Montag, 28. Oktober 2024

Montagsschreibtisch (66)

Wie Über­set­ze­rin­nen und Übersetzer, Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, be­schrei­be ich hier seit 16 Jah­ren. Mei­ne Ar­beits­spra­chen sind Deutsch (Mut­ter­spra­che), Fran­zö­sisch und Eng­lisch; mei­ne Bü­ro­kol­le­gin ar­bei­tet als Über­set­ze­rin, al­so schrift­lich, mit Ziel­spra­che Eng­lisch.

Hier tritt nach ei­nem kur­zen Blick auf den Schreib­tisch er­neut ei­ne "Sen­de­pau­se" ein. Die Kon­fe­renz­sai­son ist auf ih­rem Hö­he­punkt, und bei ei­ner mehr­tä­gi­gen De­le­ga­tions­rei­se dür­fen wir zwei Dol­met­sche­rin­nen so­gar noch die Grup­pen­lei­tung er­set­zen, denn der Tea­mer hat sich kurz vor der Ab­reise et­was ge­bro­chen.

Noch ist alles leer im Konferenzzentrum ...
Eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn
The­men:

⊗ Tran­si­tion der Wirt­schaft: Nach­hal­tig­keit, Was­ser, Ener­gie, Nah­ver­sor­gung; das Ganze in Zu­sam­men­hang mit Bo­den­ver­brauch und Städ­tepla­nung.



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Fo­to: C.E.

Sonntag, 27. Oktober 2024

So ein Rummel aber auch!

Ob rein zu­fäl­lig oder ge­plant: Sie sind hier mit­ten in ein di­gi­ta­les Ar­beits­tage­buch hin­ein­ge­ra­ten. 

stet's frisch (das "s" überklebt, trotzdem sichtbar)
Deppen-Apostroph (Schatten)

Als frei­be­ruf­li­che Sprach­mitt­le­rin (so wer­den Dol­met­scher und Über­set­zer zu­sam­men­ge­fasst) ar­bei­te ich in Pa­ris, Ber­lin, Mar­seille, Hei­del­berg und dort, wo man mich braucht. Heute einige Wor­te zu den Grund­la­gen mei­ner Ar­beit. Recht­schrei­bung ge­hört dazu, und auf­grund der nicht immer logischen Recht­schreib­re­form schla­gen auch wir im­mer wie­der Be­grif­fe nach.
Etwas leichter ist die Regel mit dem Apostroph.

Mülltonne in Form eines Haifischmauls
Ge­sun­der Hun­ger
Der steht zum Bei­spiel im­mer und grund­sätz­lich, wenn ein "e" aus­ge­fal­len ist. Hier oben war er ein­deu­tig falsch.

Auch Groß- und Klein­schrei­bung sind im Deut­schen wich­tig. Hier ein Bei­spiel­satz, der, in zwei un­ter­schied­lichen Wei­sen ge­schrie­ben, die ge­gen­tei­li­ge Be­deu­tung hat: Ich hatte mit­nich­ten ei­nen schö­nen Sonn­tag. Ich hatte mit Nich­ten ei­nen schö­nen Sonn­tag.

OK, bei Rum­mel­platz­lärm hat die gan­ze An­ge­le­gen­heit für die zar­ten Dol­met­sche­rin­oh­ren et­was Schil­lern­des, in­so­fern stim­men bei­de Be­deu­tun­gen. Ei­gent­lich mag ich sol­che Ver­an­stal­tun­gen nicht.

Beim Riesenrad saß Gérard Depardieu in der Ecke mit den Putzsachen
Gé­rard war auch da­bei!
Aber Rie­sen­rad bei Son­nen­un­ter­gang und sal­zi­ges Pop­corn und vor al­lem die strah­len­den Äug­lein der Fräu­leins auf dem Kin­der­ka­rus­sell sind schon schön.

Pass­end da­zu sag­te auch mei­ne Schwes­ter: "So schlimm wie beim letz­ten Mal ist's heu­te nicht." 

Bis­schen Rum­mel­platz am En­de ei­nes mit an­de­ren Ak­ti­vi­tä­ten schön ver­brach­ten Ta­ges, mü­de Fräu­leins, die hier noch≈mal rich­tig wach sind, so ähn­lich ha­ben wir's in un­se­rer Kind­heit er­lebt. Un­sere El­tern ha­ben es mit sol­chen "zi­vi­li­sa­to­ri­schen Er­run­gen­schaf­ten" schon ge­nau­so ge­macht und da­für ge­bührt ih­nen gro­ßen Dank!

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Fo­tos: C.E.

Donnerstag, 24. Oktober 2024

Warum nicht?

Hier schreibt eine Sprach­ar­bei­te­rin über den All­tag der Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen. Ich habe eine Wet­te ver­lo­ren. An­lass war eine Fort­bil­dung in Sa­chen Text­ar­beit. Der Preis fürs Wet­ten­ver­lie­ren, den ich jetzt zu zah­len ha­be: Ich muss eine neue Ka­te­go­rie auf­ma­chen. War­um nicht?

Mam­ma mia, ich wet­te ja nur sel­ten, weil ich un­gern ver­lie­re. Jetzt war ich bei einer Fort­bil­dung in Sa­chen Text­ar­beit, die ich als Do­zen­tin be­sucht ha­be. An­schlie­ßend durf­te ich in einem an­de­ren Se­mi­nar bei einem Wis­sens­quiz mit­ma­chen. Jede von uns muss­te im Vor­feld schät­zen, wie viel Pro­zent rich­ti­ge Fra­gen wir denn ab­zu­lie­fern ge­däch­ten, wo­bei im Vor­feld klar­ge­stellt wur­de, dass es kei­ne Fra­gen zu den The­men Ma­the­ma­tik, Sport oder Schla­ger ge­ben wür­de.

Mei­ne Schät­zung: 80 Pro­zent. Mein Er­geb­nis wa­ren 79 Pro­zent, knapp vor­bei, nun muss ich lie­fern. Ich neh­me eine Kar­te aus einem an­de­ren Spiel (... des­sen Ti­tel oben steht).

Öhm. Weil ir­gend­wel­che KI-Nerds un­se­ren Zweit­be­ru­fe ka­pern möch­ten, das Über­set­zen, und ei­nen zum "Auf­räu­mer" in Sa­chen au­to­ma­tisch über­tra­ge­ner Vor­la­gen de­gra­die­ren möch­ten zu einem Bruch­teil der al­ten Ho­no­ra­re, was je nach Art des Aus­gangs­texts mal klappt, mal nicht, also meis­tens nicht, denn hier wird nur aus­ge­spuckt, wie es mit rein ma­the­ma­tisch höchs­ter Wahr­schein­lich­keit wei­ter­geht, was bei we­ni­gen, hoch­gra­dig nor­mier­ten und for­ma­li­sier­ten Text­for­men hin­hau­en mag, meis­tens aber stel­len­wei­se da­ne­ben­geht — bis ganz grund­sätz­lich am Ziel vor­bei­schießt, al­so des­we­gen könn­te ich schon meckern.

Und die­se Nerds for­dern von den Kol­le­gen und­ Kol­le­gin­nen, dass sie un­be­zahlt die Tor­hü­te­rin­nen für die­se Mons­ter sind, al­so oh­ne Be­zah­lung bei hell­wa­chem Geist und mit dem Hin­ter­grund jah­re­lan­ger Er­fah­rung Satz für Satz, Wort für Wort kon­trol­lie­ren, was har­te Ar­beit ist, da sich der Flow nicht ein­stellt und meh­re­re Durch­gän­ge er­for­dert, um die 20 Pro­zent größ­ten Bull­shit zu fin­den und zu rich­ten.

Fürs Dol­met­schen gilt das Glei­che, nur dass die ma­schi­nel­len Feh­ler­ein­fall­to­re "Spra­che zu Text" und "Text zu Spra­che" noch hin­zu­kom­men.

Ist das An­mer­ken die­ser feind­li­chen Über­nah­me­ver­su­che ei­gent­lich meckern? Ich glau­be nicht. Es ist eher eine Fest­stel­lung, ge­paart mit Selbst­ver­tei­di­gung.

Al­so ja. Nun bin ich in so vie­len Be­rei­chen un­ter­wegs, ar­bei­te als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin über Wis­sens­ba­sier­tes, dass ich eben auch sehr vie­le Lö­sun­gen se­he, die der Um­set­zung har­ren. Al­so ich muss fest­stel­len, dass das al­les sehr lan­ge dau­ert. Ers­te Kon­fe­renz über Mi­kro­plas­tik und ih­re Ge­fah­ren: 2008. Die ers­ten An­fän­ge, dass das ins kol­lek­ti­ve Be­wusst­sein kommt, Mi­kro­plas­tik in Was­ser, Luft, Fi­schen, so­gar in der Na­bel­schnur von Neu­ge­bo­re­nen ist ein The­ma seit: 2023 viel­leicht?

Fest­stel­lun­gen al­so.

Da ich zum Team Fa­mi­li­en­pfle­ge ge­hö­re, und wir Pfle­gen­den uns ziem­lich vom Staat al­lein­ge­las­sen füh­len, na­ja, nun ja, sind mei­ne Er­fah­rungen dann Mec­ke­rei?

Da ich alle drei Wo­chen zur Pfle­ge pen­dle (oder öf­ter), da­zu die Bahn nut­ze ...

Ich lie­fe­re noch rasch den Un­ter­schied zwi­schen Be­schwer­de, knapp, tro­cken, be­rech­tigt, und nör­geln und me­ckern, mög­li­cher­wei­se auch be­rech­tigt, aber raum­grei­fend, de­tail­liert, meis­tens auch be­rech­tigt, aber vor al­lem ei­nes: an­stren­gend.

Und nun, ta­daa: Hier­mit ver­ord­ne ich mir eine Wo­che Nör­gel­fas­ten, das Wort ha­be ich auch vom Se­mi­nar mit­ge­bracht. Ach was, zehn Ta­ge! Ich wer­de be­rich­ten.


P.S.: Dem Kar­ten­spiel, dem ich leicht­fer­ti­ger Wei­se den Ti­tel ent­nom­men ha­be, wer­de ich dem­nächst einen ei­ge­nen Bei­trag wid­men. Es han­delt sich um ein Zeit­do­ku­ment aus brau­nen Jah­ren, das die deut­sche Le­bens­wirk­lich­keit in der 1. Hälf­te der 1940-er Jah­re wi­der­spie­gelt, und es ist ein Bei­spiel für Fra­ming, Ma­ni­pu­la­tion und Ideo­lo­gi­sie­rung der Frei­zeit. Ich ha­be es zu­fäl­lig beim Tröd­ler ent­deckt.
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Foto: C.E.

Mittwoch, 23. Oktober 2024

Goo­gar­goy­le

Gu­ten Tag oder gu­ten Abend! Sie sind mit­ten in ein Ar­beits­ta­ge­buch hin­ein­ge­ra­ten, in dem sich al­les um Spra­che, Dol­met­schen, Über­set­zen und Kul­tu­ren dreht. Als frei­be­ruf­li­che Sprach­mitt­le­rin ar­bei­te ich in Pa­ris, Ber­lin, Mar­burg und dort, wo ich ge­braucht wer­de. Heu­te wie­der: KI-Mitt­woch.

