Mittwoch, 28. Mai 2025

Schön, glatt, meins, falsch!

Wie Über­set­ze­rin­nen und Über­set­zer, Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, be­schrei­be ich hier im 19. Jahr. Mei­ne Ar­beits­spra­chen sind Deutsch (Mut­ter­spra­che), Fran­zö­sisch und Eng­lisch; mei­ne Bü­ro­kol­le­gin ar­bei­tet als Über­set­ze­rin, al­so schrift­lich, mit Eng­lisch als Ziel­spra­che. Heu­te: KI-Mitt­woch.

Was hat ein Text mit ei­nem Ikea-Mö­bel zu tun? Und was der KI-Aus­wurf mit dem Hoch­glanz­fo­to ei­ner Fe­ri­en­woh­nung im Abend­licht? Dar­über schrei­be ich heu­te.

Ein be­kann­tes Pro­blem ist, dass wir das, was wir da schon mal ste­hen ha­ben an Text, über­schät­zen. Und wenn es die KI ge­lie­fert hat, sind wir auch stolz. Zwei Grund­aus­sa­gen grei­fen hier: „Das war mein Prompt“ und: „Es war gra­tis“!

Dann le­sen wir es ei­ni­ger­ma­ßen kri­tisch und den­ken: „Wow, gar nicht schlecht, das ist ja die hal­be Mie­te.“

Ja, Pus­te­ku­chen, ge­nau die­se Mi­schung aus Zu­frie­den­heit und Stolz macht uns be­triebs­blind.

Wer sein ei­ge­nes Ikea-Mö­bel auf­ge­baut hat, ist stolz auf das Teil, weil eben selbst­ge­schraubt! Das gilt so­gar dann, wenn es schief steht oder am En­de noch Schrau­ben üb­rig sind. Die Fach­leu­te spre­chen vom Ikea-Mo­ment oder vom Endowment-Ef­fekt.

Da­mit wird die Nei­gung von Men­schen be­zeich­net et­was, was wir be­sit­zen und viel­leicht auch selbst ge­macht ha­ben, hö­her zu be­wer­ten als ein ab­strak­tes Gut. Kurz: Hier wird un­se­re kri­tische In­stanz ge­schwächt und am En­de las­sen wir Er­geb­nis­se durch­ge­hen, die, wä­ren sie von der Kol­le­gin ge­kom­men, zer­ris­sen hät­ten.

Schwie­rig, schwie­rig.

Abendlicht, Bett, Strand, Sessel
Viel­leicht ei­ne trü­ge­rische Idyl­le …
So ähn­lich ist es auch mit Über­set­zun­gen oder den Aus­wür­fen, die die KI da­für aus­gibt. Die­se Wort­samm­lun­gen sind so glatt wie ein Hoch­glanz­fo­to, das uns ei­ne Fe­ri­en­woh­nung im Abend­licht zeigt, in der wir uns gra­tis ein Wo­chen­en­de lang auf­hal­ten dür­fen. Wir kön­nen uns nichts Stö­ren­des vor­stel­len. Al­lein beim An­blick der Ur­laubs­oase ent­spannt der Kör­per so­fort, das Ge­hirn schal­tet auf Pau­se.

Die Ge­fahr besteht nun darin, dass vor lau­ter Well­ness­ge­fühl der kri­tische Geist aus­ge­schal­tet ist und Tipp- und Denk­feh­ler nicht zu se­hen sind, um im Bild zu blei­ben: der Staub hin­ter den Vor­hän­gen, die ver­gilb­ten Plas­tik­pflan­zen, die schmut­zi­ge Bett­wä­sche un­ter dem hüb­schen Bett­über­wurf, und dass das Meer vor dem Fens­ter eine Au­to­fahrt über die Auto­bahn ent­fernt ist.

Ob­acht!

______________________________
Il­lust­ra­tion: pixlr.com (Zu­falls­fund)

Dienstag, 27. Mai 2025

Fußbekleidung

Elegante Schuhe, Zehenschuhe aus früheren Zeiten, Holzpantinen
An­de­res Schuh­werk
Wie Über­set­ze­rin­nen und Über­set­zer, Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, be­schrei­be ich hier seit 18 Jah­ren. Mei­ne Ar­beits­spra­chen sind Deutsch (Mut­ter­spra­che), Fran­zö­sisch und Eng­lisch; mei­ne Bü­ro­kol­le­gin ar­bei­tet als Über­set­ze­rin, al­so schrift­lich, mit Ziel­spra­che Eng­lisch.

Schö­ne Mails heu­te Mor­gen. Ich darf die an ei­ner Dienst­rei­se be­tei­lig­ten Lin­gu­is­t:in­nen nach ih­ren Schuh­grö­ßen für ei­nen "In­dus­trie-Ter­min" fra­gen, hier: Eu­ro-Be­triebs­rat.

Die Ant­wort sind nicht die Schuh­grö­ßen, son­dern Ant­wor­ten wie: "Si­cher­heits­schu­he hab ich doch selbst!"

So­was ge­fällt mir sehr. Schu­he sind wich­tig. Ich ge­be da­für oft viel Geld aus, denn der Kopf braucht sei­ne En­er­gie zu 100 Pro­zent!

Zum Bild: Die Ze­hen­schu­he ha­be ich im Le­der­mu­se­um Of­fen­bach ge­knipst.

______________________________
Fo­tos: C.E.

Montag, 26. Mai 2025

Montagsschreibtisch (92)

Hel­lo, gu­ten Tag oder bon­jour auf den Sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. In die­sem di­gi­ta­len Ta­ge­buch kön­nen Sie an ei­ni­gen Ta­gen der Wo­che er­fah­ren, wie wir Dol­met­scher­in­nen und Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zer und Dol­met­scher ar­bei­ten. Meine Haupt­ar­beits­spra­che ist Fran­zö­sisch, bei Über­set­zun­gen (schrift­lich) Deutsch als Ziel­spra­che.

Büro­prä­senz war ges­tern, heu­te: bit­te eine Mail!
Hier, was die­se Wo­che an­steht.
⊗ Rech­nun­gen
⊗ Vo­ka­bel­lis­te Bio­di­ver­si­tät, Agro­forst­wirt­schaft, ... er­gän­zen
⊗ Kos­ten­‍vor­‍an­‍schlä­‍ge schrei­‍ben
⊗ Kol­le­‍gin für ei­nen Ein­‍satz su­chen
⊗ Ak­tu­el­le Po­li­tik: Ar­beits­welt, dar­un­ter The­men wie "Aus­wir­kungen der KI", "Bil­dung" oder "Pfle­ge­not­stand"

Für mich ist es be­drü­ckend, zu ei­nem The­ma zu ar­bei­ten, das ich selbst er­le­be. Und dann ist im deut­schen Fern­se­hen et­was in die­ser Art zu hö­ren: "Wer ar­bei­tet denn jetzt zu we­nig?", fragt die Mo­de­ra­to­rin. Da­rauf der jün­ge­re Po­li­ti­ker: "Zum Bei­spiel ... Ja, ma­chen wir es kon­kret, zum Bei­spiel Rent­ner." Und er­klärt, dass sei­ne Par­tei ho­he steu­er­freie Zu­ver­dienst­mög­lich­kei­ten für Rent­ner an­stre­be.

Die Po­li­tik hat nicht auf dem Schirm, wie vie­le Men­schen in Ren­te, TZ oder in frei­en Be­ru­fen, wenn nicht mehr ganz jung, in die Fa­mi­lien­pfle­ge ein­ge­bun­den sind. Statt­des­sen ha­ben sie die Rent­ner:in­nen zur Be­käm­pfung des Ar­beits­kräf­te­mangels im Blick, ganz so, als wä­re der Pfle­ge­not­stand nicht ein Dau­er­the­ma in den Me­di­en.

Auch ist das Wei­ter­ar­bei­ten kei­ne Op­ti­on für Men­schen, die mit ganzem Kör­per­ein­satz ihr Brot ver­die­nt haben. Nur 37 Pro­zent der Be­schäf­tig­ten in Deutsch­land ar­bei­ten vom Schreib­tisch aus.

Im Ko­a­li­tions­ver­trag steht auch nichts wirk­lich Kon­kret­es im Hin­blick auf die KI und den dro­hen­den Weg­fall von Ar­beits­plät­zen, nur, dass bei der neu­en Tech­nik der Mensch im Zen­trum ste­hen müs­se. Da­für gibt es ei­nen ei­ge­nen Ab­schnitt zu haus­halts­nah­en Dienst­leis­tun­gen.

Das sind Ta­ge, an de­nen ich mich alt füh­le im Sin­ne von "schon sehr viel er­lebt und durch­dacht".

______________________________
Fo­to: C.E.

Sonntag, 25. Mai 2025

Museum der Wörter (40)

Bien­ve­nue, hier schreibt ei­ne Lin­gu­is­tin. Wie Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zer, Dol­met­scher­in­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, kön­nen Sie hier mit­le­sen. Mei­ne Ar­beits­spra­chen sind (ne­ben Deutsch) Fran­zö­sisch und Eng­lisch (das Id­i­om Shake­speares nur als Aus­gangs­spra­che). Heu­te: Sonn­tags­bild und Wör­ter­mu­se­um in ei­nem!

Der­zeit le­se und schrei­be ich viel über al­te Zei­ten. Dabei fiel mir ein schönes Wort fürs Museum auf:
             
                       SPEISEEIS

   

Die zwei "E" na­chei­nan­der auf dem Fo­to ver­wir­ren das Au­ge, das in der Mit­te spon­tan ei­nen See sieht. Einst­mals war der Bin­de­strich die Ret­tung: "SPEI­SE-­EIS". Mit der An­kunft der zu­ge­wan­der­ten Neu­bür­ger ab dem Jahr 1961, Mau­er­bau und An­wer­be­pro­gram­me für "Gast­ar­bei­ter" fal­len ins glei­che Jahr, wur­de aus der be­lieb­ten Na­sch­e­rei schlicht "EIS".

An sol­chen Trou­vail­len ist schuld, dass ich beim Auf- und Aus­räu­men un­se­res El­tern­hau­ses vie­le al­te Do­ku­men­te, aber auch Fo­tos ge­fun­den ha­be. Das hat mir mei­ne Fa­mi­lien­ge­schich­te, aber auch mei­ne Prä­gun­gen ver­deut­licht.

Ei­ner mei­ner Ur­groß­vä­ter war Land­wirt, so dass mir die Ag­rar- und Öko­the­men im Blut lie­gen. Er hat auch Pfer­de ge­züch­tet. Sein Gut lag weit im Os­ten, wo die Win­ter lang und die Som­mer zwei Mo­na­te kür­zer sind als im Bran­den­bur­gi­schen. Trotz­dem galt die­ses "Os­tel­bi­en" da­mals als die Korn­kam­mer des Rei­ches.

Sein Sohn, mein Opa müt­ter­li­cher­seits, hat dann in den 1920-er Jah­ren in Ber­lin ge­lebt. Das war mir neu. Die­ses Jahr­zehnt hat mich schon im­mer fas­zi­niert. Es war so viel mo­der­ner, als die drei bis vier Jahr­zehn­te da­nach.

So kann so­gar ein nas­ser Mai­sonn­tag wie heu­te von Spei­se­eis ge­prägt sein.

