Dienstag, 13. Mai 2025

Internationaler Tag der Pflege

Mei­ne Haupt­ar­beits­spra­che beim Dol­met­schen ist Fran­zö­sisch, denn ich dol­met­sche in bei­de Rich­tun­gen (oder aus dem Eng­li­schen ins Fran­zö­si­sche). Deutsch ist mei­ne Mut­ter­spra­che und schrift­lich die wich­tigs­te Ziel­spra­che.
Die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt ins Eng­li­sche. Aber es gibt ja nicht nur den Be­ruf.


Ein schö­nes Erb­stück
Ges­tern war der in­ter­natio­na­le Tag der Pfle­ge. In Deutsch­land wer­den An­ge­hö­ri­ge in neun von zehn Fäl­len zu­hau­se ge­pflegt. Und die meis­ten An­ge­hö­ri­gen, die das ma­chen, sind er­schöpft und füh­len sich al­lein­ge­las­sen.

Was am meis­ten ätzt, ist ne­ben der stän­di­gen Über­for­de­rung die mit der Pfle­ge ver­bun­de­ne Bü­ro­kra­tie, ein ve­ri­ta­bles Pa­ra­gra­fen­di­ckicht, durch das schon Pro­fis nur schwer durch­stei­gen.

Die An­ge­bo­te sind schlicht so über­kom­plex, dass vie­le An­sprü­che ver­fal­len, weil kaum je­mand da­zu kommt, sich ver­tieft ein­zu­le­sen. Es gibt auch zu vie­le In­for­ma­tio­nen, die ei­nem mal hier, mal dort um die Oh­ren ge­knallt wer­den. Sor­tie­ren muss mensch al­lei­ne.

Bes­ser wä­re, al­les ein­fach zu struk­tu­rie­ren, die An­spruchs­ar­ten und An­sprech­stel­len zu­sam­men­zu­füh­ren, die In­fos hier­ar­chisch auf­zu­bau­en, vie­le Er­stat­tun­gen zu au­to­ma­ti­sie­ren, auch bei Pri­vat­ver­sicher­ten. Wo­bei: Bes­ser als die Zwei­klas­sen­me­di­zin fän­de ich ei­ne gu­te, ver­läss­li­che Kas­sen­ver­sor­gung für al­le, al­so ei­ne groß­ar­tige Ge­sund­heits­kas­se, die viel­leicht in zwei, drei fi­nan­ziell trag­fä­hi­ge und aus­ge­gli­che­ne Groß­re­gio­nen un­ter­teilt sein könn­te, auf dass die be­rühm­te Kon­kurrenz ent­ste­hen mö­ge, die an­geb­lich das Ge­schäft be­lebt.

Ich ver­ste­he nicht, wie 300 Kran­ken­kassen­vor­stän­de, 300 Kran­ken­kassen­vor­stands­vor­zim­mer und 300 Kran­ken­kassen­vor­stands­li­mou­si­nen­fah­rer die me­di­zi­nische Ver­sor­gung in un­se­rem Lan­de ver­bess­ern sol­len. Fürs Haut­krebss­cree­ning war­te ich als Fuß­volk sechs Mo­na­te, mei­ne Mut­ter, sie war mal Leh­re­rin, sechs Stun­den.

Erin­ne­rung an Graal-Mü­ritz (1920-er Jah­re)
Bei fast je­dem Te­le­fo­nat ist für mich das The­ma Pri­vat­ver­siche­rung ein Schlag ins Kon­tor, ei­ner De­mo­kra­tie un­wür­dig. Und dann ist da noch die­se Pra­xis oh­ne Kas­sen­sitz: "Wir neh­men nur Pri­vat­ver­sicher­te als Pa­tien­tin­nen an." Ich freue mich über den schnel­len Ter­min für Mut­tern.
Und ich fra­ge mich: Hat die be­trof­fe­ne Fach­kraft ei­gent­lich schon der Staats­kasse die Kos­ten ih­res Stu­di­um zu­rück­ge­zahlt?