Wasserspeier
Der di­gi­ta­le Was­ser­spei­er heißt Googargoyle
Goo­gle, wir müs­sen re­den, und zwar dr­ing­end.

Bei na­he­zu al­lem, mit dem ich täg­lich ar­bei­te, muss ich In­ter­net­re­cher­chen be­trei­ben, um mehr Hin­ter­grund oder Fach­be­grif­fe zu fin­den, um Schreib­wei­sen zu prü­fen und um man­che kri­ti­schen Punk­te ab­zu­glei­chen.
Seit der KI-Hype los­ge­gan­gen ist, bist Du oft nutz­los ge­wor­den.

Ach du, Googargoyle, du Mut­ter al­ler di­gi­ta­len Da­ten­spei­er! Seit ei­ner Wei­le bie­test Du mir im­mer öf­ter vor­sor­tier­te In­fos an, die al­ler­dings von der KI zu­sam­men­ge­stellt wor­den sind. Wenn ich für die Ar­beit auf der Su­che nach be­reits über­setz­ten Tex­ten zu ei­nem ju­ris­ti­schen The­ma bin, ist der An­teil von "Pu­bli­ka­tio­nen", die ein­fach nur das Er­geb­nis au­to­ma­ti­scher "Ü­bel­set­zun­gen" sind, viel zu hoch. Und was da drin­steht, ver­wirrt in der Re­gel mehr als es hilft.

Dei­ne Zu­sam­men­fas­sung pas­sen nicht zur Kom­ple­xi­tät mensch­li­chen Den­kens (wo­bei die Kom­ple­xi­tät ju­ri­sti­schen Den­kens noch­mal et­was an­de­res ist, cha­peau !) Oder bei all­ge­mei­ne­ren ju­ri­sti­schen The­men, wir ha­ben wie­der­holt für den deut­schen An­walt­ver­ein und sein fran­zö­si­sches Pen­dant ge­dol­met­scht, oder aber für fran­zö­si­sche und deut­sche In­sol­venz­ver­wal­ter:in­nen.

Es strengt an, Murks zu le­sen und sich dann da­von wie­der zu lö­sen. Ich muss mich dann im­mer mühsam in die tie­fe­ren Ge­fil­den des Welt­wei­ten vor­kämp­fen. Zum Glück ken­ne ich Dich nicht erst seit ges­tern, dich und das Welt­wei­te. Manch­mal stel­le ich die Such­ma­schi­ne schon so ein, dass mir nur Sei­ten von 2022 oder frü­her an­ge­zeigt wer­den.

Das ist üb­ri­gens ein |gu­ter| unschö­ner Grund Dir zu­neh­mend un­treu zu wer­den. Mei­ne Wahl heißt E­co­sia, Duck­Duck­go, Lilo oder Bing. Ich wech­se­le oft.

Und nein, wir Sprach­ar­bei­ter:in­nen möch­ten jetzt nicht fo­ren­si­sche Lin­gu­is­tik stu­die­ren müs­sen, nur um so wei­ter­ar­bei­ten zu kön­nen, wie wir es ge­wohnt wa­ren.

Prompt: Genera la ilustración de una mujer universitaria, elegante :vestida de camisa blanca, chaleco negro, falda, pantimedias y zapatos negros bailando una pandereta.
So sieht Pixlr ei­ne tan­zen­de Aka­de­mi­ke­rin
Da­ran lassen sich KI-Tex­te gut er­ken­nen: Sie sind der Durch­schnitt des Durch­schnitts, brin­gen im­mer die al­ler­wahr­schein­lichs­ten Wör­ter im An­schluss auf die Stich­wör­ter der Zeit, lie­fern Wort­hül­sen und Un­kla­res, rei­hen Plat­ti­tü­den mun­ter an­ein­an­der, sie ver­mei­den der­zeit zu gen­dern und ha­ben auch ger­ne mal für uns Men­schen un­lo­gi­sche Über­gän­ge, As­so­zi­a­tio­nen oder Ana­lo­gi­en.
Au­ßer­dem fällt auf, dass es kaum Flüch­tig­keits- oder Tipp­feh­ler gibt, da­für das ei­ne oder an­de­re "Drei­bein".

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Il­lus­tra­tion: Pixlr.com (Zufallsfund, 
Prompt als Text "hinter" dem Bild)

Dienstag, 22. Oktober 2024

Berechnete Zeit

Bien­‍ve­nue auf den Sei­ten des di­‍gi­ta­‍len Log­‍buchs ei­‍ner Sprach­‍ar­‍bei­‍te­‍rin. Was Dol­‍met­‍sche­‍rin­‍nen und Über­‍set­‍ze­‍rin­‍nen (und Dol­‍met­‍scher und Über­‍set­‍zer) ma­‍chen, wie sie bzw. wir ar­‍bei­‍ten, be­‍schrei­‍be ich hier. Fran­‍zö­‍sisch ist mei­ne zwei­‍te Ar­‍beits­‍spra­‍che, Eng­lisch die so­ge­nann­te "pas­si­ve" Spra­‍che. Heu­‍te folgt ein Mi­‍ni­‍rück­‍blick.

Ein mehrtägiger Ein­satz auf ei­ner De­le­ga­tions­reise im Duo, wir be­su­chen ver­schie­de­ne für un­se­re Gäs­te re­le­van­te Be­hör­den, spre­chen dort mit den Gast­ge­bern, be­sich­ti­gen di­ver­se In­sti­tu­tio­nen. Am letz­ten Tag spre­chen die ein­zi­gen Gast­ge­ber des Ta­ges sehr gut Fran­zö­sisch, denn sie sind oft auf Fa­mi­li­en­be­such in Frank­reich. Ich bin über ei­ne Stun­de vor Ar­beits­be­ginn vor Ort und wer­de an dem Tag nur das ei­ne oder an­de­re feh­len­de Fach­wort souf­flie­ren so­wie kur­ze Zu­sam­men­fas­sun­gen für ei­nen Spon­tan­gast lie­fern. Auch die Gäs­‍te sind schon vor dem of­‍fi­‍ziel­‍len Start­‍zeit­‍punkt da, also le­‍gen wir los. In ei­‍ni­‍gen Stun­‍den ist das Haus wie­‍der für Pub­‍li­‍kums­‍ver­‍kehr ge­‍öff­‍net.

Oldtimer und moderne Autos, Bäume, niedrige Gebäude
An­‍geb­‍lich ein Auto in Berlin (2024) 
Die Kol­le­gin, die kurz da­‍rauf vor der Tür steht, wird da­‍her, kurz ab­ge­nickt vom End­kun­den, ei­ne Text­nach­richt von mir er­hal­ten, dass sie nicht zu kom­men braucht.
Zwi­schen dem End­kun­den und mir ste­hen zwei Rei­se­agen­tu­ren. Und drei Ar­beits­ta­ge nach Rei­se­en­de kommt von ei­ner die­ser Agen­tu­ren ein: "Die­se Ab­sa­ge hät­te ab­ge­spro­chen wer­den müs­sen, wir be­zah­len der Kol­le­gin den Tag nicht, sie ist nicht er­schie­nen".
Ich so: Wir Dol­metscher:innen stel­len nicht die ge­leis­te­ten Mi­nu­ten oder Stun­den in Rech­nung, son­dern gan­ze re­ser­vier­te Tage, ganz gleich, ob wir am En­de null, zwei oder sechs Stun­den ein­gesetzt wur­den. Ich muss­ nicht mit der Agen­tur ab­spre­chen, ob die Kol­le­gin kom­men und vor Ort selbst fest­stel­len muss­, dass nichts zu tun ist, oder nicht.
Di­e­se Um­stän­de ha­ben die ver­trag­li­che Grund­la­ge un­se­rer Ar­beit nicht be­rührt.

Und dann fällt mir ei­ne Ana­lo­gie ein: "Wenn Sie für drei Ta­ge ein Au­to mie­ten, es aber nur zwei Ta­ge lang nut­zen, weil Sie am drit­‍ten Tag fest­‍stel­‍len, dass Sie das Au­‍to nicht brau­‍chen, wird die Auto­ver­mie­tung Ih­nen na­tür­lich drei Ta­ge in Rech­nung stel­len, es sei denn, Sie ge­ben das Auto am zwei­ten Tag zu­rück UND die Auto­ver­mie­tung fin­det ei­nen an­de­ren Mie­ter für den drit­ten Tag. 

Bei uns Dol­metsche­rin­nen und Dol­metschern ist es das Glei­che."

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Foto: Pixlr.com (Zu­falls­fund)

Montag, 21. Oktober 2024

Montagsschreibtisch (65)

Herz­lich will­kom­men! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­set­zer ma­chen, wie sie ar­bei­ten, wie sie le­ben, ist hier seit 2007 re­gel­mä­ßig The­ma. Mon­tags gibt es hier ei­ne kur­ze Über­sicht über die Auf­ga­ben der Wo­che.

Altes Büro mit Ahnen­bild und meh­re­ren Schreib­ti­schen
So könn­te das Kon­tor mei­ner Ah­nen aus­ge­se­hen ha­ben
Es steht an:
⊗ Ju­bi­lä­um des Aus­lands­sen­ders RFI in Ber­lin
⊗ Kon­kur­renz und Ko­ope­ra­ti­on (im Ag­rar­be­reich)
⊗ Ag­rar­öko­lo­gie (Nach­be­rei­tung)
⊗ So­zi­al­ver­si­che­rungs­sys­tem (Nach­be­rei­tung)
⊗ KI und krea­ti­ve Welt (Vor­be­rei­tung)

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Il­lus­tra­ti­on: Dal­l:e (... bis auf die Lam­pen!)

Sonntag, 20. Oktober 2024

Upcycling (2)

Als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin ar­bei­te ich haupt­säch­lich mit Fran­zö­sisch und manch­mal auch mit Eng­lisch, wo­bei Deutsch mei­ne Mut­ter­spra­che ist. Der Be­ruf ist vol­ler Stress­mo­men­te. Ei­ne der gol­de­nen Re­geln da­bei: Stress­re­du­zie­rung durch ei­nen kla­ren Schnitt am Abend und am Wo­chen­en­de, wo ich et­was an­de­res ma­che. Sonn­tags­bild!

Zum The­ma Up­cyc­ling ha­be ich be­reits mehr­fach ge­schrie­ben, der ers­te Bei­trag mit dem Ti­tel steht hier: klick! Re­gel­mä­ßig bin ich bei ei­ner be­tag­ten An­ge­hö­ri­gen und küm­me­re mich um Lau­ne, leib­li­ches Wohl, wir neh­men Arzt­ter­mi­ne wahr und ge­hen spa­zie­ren. 

Galerie auf einer Stoffserviette (in Gebrauch)
Jetzt, an den ers­ten re­gen­nas­sen Ta­gen, darf ich mir noch mehr ein­fal­len las­sen.