 
Das alte Foto des Eingangsbereichs eines "Cigaretten"-Ladens, in dem auch "Speise-Eis" verkauft wird, wie es ein Banner am Geländer verkündet. In der Tür steht ein Mann, ein anderer scheint einem kleinen Jungen gerade etwas aus einer Art Kühltheke zu holen, die im Vorgarten steht.
Ber­lin, ir­gend­wo in den 1920-­ern




______________________________
Fo­to: Bil­dar­chiv Eli­as Los­sow

Samstag, 24. Mai 2025

Die libertären Tech-Bros

Will­kom­men auf den Sei­ten ei­ner Kon­fe­renz­dol­met­scherin für die fran­zö­si­sche Spra­che und aus dem Eng­li­schen, die in den Be­rei­chen De­mo­kra­tie, Spra­che, Kul­tur, Wirt­schaft und Ge­sell­schaft ar­bei­tet. Es ist Sams­tag, Zeit für den Lieb-Link.

Heu­te folgt ein Hin­weis auf ei­nen Film, den ich drin­gend emp­feh­len möch­te.
In "T. und das Si­li­con Val­ley / Staats­streich der Tech-Mil­liar­dä­re"* von Claus Kle­ber (ZDF) sind kla­re Wor­te über das Auf­tre­ten der li­ber­tä­ren Tech-Män­ner zu hö­ren, über das auch ich ein we­nig ge­schrie­ben ha­be. 

In der dys­to­pisch wir­ken­den Re­por­ta­ge wird klar: Zu viel Geld ver­dirbt nicht nur den Cha­rak­ter, son­dern die Le­bens­grund­la­gen von Ge­sell­schaf­ten.

Staatsstreich der Tech-Milliardäre
Prädikat: empfehlenswert!
Im Sili­kon Val­ley ver­fol­gen Mil­li­ar­därs der Tech-In­dus­trien in dik­ta­to­ri­scher Ma­nie ih­re Träu­me. Sie se­hen sich selbst als le­bens­ver­län­ger­te Her­ren­men­schen auf In­seln, Yach­ten oder im All, be­dient von KI-Ro­bots; der Rest der Mensch­heit stört da­bei.
Wir dür­fen ab­sau­fen.

Hier fin­den Geld, tech­ni­sches Kon­troll­ver­mö­gen, Grö­ßen­wahn und Macht­miss­brauch zu­sam­men. Der obers­te Ban­krot­teur mit sei­nem Tou­pet kam da ge­ra­de recht.

Und es ist neu­es Geld, das sich an kei­ne Spiel­re­geln hält, das kei­ner Tra­di­ti­on und Ge­schich­te ver­bun­den ist, kein Ethos kennt.

Zum Fürch­ten gut, der Film.

______________________________
Illustration: ZDF
(*) Abkürzung von mir.

Donnerstag, 22. Mai 2025

Biodiversität

Erneut sor­gen dra­ma­tische Hoch­was­ser­mel­dun­gen für Schlag­zei­len, dies­mal aus Aus­tra­li­en. Bin­nen zwei­er Tage fiel dort so viel Re­gen, wie sonst in vier Mo­na­ten.

Bonjour auf den Sei­ten ei­ner Kon­fe­renz­dol­met­scher­in für Fran­zö­sisch, die re­gel­mä­ßig zu Um­welt- und Na­tur­schutz­the­men ar­bei­tet. Der Be­ruf macht, dass ich Nach­rich­ten nie oh­ne Hin­ter­ge­dan­ken höre.

Ex­trem­wet­ter nimmt welt­weit zu. Das Wet­ter bleibt län­ger gleich, statt wie frü­her häu­fi­ger zu wech­seln. So kön­nen gro­ße Re­gen­men­gen auf ein­mal fal­len. Tro­cke­ne, har­te Bö­den kön­nen nichts auf­neh­men, brau­nes Was­ser wird in die Flüs­se ge­spült, Hu­mus und Ern­ten ver­nich­tet.

Heu­te ist Tag der bio­lo­gi­schen Viel­falt in Er­in­ne­rung an den 22. Mai 1992, als das Übe­rein­kom­men zur Er­hal­tung der Bio­di­ver­si­tät (CBD) in Kraft trat. Über 47.000 bedrohte Ar­ten ste­hen auf der Ro­ten Lis­te. Die Na­tur funk­tio­niert nicht wie ei­ne Rei­he Do­mi­no­stei­ne, son­dern wie ein la­by­rin­thi­scher Bau aus die­sen Stei­nen. Wenn ei­ner kippt, löst das Ket­ten­re­ak­tio­nen aus, bei de­nen wir nicht wis­sen, wel­che "Ne­ben­wand" noch be­trof­fen sein wird.

Und nein, wir ha­ben kei­ne Zeit, die Stei­ne wie­der auf­zu­stel­len. Hier ist viel ir­re­ver­si­bel. In Flo­ra und Fau­na ist vie­les von­ei­nan­der ab­hän­gig, in letz­ter Kon­se­quenz ist es auch uns­re Exis­tenz.

Doch der­zeit er­le­ben wir ein Mas­sen­ster­ben von Ar­ten. Das letz­te die­ser Art liegt 65 Mil­lio­nen Jah­re zu­rück, das war die­se Sa­che mit dem As­te­ro­i­den­ein­schlag und den Di­nos. Dies­mal hat der „As­te­ro­id“ zwei Bei­ne, zwei Ar­me und ein gut ent­wi­ckel­tes Ge­hirn.

Über mei­nem zwei­ten Schreib­tisch
Of­fen­bar reicht das Ge­hirn nicht aus, um recht­zei­tig zu brem­sen.
Da­bei gibt es Lö­sun­gen. Bra­chen, Re­na­tu­rie­rung von Flüs­sen, Blüh­strei­fen, Bü­sche und Bäu­me an Acker­rän­dern, so wie frü­her, z.B. in Nord­deutsch­land mit dem „Knick“ lan­ge Tra­di­ti­on: Die Pflan­zen hal­ten Was­ser im Bo­den, lie­fern Schat­ten, för­dern mi­kro­bi­el­le Viel­falt und wir­ken als CO₂-Sen­ke.

Agro­forst­sys­te­me kön­nen zu­sätz­li­ches Ein­kom­men brin­gen, denn Bäu­me wer­den re­gel­mä­ßig er­neu­ert. Ei­ne In­i­ti­a­ti­ve for­dert nun 100.000 Ki­lo­me­ter He­cken und 100 Mil­lio­nen Bäu­me in Deutsch­land zu set­zen, das wür­de rund drei Mil­lio­nen Hek­tar Agrar­flä­che bes­ser schüt­zen.

Frank­reich geht vor­an: Seit 2024 flie­ßen 110 Mio. Euro in die Pfle­ge von 50.000 Ki­lo­me­tern He­cke, es ist der pacte en faveur de la haie. Noch gibt es dort et­wa 750.000 Ki­lo­me­ter He­cken, doch Flur­be­rei­ni­gung (le re­mem­bre­ment) und Groß­ge­rä­te ha­ben viel zer­stört. Der He­cken­be­stand ist oft ge­schwächt.

Bei solchen Projekten ist un­ser Fö­de­ra­lis­mus viel­leicht nicht ganz op­ti­mal. In Frank­reich funk­tio­niert das mit sei­nem Zen­tra­lis­mus als gro­ßes Netz­werk: Baum­schu­len, Heiz­holz­pro­duk­ti­on, Land­wirt­schafts­kam­mern, Be­rufs­ver­bän­de, al­le sind ein­ge­bun­den. Auch beim Bo­den­schutz ist Frank­reich wei­ter. Das Wort ar­ti­fi­cia­li­sa­tion des ter­res be­schreibt die 'Ent­frem­dung von Na­tur­flä­chen' durch Be­bau­ung, auf Deutsch "Flä­chen­neu­in­an­spruch­nah­me". Dass im­mer ­mehr Flä­chen ver­sie­gel­t werden, ist heu­te ein Pro­blem, wo der Kli­ma­wan­del längst zur Kli­ma­ka­ta­stro­phe ge­wor­den ist.

He­cken und Blüh­strei­fen sind Rück­zugs­or­te für In­sek­ten und an­de­re Ar­ten, dar­un­ter Be­stäu­ber, vor allem schaf­fen sie ein grü­nes Netz, sind nicht nur na­tur­na­he step­ping sto­nes (Tritt­ste­ine). Frank­reich gibt der He­cke der­zeit auch recht­lich Rück­halt.

Men­schen schüt­zen nur, was sie ken­nen. Hier auf dem Land lösen solche He­cken­of­fen­si­ven nur Schimpf­ti­ra­den aus. Lie­be Fach­mi­nis­te­ri­en: Wir hät­ten da De­le­ga­tions­rei­se­be­darf.

Ei­ne ak­tu­el­le Pe­ti­ti­on pro Hecke und Baum läuft auf weact: klick!

______________________________
Foto: C.E.

Mittwoch, 21. Mai 2025

KI und Buchmarkt

Was Dol­met­scherin­nen und Über­set­zerin­nen, Dol­met­scher und Über­set­zer um­treibt, wie wir ar­bei­ten, ist hier seit 2007 in lo­ser Fol­ge The­ma. Ich be­ob­ach­te da­ne­ben un­se­re Zeit sehr ge­nau. Heute ist wie­der KI-Mitt­woch!

Wir Sprach­ar­bei­ter:in­nen lei­den täg­lich dar­un­ter, dass man­che Nerds die KI als Al­lein­lö­sung ver­kau­fen. Die KI ist mit Über­setzen und Dol­met­schen na­tür­lich kom­plett über­for­dert. Die KI ist ein Tool, das manch­mal passt, nicht im­mer. Die wer­te Kund­schaft lässt ihre Pro­jek­te doch auch nicht von der CNC-Frä­se oh­ne Fach­men­schen um­set­zen oder di­gi­ta­les OP-Be­steck oh­ne Chi­rurg:in­nen, n'est-ce pas? Da­her war­ten wir die­ses Jahr auf die klei­nen Bom­ben, die los­ge­hen, wenn miss­bräuch­li­che KI-Nut­zung be­kannt wird.

Oft wer­den die Text­aus­wür­fe der KI mi­ni­mal von Men­schen be­ar­bei­tet, bei Auk­ti­ons­web­sei­ten für Bil­lig­ar­bei­ten prü­geln sich Men­schen oh­ne Ar­beit, in Aus­bil­dung oder frü­he­re Call­cen­ter-Mit­ar­bei­ter:in­nen aus dem Aus­land um die Jobs. Die Er­geb­nis­se sind am En­de nur ge­ring­fü­gig bes­ser, die Feh­ler fal­len oft nur Pro­fis auf, weil in der Re­gel der Aus­gangs­text beim Schleif­en kei­ne Rol­le mehr spielt. Ver­ges­sen wird hier, dass die KI In­hal­te auch er­fin­det, was Pro­fis "Hal­lu­zi­nie­ren" nen­nen. 

Dä­ne­mark zieht jetzt kla­re Gren­zen zwi­schen Über­set­zen und Nach­be­ar­bei­tung. Der eu­ro­pä­i­sche Dach­ver­band der Li­te­ra­tur­über­set­zer, CEATL, ver­mel­det ei­nen kla­ren Kurs der dä­ni­schen Ver­bän­de in Sa­chen ge­nau­er Be­zeich­nung von Sprach­ar­bei­ten: Wer ei­ne KI-Über­set­zung nur nach­be­ar­bei­tet, ist kei­ne Über­set­zer:in, so der Ver­band. 

Sommerspaß und Unterhaltung
Die Quel­le mit Links zu den dä­ni­schen Do­ku­men­ten fin­det sich hier: klick.

