Sonntag, 6. Oktober 2019

Kleinod

Gu­ten Tag! Sie sind mit­­ten in ein Ar­­beits­­ta­­ge­­buch rein­­ge­­ra­­ten, in dem sich al­les um Spra­­che, Dol­­met­­schen, Über­­setzen und Kult­­uren dreht. Als frei­be­ruf­li­che Dol­met­scherin und Über­set­zerin ar­bei­te ich in Frankfurt und Paris, Lyon und Leipzig, Berlin und Lille. Heute werde ich privat: Sonntagsbilder!

Ein Kleinod sei unser Hinterhofgärtchen, sagte der Vater einer Nachbarin neulich, wer den Hof beträte, sei über­rascht, denn derlei erwarte doch nie­mand in Neu­kölln.

Banane, Zitrone, Passionsblume Hibiscus, Tomaten, viele Tagetes, Grünlilie, Klivie, Winde ...
Hinterhofidylle
Neukölln, das klingt rauh und hart. Ist es auch. Den Namen "Kreuz­kölln" (wo wir wohnen) hat vor etwas mehr als zehn Jahren die Im­mobi­lien­wirt­schaft erfunden, um die Kauf- und Miet­preise hier zu ver­dop­­peln bis zu ver­drei­fachen.

Das ist ihr leider gelungen. Daher sollte sich rasch rum­sprechen, wie es hier auf der Straße aussieht.

Auf dem Weg zur U-Bahn kreuzen wir Stricher, gewaltbereite Drogen­ab­hän­gige, ei­ne Handvoll Dealer, die wir alle vom Sehen kennen und die wie Schichtarbeiter reih­um tätig sind. Neu­lich sah ich gleich in einer Ecke neben der Treppe der Sta­tion, wie sich jemand den Arm abgebunden und einen Schuss gesetzt hat.

Reifende Frucht und Blüten im Hofgarten
Passionsfrucht, Winde, Topinambur (gelb)
Wäre die Stimmung nicht so aggressiv ge­we­sen, ich hätte ein Beweisfoto ge­schos­sen. Bei nächs­ter Ge­le­gen­heit mache ich das, wenn wir zu zweit sind, heimlich aus dem Man­tel her­aus. Und jetzt nimmt durch die ein­set­zen­de Herbst­käl­te die Anzahl vor­han­de­ner Men­schen noch mehr zu. Viele Obdach­lo­se suchen hier Zu­flucht.

Je härter es "draußen" wird, desto mehr machen wir Nachbar­innen aus dem Hof­gar­ten ein kleines Paradies. Damit die Kinder zum Spielen hierbleiben, aber auch für unsere eigenen Seelen.
Das Kleinod also. Früher bezeich­nete das Wort vor allem ein Schmuckstück.

Heute wird es auch öfter im übertra­genen Sinne gebraucht. Der Plural heißt Klein­odien.

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Fotos: C.E.

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