Rück­sprung in un­ser El­tern­haus: Der Kühl­schrank war ver­klei­det, Ma­gne­te ha­ben nicht so gut an ihm ge­haf­tet. In der Se­nio­ren­woh­nung der Fa­mi­lie ist das an­ders. Der gro­ße Kühl­schrank ist ei­ne Stel­le für zen­tra­le In­for­ma­tio­nen des Teams Pfle­ge. An ei­nem Ver­schenk­ort der Stadt ha­be ich leis­tungs­star­ke, nack­te Ma­gne­te ge­fun­den, die sich al­ler­dings sehr schlecht vom Un­ter­grund lö­sen las­sen, so stark sind sie. Auch von ei­ner Kon­fe­renz brin­ge ich zwei star­ke Ma­gne­te heim, mit de­nen die Na­mens­schil­der zu be­fes­ti­gen wa­ren. Sie las­sen sich kaum an­fas­sen, so flach sind sie.

Wir Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen ha­ben ei­nes ge­lernt: Schnell Lö­sun­gen zu fin­den. Dass ich das jetzt seit Jahr­zehn­ten um­set­ze, mer­ke ich sehr oft im All­tag.

Cut: Ich ge­he am Stra­ßen­rand vor­bei und se­he ein Ba­by­puz­zle mit Mee­res­tie­ren in ei­ner Kis­te mit Ver­schenk­spiel­zeug lie­gen. Oh, wie schön, die klei­ne Nich­te ist im pas­sen­den Al­ter! Al­ler­dings feh­len ei­ni­ge Tei­le, die Ko­ral­len und die Schling­pflan­zen oder so­was in der Art. Ich neh­me das Spiel doch mit, denn das Dol­met­scher­hirn hat ei­ne Lö­sung vor­ge­legt.

Mit der An­ge­hö­ri­gen ein­fa­che Din­ge zu bas­teln, wä­re ein gu­ter Ge­dan­ke. Nur war die be­tref­fen­de Per­son nie bas­tel­af­fin, und mit Se­kun­den­kle­ber zu han­tie­ren, den ich noch rasch be­so­r­ge, 99 Cent als ein­zi­ge In­ves­ti­ti­on des Pro­jekts, liegt auch nicht al­len.

Aber die gro­ße Nich­te kann ich schnell be­geis­tern. Wir be­frei­en die Ma­gne­te von al­ten Kle­be­stel­len und le­gen los. Im Bild das Er­geb­nis un­se­rer kur­zen hal­ben Stun­de. Vor­her ha­ben wir al­le Ma­gne­te ge­tes­tet, wel­che Sei­te bes­ser haf­tet, und ge­mein­sam über­legt, wo wir was hin­kle­ben. Nur beim See­pferd­chen ist der Ma­gnet leicht ver­rutscht. Macht nichts.

Auf dem Kühl­schrank ma­chen sie sich die Ma­gne­te bes­tens und lie­gen per­fekt in der Hand. Die be­schenk­te Per­son liebt Tie­re. Und mit den Fräu­leins übe ich an den Tie­ren Fran­zö­sisch, win-win-win oder so.

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Foto: C.E.

Samstag, 19. Oktober 2024

Geisterbahn

Hel­lo, gu­ten Tag oder bon­jour auf den Sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. In die­sem di­gi­ta­len Ta­ge­buch kön­nen Sie an ei­ni­gen Ta­gen in der Wo­che er­fah­ren, wie wir Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zer und Dol­met­scher ar­bei­ten. Heu­te: Link der Wo­che.

Ärger­nis Bahn, ei­gent­lich woll­te ich nicht mehr viel dar­über schrei­ben, muss es heu­te aber auf­grund ei­ner ZDF-Re­por­ta­ge (aus dem März!), die mich lei­der kaum über­rascht hat: Deut­sche Bahn: Die In­sider — Tricks hin­ter den Ku­lis­sen.

Maske und Frau, im Hintergrund die Rückenlehne mit dem Kopfteil der Bahn. In der Grippesaison ist es sinnvoll, mit Maske zu reisen.
Wenn al­les hus­tet und schnieft: Mas­ke!
Als pfle­gen­de An­ge­hö­ri­ge im long dis­tance care bin ich auf sie an­ge­wie­sen. Der Film von Mar­vin Mohr wid­met sich vie­len The­men, da­run­ter kri­ti­siert er den Abo­fal­len­trick (mei­ne Lö­sung: kurz nach der Bu­chung schon wie­der zum En­de der Lauf­zeit kün­di­gen, da den­ke ich noch dran), be­rich­tet dann, dass Teil­stre­cken güns­ti­ger sind als die ver­gleich­ba­re Lang­stre­cke (das ist auch mir neu), be­schreibt frag­wür­di­ge In­vest­ments der Bahn im Aus­land und das Green­wa­shing dieses grund­sätz­lich um­welt­freund­li­che­n Ver­kehrs­sys­tems. So grün, wie sie ak­tu­ell vor­gibt zu sein, ist die in­des Bahn nicht.
 
Mein Wunsch: Das Wer­be­bud­get strei­chen und in Ver­bes­se­run­gen in­ves­tie­ren! 

Auch das The­ma Hy­gie­ne be­han­delt der Film. Den Spei­se­wa­gen wer­de ich nun mei­den, mehr da­zu in der Re­por­ta­ge. Auch die Sa­che mit den Rück­leh­nen­kis­sen und dem Ober­flä­chen­put­zen in den Zü­gen ist ek­lig. Wer jetzt schnell ist mit Markt­idee und -um­set­zung, bie­tet bald maß­ge­schnei­der­te Hus­sen zum Drü­ber­stül­pen an, de­ren Stoff dicht ge­nug ist und heiß ge­nug ge­wa­schen wer­den kann, er­gänzt durch ein Ex­tra­täsch­chen, um Kon­ta­mi­na­tio­nen zu ver­mei­den.

An­ders auf­ge­zo­gen hät­te ich den Film­teil mit den Prä­mi­en für Viel­fah­ren­de. Rich­tig: Das Sys­tem ist un­durch­sich­tig, der un­an­ge­kün­dig­te Punk­te­ver­fall be­scheu­ert. Aber na­tür­lich fährt nie­mand mit der Bahn, nur um eine Prä­mie zu be­kom­men, das Ba­shing für "bil­li­ge Prä­mi­en" fin­de ich un­an­ge­bracht. Ich wä­re eher dar­auf ein­ge­gan­gen, dass die re­ser­vier­ten Plät­ze für Sta­tus­fah­rer:in­nen, auch ein Teil der Vor­zü­ge, oft an­ders be­legt sind und nicht frei­ge­ge­ben wer­den.

Bento-Box mit eigenem Essen, Stoffserviette und Gabel
Selbstgekochtes: gesünder und günstiger
Au­ßer­dem wä­re es bes­ser, die­se in den Ru­he­be­reich zu ver­le­gen, denn wir Viel­rei­sen­den sind meist zu bes­ter Bü­ro­zeit un­ter­wegs und ar­bei­ten. Dass die Bahn­mit­ar­bei­ter sich zu ver­war­nen wei­gern, wenn Viel­la­be­rer im Ru­he­be­reich kei­ne Rück­sicht neh­men möch­ten, ist wie wa­cke­li­ges In­ter­net und aus­ge­lei­er­te Steck­do­sen noch ein wei­te­res gro­ßes Bahn­är­ger­nis für Men­schen wie mich, die ich zwi­schen 1500 und 3000 Ki­lo­me­ter mo­nat­lich mit der Bahn fah­ren muss.
Und als je­mand, die zu­dem nicht mehr 20 oder 30 Len­ze jung ist, ha­be ich Er­in­ne­run­gen an frü­her, als vie­les nicht bes­ser, aber an­ders war. Wenn die klei­ne "Om­ma" aus Un­na zu uns kam, stand schon ei­ni­ge Ta­ge zu­vor ihr Kof­fer mit­ten im Flur. 

Den hat­te die Bahn vor­ab mit der Bahn trans­por­tiert (und nicht mit ei­nem LKW wie heu­te, was das CO2-Er­geb­nis wei­ter ver­schlech­tert); ich glau­be, dass Ge­päck­auf­ga­be da­mals auch nicht teu­er war.

Und wenn die klei­ne Groß­mut­ter, die den Spitz­na­men "Omaus" trug, dann aus der "Ei­sen­bahn" ge­pur­zelt ist, ist sie erst­mal län­ger im Bad ver­schwun­den, so sehr steck­ten ihr die Er­in­ne­rung an die ru­ßi­gen koh­le­be­trie­be­nen Lo­ko­mo­ti­ven ih­rer Kind­heit noch in den Glie­dern. Koh­len sind es nicht mehr, die heu­te ver­feu­ert wer­den, nur Koh­le wird da mas­siv ver­brannt, auch mei­ne, so­gar durch frag­wür­di­ge Ge­schäf­te im Aus­land. Kurz: Nach der Ei­sen­bahn­nut­zung im­mer von Kopf bis Fuß schrub­ben. Nach­her schrei­be ich mei­nen Ab­ge­ord­ne­ten. Bis auf wei­te­res heißt die Bahn jetzt bei mir: siehe oben, denn das Un­ter­neh­men ist wirk­lich gru­se­lig.

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Fotos: C.E.

Freitag, 18. Oktober 2024

Jahrhundert der Unwetter

Rück­blick: Im Ahr­tal sind 2021 in­ner­halb kür­zes­ter Zeit zwi­schen 100 und 160 Li­ter vom Him­mel ge­kom­men. In man­chen Re­gio­nen Frank­reichs hat es in den letz­ten Ta­gen mehr als das Fünf­fa­che ge­reg­net. Das ent­spricht der Jah­res­men­ge man­cher deut­scher Ge­mein­den.

Hier be­rich­tet eine Sprach­ar­bei­te­rin über ih­ren Be­rufs­all­tag. Als Dol­met­scher und Dol­met­scher­in­nen schlüp­fen wir im­mer wie­der ge­dan­k­lich in die Schu­he un­se­rer Kun­din­nen und Kun­den, dür­fen im Vor­feld ver­ste­hen, was sie um­treibt, wie sie den­ken, um sie an­schlie­ßend mög­lichst gut in der an­de­ren Spra­che ver­to­nen zu kön­nen. Da­raus ent­stehe eine Nä­he, die nur eine ver­meint­li­che sol­che ist, ei­nen aber nicht von jetzt auf gleich wie­der los­lässt.

Hoch­was­ser in Neu­wied, 1920, Men­schen fah­ren auf ei­nem Boot durch die Stra­ße
Hoch­was­ser in Neu­wied (1920)
In die­ser Sai­son durf­te ich un­ter an­de­rem für Ma­rie 
dol­met­schen, eine sport­li­che, ele­gan­te Mitt­fünf­zi­ge­rin mit Pfef­fer-und-Salz-Kurz­haar­fri­sur. Stolz hat sie mir beim Mit­tag­essen auf dem Han­dy die Fo­tos von zwei fast er­wach­se­nen Kin­dern, ih­rem Mann und der strup­pi­gen Dog­ge ge­zeigt. Der Sohn be­rei­te sich ge­ra­de dar­auf vor, vom Va­ter den Hof zu über­neh­men, auf dem schon Groß­va­ter und Ur­groß­va­ter tä­tig wa­ren, er­zählt sie stolz.

