anführungszeichen, da der Anbeiter der Webspace, ursprünglich blogspot.com, aus den USA kommt.
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Illustration: "Fräulein"
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