Dienstag, 11. Dezember 2007

spielzeit'europa (2): Materialschlacht

Wir "synchronisieren" ein Theaterstück für die Berliner Festspiele. Es ist Genets Stück "Die Wände" (Les paravents), das mit recht wenig Kürzungen nächste Woche in Berlin auf Französisch gegeben wird. Boris, ein Schauspieler und Sprecher, und ich werden am 18. und 19.12. via Dolmetschanlage die deutsche Fassung "einsprechen". Hier das "making of" der deutschen "Tonspur".

Per Fahrradkurier kamen gestern Nachmittag kiloweise Papier, zwei Fassungen des Stücks, das schon einmal für Übertitel gekürzt worden ist, dann die offizielle Übersetzung: 157 Seiten Text für 3 Stunden 45 Minuten Inszenierung, sowie die DVDs der letzten Durchlaufprobe (le filage). Auf den ersten Blick gibt wenig stille Momente in der Inszenierung, 96 Rollen wurden auf zwei Erzähler aufgeteilt, dazu treten Marionetten in Aktion.
Im Ausdruck ist der Text einzeilig gesetzt, dazu kommen viele Regieanweisungen. Wäre es ein Radiotext, so wäre er zweizeilig gesetzt, eine "Normseite" der (deutschen) Medien, 30 Zeilen zu 60 Anschlägen, dauert in normalem Sprechtempo zwei Minuten. Beim Theatertext gilt der Umrechnungskoeffizient nicht, sonst würde das Stück mehr als fünf Stunden dauern, aber die "Daumenregel" (süddeutsch für Faustregel) ist oft wenigstens ein Anhaltspunkt.

Erster Zeitbedarf: 1,5 Stunden Vorbesprechung am Abend, im Anschluss und am nächsten Vormittag insgesamt fünf Stunden das Stück auf der Scheibe sichten, mitlesen, Zählerstände auf dem Ausdruck markieren. Wenn ich mich im Text verliere, komme ich mit der "Suchen"-Funktion des Rechners vorwärts.

Giselind, die für das Theater den Programmzettel schreibt, meldete noch Fragen an: Wo ist die Pause? Stimmen die entworfenen Dreizeiler je Szene? Für mich bedeutete das gestern Abend, keinen Feierabend zu haben. Ich war hochkonzentriert bei der Sache, sah die Stunden nicht verfliegen, war am Ende sehr müde. Schwerer Schlaf mit Träumen, in denen das Theaterstück vorkommt, am Morgen gleich weiter. Nachmittags dann drei Stunden Lese- und Sprechproben, in denen wir drei Bilder schaffen (oder 30 Minuten Spielzeit). Wir machen uns mit den Figuren vertraut, den Tempi, den Pausen; verteilen die Rollen so, dass es inhaltlich und vom zu Sprechenden her Sinn macht.

Heute und morgen, da arbeitet jeder für sich allein, gehören voll und ganz dem Stück, ab Donnerstag werde ich parallel dazu wieder jeden Tag meine 7000 Anschläge an der Studie über das Image des deutschen Kinos in Frankreich übersetzen, über die ich hier schon schrieb. Ich bin gespannt, wie sich das dann zusammenfügen wird.
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Zeitaufwand der Vorbereitung bis heute: 9,5 Stunden. Der Anfang dauert immer überproportional lang, bei allem.

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