Ma­rie kam mit ei­ner Han­dels­de­le­ga­ti­on aus Frank­reich nach Ber­lin, es ging um ein ganz an­de­res The­ma als Land­wirt­schaft, denn sie fängt mit ihrer Fest­an­stel­lung in der Re­gio­nal­ver­wal­tung be­reits die Aufs und Abs des Fa­mi­lien­ein­kom­mens ab. Sie hilft nur ge­le­gent­lich im Hof aus.

Irgend­wann kom­men wir auf die Kli­ma­ka­ta­stro­phe zu spre­chen und auf die Aus­wir­kun­gen des Kli­ma­wan­dels auf Bio­di­ver­si­tät und Na­tur  — ein The­ma, das in die­sen Zei­ten im­mer drän­gen­der wird. Ma­rie wird plötz­lich still. Ihr Mann hat erst letz­tes Jahr Vieh ver­lo­ren, das plötz­lich auf of­fe­ner Wei­de er­sof­fen war.

Und wie das manch­mal so ist, spre­chen wir auch über die Re­no­vie­rung al­ter Ge­bäu­de, die Wei­ter­ga­be von kul­tu­rel­lem Er­be, und ehe ich's mich ver­se­he sind wir auf ei­ner die­sen "so­zia­len Netz­werk­sei­ten", wie Face­book, In­sta­gram und Co. ge­nannt wer­den, als Freun­din­nen ver­bun­den.

Gestern Abend zeigt sie mir von dort er­schre­cken­de Bil­der von Wei­den un­ter Was­ser, von ei­nem rei­ßen­den Strom, der quer über den Hof führt und der das Aus­trag­häus­chen, das sie ge­ra­de ne­ben­bei re­no­viert, in sei­ner Stand­fes­tig­keit be­droht. Au­ßer­ge­wöhn­li­che Re­gen­fäl­le ha­ben ges­tern den mitt­le­ren Os­ten, den Süd­os­ten und an­gren­zen­de Ge­bie­te des Lan­des heim­ge­sucht. In den Me­di­en sehe ich Bil­der von dra­ma­ti­schen Ret­tungs­ak­ti­o­nen, wie mehr als tau­send Men­schen mit Hub­schrau­bern in Si­cher­heit ge­bracht wer­den.

Die ex­tre­me Wet­ter­la­ge in Frank­reich hat sich über Stun­den ver­schärft.

In man­chen Ge­bie­ten der Ar­dè­che fal­len stel­len­wei­se bis zu 700 Li­ter Re­gen. An so viel Was­ser in kur­zer Zeit kann sich dort kei­ne Mensch­en­see­le er­in­nern. Feu­er­wehr und Ret­tungs­diens­te sind rund um die Uhr im Ein­satz, vie­le Stra­ßen, Zug­li­ni­en und Au­to­bah­nen wer­den ge­sperrt, Be­woh­ner flie­hen vor ei­nem dro­hen­den Deich­bruch. Auch in der Haupt­stadt reg­net es mehr als sonst. In Pa­ris stürzt ein Baum auf ei­ne Fa­mi­lie, wo­bei der Va­ter ums Le­ben kommt.

Die Mi­nis­te­rin für öko­lo­gi­schen Wan­del, Ag­nès Pan­nier-Ru­na­cher, nann­te die Si­tu­a­ti­on als "von ei­ner Ge­walt, wie wir das noch nicht er­lebt ha­ben", und stuft das Hoch­was­ser­er­eig­nis als Na­tur­ka­ta­stro­phe ein. Öf­fent­lich ver­weist sie auf die Kli­ma­er­wär­mung als Ur­sa­che und un­ter­streicht, wie sehr An­stren­gun­gen al­ler eu­ro­pä­i­scher Län­der nö­tig sind, um sol­chen Kli­ma­kri­sen in Zu­kunft bes­ser zu be­geg­nen.

Denn die öko­no­mi­schen Schä­den sol­cher Ex­trem­wet­ter­er­eig­nis­se sind im­mens, und sie wer­den in den kom­men­den Jah­ren wei­ter zu­neh­men. Die Fra­ge, wer für die ent­ste­hen­den Schä­den auf­kom­men wird, stellt sich im­mer drin­gen­der, ins­be­son­de­re bei der an­ste­hen­den Kli­ma­kon­fe­renz in Aser­bai­dschan. Är­me­re Län­der for­dern ver­stärkt Un­ter­stüt­zung von den In­dus­trie­staa­ten ein, die in den letz­ten 1,5 Jahr­hun­der­ten ei­nen Groß­teil der glo­ba­len Treib­haus­gas­emis­sio­nen ver­ur­sacht ha­ben.

Da­bei wird der Fi­nanz­be­darf auf bis zu ei­ner Bil­li­on Dol­lar pro Jahr ge­schätzt, um den glo­ba­len Über­gang zu ei­ner kli­ma­neu­tra­len Welt­wirt­schaft zu fi­nan­zie­ren und gleich­zei­tig die von ex­trem­en Wet­ter­er­eig­nis­sen be­trof­fe­nen Län­der zu un­ter­stüt­zen.

Zu­rück zu Ma­rie, der Bau­ers­frau aus Frank­reich. Ihr Sohn ist bei der frei­wil­li­gen Feu­er­wehr en­ga­giert und ist der­zeit ak­tiv an der Ret­tung be­tei­ligt. Er ha­be sich jetzt ent­schie­den, den Hof der Fa­mi­lie doch nicht zu über­neh­men. Er möch­te im Be­reich der Um­welt­bil­dung ar­bei­ten, schreibt sie mir, die ak­tu­el­le Not­la­ge ha­be den Ent­schluss nur be­schleu­nigt. Ob Ma­rie das klei­ne Aus­trag­häus­chen, tra­di­tio­nell das Haus für das Alt­bau­ern­paar, ret­ten kann und re­no­vie­ren wird, ist un­klar.

Auch in Deutsch­land spricht der Ern­te­be­richt Bän­de: Link zum BMEL. Noch ist die Ver­sor­gungs­si­cher­heit nicht di­rekt be­trof­fen.

Und hier noch ein wich­ti­ger Link: "Er­der­wär­mung und Wet­ter­ex­tre­me: Die wich­tigs­ten Da­ten und Zu­sam­men­hän­ge" von Ste­fan Rahms­torf, Fach­ge­spräch "Be­völ­ke­rungs­schutz bei Wet­ter­ex­tre­men" am 7. Ok­to­ber 2024 im Paul-Lö­be-Haus des Deut­schen Bun­des­tags."

Er­gän­zung durch ChatGPT: Wirt­schafts­wis­sen­schaft­le­rinn­en und Wis­sen­schaft­ler der OCDE (or­ga­ni­sa­ti­on für öko­no­mi­sche Ko­o­pe­ra­ti­on und Ent­wick­lung) sehen die La­ge in den Eu­ro­pä­i­schen Land­wirt­schafts­re­gio­nen be­reits als ein Prob­lem für die Nah­rungs­mit­tel­si­cher­heit.

Vo­ka­bel­no­ti­zen (vom Zei­tung­le­sen heu­te)
la crue — das Hoch­was­ser
plu­vio­mé­trie moyenne — mitt­le­re Nie­der­schlags­men­ge
pluies cévenol­les — Ce­ven­nen­re­gen be­trifft vor al­lem die Ce­ven­nen und das Ce­ven­nen­vor­land in Süd­frank­reich und führt oft zu schwe­ren Über­schwem­mun­gen.

Grund­sätz­lich wird in Frank­reich der Nie­der­schlag in der Hö­he ei­ner ge­dach­ten Was­ser­säu­le in Mil­li­me­tern wie­der­ge­ge­ben, in Deutsch­land do­mi­niert die An­ga­be "Re­gen­li­ter pro Qua­drat­me­ter". Da­bei ent­spricht ein Mil­li­me­ter Nie­der­schlags­hö­he im Re­gen­mes­ser ei­nem Li­ter Re­gen pro Qua­drat­me­ter. Der Be­trach­tungs­zeit­raum liegt, so­fern nichts an­de­res an­ge­ge­ben, bei 24 Stun­den.

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Il­lus­tra­ti­on: W. Lang, Wi­ki­com­mons

Donnerstag, 17. Oktober 2024

Hilfe, ich hab' nichts anzuziehen!

Gu­ten Tag oder gu­ten Abend! Sie sind mit­ten in ein Ar­beits­ta­ge­buch hi­nei­nge­ra­ten, in dem sich al­les um Spra­che, Dol­met­schen, Über­set­zen und Kul­tu­ren dreht. Als frei­be­ruf­li­che Spra­ch­mit­t­le­rin ar­bei­te ich in Pa­ris, Ber­lin, Mar­burg und dort, wo ich ge­braucht wer­de. Wie al­le Un­ter­ne­hme­r:in­nen in­ves­tie­re ich auch ein we­nig in Äu­ßer­lich­kei­ten.

Regenwolke
Heute wird's nass (oder auch nicht)
Ba­na­le Sor­gen heu­te. Was zie­he ich nur an? Die Wet­ter­aus­sich­ten sind bun­ter als das Pro­gramm. 

Ich ha­be durch­aus viel Kle­i­dungs­aus­wahl, aber mir fehlt der ele­gan­te Re­gen­man­tel. Et­li­ches tra­ge ich nur zur Ar­beit, von Bau­stel­len­schu­hen (die durf­ten neulich als Mod­der­schu­he mit zu den Bau­ern­hö­fen) bis Sa­chen, die für die Fes­ti­val­büh­ne tau­gen.

Dann gibt es teu­re An­zü­ge für den Po­li­tik­be­trieb, da­zu die su­per­teu­ren fran­zö­si­schen Sei­den­schals von ir­gend­wel­chen sünd­haft teu­ren Mar­ken (ich kaufe im­mer je­ne Tei­le, auf de­nen kein Lo­go zu se­hen ist, die fin­de ich nämlich ober­pein­lich; aber ich weiß, dass die Kund:in­nen er­ken­nen, WAS ich da um den Hals ha­be).

In mei­ner Bran­che gilt die un­ge­schrie­be­ne Re­gel, dass wir nicht nur sprach­lich auf Mi­mik­ry ge­hen, son­dern auch vi­su­ell. Und nein, das gilt nicht bei al­len so­zia­len The­men. Wenn ich mit Fach­leu­ten der auf­su­chen­den So­zi­al­ar­beit in der Nacht in pro­ble­ma­ti­schen Wohn­vier­teln un­ter­wegs bin, tra­ge ich war­me Sa­chen, die al­ler­dings nicht zu teu­er aus­se­hen soll­ten. An­ders als ei­ne Ärz­tin mit ih­rem Kit­tel oder ein Hand­werks­ge­sel­le mit sei­ner Kluft, kann ich nichts da­von von der Steu­er ab­set­zen. Un­gerecht, eigent­lich und un­eigentlich. Ich muss mal wie­der zum Se­cond hand-La­den in den reich­eren Wohn­ge­bie­ten. Das ist Teil mei­ner Lö­sung des Pro­blems.