Un­ter­stüt­zung fin­den die Kol­leg:in­nen bei je­nen, die die Tex­te als ers­te ge­schrie­ben ha­ben, bei der dä­ni­schen Au­to­ren­ver­ei­ni­gung al­so. In ei­ner ge­mein­sa­men Er­klä­rung schrie­ben sie be­reits im April: "Ei­nige Men­schen ha­ben fälsch­li­cher­wei­se öf­fent­li­che Gel­der für Bü­cher er­hal­ten, in de­nen sie als Über­set­zer ge­nannt wur­den. In die­sen Fäl­len wur­de kei­ne ech­te Über­set­zungs­ar­beit ge­leis­tet, son­dern le­dig­lich be­reits ma­schi­nell über­setz­ter Text be­ar­bei­tet."

CEATL zu­fol­ge ha­ben die bei­den Ver­bän­de ge­mein­sam mit dem dä­ni­schen Ver­le­ger­ver­band ei­ne bran­chen­wei­te Ver­ein­ba­rung zur Nen­nung von Über­set­ze­rin­nen und KI-Lek­to­rin­nen ge­trof­fen. Sie ha­ben sich zu­dem an die dä­ni­sche Re­gie­rung ge­wandt, um recht­li­che Schrit­te ein­zu­lei­ten. Be­tont wur­de da­bei, dass die Nach­be­ar­bei­tung von KI-ge­ne­rier­ten Über­set­zun­gen nicht dem dä­ni­schen Ver­gü­tungs­recht für öf­fent­li­che Bi­blio­theks­aus­lei­hen (PLR) un­ter­liegt. Im Rah­men die­ser Re­ge­lung er­hal­ten ech­te Text­ar­bei­ter, aber auch Il­lus­tra­tor:in­nen und Kom­po­nist:in­nen für die öf­fent­li­che Aus­lei­he ih­rer Wer­ke durch Bi­blio­the­ken Tan­tie­men aus­ge­schüt­tet.

Für die Nach­be­ar­bei­tung von KI-Aus­wür­fen gibt es künf­tig kei­ne Ur­he­ber­rechts­ver­gü­tung für die Be­ar­bei­ter:in­nen mehr. Noch ein Punkt: "Die Nach­be­ar­bei­tung ma­schi­nell über­setz­ter Bü­cher darf nicht als Über­set­zung be­zeich­net wer­den."

Hier wird deutlich, dass es kla­rer Re­geln für KI im Ver­lags­we­sen bedarf, ins­be­son­de­re auf eu­ro­päi­scher Ebe­ne. Auch ei­ne Re­form des AI-Code of Prac­ti­ce  der EU wird an­ge­mahnt.

Buch­tipps für den Som­mer 25
Die­ses Ver­hal­ten ist nicht tech­no­phob, son­dern sprach­po­li­tisch zu ver­ste­hen, au­ßer­dem ken­nen Pro­fis "ih­re Pap­pen­hei­mer", rech­nen mit der oft frei­dre­hen­den KI.

Ach, hätte doch die Chicago Sun-Times, eine ge­mein­nüt­zi­ge Ta­ges­zei­tung aus Chi­ca­go, Il­li­nois, ih­re Tex­te bes­ser kon­trol­liert. Hier wur­de ChatGPT ge­nutzt, um Le­se­tipps für den Som­mer 2025 zu­sam­men­zu­stel­len. Ein frei­be­ruf­li­cher, ver­mut­lich schlecht­be­zahl­ter Journalist, er kam von ei­nem ex­ter­nen Zu­lie­fe­rer, so­wie die Re­dak­tion hat­ten ver­ges­sen, den Text zu prü­fen.

Auf der ver­öf­fent­lich­ten Lis­te ste­hen die Ti­tel le­ben­der Au­tor:in­nen, aber mehr als die Hälf­te der emp­foh­le­nen Bü­cher gibt es nicht, da­für ste­hen hier so­gar de­tail­lier­te Buch­be­schrei­bun­gen, dar­un­ter für die Ti­tel "Tide­wa­ter Dreams" (Ge­zei­ten­träu­me) von Isa­bel Al­len­de, ma­gi­scher Re­a­lis­mus meets Kli­ma­ka­tas­tro­phe, oder "The Last Al­go­rithm", der letz­te Al­go­rith­mus, von Andy Weir. Die Ti­tel sind kom­­plett von der KI hal­lu­zi­niert. Eine an­de­re Zei­tung, der Phi­la­del­phia In­qui­rer, hat­te die Son­der­aus­ga­be eben­falls un­ge­prüft über­nom­men. 

Der freie Au­tor darf nun nicht mehr für die Sun-Times bzw. die Zu­lie­fer­fir­ma ar­bei­ten. Die­ser Zu­lie­fe­rer er­klär­te, dass "un­se­re Mit­ar­bei­ter, Ka­ri­ka­tu­ris­ten, Ko­lum­nis­ten und frei­e Au­to­ren strikt ge­gen den Ein­satz von KI zur Er­stel­lung von In­hal­ten sind." Nun ja.

Die Chi­ca­go Sun-Times ist ein ge­mein­nüt­zi­ges Blatt, wird in­des nicht gra­tis aus­ge­lie­fert. Auf ei­ner Ex­tra­sei­te wid­met sich die Re­dak­tion des Vor­falls: klick. Dort steht der Kern­satz: "Wir be­fin­den uns in ei­ner Zeit gro­ßer Ver­än­de­run­gen in Jour­na­lis­mus und Tech­no­lo­gie, und zu­gleich steht un­se­re Bran­che wei­ter­hin wirt­schaft­li­chen Pro­ble­men ge­gen­über. Dies soll­te ein lehr­rei­cher Mo­ment für al­le jour­na­lis­ti­schen Un­ter­neh­men sein: Un­se­re Ar­beit wird ge­schätzt, und sie ist wert­voll, we­gen der Men­schen, die da­hin­ter ste­hen."  Hoffen wir das Bes­te. Denn es schim­mert ein Ge­schäfts­mo­dell durch: Im­mer häu­fi­ger se­hen sich Me­di­en als Ver­käu­fer von Wer­bung, die In­hal­te sind we­ni­ger wich­tig. Der größ­te Mei­nungs­ma­cher Deutsch­lands, der Kon­zern um die BLÖD-Zei­tung, macht es vor. Hier ist Re­gu­lie­rung wich­tig. Auch, was die Ein­hal­tung jour­na­lis­ti­scher Stan­dards an­geht. 

NO­TIZ: Frü­her war ich Jour­na­lis­tin, bis heu­te prü­fe ich mei­ne Quel­len gründ­lich.

______________________________
Il­lus­tra­tio­nen: Chi­ca­go Sun-Times
(In ein 2. Fens­ter ge­la­den, las­sen sie 
sich ver­grö­ßern.)

Dienstag, 20. Mai 2025

Nazisprache

Was Dol­met­scher­in­nen und Über­set­zer­in­nen (und die Her­ren im Be­ruf) tag­ein, tag­aus be­schäf­tigt, wie wir ar­bei­ten, be­schrei­be ich hier in mei­nem di­gi­ta­len Ar­beits­ta­gebuch, und ich den­ke auch über die Spra­che nach, z.B. heu­te.

Eine ge­wis­se Par­tei vom sehr, sehr rech­ten Rand wirbt der­zeit für sich mit ei­nem Slo­gan, der "in Deutsch­land auf­räu­men" lau­tet. Das ist al­les an­de­re als neu­tral, son­dern ge­schichts­ver­ges­sen und per­fi­de. Schon die NSDAP ver­mein­te vor über 100 Jah­ren in Deutsch­land ei­nen "Sau­stall" zu er­ken­nen, der end­lich "aus­ge­mis­tet" ge­höre.

Die Ge­mein­schaft müs­se, so das ver­quas­te Ge­dan­ken­gut, von "frem­den Ele­men­ten" "ge­säu­bert" wer­den, zu­nächst der Staats­ap­pa­rat, das Be­am­ten­tum, die Leh­rer- und Rich­ter­schaft, dann die Be­völ­ke­rung. Die "Ent­fer­nung frem­der Schä­dlin­ge", im­mer al­les in ei­nem Atem­zug, sei die "Lö­sung".

Wer ein his­to­ri­sches Be­wusst­sein hat oder viel­leicht so­gar selbst be­trof­fen ist, weiß zu ge­nau, was die­se Kampf­be­grif­fe an­kün­di­gen sol­len. "Har­tes Durch­grei­fen", "kein Par­don ken­nen", "Ord­nung schaf­fen" sind schlecht kaschier­te Droh­un­gen. Das "Auf­räu­men" führ­te, wie wir wis­sen, zu Über­fäl­len, Ge­wal­tex­zes­sen bis hin zum in­du­stria­li­sier­ten Mas­sen­mord. "Auf­räu­men" ist ein Kampf­be­griff.

Victor Klemperer - LTI
Spra­che des "Drit­ten Reichs"
Wir Sprach­ar­bei­te­r:in­nen kön­nen das Wör­ter­buch der heu­ti­gen Un­men­schen er­stel­len und stän­dig al­les über­set­zen, ja, wir müs­sen es so­gar. "Re­mi­gra­tion" be­deu­tet De­por­ta­tion. Wer heu­te von "Um­vol­kung" schwa­felt, hät­te frü­her "Be­dro­hung des deut­schen Volks­kör­pers durch frem­des Blut" ge­sagt.

Ver­steckt wird die Ge­walt hier nur kaum. Et­li­che Funk­ti­onä­re der unaussprechlichen Partei tre­ten auf die Brem­se und be­fin­den: "Man­ches kann man in der Öf­fent­lich­keit (noch) nicht sa­gen."

Aber je häu­fi­ger sie ih­re Spra­che der Men­schen­fein­de ver­wen­den, des­to mehr ge­wöhnt sich das Pu­bli­kum dran und über­nimmt viel­leicht hier oder da Be­stand­tei­le. Oder der po­li­ti­sche Ge­gner.

Und auch ver­meint­lich bür­ger­li­che Par­tei­en ver­än­dern un­ter dem Druck der man­tra­ar­tig vor­getra­ge­nen Lü­gen von den Bar­ba­ren, die uns heim­su­chen wol­len, nicht nur die ei­ge­ne Rhe­to­rik, son­dern auch For­de­rung­en und Pläne.

Als Tee­nager ha­be ich mir bei den Som­mer­ur­lau­ben in der DDR das Buch "LTI" ge­kauft, die Buch­sta­ben ste­hen für Lin­gua Ter­tii Im­pe­rii. Es war 1947 im Os­ten er­schie­nen und stammt vom Phi­lo­lo­gen Vic­tor Klem­pe­rer. Ich ha­be dann je­des Jahr ein wei­te­res Ex­em­plar ge­kauft und an Schul­freun­din­nen und -freun­de wei­ter­ver­schenkt. 

Klem­pe­rer an­aly­siert mes­ser­scharf die Sprach­ver­hun­zung und die An­kün­di­gung der Ge­walt­ak­te durch die Spra­che. Gleichzeitig ist das Buch das Do­ku­ment sei­nes ei­ge­nen Über­le­bens in Dres­den. Ich le­se nach und stel­le fest, dass dies hier der drit­ter Ein­trag ist, in dem ich innerhalb von fast 20 Jahren das Buch "LTI" er­wäh­ne (hier die älte­ren Blog­posts).

"Was je­mand wil­lent­lich ver­ber­gen will, sei es nur vor an­dern, sei es vor sich sel­ber, auch was er un­be­wußt in sich trägt: die Spra­che bringt es an den Tag."
Vic­tor Klem­pe­rer (1881–1960)

Aus­schrei­bung: Ich ha­be im Haus mei­ner El­tern noch zwei DDR-Aus­ga­ben aus den 1980-ern ge­fun­den und ver­lo­se sie. Für das "Los" er­bit­te ich um die Zu­sen­dung ei­nes kur­zen Texts oder ei­ni­ger Sät­ze da­rü­ber, wie Sie, lie­be Le­se­rin, lie­ber Le­ser, Dol­met­scher­in­nen oder Dol­met­scher (oder nur ei­ne Per­son von uns) wahr­ge­nom­men ha­ben, ger­ne mit der Er­laub­nis, die Zei­len ver­öf­fent­li­chen zu dür­fen.

