Samstag, 15. Dezember 2007

spielzeit'europa (5): Stimmenkarussell

Waren Sie schon einmal auf einem europäischen Theaterfestival und sahen ein Stück in einer fremden Sprache? Dann wurde das Stück vermutlich übersetzt, entweder mit Übertiteln oder live eingesprochen. Hier lesen Sie den Bericht vom sechsten Tag, an dem sich zwei Berliner darauf vorbereiten, nächste Woche französischen Schauspielern ihre Stimmen zu leihen. Es geht um "Die Wände" (Les paravents) von Jean Genet.

Gestern der zweite Abend diese Woche ohne theaterbedingtes Freizeitvergnügen: Ich sitze noch zwei Stunden "nach" und übertrage unsere Kürzungen, soweit wir das gestern nicht gleich direkt am Computer gemacht haben. Während ich Streichungen im Text markiere und zwei Punkt kleiner setze (ich hörlese ja auf Französisch mit), plumpst eine Mail in den Briefkasten, die Ankündigung des Theaterstücks, das mit "Simultanübersetzung" angekündigt wird. "Simultan" bezieht sich in unserer Welt des Dolmetschens meist auf wirklich spontan Übertragenes, während der Begriff "Übersetzung" der Welt des Textes angehört, gleich, ob Gebrauchtext oder Literatur. Und selbst wenn es "simultane Übersetzung" strenggenommen nicht gibt, so scheint es hier in der Verkürzung zu passen. Dennoch, ich verwende lieber den Ausdruck "simultanes Einsprechen".

Danach dreht sich das Stimmenkarussell in meinem Kopf. Genet hat fast hundert Figuren in sein Stück eingebaut, etliche kamen am Vorabend zu ihrem Recht und quatschen nun dreist weiter. Erst am Morgen döse ich weg, nach fünf Stunden Schlaf renne ich sofort wieder zur Probe.

Ein Gutes hat die verratzte Nacht: Ab morgen sind Proben angesetzt - nach dem offiziellen Spielende im Theater, von 22-02 Uhr. Mein Tagesrhythmus verschiebt sich. Gerade lebe ich nur fürs Theater, die Intensität kenne ich sonst nur von der Berlinale.

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Zeitaufwand seit dem Eintrag vom 14.12: Zwei Stunden Korrekturen/Kürzungen, 5,5 Stunden Sprechproben, Aufwand insgesamt: 29 Stunden. Am Abend hundemüde, aber zufrieden.

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