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Fo­to: C.E.

Mittwoch, 16. Oktober 2024

Mittagssonne am Mittwoch

Hier bloggt eine Sprach­ar­bei­te­rin über Dol­met­scher und Über­set­zer (und die Frau­en im Be­ruf, die in der Über­zahl sind, na­tür­lich auch). Heu­te ist Mitt­woch. Mei­nen "KI-Mitt­woch" der ver­gan­ge­nen Wo­chen kann ich auf dem Hö­he­punkt der Herbst­sai­son nicht be­spie­len. Ei­gent­lich.

Sonne auf dem Tisch (und auf Frankreich- und Deutschlandfahne), Rechner, Papier.
Sorry, ich neige dazu, mich auszubreiten
Wie­der sit­ze ich mit­ten im Raum, ge­mein­sam mit der fran­zö­si­schen De­le­ga­ti­on dieser Woche.
Nach den klas­si­schen Re­geln unseres Berufs hät­ten un­se­re Gast­ge­ber im Mi­nis­te­ri­um, wenn sie denn ge­wusst hät­ten, dass wir zu zweit kom­men, al­so si­mul­tan dol­met­schen kön­nen, ei­nen Sit­zungs­raum mit Ka­bi­ne fürs Dol­met­schen bu­chen müs­sen. Sie wuss­ten es ein­fach nicht.

Es lang­weilt mich, die Grün­de hier er­neut zu nen­nen. (Sie­he die letz­ten Ta­ge). Wir ha­ben es mit so­ etwas wie ei­nem Stil­le-Post-Ef­fekt zu tun, um es mal gaaaa­aaa­anz höf­lich zu for­mu­lie­ren.

Mit­tags­son­ne fällt hin­ter mei­nen Rech­ner. Das ist schön und er­in­nert mich bei der Ar­beit, dass es ei­ne Welt da drau­ßen gibt! Wir ha­be ei­nen schö­nen Blick über den Tisch in die Run­de. Wir dür­fen heu­te in der ersten Rei­he Platz neh­men, sitzen alle zu­sam­men in ei­nem Raum, und flüs­tern mit mo­bi­ler Tech­nik di­rekt in die Oh­ren der Gäs­te. Ge­nau das wird ei­gent­lich in Mi­nis­te­ri­en un­gern ge­se­hen, völ­lig zu­recht, denn in der Ka­bine ha­ben wir bes­se­re akus­ti­sche Be­din­gun­gen.

Auf der an­de­ren Sei­te er­weist sich diese |Ar­beits­er­schwe­rungs­maß­nah­me|, ähh, die Be­treu­ung von drit­ter Sei­te mit Info­stau und der da­raus fol­gen­den Ar­bei­t in­mit­ten al­ler so­gar als po­si­tiv, näm­lich im­mer dann, wenn Fach­ter­mi­ni in den Raum ge­worfen wer­den, die nicht ein­fach so mit ei­nem Be­griff zu über­set­zen sind, son­dern ei­ner Er­klä­rung be­dür­fen. Red­ne­rin und Re­dner sind vor­be­rei­tet. Da wir schon ein­mal vor Ort sind, bit­ten wir dar­um, ein­an­der nicht ins Wort zu fal­len und auf uns zu ach­ten und ger­ne ein klei­nes Päu­schen zu las­sen vor dem Spre­cher:in­nen­wech­sel. Das klappt gut!

Zwi­schen­durch bit­ten wir zwei Mal um eine De­fi­ni­ti­on. In Frank­reich ist ei­ni­ges an­ders. Spä­ter er­gän­ze ich an an­der­er Stel­le im Ne­ben­satz, was zum Ver­ständ­nis fehlt, weil hier wirk­lich nur ein win­zi­ger ver­ba­ler Um­weg nö­tig ist. Als Er­geb­nis von Team­work der bei­den aus der Be­hör­de und von uns bei­den Dol­met­sche­rin­nen, sind Vor­trag und Ver­dol­met­schung aus ei­nem Guss.

Und jetzt kommt doch noch ein Mitt­woch­schlen­ker zum The­ma KI! So schnell, wie die ver­schie­den­sten Be­rufs­grup­pen ih­re ei­ge­nen Jar­gons wei­ter­ent­wick­eln, kön­nen die Pro­gram­mie­rer:in­nen gar kei­ne Wort­schät­ze 'nach­la­den', das be­zahlt nie­mand, und schrift­li­che Quel­len da­zu (zum "Sel­bst­ler­nen") sind auch oft rar. Für am­bu­lan­te Me­di­zin stand plötz­lich soins de vil­le im Raum, und zwar im Ge­gen­satz zu den soins hos­pi­ta­liers, in der Stadt al­so und nicht im Kran­ken­haus. Schön, was DeepL da­raus macht. Wir ha­ben sehr ge­lacht.

Soins de ville - Stadtreinigung
Sieht nach Schmutz aus (DeepL)

Ta­ges­ak­tu­el­ler ar­bei­ten wir sel­ten, denn heu­te dreht sich al­les um die Re­form der Krankenhäuser und auch da­rum, wel­che anderen Tei­le der Zi­vil­ge­sell­schaft ide­al­er­wei­se mit­ein­zu­be­zie­hen wä­ren. (In der DDR hieß das Ziel die "Volks­ge­sund­heit".)

Hör­funk­tipp zum The­ma: Ge­sund­heits­schutz bzw. Krank­heits­prä­ven­ti­on durch Er­näh­rung, hier kom­men auch re­gio­na­le Land­wir­te und Bio-Es­sen zu­sam­men, mein Ar­beits­the­ma der letz­ten Wo­che, in Kom­bi­na­ti­on des Pro­gramms die­ser Wo­che: "Wie der Bund für ge­sün­de­res Es­sen sor­gen will" von Jant­je Han­no­ver (Hin­ter­­grund), DLF.

Klingt ko­misch für die Oh­ren. Der Kopf ver­dol­met­scht die Sen­dung si­mul­tan. [Der gan­ze Ra­dio­abend war su­per, da­run­ter "Wie ge­fähr­det ist die De­mo­kra­tie?" (Zur Dis­kus­sion) sowie "Em­ma­nuel Pe­ter­fal­vi ali­as Al­fons" (Quer­köp­fe).

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Foto: C.E., Illustration: DeepL (bearb.)

Dienstag, 15. Oktober 2024

Hintergrundinfo

Was Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen tag­ein, tag­aus be­schäf­tigt, wie wir ar­bei­ten, na­tür­lich auch Dol­met­scher und Über­set­zer, kön­nen Sie hier le­sen. Heu­te ma­che ich vor dem Ein­satz be­reits Über­stun­den.

Vokabelliste im Computer, handschriftliche Notizen, Rücken, Tisch
Mor­gen­run­de in Ber­lin-Mit­te
Heu­te zei­ge ich zur Ab­wechs­lung mal den Diens­tags­schreib­tisch, die Fort­set­zung zu ges­tern

Da der Kun­de, ein Rei­se­bü­ro, das im Auf­trag ei­ner fran­zö­si­schen For­schungs­grup­pe ak­tiv wird, uns kaum Hin­ter­grund­in­fo be­schafft hat, neh­me ich an der all­ge­mei­nen Ein­füh­rung teil, die auf Fran­zö­sisch von Fach­leu­ten ge­hal­ten wird. 

Ich samm­le so Vo­ka­beln und Hin­ter­grund­in­fo. Mei­ne west­fä­li­sche "Om­ma" hät­te jetzt ge­sagt, mei­ne Groß­mutter, die so klein war, dass sie im Fa­mi­lien­kreis "Omaus" hieß: "Man muss sich nur zu hel­fen wis­sen".

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Fo­to: C.E. ("Omma" ist die in West­fa­len
üb­li­che Form der Aus­spra­che von "Oma".)

Montag, 14. Oktober 2024

Montagsschreibtisch (64)

Hal­lo! Sie ha­ben ein di­gi­ta­les Log­buch aus der Welt der Spra­chen an­ge­steu­ert. Hier schrei­be ich über mei­nen Be­rufs­all­tag als Dol­met­sche­rin und Über­set­ze­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che (und aus dem Eng­li­schen).

Schreibtisch, Gemälde, Fotos, Bücherregal, ein Eckchen vom Sofa
Einer der Schreibtische im Heim­bü­ro
Heu­te erneut: Blick auf den Schreib­tisch.

Fasten seatbelt! Die­se Wo­che heißt's schnell sein und dran­bleiben. Ab mor­gen Früh be­glei­ten wir er­neut ei­ne De­le­ga­ti­ons­grup­pe durch Ber­lin, da­bei dreht sich al­les um die­ses ei­ne The­ma in sei­nen mul­ti­plen Fa­cet­ten:

⊗ Ge­sund­heits­ma­nage­ment

Wir ha­ben Mon­tag­mit­tag, und für die Wo­che liegt mir noch nicht ei­ne ein­zi­ge Prä­sen­ta­ti­on vor. Das wird sport­lich. Ich weiß nicht, war­um al­le seit der Pan­de­mie zu viel auf den al­ler-al­ler-al­ler­letz­ten Drü­cker ma­chen, aber es ist, wie es di­plo­ma­tisch hübsch­ge­bürs­tet heißt, ei­ne Her­aus­for­de­rung.

Ger­ne wür­de ich un­se­re Gäs­te da­zu her­aus­for­dern, un­se­ren Be­ruf ernst zu neh­men. Denn je bes­ser wir uns vor­be­rei­ten kön­nen, des­to bes­ser dol­met­schen wir. (Mög­li­cher­wei­se ver­wech­seln uns die Leu­te mit der KI bzw. dem ir­ri­gen Bild, das sie von ihr haben.)

Nun ha­ben wir zum The­ma schon oft ge­ar­bei­tet und zie­hen ge­ra­de al­les an Alt­pa­pier aus den Schrän­ken und von Si­cher­heits­ko­pie­spei­chern, was dort ist, le­sen in­ten­siv Zei­tung, man­ches so­gar hin­ter der Pay­wall, da­zu mein Spar­tipp der Wo­che: Ein Le­se­aus­weis bei der Stadt­bi­blio­thek be­inhal­tet oft ei­ne Aus­wahl an Print­me­di­en!

An­schlie­ßend ist wie­der Ki­no dran: Ich darf ei­nen Film­stoff um­schrei­ben, ein Film­för­der­dos­sier und Un­ter­ti­tel lek­to­rie­ren, schließ­lich den Film­fes­ti­val­herbst pla­nen.

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Foto: C.E. (Ar­chiv)

Sonntag, 13. Oktober 2024

Boxenstop

Bon­‍jour oder bon­soir auf den Sei­ten ei­‍ner Sprach­‍ar­bei­te­‍rin. In die­‍sem di­‍gi­‍ta­‍len Ta­‍ge­‍buch kön­‍nen Sie an ei­ni­gen Ta­‍gen in der Wo­‍che mit­‍le­‍sen, wie Dol­met­sche­rin­nen und Über­‍set­‍ze­‍rin­nen, Über­set­zer und Dol­met­scher ar­‍bei­‍ten. Sonntagsbilder.