Fal­ten Sie bit­te das Blatt, schrei­ben Sie ei­nen Co­de­na­men auf das zwei­fach ge­fal­te­te Pa­pier, zum Bei­spiel Mi­ckey Mou­se, und dann den Co­de­na­men, den rich­ti­gen samt Ad­res­se und Er­reich­bar­keit auf ei­nen an­de­ren Zet­tel und fal­ten Sie es, oh­ne den Co­de­na­men zu wie­der­ho­len. Am letz­ten Au­gust­tag ent­schei­det das Los.

______________________________
Fo­to: Re­clam

Montag, 19. Mai 2025

Montagsschreibtisch (91)

Seit 2007 be­schrei­be ich hier mei­nen sprach­be­ton­ten All­tag. Ich bin Kon­fe­renz­dol­met­scher­in und Über­set­ze­rin, ar­bei­te mit der fran­zö­si­schen Spra­che (und aus dem Eng­lischen). Das Über­set­zen ist nur ein Teil mei­ner Ar­beit, in der Haupt­sa­che bin ich Dol­met­scher­in. Heu­te wie­der: Blick auf den Schreib­tisch.

Mor­gens um acht, die Tas­se Kaf­fee dampft, das Fens­ter steht of­fen und mein Schreib­tisch liegt im bes­ten Mor­gen­licht, be­reit für das, was da kom­men mag. Noch ist es ru­hig. Die Kat­ze schnarcht in der Ecke, sie hat wie im­mer ihr Wo­chen­en­de ver­län­gert. Ich hin­ge­gen bin wach, vor­be­rei­tet, vol­ler Vor­freu­de auf das, was die kom­men­den Ta­ge brin­gen wer­den.

Zeichnung: Frau am Schreibtisch
Oft zeichne ich mir Lerngrafiken
Auf dem Zet­tel die­se Wo­che:

❦ ein Hauch Städ­te­bau
❦ ein Pri­se Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie
❦ ir­gend­wo da­zwi­schen gibt es mög­li­cher­wei­se ein spon­ta­nes Brie­fing zu eu­ro­pä­ischer Agrar­po­li­tik, das sich heu­te Mit­tag noch in mei­nen Post­ein­gang ver­ir­ren könn­te. Viel­leicht.
❦ Ter­min­pla­nung und Kol­leg:­in­nen­su­che für den Ju­ni
❦ Glos­sar­nach­be­rei­tung zu letz­ter Wo­che
❦ Mitt­woch wie­der die Cho­se mit der Ma­schi­ne, die an­geb­lich über­setzt, da­zu aber spä­ter.

Ich sa­ge nur: Es wird wie­der mensch­lich. Noch ist der Ka­len­der über­schaubar. Die Ta­sche steht ge­packt. Die Stimm­bän­der sind ge­ölt. Die Glos­sa­re war­ten dar­auf, er­gänzt zu wer­den.

Und ja, ich geb’s zu: Ich hät­te Lust auf ei­ne schi­cke Kon­fe­renz mit ech­ten Men­schen, ech­tem Kaf­fee, ech­ten Ge­sprä­chen. Scha­de, dass die­se Wo­che kei­ne De­le­ga­tions­rei­se an­ge­sagt ist. Mein Kopf braucht an­de­re In­hal­te als die der ak­tu­el­len Po­li­tik, die mich be­las­tet.

Al­so, lie­be Kun­din­nen und Kun­den, wer zu­erst mailt, be­kommt zu­erst ei­ne Ant­wort. Lo­gisch. Die Wo­che ist jung, mein Kopf ist klar, ich bin start­be­reit.

______________________________
Il­lus­tra­tion: pixrl.com (Zu­falls­fund)

Sonntag, 18. Mai 2025

Form follows function, auch privat

Bon­jour und hal­lo! Hier bloggt seit 2007 ei­ne Sprach­ar­bei­te­rin mit der Mut­ter­spra­che Deutsch über das Le­ben von Dol­met­schern und Dol­met­sche­rin­nen. Mei­ne Haupt­ar­beits­spra­che ist Fran­zö­sisch. Sonn­tags bin ich hier gern pri­vat.

Hängeschränkchen mit Teedosen, Kochbüchern, Küchenwaage
Über der Sitz­bank
Drau­ßen sieht es zwi­schen­durch nach Früh­jahr aus, sonst ha­ben wir ge­ra­de "schö­ne iri­sche Som­mer­ta­ge", um 'nen Freund zu zi­tie­ren. Nicht, dass ich mich über Re­gen be­kla­gen wür­de, im Ge­gen­teil: Wir hat­ten bis­lang ein zu tro­cke­nes UND zu war­mes Früh­jahr. Aber kal­ten Wind und ei­ne Hu­sche al­le 20 Mi­nu­ten schät­ze ich an frei­en Ta­gen we­ni­ger. Ich lie­be Wo­chen, in de­nen es je­de Nacht ei­nen kräf­ti­gen Land­re­gen gibt, ger­ne in der zwei­ten Nacht­hälf­te, für die Nacht­schwä­rme­rin­nen un­ter uns.
Ber­lin­sonn­tag mit Kul­tur­ter­min und Über­le­gun­gen: Wir brau­chen ei­nen grö­ße­ren Kühl­schrank, was die ge­sam­te Kü­chen­pla­nung durch­ei­nan­der­wirft. 

Über mei­ne Kü­che den­ke ich nicht erst seit dem letz­ten Ein­satz bei ei­ner De­sign­mes­se nach. Ich hat­te schon beim Ein­zug die Ar­beits­flä­che so hoch­ge­setzt, dass zwei gro­ße Men­schen gut da­ran ar­bei­ten kön­nen und so Platz ge­schaf­fen für Spü­le UND Spül­ma­schi­ne di­rekt da­run­ter. Wir ko­chen hier frisch. Bis­lang hat der klei­ne un­ter­baufä­hi­ge Kühl­schrank aus­ge­reicht, der im Win­ter oft aus blieb, weil die Spei­se­kam­mer kühl ist. Die Woh­nung liegt um­ge­ben von Ki­nos, Ein­kaufs­lä­den und mit dem Wo­chen­markt vor der Haus­tür, Dorf­le­ben mit kur­zen We­gen. (Ich ha­be in al­len Groß­städ­ten so ge­lebt.)

Grundriss
Aktueller Planungsstand
Aber die Ar­beits- und Rei­se­rhyth­men än­dern sich. Al­so zeich­ne ich ein Wunsch­mö­bel, 100 cm hoch, 113 cm breit, und un­ter­brei­te es Hand­werks­be­trie­ben, schau­e mich pa­ral­lel kurz auch nach ei­nem al­ten Teil um (H: 100, B: 70, T: 61), an das et­was Schrä­ges an­ge­baut wer­den könn­te, denn an der Wand ist zwi­schen Tür­sturz und Wand nur 40 cm Spiel­raum und ein Rohr da­zu (im Plan li­la und ocker).
Un­ser Oze­an­damp­fer von Buf­fet darf wei­ter­zie­hen in ei­ne Fa­mi­lie, die es liebt und auf­ar­bei­tet. An sei­ne Stel­le kommt der neue Kühl­ot­to (im Plan dun­kel­blau).

50-er Jahre-Buffet
Der "Ozeandampfer"
Das Nach­den­ken war be­reits An­lass, um Koch­bü­cher aus­zu­sortie­ren. Es sind et­li­che üb­rig­ge­blie­ben. Aus man­chen ha­be ich noch Re­zep­te ab­fo­to­gra­fiert. Und der Ent­schluss steht fest, ei­ne Dunst­ab­zugs­hau­be ist oh­ne di­rek­ten Luft­aus­lass blöd, al­so kom­men die Topf­deckel über den Herd in ein um­ge­bau­tes Rack. Ich lie­be den hand­werk­li­chen Teil die­ses Nach­den­kens.

______________________________
Fo­to: C.E. 

Mittwoch, 14. Mai 2025

KI und Pareto Prinzip, Spoiler: nicht!

Bien­ve­nue, wel­come und herz­lich will­kom­men hier im Weblog ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. Wie Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zer, Dol­met­scher­in­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, da­rü­ber schrei­be ich in lo­ser Fol­ge ver­fol­gen. Ich ar­bei­te mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch (die Spra­che Sha­kes­pea­res nur als Aus­gangs­spra­che). Heu­te: Blick auf die KI ... und was sie auf dem Über­set­zer­schreib­tisch an­rich­tet.

Manch­mal er­wischt mich auf dem kal­ten Fuß, wie wenig man­che In­for­ma­ti­ker, deren Be­ruf die Tech­nik ja ist, von der KI ver­ste­hen. Ein al­ter Freund, der lange in Eng­land ge­lebt hat und der heu­te re­gel­mä­ßig mit eng­lisch­spra­chi­gen Län­dern kor­res­pon­diert, dabei ge­le­gent­lich auch bei grö­ße­ren Text­men­gen auf die KI zu­rück­greift, meinte, ich solle bei der Sprach­ar­beit doch dem Pa­re­to-Prin­zip folgen: 20 Pro­zent des Ge­samt­auf­wands ein­set­zen, um 80 Pro­zent der er­for­der­ten Ar­beit zu er­le­di­gen.

Ok, se­hen wir uns das mal an. Bei der Über­set­zung Copy and Paste als "Ar­beit" ver­ste­hen, ein­mal durch die Ma­schi­ne jagen, dann Durch­le­sen, größ­te Klop­per raus­fi­schen, Recht­schrei­bung, biss­chen Stil an­pas­sen und gut is', ja?

Keksdose mit Spielgeld
Die ver­steck­te Geld­scha­tul­le in un­se­rem El­tern­haus
Bei den meis­ten krea­ti­ven Dreh­bü­chern, die ich in die Fin­ger be­kom­me, liest sich eine au­to­ma­ti­sier­te Über­tra­gung in eine an­de­re Spra­che wie im Suff in eine Ma­schi­ne dik­tiert, die zwi­schen­durch rö­deln muss, weil das Netz wackelt: Lö­cher, fal­sche Be­zü­ge, wort­wört­lich Rü­ber­ge­schwupp­tes, merk­wür­di­ge Be­griffs­wahl, sel­te­ne Aus­drücke mit Ter­mi­ni aus den se­man­ti­schen Fel­dern an­de­rer The­men­be­rei­che er­gänzt. 

Kurz: Wenn ich da nach 20 Pro­zent der Zeit auf­hö­re, hin­ter­las­se ich meis­tens das Schlacht­feld, das die KI man­gels Fin­ger­spit­zen­ge­fühl an­ge­rich­tet hat.

Bei ein­fa­che­ren, stan­dar­di­sier­ten Tex­ten bin ich nach 20 Pro­zent der Zeit auch noch nicht fer­tig, denn ich muss ja stän­dig auf meh­re­ren Ebe­nen nach­den­ken. Ich ver­glei­che Aus­gangs­text, ei­ge­ne Lö­sung, Ma­schi­nen­lö­sung und muss über­le­gen, wie ich Letz­te­re ohne viel Tip­pe­rei in die rich­ti­ge Rich­tung "ge­dreht" be­kom­me. Qua­li­fi­zier­tes Le­sen dau­ert im­mer län­ger als das Quer­le­sen von Men­schen, die nur die Ziel­spra­che be­herr­schen und schnel­ler glau­ben, das "Rich­ti­ge" zu er­ken­nen. Au­ßer­dem muss ich wirk­lich stän­dig auf der Hut sein vor gro­ben Feh­lern, gehe im­mer zwi­schen den zwei Tex­ten und dem drit­ten, mög­li­chen, der in mei­nem Kopf ent­steht, hin und her und kom­me so gar nicht in den Flow. Diese Art von Ar­beit ist sehr viel an­stren­gen­der als rei­nes Über­set­zen, ich ver­lie­re schnel­ler die En­er­gie, ma­che mehr Pau­sen.

