Montag, 12. Dezember 2011

Multitasking

Hal­lo! Hier le­sen Sie No­ti­zen aus dem Ar­beits­tage­buch ei­ner Dol­met­sche­rin. Ge­ra­de ste­he ich zwi­schen den The­men­fel­dern Film­her­stel­lung und Künst­liche In­tel­li­genz. Hier ein ra­sches Schlag­licht auf die Grund­la­gen.

"Ihr seid ja ech­te Mul­ti­tas­ker", sagt der Auf­trag­ge­ber an­er­ken­nend, als wir uns ei­ni­ger­maßen fix und al­le aus der Si­mul­tan­dol­met­scher­ka­bi­ne schlep­pen. "Ihr macht ja min­des­tens zwei Din­ge auf ein­mal", setzt er sei­nen Ge­dan­ken fort, und en­det mit ei­nem fra­gen­den: "... oder?"

Als ich das Wort "Mul­ti­tas­king" zum ers­ten Mal ge­le­sen ha­be, hat­te ich ei­nen schö­nen "Ver­le­ser", ich mein­te näm­lich "Mut­ti­tal­king" zu ver­ste­hen ...

Über das The­ma schrieb ich hier schon 2007
Nein, im Ernst, ich ver­such's mal: Wir müs­sen 1. hö­ren, was ge­sagt wird, 2. ver­ste­hen, was ge­sagt wird, 3. das Ver­stan­de­ne ana­ly­sie­ren,
4. Gram­ma­tik und Re­de­wen­dun­gen bei­der Spra­chen ver­glei­chen, in­dem wir 5. über­set­zen, da­bei 6. spre­chen, uns 7. mer­ken, was noch un­über­setzt ist (Gram­ma­tik­un­ter­schie­de, un­fer­ti­ge Sät­ze und Ge­dan­ken­fol­gen) und uns da­bei ...

8. selbst zu­hö­ren, ob am En­de das Verb auch beim Ge­spro­che­nen mit da­bei war oder der letz­te Ne­ben­satz und ob die Stim­me am En­de des Sat­zes wirk­lich run­ter­ging. Da­bei müs­sen wir 9. at­men und 10. uns zur Si­cher­heit man­che Zahl auf­schrei­ben oder man­ches Wort, das wie­der­holt wird, ein zen­tra­ler Be­griff ist, da­mit wir es spä­ter selbst ab­le­sen kön­nen oder die Kol­le­gin oder im Be­darfs­fall so­gar rasch nach­schla­gen.

Noch et­was ver­ges­sen? Ach ja, manch­mal müs­sen wir auch noch 11. die Spu­cke run­ter­schlu­cken zwi­schen­durch und mer­ken, dass wir durs­tig sind, was auf die Stimm­bän­der ge­hen könn­te, al­so recht­zei­tig mal was trin­ken, kurz: 12. die da­zu ge­eig­ne­ten Pau­sen er­ken­nen, wei­ter­den­ken, Glas er­grei­fen, lei­se ein Schlück­chen neh­men, Glas eben­so lei­se wie­der ab­stel­len.

Zie­mlich viel Mul­ti, wie ich fin­de. Und zu­gleich weiß ich aus der For­schung, dass es ech­tes Mul­ti­tas­king gar nicht gibt, dass Mensch und Ma­schi­ne nur eben mit kur­zen Schalt­mo­men­ten hin- und her­sprin­gen. War­um so vie­le Frau­en in den Ka­bi­nen sit­zen? Okay, ich ver­such's mal: Bei Frau­en wer­den in der Sprach­pro­duk­tion mehr Hirn­are­a­le bei­der He­mi­sphä­ren ak­tiv und das Cor­pus Cal­lo­sum, der so­ge­nann­te Hirn­bal­ken, der die bei­den Hirn­hälf­ten ver­bin­det, ist bei Frau­en stär­ker ent­wi­ckelt als bei Män­nern. Viel­leicht geht da­mit auch das Hin- und Her­schal­ten bei uns ein­fa­cher. Al­so doch Mut­ti­tal­king beim Mul­ti­tal­king ;-)

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Fo­to: Ana Li­sa Ca­lais e Val

6 Kommentare:

Bertram hat gesagt…

Hallo Caroline,

Muttitalking ist eine herrliche Wortschöpfung, nicht nur, wenn man die zugehörige Mutti kennt.

Bei dem Verweis auf das Corpus Callosum fiel mir eine Fallstudie von Oliver Sacks ein (wird in dem von Dir verlinkten Wikipedia-Artikel auch genannt), die Michael Nyman in einer Oper vertont hat: The Man Who Mistook His Wife for a Hat.

Beide sind interessant, Fallstudie wie Oper, und Dir hiermit anempfohlen.

Beste grüsze,

Bertram

Anonym hat gesagt…

JaJa da können wir Männer nicht mithalten :D Ich neheme an wir wären daei schon blau angelaufen und umgefallen, da wir das Atmen vergessen hätten:D

Gruß Peter

caro_berlin hat gesagt…

Lieber Bertram,

dabei hab ich da gar nicht an meine Mutter gedacht, die als 68-er-Mutter niemals Mutti hieß, die "Mutti" war eher ihre eigne Mutter, die bei mir aber "Omaus" hieß (ob ihrer Größe).

Und den Sachs kenn ich natürlich, nur die Oper noch nicht, Danke für den Hinweis!

Sehen wir uns in zwei Wochen?
Grüße aus Berlin,
Caroline

caro_berlin hat gesagt…

Hm, Peter, es gibt durchaus auch männliche Dolmetscher, nur sind sie eben in der Minderzahl. Was sagt uns das über deren Hirnbalken? Wissenschaft, bitte melden!

Elvira von Karajannis hat gesagt…

Ganz toll zusammengefasst, chapeau! Und du hast noch untertrieben, denn bei all dem muss man ja auch noch das rote Knöpfchen drücken, wenn man was sagen will, und nicht vergessen, es wieder auszumachen, wenn man nicht dran ist, oder (in meinem Fall) sich zwischendurch Englisch oder Französisch als Input reinholen, wenn gerade irgendeine Viertsprache gesprochen wird, der man selber nicht mächtig ist. Vom An-die-Scheibe-Klopfen, weil man seit Stunden nicht abgelöst wurde, mal ganz zu schweigen...

caro_berlin hat gesagt…

Ja, die Pivotebene hatte ich total ausgeblendet, weil wir häufig nur bilateral arbeiten. Und klar, also 12. Hin- und Her- und Rüberschalten bzw. Mikro ausmachen ... damit ist das Dutzend voll.

Glückwunsch dazu, dass Ihr den Standesbeamten überzeugen konntet!

Grüße,
Caroline