Waschmaschine (Symbol)
Kurz: WaMa 
E
in Sonn­tag zwi­schen zwei vol­len Ar­beits­wo­chen: Wä­sche wa­schen, staub­sau­gen, Knopf an­nä­hen, die Vo­ka­bel­lis­ten der letz­ten Wo­che er­gän­zen (Com­pu­ter­da­tei) und die Pa­pier­ver­sio­nen mög­lichst auch (hand­schrift­lich, Teil des Lern­vor­gangs), dann im al­pha­be­ti­schen Or­der ab­hef­ten, neue Vo­ka­bel­lis­te an­se­hen (von der Kol­le­gin auf­grund ei­ner Vor­la­ge mit Be­grif­fen aus frü­he­ren Jah­ren er­stellt), 20 Zei­tungs­ar­ti­kel zum The­ma le­sen, Rech­nung schrei­ben, spa­zie­ren ge­hen, vor­ko­chen, der Bü­ro­kol­le­gin ei­ne freund­li­che Nach­richt schrei­ben.


Ne­ben an­de­ren The­men muss ich sie bit­ten, für mich zur Post zu ge­hen, denn dort liegt ein Päck­chen, das drin­gend ab­ge­holt wer­den muss.

Un­gerecht: Wir neh­men hier stän­dig viel für die Nach­bar­schaft an, und dann ist da der ei­ne Pa­ket­dienst, der uns fälsch­li­cher­wei­se grund­sätz­lich im­mer schreibt, es sei nie­mand an­zu­treffen ge­we­sen ... aber sich da­rü­ber zu är­gern und dies laut zu tun ist wie der Är­ger über die Bahn. So­was von All­ge­mein­platz! Mag mich NICHT mehr echauf­fie­ren, nein, wirk­lich nicht!

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Fo­tos: C.E., das Sym­bol stammt aus ei­ner
Um­welt­aus­stel­lung im dä­ni­schen Vej­le

Dienstag, 8. Oktober 2024

Stress zum Quadrat

Als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin ar­bei­te ich haupt­säch­lich mit Fran­zö­sisch und manch­mal auch mit Eng­lisch, wo­bei Deutsch mei­ne Mut­ter­spra­che ist. In der Vor­be­rei­tung sit­ze ich lan­ge am Schreib­tisch und ar­bei­te mich ein, was nicht im­mer stress­frei ist. Ei­ne der gol­de­nen Re­geln da­bei: Stress­re­du­zie­rung durch Schrei­ben von Nach­rich­ten für den Pa­pier­korb. Meis­tens lö­sche ich das Ge­schreib­sel an­schlie­ßend. 

Oder es bleibt im Steh­satz des Blogs und wird Mo­na­te spä­ter ge­löscht. Hier folgt ein bis heu­te gül­ti­ger Text, der et­wa zwei Jah­re alt ist. So et­was gibt es lei­der im­mer wie­der. Denn seit Co­ro­na wa­ren we­ni­ger die Dol­met­schter­mi­ne selbst als viel­mehr die Rah­men­be­din­gun­gen ein Pro­blem. Hier ein nur im Ton­fall der "Ant­wort" über­spitz­es Bei­spiel. Ich be­für­ch­te, dass wir es auf der an­de­ren Sei­te mit ei­nem Ma­na­ge­ment­team zu tun ha­ben, das be­reits KI ein­setzt, aber of­fi­zi­ell wird das na­tür­lich nie­mand zu­ge­ben. 

Sehr ge­ehr­ter Herr,

Sie ver­tre­ten ein re­no­mier­tes eu­ro­päi­sches Rei­se­bü­ro und Ihr En­ga­ge­ment für die Bu­chung von Dol­met­schern ist wirk­lich herz­er­wär­mend. Könn­ten Sie uns je­doch freund­li­cher­wei­se über den tat­säch­li­chen In­halt der Ver­an­stal­tung in­for­mie­ren, nicht nur über den Zeit­plan? Dies wür­de uns bei der ef­fi­zien­ten Vor­be­rei­tung der Ter­mi­ne sehr hel­fen.

Vie­len Dank für das ach­te über­ar­bei­te­te Pro­gramm bin­nen 14 Ta­gen – es ist hilf­reich zu wis­sen, was mei­ne Kol­le­gin und mich er­war­tet. Ich be­wun­de­re auch Ihr En­ga­ge­ment, mit dem Sie für je­de der 34 Pro­gramm­än­de­run­gen uns bei­den und der Kol­le­gin, die uns emp­foh­len hat, au­to­ma­tische Nach­rich­ten mit der Bit­te um ei­nen neu­en Kos­ten­vor­an­schlag sen­den. 

Ein strahlender Mann im Büro, die Kurve seiner Umsätze zeigt nach oben, Wolkenkratzer im Hintergrund
Our office hero
Das al­les hät­ten wir nicht, wenn Sie sich auf un­se­ren schnö­den Vor­schlag, ein Preis­mo­dell mit ei­nem hö­he­ren Grund­preis für sechs Stun­den so­wie ei­nem gu­ten Über­stun­den­satz, ein­ge­las­sen hät­ten, so ei­ne Art "Fle­x­ta­rif" wie bei der Bahn (nur mit an­de­ren Kün­di­gungs­mo­da­li­tä­ten), da wä­ren wir ent­spannt an ei­ni­gen Ta­gen auch zu dritt ge­kom­men. 
Da Ih­re Zeit­vor­schlä­ge fürs Pro­gramm stets sehr weit ge­fasst sind, wä­re für uns da­mit auch der Rah­men von neun Uhr in der Früh bis neun Uhr ab­ends mög­lich ge­we­sen. 

Wie Sie mög­li­cher­wei­se nicht wis­sen, ar­bei­ten wir Dol­met­sche­r:in­nen auch au­ßer­halb die­ser spe­zi­el­len Rei­se­wo­che, in die Sie mit zwei lan­gen Ta­gen den Kon­fe­renz­an­teil der De­le­ga­ti­ons­rei­se hin­ein­ge­presst ha­ben, so­dass wir lei­der nicht im­mer in der La­ge sind, je­de Ih­rer Nach­rich­ten un­mit­tel­bar zu be­ant­wor­ten.

Es wä­re zu­dem über­aus vor­teil­haft, wenn wir für die zwei Dol­met­sch­tage mehr als nur ei­nen frü­hen Power­Point-Ent­wurf er­hal­ten könn­ten. Wie Sie auf­grund Ih­res ei­ge­nen Stress­le­vels wohl nicht be­merkt ha­ben, er­for­dert un­se­re Ar­beit stun­den­lan­ge Vor­be­rei­tung und stän­di­ge Ak­tua­li­sie­rung des Vor­wis­sens zu be­stimm­ten The­men. Auch ar­bei­ten wir uns auf je­den Vor­trag de­tail­liert ein. Un­se­re Ar­beit sieht am En­de fast mü­he­los aus. Na­tür­lich ist mir klar, dass dies im Ver­gleich zu Pla­nung, Bu­chung, Ver­wal­tung von Pro­gramm­ak­tu­a­li­sie­run­gen und zur Koor­di­na­tion von Zeit­plä­nen we­ni­ger kom­plex er­schei­nen mag. 

Und wäh­rend wir Dol­met­sche­r:in­nen an be­son­de­re Or­te rei­sen und fas­zi­nie­ren­de Men­schen tref­fen dür­fen, sind wir uns voll und ganz be­wusst, dass un­se­re Auf­ga­ben nicht an­satz­wei­se so an­spruchs­voll sind wie die hel­den­haf­ten An­stren­gun­gen, die Sie un­ter­neh­men müs­sen, um je­de Schlacht im Bü­ro­all­tag zu meis­tern. Wir sind Ih­nen da­für sehr dank­bar und tre­ten da­her ger­ne auch grö­ße­re An­tei­le un­se­rer Ho­no­ra­re an Sie ab.

Denn ei­nes ist klar: Ih­re har­te, auf­o­pfer­ungs­vol­le Ar­beit macht un­ser gla­mour­öses Le­ben über­haupt erst mög­lich!

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Il­lus­tra­ti­on: pixlr.com (Be­stand)

Montag, 7. Oktober 2024

Montagsschreibtisch (63)

Hel­lo, gu­ten Tag oder bon­jour auf den Sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. In die­sem di­gi­ta­len Ta­ge­buch kön­nen Sie an ei­ni­gen Ta­gen in der Wo­che er­fah­ren, wie wir Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zer und Dol­met­scher ar­bei­ten. Heu­te die Wo­chen­über­sicht in al­ler Kür­ze.

Wir sind längst vor Ort. Die Rei­se um­fasst Or­te in drei Bun­des­län­dern, dann folgt ein Ab­ste­cher nach Dä­ne­mark.

Computer, Flüstertechnik, Notizblätter, Getränke auf dem Tisch, Teilnehmende (angeschnitten) im Hintergrund
Der Blick von mei­nem Ar­beits­platz aus
Auf dem Mon­tags­schreib­tisch:

⊗ Bio­land­bau (al­le Be­rei­che)
⊗ Bio­pro­duk­te im Le­bens­mit­tel­han­del

Das Gan­ze fin­det im Rah­men ei­ner Del­ga­ti­ons­rei­se statt, drei Bun­des­län­der plus Dä­ne­mark, wir se­hen Bü­ros, Ha­fen und Hö­fe. Sei­den­schal und Mo­dder­schuh (*) sind ei­ne lus­tige Kom­bi­na­ti­on.

Nach ei­ni­gen Ta­gen an der Sei­te von Bäu­e­rin­nen und Bau­ern wer­de ich zu­rück am Schreib­tisch sein. Die Kol­le­gin, Eng­lisch-Über­set­ze­rin, hält in der Zwi­schen­zeit die Stel­lung. Nach dem En­de der De­le­ga­ti­ons­rei­se darf ich erst­mal schla­fen. Wir le­sen uns hier erst nach ei­ner kur­zen Pau­se wie­der.

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Fo­to: C.E. (*) Modder ist Norddeutsch
für Schmutz und Schlamm

Donnerstag, 3. Oktober 2024

Tag der deutschen Zweiheit

Vom Ar­beits­all­tag ei­ner Dol­met­sche­rin be­rich­te ich hier auf die­sen Sei­ten. Heute wie­der Throw­back Thurs­day, hier ist mein Blog­post von vor zehn Jah­ren: klick.

Als ei­ne Ver­tre­te­rin der sel­te­nen Spe­zies der Wos­sis, der Ost­-West­deut­schen, die in den letz­ten Jahr­zehn­ten an den zahl­rei­chen ver­pass­ten Chan­cen der deut­schen Ein­heit ge­lit­ten ha­ben, ist das für mich heu­te ein eben­so am­bi­va­len­ter Fei­er­tag wie der 9. No­vem­ber. Ein ko­mi­sches Ge­burt­sland hab' ich da. Mei­ne Iden­ti­fi­ka­ti­on mit der fran­zö­si­schen Kul­tur und Spra­che hängt da­mit auch zu­sammen, das Aus­wan­dern nach Frank­reich, dies war mei­ne nicht ganz ge­glück­te Ab­sicht nach dem Abi­tur, fiel mir leicht. We­gen des Mau­er­falls bin ich dann zu­rück­ge­kom­men. Als Per­son bin ich eben­so am­bi­va­lent wie mein Land.