Für eine über­ar­bei­te­te Halb­fer­tig­wa­re, die als Aus­wurf viel­leicht zu 20 Pro­zent gut ist, wo­bei 80 Pro­zent noch von mir bei­ge­steu­ert wer­den müs­sen, möch­ten die von der KI ver­äppel­ten Kun­den oft nur noch 20, 30 Pro­zent frü­he­rer Prei­se zah­len. Das Gros der Fein­ar­bei­ten kann ich al­ler­dings nicht mit Spott­ra­batt er­stel­len, ohne in Ho­no­rar­be­rei­che pro Stun­de zu lan­den, für die nicht ein­mal Tee­nager das ört­li­che Wer­be­blatt aus­tra­gen ge­hen wür­den.

Der neu­es­te "Move" man­cher Fir­men ist da­her: "Wir ma­chen nur noch KI und haus­in­tern liest je­mand ge­gen." Wir Sprach­pro­fis la­chen da ein­mal kurz und räu­spern uns. Ei­gent­lich wäre un­ser La­chen aber hä­misch und mit dem Kö­nig von Sach­sen kom­men­tiert: "Macht doch Eu­ren Dreck al­lee­ne!" Ver­hunz­te Tex­te, die nicht das be­in­hal­ten, was sie sol­len, sind doch über­aus prak­tisch in Fer­ti­gung, Ver­kaufs­pla­nung, Wer­bung, Kun­den­in­for­ma­tion zu Pro­duk­ten — und sie sind in vie­len Fäl­len so­gar si­cher­heits­re­le­vant bzw. be­treffen die Ge­währ­leis­tung. Wir war­ten jetzt dar­auf, dass die sich ein­stel­len­den ju­ris­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen mög­lichst rum­spre­chen und die Fir­men ein mög­lichst ho­hes Lehr­geld kos­ten wer­den, da­mit die Pres­se auch be­rich­tet.

Es wur­den auf Mes­sen be­reits Fly­er ge­sich­tet, auf de­nen wort­reich Rum­ge­schwur­bel­tes steht, wobei die ein­deu­ti­gen Aus­sa­gen feh­len, wo­rum es geht. In man­chen ste­hen so­gar grobe Feh­ler. Die Mes­se­fach­be­su­che:rin­nen, mit de­nen ich vor Ort war, gin­gen beim ers­ten Rund­gang, also vor mei­ner An­kunft, rasch wei­ter ... bis ich beim zwei­ten Durch­gang als Dol­metsche­rin auf ei­nem Ge­spräch vor Ort be­stand und klar wur­de: Ge­nau hier fin­det sich das Ge­such­te! Oder stel­len Sie sich ei­nen Mar­ke­ting­text vor, der sich eben so liest, wie die KI ar­bei­tet: durch­schnitt­lich.

Die KI "iden­ti­fi­ziert" Kern­be­grif­fe, ihre wei­te­re Wort­wahl wird dann durch die Häu­fig­keit be­stimmt, mit der ge­wis­se Wör­ter in Zu­sam­men­hang mit die­sem Kern­be­griff in an­de­ren Tex­ten vor­kommt. Jeg­li­che Be­mü­hung um Search En­gine Op­ti­mi­sa­tion ist da­mit ver­lo­ren, die Such­ma­schi­nen stu­fen diese Tex­te bzw. Sei­ten schlech­ter ein, sie sin­ken in der Lis­te der bei Such­vor­gän­gen an­ge­ge­be­nen Fund­stel­len. Diese KI-Aus­wür­fe sind ein gro­ßer Fake, ge­nau­so, wie Sie mit Spiel­geld, sie­he Fo­to, im La­den nichts kau­fen kön­nen. Oh­ne die kor­ri­gie­ren­de Hand von Men­schen ist die KI po­ten­ziell ge­fähr­lich. Denn stel­len­wei­se le­sen sich ih­re Aus­wür­fe über­ra­schend gut, aber das gilt für Stan­dard­tex­te, bei de­nen die Fall­stricke wo­an­ders lie­gen (z.B. ju­ris­ti­sche Un­ter­schie­de zwi­schen den Län­dern).

Bei vie­len Pro­duk­ten gibt es ge­setz­li­che Vor­ga­ben zu Pro­dukt­da­ten­blät­tern, das wird ger­ne ver­ges­sen. Und Haf­tun­gen. Und Me­di­en. Die Bla­se wird plat­zen, viel­leicht die­ses Jahr noch, und zwar laut.

Und da sich die Qua­li­täts­an­for­de­run­gen nicht dau­er­haft ab­sen­ken las­sen, wer­den vor al­lem die Preis­bre­cher­agen­tu­ren, auch Bottom feeder oder Bil­lig­bu­den ge­nannt, die zu 99 Pro­zent auf den Preis und zu zwei Pro­zent auf die Qua­li­tät ge­setzt ha­ben, hof­fent­lich die Kon­kurr­enz der KI bald gut spü­ren. Zwei-Cent-Pro-Wort-Agen­tu­ren braucht wirk­lich nie­mand.

______________________________
Foto: C.E.

Dienstag, 13. Mai 2025

Internationaler Tag der Pflege

Mei­ne Haupt­ar­beits­spra­che beim Dol­met­schen ist Fran­zö­sisch, denn ich dol­met­sche in bei­de Rich­tun­gen (oder aus dem Eng­li­schen ins Fran­zö­si­sche). Deutsch ist mei­ne Mut­ter­spra­che und schrift­lich die wich­tigs­te Ziel­spra­che.
Die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt ins Eng­li­sche. Aber es gibt ja nicht nur den Be­ruf.


Ein schö­nes Erb­stück
Ges­tern war der in­ter­natio­na­le Tag der Pfle­ge. In Deutsch­land wer­den An­ge­hö­ri­ge in neun von zehn Fäl­len zu­hau­se ge­pflegt. Und die meis­ten An­ge­hö­ri­gen, die das ma­chen, sind er­schöpft und füh­len sich al­lein­ge­las­sen.

Was am meis­ten ätzt, ist ne­ben der stän­di­gen Über­for­de­rung die mit der Pfle­ge ver­bun­de­ne Bü­ro­kra­tie, ein ve­ri­ta­bles Pa­ra­gra­fen­di­ckicht, durch das schon Pro­fis nur schwer durch­stei­gen.

Die An­ge­bo­te sind schlicht so über­kom­plex, dass vie­le An­sprü­che ver­fal­len, weil kaum je­mand da­zu kommt, sich ver­tieft ein­zu­le­sen. Es gibt auch zu vie­le In­for­ma­tio­nen, die ei­nem mal hier, mal dort um die Oh­ren ge­knallt wer­den. Sor­tie­ren muss mensch al­lei­ne.

Bes­ser wä­re, al­les ein­fach zu struk­tu­rie­ren, die An­spruchs­ar­ten und An­sprech­stel­len zu­sam­men­zu­füh­ren, die In­fos hier­ar­chisch auf­zu­bau­en, vie­le Er­stat­tun­gen zu au­to­ma­ti­sie­ren, auch bei Pri­vat­ver­sicher­ten. Wo­bei: Bes­ser als die Zwei­klas­sen­me­di­zin fän­de ich ei­ne gu­te, ver­läss­li­che Kas­sen­ver­sor­gung für al­le, al­so ei­ne groß­ar­tige Ge­sund­heits­kas­se, die viel­leicht in zwei, drei fi­nan­ziell trag­fä­hi­ge und aus­ge­gli­che­ne Groß­re­gio­nen un­ter­teilt sein könn­te, auf dass die be­rühm­te Kon­kurrenz ent­ste­hen mö­ge, die an­geb­lich das Ge­schäft be­lebt.

Ich ver­ste­he nicht, wie 300 Kran­ken­kassen­vor­stän­de, 300 Kran­ken­kassen­vor­stands­vor­zim­mer und 300 Kran­ken­kassen­vor­stands­li­mou­si­nen­fah­rer die me­di­zi­nische Ver­sor­gung in un­se­rem Lan­de ver­bess­ern sol­len. Fürs Haut­krebss­cree­ning war­te ich als Fuß­volk sechs Mo­na­te, mei­ne Mut­ter, sie war mal Leh­re­rin, sechs Stun­den.

Erin­ne­rung an Graal-Mü­ritz (1920-er Jah­re)
Bei fast je­dem Te­le­fo­nat ist für mich das The­ma Pri­vat­ver­siche­rung ein Schlag ins Kon­tor, ei­ner De­mo­kra­tie un­wür­dig. Und dann ist da noch die­se Pra­xis oh­ne Kas­sen­sitz: "Wir neh­men nur Pri­vat­ver­sicher­te als Pa­tien­tin­nen an." Ich freue mich über den schnel­len Ter­min für Mut­tern.
Und ich fra­ge mich: Hat die be­trof­fe­ne Fach­kraft ei­gent­lich schon der Staats­kasse die Kos­ten ih­res Stu­di­um zu­rück­ge­zahlt?

Als vor lan­ger Zeit je­mand vom Me­di­zi­ni­schen Dienst (MD) we­gen der Pfle­ge­ein­stu­fung zu uns kam und auch al­le an­de­ren Da­ten auf­nahm, wir sind zwei Haupt­pfle­gen­de, die aus Ber­lin in ei­ne an­de­re Stadt pen­deln, mein­te die Da­me: "Zwei Men­schen, die nicht orts­an­säs­sig sind, sind hier ver­ant­wort­lich? Das ist nicht glaub­wür­dig! Gut wä­re noch der Na­me ei­ner orts­an­säs­si­gen Per­son!" Ge­sagt, ge­tan. Ta­ge spä­ter war ich zu­fäl­lig als Dol­met­sche­rin in der zu­stän­di­gen Be­hör­de und ha­be nach­ge­fragt. Ant­wort: Ren­ten­punk­te für die Pfle­ge kön­nen sich ma­xi­mal zwei Men­schen tei­len, sonst ver­fal­len die An­sprü­che. (Wir ha­ben da na­tür­lich so­fort kor­res­pon­diert.)

Fra­ge: War­um macht ei­ne MD-Da­me so et­was? Be­kommt sie Pro­zen­te?

Und wenn ich das rich­tig ver­stan­den ha­be, er­hal­te ich als Frei­be­ruf­le­rin zwar die­se Ren­ten­punk­te für mei­nen Fa­mi­li­en­ein­satz gut­ge­schrie­ben, aber nie aus­be­zahlt bzw. erst dann, wenn ich min­des­tens fünf Jah­re in das Sys­tem ein­ge­zahlt ha­be. Ei­nen an­spruchs­vol­len Be­ruf zu wup­pen, da­ne­ben noch An­ge­hö­ri­ge zu um­sor­gen und dem Vor­schlag des fest­an­ge­stell­ten Lei­ters zu fol­gen, der mir bei dem Ter­min riet: "Su­chen Sie sich doch ei­nen 450-Eu­ro-Job" fin­de ich, ge­lin­de ge­sagt, ei­ne Un­ver­schämt­heit. Nachts schla­fe ich. Oder was stellt sich der Herr da so vor? Soll ich leicht be­lei­det in ei­nem Nacht­club an­fan­gen, oder was?

