Sonntag, 2. Dezember 2007

Terminologin

Manchmal arbeite ich als Terminologin, häufiger für die französische als für die deutsche Sprache. Denn Franzosen tun sich weiterhin schwer, Begriffe wie "digital rollout" so selbstverständlich in ihre Sprache zu übernehmen, wie wir es in Deutschland machen. Einerseits haben Übersetzung und Neuschöpfung von Worten eine demokratische Seite, denn so bleibt die Sprache für alle verständlich. Andererseits drohen viele Franzosen, die keine Fremdsprachen können, weiter ins verbale Abseits zu geraten, wenn, so aktuelle Umfragen, viele internationalen Computerbegriffe in Bekanntheitsgrad und Frequenz hinter den französische Bezeichnungen zurücktreten, wie es vor 20 Jahren "le walkman" passiert ist, den "le baladeur" inzwischen weit hinter sich ließ. (Wobei in Sachen Netz - la toile - die meisten dann doch englisch werden: "le ouèbe".)

Zur Sprachpflege gibt es in Frankreich auf höchster Ebene spezielle Kommissionen. Mancher unserer deutschen Kunden hat den besonderen Stellenwert verstanden, der auf der anderen Rheinseite der Sprache zugemessen wird und beauftragt uns als Terminologen.

"Digital rollout" also. Nachdem jahrzehntelang weltweit alle Filmvorführgeräte auf die Breite von 16 und 35 mm geeicht waren, bricht auch hier die Ära des Digitalen an. Immer mehr Kinos werden mit Vorführgeräten ausgestattet, bei denen keine Filmstreifen, sondern Daten durchlaufen. Praktisch für die Verleiher, die keine schweren Filmbüchsen mehr versenden müssen, sondern nur noch "Schlüssel" zum Decodieren des jeweiligen Werks. Die neuen, teuren Projektoren stellen vor allem kommerzielle Ketten im ganzen Land in ihren Kinos auf - der "rollout". Es geht um Marktanteile und darum, wessen Industrienorm am Ende obsiegen wird, natürlich indirekt auch um Ausschluss der Kleinen von Kassenfüllern. Und so droht auch neuer Provinzialismus: Mit der 35-mm-Kopie unter dem Arm kann man heute weltweit seine Filme vorführen gehen; beim aktuellen Stand der Debatte ist denkbar, dass wir uns morgen an neuen (digitalen) Grenzen stoßen werden.

Technik ist Teil einer handfesten ökonomischen Auseinandersetzung. In Frankreich wird der Wettkampf der Volkswirtschaften durchaus als Krieg betrachtet, da spielt auch Industriespionage eine Rolle, inzwischen gibt es dort sogar eine "Ecole de guerre économique", eine Schule für Wirtschaftskrieg.

In diesem Kontext (und ich las viele Dokumente über den "digital rollout" aus den USA), fiel mir als Übersetzung "déploiement de projecteurs numériques” ein. "Le déploiement" für "rollout": Einrichtung, Aufgebot, Entfaltung. Das klingt technisch genug, hat aber auch was von "Geschütz in Stellung bringen". Mir fallen da die 80er Jahre ein mit ihren Mittelstreckenwaffen, damals sprach man auch von "déploiement", oder die massive Verbreitung von RFID-fähigen Ladenkassen.

Bei der letzten Konferenz zum Thema, die ich "nur" als Zuhörerin besuchte (es ging um Themen meiner Doktorarbeit, da war Notizen und Kontakte machen wichtiger), wurde "digital rollout" mit "Digitalisierung der Projektoren" übersetzt. Nun, manche Begriffe brauchen Zeit, bis sie in den Sprachschatz eingehen, andere schaffen es nie. Meinen Begriff fand ich immerhin in einem Dokument der Wirtschaftshochschule 'Ecole Nationale Supérieure des Mines de Paris' wieder ...

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