Als vor lan­ger Zeit je­mand vom Me­di­zi­ni­schen Dienst (MD) we­gen der Pfle­ge­ein­stu­fung zu uns kam und auch al­le an­de­ren Da­ten auf­nahm, wir sind zwei Haupt­pfle­gen­de, die aus Ber­lin in ei­ne an­de­re Stadt pen­deln, mein­te die Da­me: "Zwei Men­schen, die nicht orts­an­säs­sig sind, sind hier ver­ant­wort­lich? Das ist nicht glaub­wür­dig! Gut wä­re noch der Na­me ei­ner orts­an­säs­si­gen Per­son!" Ge­sagt, ge­tan. Ta­ge spä­ter war ich zu­fäl­lig als Dol­met­sche­rin in der zu­stän­di­gen Be­hör­de und ha­be nach­ge­fragt. Ant­wort: Ren­ten­punk­te für die Pfle­ge kön­nen sich ma­xi­mal zwei Men­schen tei­len, sonst ver­fal­len die An­sprü­che. (Wir ha­ben da na­tür­lich so­fort kor­res­pon­diert.)

Fra­ge: War­um macht ei­ne MD-Da­me so et­was? Be­kommt sie Pro­zen­te?

Und wenn ich das rich­tig ver­stan­den ha­be, er­hal­te ich als Frei­be­ruf­le­rin zwar die­se Ren­ten­punk­te für mei­nen Fa­mi­li­en­ein­satz gut­ge­schrie­ben, aber nie aus­be­zahlt bzw. erst dann, wenn ich min­des­tens fünf Jah­re in das Sys­tem ein­ge­zahlt ha­be. Ei­nen an­spruchs­vol­len Be­ruf zu wup­pen, da­ne­ben noch An­ge­hö­ri­ge zu um­sor­gen und dem Vor­schlag des fest­an­ge­stell­ten Lei­ters zu fol­gen, der mir bei dem Ter­min riet: "Su­chen Sie sich doch ei­nen 450-Eu­ro-Job" fin­de ich, ge­lin­de ge­sagt, ei­ne Un­ver­schämt­heit. Nachts schla­fe ich. Oder was stellt sich der Herr da so vor? Soll ich leicht be­lei­det in ei­nem Nacht­club an­fan­gen, oder was?

Bei ei­nem an­de­ren Ein­satz zum The­ma der Ka­rie­re­ver­hin­de­rung von Frau­en ler­ne ich den Aus­druck le trou dans la raquette. Da­bei be­zeich­net la ra­quette den Ten­nis­schlä­ger. Die Re­de­wen­dung wird, wie ich spä­ter ler­ne, meis­tens im Plu­ral ver­wen­det, es sind al­so Lö­cher im Ge­flecht des Ten­nis­schlä­gers. Sie kommt aus dem Eng­li­schen holes in the ra­cket, und soll dar­auf hin­wei­sen, dass ein Ge­setz oder ei­ne Vor­schrift zu un­ge­nau ist, um al­le Per­so­nen oder Grup­pen zu er­fas­sen, für die Ge­setz oder Vor­schrift ei­gent­lich be­stimmt sind.

Die Aca­dé­mie fran­çaise er­klärt die Re­de­wen­dung und schlägt an­stel­le des oben­ste­hen­den Neo­lo­gis­mus pas­ser entre les mailles du fi­let vor, wört­lich: „durch die Ma­schen des Net­zes schlüp­fen“, auf Deutsch: „durchs Netz fal­len“.

______________________________
Foto: C.E., Fort­set­zung von
ges­tern, Tur­ban­schnecke

1 Kommentar:

Vega hat gesagt…

Die unbezahlte Care-Arbeit interessiert doch keine Sau, auch dann nicht, wenn, einer Berechnung des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos zufolge, Frauen in Deutschland im Jahr 2021 rund 72 Milliarden Stunden unbezahlte Sorgearbeit erbracht haben, Kinderbetreuung, Haushalt und auch Pflege. In der Berechnung komm die Care-Arbeit, wie sie auch Deine Brüder erbringen, liebe Caroline, nicht einmal vor.
Das ist ein Skandal. Es ist volkswirtschaftlich betrachtet Selbstmord, hier nicht zu investieren und das Land abschotten zu wollen, denn mit eigenen Arbeitskräften kriegen wir das in Zukunft nie und nimmer hin!!