Bei ei­nem an­de­ren Ein­satz zum The­ma der Ka­rie­re­ver­hin­de­rung von Frau­en ler­ne ich den Aus­druck le trou dans la raquette. Da­bei be­zeich­net la ra­quette den Ten­nis­schlä­ger. Die Re­de­wen­dung wird, wie ich spä­ter ler­ne, meis­tens im Plu­ral ver­wen­det, es sind al­so Lö­cher im Ge­flecht des Ten­nis­schlä­gers. Sie kommt aus dem Eng­li­schen holes in the ra­cket, und soll dar­auf hin­wei­sen, dass ein Ge­setz oder ei­ne Vor­schrift zu un­ge­nau ist, um al­le Per­so­nen oder Grup­pen zu er­fas­sen, für die Ge­setz oder Vor­schrift ei­gent­lich be­stimmt sind.

Die Aca­dé­mie fran­çaise er­klärt die Re­de­wen­dung und schlägt an­stel­le des oben­ste­hen­den Neo­lo­gis­mus pas­ser entre les mailles du fi­let vor, wört­lich: „durch die Ma­schen des Net­zes schlüp­fen“, auf Deutsch: „durchs Netz fal­len“.

______________________________
Foto: C.E., Fort­set­zung von
ges­tern, Tur­ban­schnecke

Montag, 12. Mai 2025

Montagsschreibtisch (90)

Aus­weich­schreib­tisch im Schlaf­zim­mer
Wie Dol­met­sche­r:in­nen ar­bei­ten, ist hier im neun­zehn­ten Jahr Ge­gen­stand die­ses Web­logs. Mei­ne Mut­ter­spra­che ist Deutsch, ich ar­bei­te mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Hier folgt der Wo­chen­über­blick.

E
s ist Montag, die Hand­werker sind im Haus. Nicht bei uns, son­dern in der di­rek­ten Nach­bar­schaft. Erst dach­te ich, dort wer­den Bö­den ab­ge­schlif­fen, aber es sind die Wän­de! Ge­schlif­fe­ne Wän­de an­stel­le von Rau­fa­ser. Schön ist das ja. Aber laut.

Ich zie­he mich in den kleins­ten Raum der Woh­nung zu­rück, der ein we­nig um­de­ko­riert wur­de. Ich hat­te ihn hier in sei­ner al­ten Form bereits ge­bracht (hier).

Kleiner Wandschrank, Schubladenschrank, Bild, Eiffelturm, Muschel, Foto
In ge­schlos­se­nem Zu­stand

Auf dem Schreib­tisch:
  Ein Af­ri­ka­the­ma
  nach dem Ar­beits­wo­chen­en­de: Er­ho­len!
❦  Wort­feld­ar­beit (Nach­be­rei­tung Kon­fe­renz)
  Ur­‍ba­‍nis­‍mus und Was­ser
❦  Buch­hal­tung


___________________________
Fotos: C.E.

Freitag, 9. Mai 2025

Die Schildkröte

Seit 2007 be­schrei­be ich hier mei­nen sprach­be­ton­ten All­tag. Ich bin Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin und Über­set­ze­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che (und, sel­te­ner, Eng­li­sch). Ich ar­bei­te in Ber­lin, Pa­ris, Schwe­rin, Mar­seil­le, Lyon, Mün­chen und dort, wo ich ge­braucht wer­de.

Ge­se­hen in Frank­reich
Manch­mal sind Ver­trags­ver­hand­lun­gen ein we­nig he­raus­for­dernd. So war es bei Klaus. Wir sind ein­an­der beim Yoga im Kurz­ur­laub be­geg­net und ha­ben beim Ver­ren­ken ge­merkt, dass wir ei­nen ähn­li­chen Hu­mor ha­ben. Am Abend haben wir bei ei­nem Drink über Gott und die Welt ge­quatscht. Vor dem Auf­bruch war kurz die Ar­beit un­ser The­ma (die sonst in Deutsch­land im­mer an ers­ter Stel­le steht).

Mon­sieur ist als Deut­scher in ei­nem Eu­ro-Be­triebs­rat tä­tig, darf ge­le­gent­lich auch Ver­an­stal­tun­gen in Frank­reich pla­nen, ich bin Dol­met­sche­rin. Fünf Mi­nu­ten Ge­schäfts­talk, uns per Lin­kedIn ver­netzt, dann wie­der auf Ur­laubs­mo­dus ge­schal­tet.

Fast zwei Jah­re spä­ter kam ei­ne An­fra­ge. Klaus' Ton war fort­ge­setzt hu­mor­voll. Es geht um ei­ne ein­wö­chi­ge De­le­ga­tions­rei­se durch Süd­frank­reich mit kon­se­ku­ti­vem Dol­met­schen. Er hat mich ge­fragt, ob für die Rei­se­ta­ge Mit­te Ju­ni auch groß­zü­gig re­du­zier­te Ho­no­rar­sät­ze mög­lich sei­en.

Mei­ne Ant­wort:

Lie­ber Klaus,

das Pro­gramm liest sich groß­ar­tig, die Kon­di­tio­nen ge­hen klar — bis auf ein Häk­chen: das hal­be Ho­no­rar an den Rei­se­ta­gen. In der Haupt­sai­son ist das für uns wie bei ei­nem Ho­tel am Meer: Ob sich je­mand da tags­über auf­hält oder nicht, ist egal, denn das Zim­mer ist blo­ckiert. Und un­ser Ka­len­der eben auch.

Im letz­ten hal­ben Jahr gab es in mei­nem Be­reich oh­ne Par­la­ments­mehr­heit kaum Auf­trä­ge, kaum Um­satz, dies­mal lei­der oh­ne Co­ro­na-Hil­fen (die oh­ne­hin für So­lo-Selbst­stän­di­ge nur ein Schlag aus der Gu­lasch­ka­no­ne wa­ren). Nach dem Im­plo­die­ren der Re­gie­rung wur­de al­les, was fix war, noch ab­ge­ar­bei­tet, da­nach war Funk­stil­le.

Die Ver­gleichs­rei­se, die Du er­wähnst, fand im De­zem­ber statt, und ihr hat­tet ei­ne Agen­tur be­auf­tragt, die am Preis „ge­dreht“ hat, um die Frei­be­ruf­ler:in­nen zu un­ter­bie­ten. Der­zeit ho­len al­le auf, was im Win­ter lie­gen blieb — pa­ral­lel zum Früh­jahrs­pro­gramm. Und lei­der kann ich mich ge­nauso we­nig zwei­tei­len, wie mir beim Yo­ga die Schild­krö­te ge­lingt (Spoi­ler: noch im­mer nicht).

Kurz: Ich selbst wä­re viel­leicht in Ra­batt­lau­ne, nicht et­wa weil’s locker läuft, son­dern weil mich die Pfle­ge­si­tu­a­tion in mei­ner Fa­mi­lie zu­sätz­lich fi­nan­zi­ell her­aus­for­dert. Die Kol­le­gin, die ich für die an­de­re Spra­che und die Vor­stands­ter­mi­ne vor­ge­schla­gen ha­be, ge­hört zu den Top 5 in Ber­lin. Sie hat Al­ter­na­tiv­en, auch mit an­de­ren Spra­chen. Ich lie­ge viel­leicht in den Top 10 und ar­bei­te nur bi­la­te­ral Fran­zö­sisch–Deutsch. Bei mir ist die Wo­che noch un­an­ge­foch­ten frei.

Sor­ry für den Text­block am frü­hen Mor­gen. Ich ha­be die letz­ten zwei Wo­chen durch­ge­ar­bei­tet, auch übers Wo­chen­en­de, plus Dol­metsch­ein­satz und Be­erd­i­gung ei­ner Freun­din. Kaf­fee hilft heu­te nur be­grenzt.

Für die Tech­nik­bu­chung ge­be ich Dir gern Na­men und Kon­takt. Die Fir­ma ist mit Groß­kun­den un­kom­pli­ziert.


Mal se­hen, wann wel­che Reak­tion kommt. Fort­set­zung folgt.

______________________________
Fo­to: C.E.

Mittwoch, 7. Mai 2025

ChatGPT ist keine KI

Bien­ve­nue, hier schreibt ei­ne Lin­gu­is­tin. Wie Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zer, Dol­met­scher­in­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, kön­nen Sie hier mit­le­sen. Mei­ne Ar­beits­spra­chen sind (ne­ben Deutsch) Fran­zö­sisch und Eng­lisch (das Id­i­om Shake­speares nur als Aus­gangs­spra­che). Hier folgt der Ein­trag zum ob­li­ga­to­ri­schen KI-Mitt­woch.

Was heu­te als „KI“ durch Me­dien und Mar­ke­ting geis­tert, ist in Wahr­heit meistens ein Miss­ver­ständ­nis. ChatGPT wird oft für eine Art den­ken­de Ma­schi­ne ge­hal­ten, da­bei ist es ge­nau das nicht. Das Sprach­mo­dell er­zeugt auf be­ein­druck­en­de Wei­se den An­schein von In­tel­li­genz, aber die­ser Ein­druck ist trü­ge­risch.

Es stimmt, dass ChatGPT durch­aus viel kann. Es for­mu­liert manch­mal so­gar ele­gant, ana­ly­siert Tex­te, schlägt krea­tive Lö­sun­gen vor. Doch die­se Leis­tun­gen grün­den nicht auf Ver­ste­hen, son­dern auf Sta­tis­tik. ChatGPT ist ein so­ge­nann­tes Large Lan­guage Mo­del (LLM), ein Sprach­sys­tem, das Mil­li­ar­den von Wör­tern ver­ar­bei­tet hat und dar­aus ge­lernt hat, wel­che Wort­fol­gen be­son­ders wahr­schein­lich sind. Es si­mu­liert Kom­mu­ni­ka­tion.

Und doch stellt sich manch­mal das Gefühl ein, als wür­de "es" den­ken. Die For­mu­lie­run­gen wir­ken durch­dacht und em­pa­thisch, ge­le­gent­lich so­gar wit­zig. Das liegt da­ran, dass die Ma­schi­ne auf sprach­li­che Mus­ter trai­niert wur­de, die men­sch­li­ches Den­ken spie­geln. Sie ist ein sprach­li­ches Cha­mä­le­on ohne Be­wusst­sein, kann nicht ver­ste­hen, nicht ab­sichts­voll han­deln, kein Ziel verfolgen. Die­ses Sys­tem ar­bei­tet mit nichts als mit Wahr­schein­lich­keits­rech­nung.

Wie ent­stand das fal­sche Image?
Seit 2022 wer­den LLMs wie ChatGPT öf­fent­lich als „Künst­li­che In­tel­li­genz“ ge­han­delt, oh­ne dass ge­nau dar­ge­legt wird, was das wirk­lich be­deu­tet. Es entstand ein Hype. Die Me­di­en schrieben über "ler­nen­de Ma­schi­nen", als hand­le es sich um We­sen mit Be­wusst­sein. Die­se Un­ge­nau­ig­keit ist Absicht, und sie prägt die Wahr­neh­mung. Hin­zu kommt: Die Mo­del­le ant­wor­ten schnell, elo­quent und oh­ne Zö­gern. Das si­mu­lie­rt Si­cher­heit. Dass sie da­bei auch Feh­ler ma­chen oder In­hal­te er­fin­den, so­ge­nann­te "Hal­lu­zi­na­tio­nen", wird ger­ne über­se­hen.