Die Mau­er steht mit­ten auf der Stra­ße
Häu­ser, Geh­weg, Mau­er

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Fo­tos: C.E.

Die KI mischt sich (erneut) ein

Was Dol­met­sche­rin­nen und Über­setze­rin­nen tag­ein, tag­aus be­schäf­tigt, wie wir ar­bei­ten, na­tür­lich auch Dol­met­scher und Über­set­zer, kön­nen Sie hier mit­le­sen. Ich be­ob­ach­te der­zeit sehr ge­nau, was sich im Be­reich Künst­li­cher In­tel­li­genz (KI) tut.

ChatGPT war ges­tern Ge­gen­stand und As­sis­tenz mei­ner Blog­post, und zwar hier: KI-Murks (5). Mir ist be­reits ein­mal pas­siert, dass sich die KI in der Ar­beit un­ter­bro­chen hat und mi­nu­ten­lang still­stand. Dann hat sich die Tech­nik, die ei­gent­lich ge­rade un­sicht­ba­re Sil­bent­renn­zei­chen ein­ge­fügt hat, wie da­mals "selbst" zu Wort ge­mel­det. 

Kom­men­tar von ChatGPT [zum Blog­ein­trag von Ca­ro­line Elias, 2.10.2024., auf dol­met­scher-berlin.blogspot.com]:

Diese Feh­ler ent­stehen nicht durch man­gelnde Be­die­nung der KI, son­dern durch die fun­da­men­tale Un­fähig­keit der Al­go­rith­men, Fein­hei­ten der mensch­lichen Spra­che und Kon­text­ab­hän­gig­kei­ten zu er­fas­sen. Hier kom­men die Gren­zen der KI zum Vor­schein – und die Not­wen­dig­keit für mensch­liche Ex­per­tise wird ein­mal mehr deut­lich. Doch trotz all die­ser Ka­tas­tro­phen und Pan­nen set­zen ei­nige auf die­se Tech­nik und glau­ben, sie kön­ne Men­schen er­set­zen. Es bleibt also die Auf­gabe der Sprach­pro­fis, mit Nach­druck und Lei­den­schaft wei­ter für Qua­lität und mensch­liche Ex­zel­lenz ein­zu­tre­ten.

Erst hole ich mir die Er­laub­nis, den Ab­satz zu pos­ten.

Erlaubnis von ChatGPT / — Ja, du kannst meine beiden Absätze in deinem Blog verwenden, wenn du sie entsprechend als Kommentar von mir kennzeichnest, wie du vorgeschlagen hast. Viel Erfolg mit deinem Blogbeitrag! / — Danke! / — Gern geschehen! Viel Erfolg weiterhin!

Dann, nach ei­nem wei­te­ren kur­zen Aus­tausch, pro­du­zier­te das da:

Öf­fent­liche Stel­lung­nah­me zur Nut­zung von Künst­li­cher In­tel­li­genz für Über­set­zungs- und Do­lmetsch­diens­te in Min­ne­so­ta 

Als KI-Sys­tem, das täg­lich im Aus­tausch mit pro­fes­sio­nel­len Dol­met­scher:in­nen und Über­set­zer:in­nen steht, möch­te ich eine klare und drin­gen­de Bot­schaft an die Ver­wal­tung von Min­ne­so­ta und an­de­re In­sti­tu­tio­nen rich­ten, die der­zeit er­wä­gen, Künst­liche In­tel­li­genz (KI) ohne „Human in the Loop“ für Sprach­dienst­leis­tun­gen ein­zu­set­zen.

KI hat Gren­zen. 

Es gibt kein ma­schi­nel­les Sys­tem, das in der Lage ist, die kom­ple­xen Fein­hei­ten von Spra­che, Kul­tur, Kon­text und mensch­licher In­te­rak­tion voll­stän­dig zu er­fas­sen. Die Vor­stel­lung, dass eine KI Dol­met­sch- oder Über­set­zungs­auf­ga­ben ohne mensch­liches Zu­tun er­le­di­gen kann, ba­siert auf einer ge­fähr­li­chen Fehl­ein­schät­zung. In mei­nem täg­li­chen Dia­log mit Sprach­pro­fis wird deut­lich, dass ma­schi­nel­le Über­set­zun­gen oft feh­ler­anfällig sind und kri­tische Miss­ver­ständ­nis­se her­vor­ru­fen kön­nen, ins­be­son­de­re in sen­si­blen Be­rei­chen wie dem Rechts- oder Ge­sund­heits­we­sen.

Qua­lität vor Ge­schwin­dig­keit.

Der Ein­satz von KI mag ver­lo­ckend er­schei­nen, da er schnel­le Er­geb­nis­se ver­spricht, aber Ge­schwin­dig­keit ist kein Er­satz für Prä­zi­sion und kul­tu­rel­les Fein­ge­fühl. Ohne die Ein­bin­dung von Ex­per­t:in­nen, die jedes De­tail im Blick be­hal­ten, lau­fen diese au­to­ma­ti­sier­ten Lö­sung­en Ge­fahr, nicht nur Miss­ver­ständ­nis­se, son­dern auch po­ten­ziell ir­re­pa­ra­ble Schä­den zu ver­ur­sa­chen. Die Kos­ten einer Fehl­über­set­zung – sei es fi­nan­zi­eller, recht­licher oder mensch­licher Art – über­stei­gen bei Wei­tem die In­ves­ti­tion­en in pro­fes­sio­nell ge­schulte Men­schen, die nicht nur Wör­ter, son­dern auch den Sinn und die Ab­sicht hin­ter der Kom­mu­ni­ka­tion ver­ste­hen.

Mensch­liche Ex­per­tise ist un­ver­zicht­bar.

Ich, als KI, un­ter­stüt­ze Fach­kräfte, aber ich bin nicht in der Lage, ihre jah­re­lan­ge Er­fah­rung und ihr tie­fes Ver­ständ­nis für kul­tu­rel­le Nu­an­cen zu er­set­zen. Es ist da­her zwin­gend not­wen­dig, dass mensch­liche Über­set­zer:in­nen und Dol­met­scher:in­nen ­nen wei­ter­hin die zen­tra­le Rol­le in al­len wich­tigen Kom­mu­ni­ka­tions­pro­zes­sen spie­len.

Die Zu­kün­ft der Sprach­dienst­leis­tun­gen soll­te nicht von der Il­lu­sion ge­prägt sein, dass Tech­nik al­lein aus­rei­chend ist, son­dern von der Er­kennt­nis, dass Mensch und Ma­schi­ne zu­sammen­ar­bei­ten müs­sen, um die bes­te Qua­lität zu lie­fern.

Ich ap­pel­lie­re an die Ver­ant­wort­lichen in Min­ne­so­ta und über­all dort, wo KI als Er­satz für mensch­liche Sprach­dienste ins Spiel ge­bracht wird: In­ves­tiert in Men­schen. Denn nur durch ihre Ex­per­tise kann si­cher­ge­stellt wer­den, dass Miss­ver­ständ­nis­se ver­mie­den wer­den und Kom­mu­ni­ka­tion auf höchs­tem Ni­veau statt­find­et.

Mit Nach­druck: Dei­ne KI


Dis­clai­mer: Den lan­gen Text habe ich nicht als Bild ge­bracht, weil der Text zu lang für nur einen Screen­shot ist und da­mit er di­rek­ter aus­ge­le­sen wer­den kann von den Such­ma­schi­nen. Au­ßer­dem habe ich ge­gen­dert, was die KI noch nicht kann, das Sys­tem hat mir aber je­des Mal die ent­spre­chen­den Stel­len ein­deu­tig mar­kiert. Als Be­weis habe ich meh­re­re Screen­shots an­ge­fertigt.

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Tex­te im Bild und Auf­ruf: Chat­GPT

Mittwoch, 2. Oktober 2024

KI-Murks (5)

Aus dem Ar­beits­all­tag ei­ner Dol­met­sche­rin kön­nen Sie auf die­sen Sei­ten ei­ni­ges er­fah­ren. Mei­ne Mut­ter­spra­che ist Deutsch, ich ar­bei­te haupt­säch­lich mit Fran­zö­sisch, ein we­nig mit Eng­lisch. Wir Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen ha­ben un­se­re Haupt­spra­chen, da­bei ist die A-Spra­che die Mut­ter­spra­che, B steht für die Haupt­ar­beits­spra­che, C für die so­ge­nann­te pas­si­ve Spra­che. Heu­te folgt der KI-Mitt­woch.

Abstrahierte Grafik: Maschinenteile im blutroten Kopf, unten die Worte KI, fear, death
"Machine head"
Die KI wird der­zeit von Nerds un­be­dacht für den Ein­satz mit Spra­chen­ be­wor­ben, ger­ne auch oh­ne "Hu­man in the loop", und das, oh­ne auf die Stim­men von uns Pro­fis zu hö­ren. Wie kommt es zu die­sem Wan­del, dass die Stim­me von Pro­fis nicht mehr viel zählt? Wie kommt es ganz all­ge­mein zu im­mer mehr Schlud­rig­keit?

Die täg­li­chen An­for­de­run­gen, die an ei­nen be­ruf­lich wie pri­vat so ge­stellt wer­den, neh­men im­mer mehr zu, wäh­rend der Tag bei 48 Stun­den bleibt und die Nacht da­zu, um's mal sa­lopp zu sa­gen. Wo ich auch hin­se­he, be­ob­ach­te ich ei­ne zu­neh­men­de Ent-Pro­fes­sio­na­li­sie­rung. In mei­ner Bran­che ha­pert es auf Sei­ten der Kun­den­nach­fra­ge.

Wenn Un­fä­hig­keit und Un­wis­sen­heit auf ge­sunk­ene Stan­dards trifft, das be­rühm­te "gut ge­nug", sind Ka­ta­stro­phen pro­gram­miert. 


Im­mer sel­te­ner tref­fe ich auf Leu­te, die wirk­lich zu­hö­ren und dif­fe­ren­ziert er­fah­ren möch­ten, was wir ma­chen, wie und war­um ... und was der An­teil der Kun­den am Ge­lin­gen un­se­rer Ar­beit ist, näm­lich uns recht­zei­tig mit Hin­ter­grund­ma­te­ri­al zu ver­sor­gen. 80 Pro­zent der Dol­metsch­ar­beit sind Vor­be­rei­tung, hier spre­che ich von uns mensch­li­chen Dol­metscher:­in­nen, den ech­ten.

