Die Bürokollegin übersetzt ins Englische. Aber es gibt ja nicht nur den Beruf.
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| Ein schönes Erbstück |
Was am meisten ätzt, ist neben der ständigen Überforderung die mit der Pflege verbundene Bürokratie, ein veritables Paragrafendickicht, durch das schon Profis nur schwer durchsteigen.
Die Angebote sind schlicht so überkomplex, dass viele Ansprüche verfallen, weil kaum jemand dazu kommt, sich vertieft einzulesen. Es gibt auch zu viele Informationen, die einem mal hier, mal dort um die Ohren geknallt werden. Sortieren muss mensch alleine.
Besser wäre, alles einfach zu strukturieren, die Anspruchsarten und Ansprechstellen zusammenzuführen, die Infos hierarchisch aufzubauen, viele Erstattungen zu automatisieren, auch bei Privatversicherten. Wobei: Besser als die Zweiklassenmedizin fände ich eine gute, verlässliche Kassenversorgung für alle, also eine großartige Gesundheitskasse, die vielleicht in zwei, drei finanziell tragfähige und ausgeglichene Großregionen unterteilt sein könnte, auf dass die berühmte Konkurrenz entstehen möge, die angeblich das Geschäft belebt.
Ich verstehe nicht, wie 300 Krankenkassenvorstände, 300 Krankenkassenvorstandsvorzimmer und 300 Krankenkassenvorstandslimousinenfahrer die medizinische Versorgung in unserem Lande verbessern sollen. Fürs Hautkrebsscreening warte ich als Fußvolk sechs Monate, meine Mutter, sie war mal Lehrerin, sechs Stunden.
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| Erinnerung an Graal-Müritz (1920-er Jahre) |
Und ich frage mich: Hat die betroffene Fachkraft eigentlich schon der Staatskasse die Kosten ihres Studium zurückgezahlt?
Als vor langer Zeit jemand vom Medizinischen Dienst (MD) wegen der Pflegeeinstufung zu uns kam und auch alle anderen Daten aufnahm, wir sind zwei Hauptpflegende, die aus Berlin in eine andere Stadt pendeln, meinte die Dame: "Zwei Menschen, die nicht ortsansässig sind, sind hier verantwortlich? Das ist nicht glaubwürdig! Gut wäre noch der Name einer ortsansässigen Person!" Gesagt, getan. Tage später war ich zufällig als Dolmetscherin in der zuständigen Behörde und habe nachgefragt. Antwort: Rentenpunkte für die Pflege können sich maximal zwei Menschen teilen, sonst verfallen die Ansprüche. (Wir haben da natürlich sofort korrespondiert.)
Frage: Warum macht eine MD-Dame so etwas? Bekommt sie Prozente?
Und wenn ich das richtig verstanden habe, erhalte ich als Freiberuflerin zwar diese Rentenpunkte für meinen Familieneinsatz gutgeschrieben, aber nie ausbezahlt bzw. erst dann, wenn ich mindestens fünf Jahre in das System eingezahlt habe. Einen anspruchsvollen Beruf zu wuppen, daneben noch Angehörige zu umsorgen und dem Vorschlag des festangestellten Leiters zu folgen, der mir bei dem Termin riet: "Suchen Sie sich doch einen 450-Euro-Job" finde ich, gelinde gesagt, eine Unverschämtheit. Nachts schlafe ich. Oder was stellt sich der Herr da so vor? Soll ich leicht beleidet in einem Nachtclub anfangen, oder was?
Bei einem anderen Einsatz zum Thema der Kariereverhinderung von Frauen lerne ich den Ausdruck le trou dans la raquette. Dabei bezeichnet la raquette den Tennisschläger. Die Redewendung wird, wie ich später lerne, meistens im Plural verwendet, es sind also Löcher im Geflecht des Tennisschlägers. Sie kommt aus dem Englischen holes in the racket, und soll darauf hinweisen, dass ein Gesetz oder eine Vorschrift zu ungenau ist, um alle Personen oder Gruppen zu erfassen, für die Gesetz oder Vorschrift eigentlich bestimmt sind.
Die Académie française erklärt die Redewendung und schlägt anstelle des obenstehenden Neologismus passer entre les mailles du filet vor, wörtlich: „durch die Maschen des Netzes schlüpfen“, auf Deutsch: „durchs Netz fallen“.
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Foto: C.E., Fortsetzung von
gestern, Turbanschnecke
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Foto: C.E., Fortsetzung von
gestern, Turbanschnecke
1 Kommentar:
Die unbezahlte Care-Arbeit interessiert doch keine Sau, auch dann nicht, wenn, einer Berechnung des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos zufolge, Frauen in Deutschland im Jahr 2021 rund 72 Milliarden Stunden unbezahlte Sorgearbeit erbracht haben, Kinderbetreuung, Haushalt und auch Pflege. In der Berechnung komm die Care-Arbeit, wie sie auch Deine Brüder erbringen, liebe Caroline, nicht einmal vor.
Das ist ein Skandal. Es ist volkswirtschaftlich betrachtet Selbstmord, hier nicht zu investieren und das Land abschotten zu wollen, denn mit eigenen Arbeitskräften kriegen wir das in Zukunft nie und nimmer hin!!
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