Was ChatGPT fehlt, ist das, was man un­ter ech­ter In­tel­li­genz ver­ste­hen könn­te: die Fä­hig­keit, Sinn­zu­sam­men­hän­ge zu er­fas­sen, sich Zie­le zu set­zen, selbst­stän­dig zu re­flek­tie­ren. All das wä­ren wie­de­rum die zen­tra­len Merk­ma­le ei­ner "All­ge­mei­nen Künst­li­chen In­tel­li­genz" (AGI). Ei­ne AGI, so ist das Ziel ihrer Ent­wick­ler, würde kon­text­über­grei­fend den­ken, Ur­sa­che-Wir­kungs-Ket­ten er­ken­nen, fle­xib­el auf Neu­es re­agie­ren, also exakt so, wie wir Men­schen.

Da­von sind LLMs weit ent­fernt. Auch wenn es stän­dig Er­wei­te­run­gen wie Plug­ins gibt, kon­text­be­zo­ge­ne Spei­cher­funk­tio­nen oder Gim­micks hin­zu­kom­men, die Grund­lage bleibt das Wahr­schein­lich­keits­mo­dell oh­ne Tief­gang. ChatGPT han­delt nicht, be­wer­tet nicht und hat im ei ei­gent­li­chen Sinn nichts wirk­lich ge­lernt.

Papagei / Red Crowned Amazon
This is not a sto­chas­tic par­rot
Der Sto­chas­ti­sche Pa­pa­gei
Die­se Si­mu­la­tion führt je­doch da­zu, dass vie­le Men­schen dem Pro­gramm ei­ne Ur­teils­kraft zu­schrei­ben, die es nicht be­sitzt. Die Ma­schi­ne klingt logisch, so­gar dann, wenn sie Hum­buk aus­spuckt. Sie wi­der­spricht sel­ten, ge­steht ei­ge­nes Un­wis­sen nicht ein. Das ver­stärkt den Ein­druck von In­tel­li­genz.

Doch Spra­che ist nicht gleich­be­deu­tend mit Den­ken. Manche Pa­pa­geien kön­nen Wör­ter und Sät­ze wie­der­ho­len, oh­ne zu wis­sen, was sie be­deu­ten. ChatGPT ist ein hoch­ent­wi­ckel­ter di­gi­ta­ler oder sto­chas­ti­scher Pa­pa­gei, wie Kri­ti­ker:innen sa­gen.

Auf­klä­rung darüber ist sehr wich­tig.

Wer glaubt, dass hier ein den­ken­des We­sen spricht, wird Ent­schei­dun­gen Ma­schi­nen an­ver­trau­en, wer ihre Gren­zen nicht kennt, läuft Ge­fahr, sich von tech­ni­schen Si­mu­la­tio­nen blen­den zu las­sen, in Po­li­tik, Bil­dung, Jour­na­lis­mus, Jus­tiz — oder im Rah­men von Dol­metsch­ein­sät­zen. (Für Dol­met­sche­r:in­nen ist die KI even­tu­ell ein Tool, das aber Pro­fis aus Fleisch und Blut nicht er­setzt.)

Die Über­schät­zung ihrer Mög­lich­kei­ten macht die Tech­nik ge­fähr­lich.

Kla­re Re­geln und Trai­nings
Zug­leich macht die KI vielen Bauch­schmer­zen: da ist die Angst, die Ar­beit oder Kon­trol­le zu ver­lie­ren, Angst, über­flüs­sig zu wer­den. Und auch Ängste aus der Sci­ence-Fic­tion, die be­kann­ten dys­to­pi­schen Mo­men­te wie Über­wa­chung, Macht­miss­brauch, Ent­mensch­lich­ung, sind der­zeit an­ge­sichts der Macht­über­nah­me der Tech-Bros in den USA plötz­lich hochak­tu­ell.

Ein­schub: Ei­gent­lich müss­ten wir jetzt al­le so­fort aus Face­book, Ins­ta­gram, Pay­pal, Linked­In und co. aus­stei­gen und auf die we­ni­ger be­kann­ten eu­ro­pä­ischen An­bie­ter um­stei­gen. Ein­schub­en­de.

Es ist wich­tig, die Sache zu be­ob­ach­ten. Und für Klar­heit zu sor­gen. ChatGPT ist ein Werk­zeug, kein We­sen. Es kann uns un­ter­stüt­zen, in­for­mie­ren, so­gar in­spi­rie­ren. Aber es er­setzt weder Ur­teil noch Er­fah­rung oder ei­ge­nes Den­ken. Es spricht nicht wirk­lich, es si­mu­liert nur ei­nen Aus­tausch. Wich­tig ist, die Ar­beit in Sa­chen Text­ver­ständ­nis, -ana­ly­se und -pro­duk­tion mit Kin­dern, Ju­gend­li­chen und jungen Er­wach­se­nen zu in­ten­si­vie­ren. Und ih­nen Quel­len­kri­tik bei­zu­brin­gen, die kri­ti­sche Hal­tung ge­gen­über di­gi­ta­ler Wun­der­tech­nik in­klu­sive.­

Und wir brau­chen in­ter­na­tio­na­le Re­geln, die die Ent­wick­lung und den Ein­satz der KI re­gu­lie­ren und be­gren­zen. Das wird schwie­rig in Zei­ten, in de­nen in Über­see ei­ni­ge li­ber­tä­re Mu­lti­mil­liar­dä­re die De­mo­kra­tie und die Staats­len­kung ge­kap­ert haben, aber wir müs­sen dran­blei­ben.

Fußnoten
♣ „In­tel­li­genz“
ist ein viel­schich­ti­ger Be­griff. In der Kog­ni­ti­ons­wis­sen­schaft wer­den da­mit u. a. Pro­blemlö­se­ver­mö­gen, Ab­strak­ti­ons­fä­hig­keit und Lern­fä­hig­keit ver­bun­den. All das kann ein LLM wie ChatGPT nicht selbst­stän­dig leis­ten.

Fuß­no­ten
♣ „Hal­lu­zi­na­ti­on“ meint bei Sprach­mo­del­len die Er­zeu­gung von Aus­sag­en, die zwar plau­si­bel klin­gen, aber frei er­fun­den sind.
♣ „AGI“ steht für „Ar­ti­fi­cial Ge­ne­ral In­tel­li­gence“, ei­ne all­ge­mei­ne künst­li­che In­tel­li­genz, die mit men­sch­li­chem Den­ken ver­gleich­bar wä­re und nicht nur spe­zi­el­le Auf­ga­ben lö­sen könn­te.
♣ Zur Dis­kus­si­on um Be­wusst­sein in Sprach­mo­del­len: Vie­le For­schen­de stim­men dar­in über­ein, dass Be­wusst­sein nicht al­lein durch sprach­li­che Leis­tun­gen ent­steht, son­dern mit kör­per­li­cher Wahr­neh­mung, Mo­ti­va­ti­on und Er­fah­rung ver­bun­den ist, As­pek­te, die LLMs feh­len, die auch der AGI feh­len wer­den.
♣ Vie­le Miss­ver­ständ­nis­se ent­ste­hen auch, weil Be­grif­fe wie „ler­nen“, „ver­ste­hen“ oder „den­ken“ aus der men­sch­li­chen Er­fah­rung stam­men, aber auf Ma­schi­nen über­tra­gen wer­den, oh­ne dass sie dort die­sel­be Be­deu­tung ha­ben.

______________________________
Bild: Red Crowned Ama­zon,
Glan­dauer / Ro­ger Moore, Wi­ki­me­dia

Dienstag, 6. Mai 2025

Die alten Reflexe

Meine Haupt­ar­beits­spra­che beim Dol­met­schen ist Fran­zö­sisch, in beide Rich­tun­gen. Deutsch ist meine Mut­ter- und wich­tigs­te Schrift­spra­che, meine Büro­kol­le­gin über­setzt ins Eng­li­sche. Wir sind Zeit­ge­nos­sin­nen, den­ken über Kon­fe­ren­zen hin­aus, tref­fen Ent­schei­dun­gen, die nicht nur sprach­li­cher Art sind.

Neu­lich habe ich wie­der im Bun­des­rat ge­dol­metscht. Die Bän­ke der Bun­des­län­der be­rühr­ten mich je­des Mal. Ich kann mich noch gut an die Mau­er­zeit er­in­nern. Deutsch­land ist noch im­mer ge­teilt, heu­te auf an­de­re Wei­se.

Bundesratsbänke des Landes Sachsen
... ist die Heimat meines Vaters
Frü­her hieß es: "In den Par­la­men­ten sitzen x Pro­zent Be­am­te." Das wur­de zu: "... sit­zen vie­le Straf­tä­ter", be­son­ders un­ter Rechts­ex­tre­men, ge­si­chert ver­ur­teilt we­gen Waf­fen­be­sitz, Kör­per­ver­let­zung, Be­lei­di­gung. Das Re­cher­che­netz­werk correctiv hat schon April '24 et­li­che Fäl­le auf­ge­deckt. Die Be­trof­fe­nen blei­ben im Amt oder kom­men erst nach Ver­ur­tei­lung hin­ein. Das ist ein­zig­ar­tig in der deut­schen Par­tei­en­land­schaft; bei an­de­ren ist der Druck meist zu groß, au­ßer bei Par­tei­spen­den­af­fä­ren, wir er­in­nern uns.

Das pas­si­ve Wahl­recht ge­hört drin­gend re­for­miert, eine Auf­ga­be, die die Am­pel lei­der lie­gen­ge­las­sen hat, über­rollt von Het­ze und in­ter­ner Blo­ka­de.

In un­se­rem Land wer­den grund­sätz­lich sehr vie­le Men­schen si­cher­heits­ge­prüft, wir Dol­met­scher­in­nen auch. Wer in Ki­ta oder Schu­le ar­bei­tet, braucht ein sau­be­res Füh­rungs­zeug­nis, und zwar völ­lig zu­recht. Al­so noch­mal: Straf­tä­ter im Par­la­ment?

Da­zu kommt die Ab­sur­di­tät: Exakt je­ne, die Angst schü­ren, sind Teil der Un­si­cher­heit mit ih­ren simp­len Ant­wor­ten. Es negie­re die viel­fa­che Spaltung der Ge­sell­schaft kei­nes­falls. Ich er­le­be, wie ei­ner Ex-Kol­le­gin in Düs­sel­dorf von post­mi­gran­ti­schen Nach­barn das Le­ben im ge­erb­ten Haus zur Höl­le ge­macht wird, denn sie zählt in ih­rem Wohn­vier­tel in­zwi­schen zur Min­der­heit. Sie hat Ge­walt­er­fah­rung ma­chen müs­sen, da reißt je­de neue An­deu­tung die Wun­den wie­der auf. Die Po­li­zei schaut weg und gießt da­mit Öl ins Feu­er. War­um?

Ähn­li­ches be­richt­en Freun­de aus dem Os­ten, dies­mal aus der an­de­ren Rich­tung. Sie al­le wäh­len trot­zdem nicht rechts­ex­trem. Die­se Par­tei zeigt stän­dig auf an­de­re, Mi­gran­ten et­wa, wohl auch, um vom ei­ge­nen Vor­stra­fen­re­gis­ter ab­zu­len­ken. Zum Glück wird hier und da er­mit­telt und Im­mu­ni­tät auf­ge­ho­ben. Doch das ist zu we­nig.