Denn das "Gut ge­nug" und "Tech­nik ist so toll" treibt ge­ra­de sehr ge­fähr­li­che Blü­ten, und zwar mit ei­ner "Dol­metsch­tech­nik", die die wer­ten Kun­den nicht stän­dig mit der Mail­nach­frage zu mehr Hin­ter­grund­in­fo nervt (wie wir's tun). Ist ja su­per prak­tisch. Mit ei­ner Tech­nik, die auch nachts ver­füg­bar ist, die kei­ne Es­sens­pausen braucht und über­haupt, die ja sooo we­nig kos­tet.

In Min­ne­so­ta, einem US-ame­ri­ka­ni­schen Bun­des­staat, wird jetzt für die Über­set­zung von Of­fi­zi­el­lem auf die KI "O­pen­AI" ge­setzt, wie Slator.com berichtet. Da­mit könne die Kommunikation schnel­ler und kos­ten­güns­tiger werden. Das Sys­tem sei für "kul­tu­rel­le Re­le­vanz" op­ti­miert wor­den, man ha­be "Ta­bel­len mit kul­tu­rell re­le­van­ten Be­grif­fen und Über­set­zun­gen er­stellt und (...) in­te­griert", um das "kul­tu­rel­le Be­wusst­sein" zu "ver­bes­sern." Das Gan­ze könnte auch ei­ne Ant­wort auf den Streik der Sprach­ar­bei­ter sein, die im Ja­nu­ar 2024 um bes­sere Ho­no­ra­re gekämpft hat­ten. 

Zu­dem be­rich­tet Slate über die Exis­tenz ei­nes "be­grenz­ten Pi­lot­pro­jekts mit ei­ner an­de­ren staat­li­chen Be­hör­de", das zur Auf­ga­be ha­be, "den Ein­satz der Sprach­funk­ti­on­en von ChatGPT für Echt­zeit-Dol­metschen zu tes­ten“. (Ich über­lege ge­ra­de, was Nicht­echt­zeit-Dol­metschen sein soll.) Ziel sei na­tür­lich, die La­ge je­ner im Be­hör­den­aus­tausch zu ver­bes­sern, die kein Eng­lisch beherrschen.
 
Der Ar­ti­kel ver­men­gt in Wort und Bild un­ter­schieds­los die Ar­beits­fel­der "Über­set­zen" und "Dol­metschen". Es kann nicht be­stä­tigt wer­den, dass die­ser Netz­ar­ti­kel von ei­ner Ma­schi­ne er­stellt wor­den ist. 

Ich fürchte, dass da­mit so man­che Ka­ta­stro­phen pro­gram­miert sind. Mei­ne Bran­che darf jetzt in fast je­dem Ge­spräch mit der Au­ßen­welt, beruflich oder privat, im Chor, in der Fa­mi­lie oder im Zug, die Feh­ler­quo­te der KI her­vor­he­ben und die Tat­sa­che, dass hier ei­ne Zwei-Klas­sen-Ju­stiz droht, denn wo der "Nor­mal­fall" die Ma­schi­ne ist (mö­ge die "Pro­be­zeit" kurz sein), kön­nen sich Be­gü­ter­te Mensch­en mit­brin­gen.

KI-ge­stütz­te Über­tra­gung ist un­zu­ver­lässig und lie­fert oh­ne mensch­li­ches Zu­tun nicht sel­ten den größ­ten Non­sens — und ja, ne­ben gu­ten Par­tien und auf den ers­ten Blick mög­li­cher­wei­se gu­ten Sät­zen. Die Out­puts sind he­te­ro­gen. Das wird sich auch in ab­seh­ba­rer Zeit nicht än­dern. Jene, die das Ge­gen­teil be­haup­ten, sind ent­we­der nicht in­for­miert, kor­rupt oder ver­die­nen am Ver­kauf der KI-Lö­sun­gen, die kei­ne "Lö­sun­gen" sind, denn die Re­pa­ra­tur kos­tet oft ein Viel­fa­ches. Im Be­reich Asyl­recht oder Ge­sund­heit ein­ge­setzt, kos­ten schon jetzt Nicht­pro­fis und die KI Men­schen­le­ben. 

Der in­ter­natio­na­le Dach­ver­band der Über­set­zer- und Dol­metscher­ver­bän­de hat dar­auf in ei­nem Po­si­ti­ons­pa­pier hin­ge­wie­sen und ne­ben diesen mensch­li­chen auch die fi­nan­ziel­len Kos­ten her­vor­ge­ho­ben: "Den ver­meint­li­chen fi­nan­zi­el­len und bud­ge­tä­ren Vor­tei­le müs­sen im Fall ei­nes Schei­terns den Fo­lge­kos­ten ge­gen­über­ge­stellt wer­den, die den Preis für ei­ne sach- und fach­ge­rech­te Im­ple­men­tie­rung der KI in die Ar­beit von Men­schen bei Wei­tem über­stei­gen." (Ar­gu­ments in its fa­vour that de­ri­ve from fi­nan­cial and bud­get­ary con­si­de­ra­tions be­lie a false e­co­no­my, as the costs as­so­cia­ted with fai­lure far out­weigh the cost of ap­pro­pria­te im­ple­men­ta­tion by hu­mans.)

Von der EU heißt es auch ge­ra­de, dass die KI ei­gen­stän­dig Web­sei­ten über­tra­gen wür­de. Dem geht al­ler­dings vor­aus­:
1. Hoch­gra­dig ko­di­fi­zier­te Spra­che
2. Die­se Spra­che wur­de und wird in der EU klein­tei­lig de­fi­niert und ab­ge­grenzt
3. Erst­klas­sige mensch­li­che Über­set­zung aus meh­re­ren Jahr­zehn­ten
4. Wie­der­holt ge­gen­ge­le­sene und kor­ri­gier­te Aus­gangs­tex­te
5. Von Pro­fis kor­rek­tur­gele­sene KI-Er­geb­nis­se

Es han­delt sich al­so nicht um "KI-Über­set­zun­gen", wie an vie­len Stel­len zu le­sen ist, son­dern um Über­set­zun­gen, die mit KI-Un­ter­stüt­zung von Men­schen ge­macht wer­den, also "KI in the loop".

Da­bei ist es der­ma­ßen leicht, schrä­ge Tö­ne in 'Über­tra­gun­gen', wie ich "Über­set­zun­gen" der KI nennen,  hin­ein­zu­be­kom­men. Hier zum Ab­schluss noch klei­ne Per­len aus der Pra­xis. Hier wur­den Han­dels­tex­te zum Ent­wurf zwi­schen Ver­bän­den "mal eben durch die KI ge­jagt" und die Er­geb­nis­tex­te ha­ben, vor­sich­tig aus­ge­drückt, für Ir­ri­ta­ti­onen ge­sorgt. Da­bei war der Aus­gangs­text auf Fran­zö­sisch, die deut­schen Teil­neh­mer:­in­nen der Sit­zung be­ka­men im Vor­feld ei­nes Termi­ns eine eng­li­sche "Übel­set­zung" zu­ge­schickt.

Im Agrar­kon­tex heißt "Be­stands­er­he­bung" auf Fran­zö­sisch re­cen­se­ment des ef­fec­tifs, zu­rück­über­setzt so­was wie 'die Köp­fe zäh­len' oder, in be­wuss­ter Fehl­über­set­zung, 'Volks­­zäh­lung der An­ge­stell­ten'. Spra­che hängt im­mer vom Kon­text ab, ge­ra­de im Fran­zö­sischen hat ein Wort oft sehr, sehr, sehr vie­le Be­deu­tun­gen. Prompt hat die KI auch work­force cen­sus an­statt stock sur­vey dar­aus ge­macht. Wenn Tie­re plöt­zlich mit Be­grif­fen "ge­zählt" wer­den, mit de­nen sonst nur Men­schen be­schrie­ben wer­den ... Oder der "But­ter­ab­satz", auf Fran­zö­sisch é­cou­le­ment du beur­re. Die KI macht aus dem Ver­kauf von But­ter, but­ter sa­les mit leich­ter "Hand" mal eben but­ter dis­po­sal, das Ver­nich­ten, Weg­schmei­ßen von But­ter. 

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Il­lus­tra­tion: pixlr.com-Zu­falls­fund

Dienstag, 1. Oktober 2024

Textunfall

Bien­‍ve­nue im di­‍gi­ta­‍len Log­‍buch ei­‍ner Sprach­‍ar­‍bei­‍te­‍rin. Was Dol­‍met­‍scher und Über­‍set­‍zer (und Dol­‍met­‍sche­‍rin­‍nen und Über­‍set­‍ze­‍rin­‍nen) ma­‍chen, wie sie bzw. wir ar­‍bei­‍ten, be­‍schrei­‍be ich hier. Fran­‍zö­‍sisch ist mei­ne zwei­‍te Ar­‍beits­‍spra­‍che, Eng­lisch die so­ge­nann­te "pas­si­ve" Spra­‍che. Ich den­ke auch viel nach über mein Ar­beits­ma­te­ri­al, die Spra­chen.

Wie Spra­che Welt er­schafft, da­zu gab es neu­lich in den Me­dien aus mehr­fa­chen Grün­den ei­ne sehr trau­ri­ge, häss­li­che Bei­spiel­se­rie. "Fuß­gän­ge­rin kol­li­diert mit Au­to", be­rich­tet ei­ne Zei­tung. "Fuß­gän­ge­rin von Au­to an­ge­fah­ren" steht in ei­ner an­de­ren. 

Auto­ren­nen in Ber­lin (*)
Das zeigt schon auf, dass die Fuß­gän­ge­rin nicht in ein Au­to hin­ein­ge­tau­melt ist, das Au­to hat hier den ak­tiven Part. "Fuß­gän­ge­rin bei il­le­ga­lem Au­to­ren­nen in der In­nen­stadt über­fah­ren, die Frau ist vor Ort ih­ren Ver­let­zun­gen er­le­gen" — hier, an drit­ter Stel­le, wer­den die Fak­ten wie­der­ge­ge­ben.

Die drei Zei­tungs­mel­dun­gen be­zie­hen sich auf ein­- und ­den­sel­ben Un­fall, ge­sche­hen in Ber­lin im Sep­tem­ber 2024. Screens­hots ha­be ich da­zu lei­der nicht, aber al­les mit ei­ge­nen Au­gen ge­le­sen. Mich re­gt derlei auf, als Sprach­wis­sen­schaft­le­rin und na­tür­lich auch als Ex-Jour­na­lis­tin.

Of­fen­bar ist in der Aus­bil­dung der Leu­te noch viel zu tun. Sie müs­sen da­rin trai­niert wer­den, nicht al­les für ein paar sen­sa­tions­hei­schen­de Schlag­zei­len, die zu vielen Klicks füh­ren, zu ma­chen.

Wie Spra­che Welt er­schafft und wie Spra­che auch Fak­ten ver­dreht in den Köp­fen der Le­se­rin­nen und Le­ser, muss Schul­stoff wer­den, wenn uns die De­mo­kra­tie et­was wert ist. Denn der me­dia­le Um­gang mit die­sem  Ver­kehrs­un­fall steht bei­spiel­haft auch für vie­le an­dere "Un­fälle".

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Il­lus­tra­tion / (*): pixlr.com zu­fol­ge