Wie also um­ge­hen mit je­nen, die sich schon bei „ge­fühl­ter Be­dro­hung“ ra­di­ka­li­sie­ren? Im Os­ten, wo kaum Mi­gran­ten le­ben, ist die An­fäl­lig­keit für Het­ze groß. Die neue deut­sche Gren­ze ist nicht geo­gra­fisch, son­dern so­zi­al. Auch an­ders­wo grei­fen Rechts­ex­tre­me nach Ent­täusch­ten und Aus­ge­grenz­ten. Manch­mal reicht auch un­ter Ge­bil­de­ten der Wil­le zur Macht bei ei­ner Par­tei, die mehr Man­da­te hat als pas­sa­ble Man­dat­strä­ger­in­nen. Doch die­se Men­schen wer­den be­nutzt, zu Stimm­vieh ge­macht, das bald ig­no­riert wird, denn die Par­tei hat al­les an­de­re vor, als die In­ter­es­sen der Ärm­sten zu ver­tei­di­gen. Sie ste­hen eher für das, was wir in den USA se­hen, das Durch­drü­cken der In­ter­es­sen li­ber­tä­rer Su­per­rei­chen, et­wa um so­zia­le Sys­te­me ab­zu­schaf­fen, Eu­ro­pa zu schwä­chen, au­to­ri­tär durch­zu­re­gie­ren.

Wie kön­nen wir von der de­mo­kra­ti­schen Ba­sis aus da­ge­gen­hal­ten? Wel­che Er­fah­run­gen bräuch­ten die­se Men­schen? Kön­nen wir sie er­rei­chen? Sie le­sen die Pro­gram­me nicht, fol­gen „Füh­rern“, statt zu hin­ter­fra­gen, nicht nur mangels Bil­dung. Wo bleibt die psy­cho­lo­gi­sche, so­zio­lo­gi­sche, kom­mu­ni­ka­ti­ve Ge­gen­stra­te­gie?

Wel­che ver­trau­ens­bil­den­den Maß­nah­men wä­ren mög­lich? Wie schaf­fen wir es, da nicht nur die Stirn zu bie­ten, son­dern ei­nes Ta­ges wie­der die Hand rei­chen zu kön­nen? Und ab wann müs­sen wir uns ein­ge­ste­hen, dass bei ei­nem Teil (der­zeit) Hop­fen und Malz ver­lo­ren sind?

An ers­ter Stel­le muss kon­zer­tier­tes Han­deln ste­hen, kei­ne wei­te­re Spal­tung. Wir brau­chen heu­te klu­ge, zu­kunfts­or­i­en­tier­te Po­li­tik, kei­ne Re­zep­te von ges­tern für die Kri­sen von mor­gen, so­zi­al ori­en­tiert, fak­ten­ba­siert und mit Blick aufs Über­le­ben des Pla­ne­ten.

Doch das wird schwer. Unser Den­ken ist alt: Wir re­a­gie­ren wie Ur-Men­schen, die ge­ra­de das Feu­er ent­deckt ha­ben, die die ge­fühlt erst "seit eben" leich­ter ver­dau­li­che Din­ge es­sen, Le­bens­mit­tel in Rauch halt­bar ma­chen, da­mit un­se­ren Ra­di­us ver­grö­ßern, ers­te Plä­ne an­stel­len und Auf­ga­ben de­le­gie­ren kön­nen, der Be­ginn der Spe­zia­li­sie­run­gen. Wir er­ken­nen bis heu­te als ers­tes Sche­men wie ein wil­des Tier im Ge­büsch. Wir wer­ten blitz­schnell, Details sind Ne­ben­sa­che, und wir ent­schei­den im­pul­siv: An­griff oder Rück­zug.

Das war einst ei­ne über­le­bens­wich­ti­ge Stra­te­gie. Wir ha­ben sie bis heu­te in den Kno­chen. Doch jetzt sind Dif­fe­ren­zie­rung, Ko­ope­ra­ti­on und Re­fle­xi­on nö­tig. Es wird schwer, mit die­ser sim­plen Struk­tur auf die Her­aus­for­de­run­gen ei­ner Pro­blem­la­ge zu ant­wor­ten, in die wir die ei­ge­ne Spe­zies selbst ge­bracht ha­ben: Raub­bau an der Na­tur, Ver­skla­vung von Men­schen, Krie­ge, Kli­ma­ka­ta­stro­phe.

Im Thril­ler "Im Sturm der Macht" von Tuo­mas Os­ka­ri ist zu le­sen: "Wenn sich Men­schen als Teil ei­ner ho­mo­ge­nen Grup­pe füh­len, er­le­digt ihr Ge­hirn den Rest. Men­schen sind in der La­ge, auf ver­blüf­fen­de Art und Wei­se wi­der­sprüch­li­che An­sich­ten zu be­grün­den und Un­ver­ein­ba­res bei­sei­te­zu­wi­schen. Der Wis­sen­schaft­ler Dan Ka­han ließ Men­schen ma­the­ma­ti­sche Auf­ga­ben lö­sen, die et­was mit Hand­cre­me zu tun hat­ten. Im zwei­ten Schritt be­ka­men sie ähn­li­che Auf­ga­ben, aber dies­mal im Zu­sam­men­hang mit ei­nem po­li­ti­schen The­ma. Im zwei­ten Fall hing die Fä­hig­keit der Men­schen, die Auf­ga­be ma­the­ma­tisch lö­sen zu kön­nen, stark von ih­rer po­li­ti­schen Ein­stel­lung zum The­ma der Auf­ga­be ab. Die­se Un­ter­su­chung hat ge­zeigt, dass Men­schen meist nur an den In­for­ma­tio­nen in­ter­es­siert sind, die ih­re bis­he­ri­gen Über­zeu­gun­gen be­stä­ti­gen. (...)

Es ist völ­lig ra­tio­nal, In­for­ma­tio­nen auf die­se Wei­se zu fil­tern. Denn wenn ein Mensch sei­ne Über­zeu­gun­gen ver­än­dert, ris­kiert er, dass sei­ne so­zia­le Stel­lung in Ge­fahr ge­rät. Er könn­te Freun­de ver­lie­ren, viel­leicht so­gar sein Ein­kom­men. Irrt sich der Mensch da­ge­gen in Be­zug auf die Wis­sen­schaft, wird er nicht da­für zur Kas­se ge­be­ten. Aber der Preis da­für, ei­ne an­de­re Li­nie zu ver­tre­ten als die ei­ge­ne Fa­mi­lie oder die Kol­le­gen, kann ex­trem hoch sein."

______________________________
Fo­to: C.E.
Dan­ke, HP, für das Zi­tat!

Montag, 5. Mai 2025

Montagsschreibtisch (89)

Bon­jour und hal­lo! Hier bloggt seit 2007 ei­ne Sprach­ar­bei­te­rin mit der Mut­ter­spra­che Deutsch. Wie le­ben und ar­bei­ten wir Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen? Auch die­se Wo­che fol­gen hier kur­ze Ein­blic­ke.


Kopfhörer auf Hutkopf auf Sekretär
Die Kopf­hö­rer in der Pau­se
Die Früh­jahrs­sai­son geht los! Und es sta­peln sich die Ter­mi­ne, denn auf­grund der po­li­ti­schen La­ge, kom­mis­sa­ri­sche Re­gie­rung o­hne par­la­men­ta­ri­sche Mehr­heit, gab es mo­na­te­lang we­nig zu tun. Et­li­ches wird jetzt nach­ge­holt und er­gänzt dann das Früh­jahrs­pro­gramm.
Wäh­rend frü­her zwölf Wo­chen Pla­nungs­vor­lauf üb­lich wa­ren, sorgt der Ter­min­druck jetzt für enor­me Ver­kür­zun­gen, und Pla­nungs­feh­ler, die nor­ma­ler­wei­se in der zwei­ten Vor­be­rei­tungs­pha­se aus­ge­bü­gelt wer­den, sind plötz­lich sicht­bar. Die Fol­gen für uns: Auch wir pla­nen mit bzw. müs­sen kurz­fris­ti­ger mit Ter­mi­nen jon­glie­ren. Wir wer­den ner­vö­ser, se­hen öf­ter aufs Han­dy, so­gar in der Frei­zeit. Neun Stun­den Vor­lauf für ei­nen Dol­metsch­ein­satz am Wo­chen­en­de ist re­kord­ver­däch­tig.

Auch wenn die Ter­min­ka­len­der der­zeit vol­ler wer­den, gibt es noch freie Ta­ge! Ich freue mich auf Ihre Mail.

Auf dem Pro­gramm dieser Wo­che:
⊗ Frau­en in tech­ni­schen Be­ru­fen
⊗ For­schungs­ungleicheheit, was Frau­en­ge­sund­heit an­geht
⊗ Be­ob­ach­tung ak­tu­el­le deut­sche Po­li­tik (Frank­reich­koo­pe­ra­ti­on)

______________________________
Foto: C.E. (Ar­chiv)

Donnerstag, 1. Mai 2025

Wortfeld Gefasel und Co.

Was Dol­met­scherin­nen und Über­set­zerin­nen tag­ein, tag­aus be­schäf­tigt, wie wir ar­bei­ten, kön­nen Sie hier mit­le­sen — das gilt na­tür­lich auch für die Herren im Be­ruf. Ich be­ob­ach­te von Be­rufs we­gen un­se­re Zeit sehr ge­nau. Hier ein Nach­trag zum KI-Mitt­woch. 

Ges­tern be­kam ich ei­nen gu­ten Kom­men­tar von der Künst­li­chen In­tel­li­genz selbst, und zwar von Chat­GPT, auf mei­ne Kri­tik in Sa­chen Ver­drän­gung von Pro­fis durch die Tech­nik. Ich ha­be die KI dann ge­fragt, war­um sie das Wort "Ge­schwur­bel" ver­wen­det hat.

Grafik: Mikrofon / Live
Der Ton macht die Mu­sik!
Und ich be­kam fol­gende Er­klä­rung.

"Hi­er ei­ni­ge Al­ter­na­ti­ven mit je­wei­li­ger Fär­bung:

PR-Ge­wä­sch — deut­lich ab­wer­tend, passt zu kri­tisch­em Ton.
PR-Ge­rau­ne — ge­heim­nis­tue­risch, ver­schwö­rer­isch wir­kendes Ge­rede.
PR-Ge­schwur­bel — un­klar und auf­ge­bla­sen, trifft hoh­les Mar­ke­ting-Blah­bla.
PR-Ge­töse — laut und wirk­ungs­has­cher­isch, be­ton­t den Lärm oh­ne Sub­stanz.
PR-Ge­fa­sel — be­lie­big, un­ernst, auch ab­wer­tend, aber et­was leich­ter."

Bei "Ge­fa­sel" wür­de ich noch Ge­fa­sel von 'Trun­kel­bol­den' hin­zu­set­zen, der Be­griff ist al­ler­dings ein we­nig an­ge­staubt, ver­altet, meint das Lal­len von Men­schen un­ter Al­ko­hol­ein­fluss.

Mer­ke: Die KI kann ei­ne gu­te An­re­gung beim Spra­chen­ler­nen sein, muss aber im­mer, ich sa­ge IM­MER, ge­prüft wer­den, denn all­zu oft 'hal­lu­zi­niert' sie, er­fin­det groß­zü­gig, und das Wort "Hal­lu­zi­na­tionen" ist hier der Fach­be­griff.

Freun­de, die Sprach­leh­rer:in­nen sind, las­sen sich von der KI Wort­fel­der und Übungs­auf­ga­ben ge­stal­ten. Aber auch hier: Es be­darf im­mer der gu­ten An­lei­tung durch Men­schen, ei­nen sau­be­ren "Prompt" und Kor­rek­tu­ren bzw. Er­gän­zun­gen! Es gilt: Ma­chine in the loop, dort wo es passt, ist die KI ein gu­tes Werk­zeug, aber nicht Hu­man in the loop, denn Men­schen sind kein Ac­ces­soire der Tech­nik.

______________________________
Il­lus­tra­tion: pixlr.com (Zu­falls­fund)