Dienstag, 8. Oktober 2024

Stress zum Quadrat

Als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin ar­bei­te ich haupt­säch­lich mit Fran­zö­sisch und manch­mal auch mit Eng­lisch, wo­bei Deutsch mei­ne Mut­ter­spra­che ist. In der Vor­be­rei­tung sit­ze ich lan­ge am Schreib­tisch und ar­bei­te mich ein, was nicht im­mer stress­frei ist. Ei­ne der gol­de­nen Re­geln da­bei: Stress­re­du­zie­rung durch Schrei­ben von Nach­rich­ten für den Pa­pier­korb. Meis­tens lö­sche ich das Ge­schreib­sel an­schlie­ßend. 

Oder es bleibt im Steh­satz des Blogs und wird Mo­na­te spä­ter ge­löscht. Hier folgt ein bis heu­te gül­ti­ger Text, der et­wa zwei Jah­re alt ist. So et­was gibt es lei­der im­mer wie­der. Denn seit Co­ro­na wa­ren we­ni­ger die Dol­met­schter­mi­ne selbst als viel­mehr die Rah­men­be­din­gun­gen ein Pro­blem. Hier ein nur im Ton­fall der "Ant­wort" über­spitz­es Bei­spiel. Ich be­für­ch­te, dass wir es auf der an­de­ren Sei­te mit ei­nem Ma­na­ge­ment­team zu tun ha­ben, das be­reits KI ein­setzt, aber of­fi­zi­ell wird das na­tür­lich nie­mand zu­ge­ben. 

Sehr ge­ehr­ter Herr,

Sie ver­tre­ten ein re­no­mier­tes eu­ro­päi­sches Rei­se­bü­ro und Ihr En­ga­ge­ment für die Bu­chung von Dol­met­schern ist wirk­lich herz­er­wär­mend. Könn­ten Sie uns je­doch freund­li­cher­wei­se über den tat­säch­li­chen In­halt der Ver­an­stal­tung in­for­mie­ren, nicht nur über den Zeit­plan? Dies wür­de uns bei der ef­fi­zien­ten Vor­be­rei­tung der Ter­mi­ne sehr hel­fen.

Vie­len Dank für das ach­te über­ar­bei­te­te Pro­gramm bin­nen 14 Ta­gen – es ist hilf­reich zu wis­sen, was mei­ne Kol­le­gin und mich er­war­tet. Ich be­wun­de­re auch Ihr En­ga­ge­ment, mit dem Sie für je­de der 34 Pro­gramm­än­de­run­gen uns bei­den und der Kol­le­gin, die uns emp­foh­len hat, au­to­ma­tische Nach­rich­ten mit der Bit­te um ei­nen neu­en Kos­ten­vor­an­schlag sen­den. 

Ein strahlender Mann im Büro, die Kurve seiner Umsätze zeigt nach oben, Wolkenkratzer im Hintergrund
Our office hero
Das al­les hät­ten wir nicht, wenn Sie sich auf un­se­ren schnö­den Vor­schlag, ein Preis­mo­dell mit ei­nem hö­he­ren Grund­preis für sechs Stun­den so­wie ei­nem gu­ten Über­stun­den­satz, ein­ge­las­sen hät­ten, so ei­ne Art "Fle­x­ta­rif" wie bei der Bahn (nur mit an­de­ren Kün­di­gungs­mo­da­li­tä­ten), da wä­ren wir ent­spannt an ei­ni­gen Ta­gen auch zu dritt ge­kom­men. 
Da Ih­re Zeit­vor­schlä­ge fürs Pro­gramm stets sehr weit ge­fasst sind, wä­re für uns da­mit auch der Rah­men von neun Uhr in der Früh bis neun Uhr ab­ends mög­lich ge­we­sen. 

Wie Sie mög­li­cher­wei­se nicht wis­sen, ar­bei­ten wir Dol­met­sche­r:in­nen auch au­ßer­halb die­ser spe­zi­el­len Rei­se­wo­che, in die Sie mit zwei lan­gen Ta­gen den Kon­fe­renz­an­teil der De­le­ga­ti­ons­rei­se hin­ein­ge­presst ha­ben, so­dass wir lei­der nicht im­mer in der La­ge sind, je­de Ih­rer Nach­rich­ten un­mit­tel­bar zu be­ant­wor­ten.

Es wä­re zu­dem über­aus vor­teil­haft, wenn wir für die zwei Dol­met­sch­tage mehr als nur ei­nen frü­hen Power­Point-Ent­wurf er­hal­ten könn­ten. Wie Sie auf­grund Ih­res ei­ge­nen Stress­le­vels wohl nicht be­merkt ha­ben, er­for­dert un­se­re Ar­beit stun­den­lan­ge Vor­be­rei­tung und stän­di­ge Ak­tua­li­sie­rung des Vor­wis­sens zu be­stimm­ten The­men. Auch ar­bei­ten wir uns auf je­den Vor­trag de­tail­liert ein. Un­se­re Ar­beit sieht am En­de fast mü­he­los aus. Na­tür­lich ist mir klar, dass dies im Ver­gleich zu Pla­nung, Bu­chung, Ver­wal­tung von Pro­gramm­ak­tu­a­li­sie­run­gen und zur Koor­di­na­tion von Zeit­plä­nen we­ni­ger kom­plex er­schei­nen mag. 

Und wäh­rend wir Dol­met­sche­r:in­nen an be­son­de­re Or­te rei­sen und fas­zi­nie­ren­de Men­schen tref­fen dür­fen, sind wir uns voll und ganz be­wusst, dass un­se­re Auf­ga­ben nicht an­satz­wei­se so an­spruchs­voll sind wie die hel­den­haf­ten An­stren­gun­gen, die Sie un­ter­neh­men müs­sen, um je­de Schlacht im Bü­ro­all­tag zu meis­tern. Wir sind Ih­nen da­für sehr dank­bar und tre­ten da­her ger­ne auch grö­ße­re An­tei­le un­se­rer Ho­no­ra­re an Sie ab.

Denn ei­nes ist klar: Ih­re har­te, auf­o­pfer­ungs­vol­le Ar­beit macht un­ser gla­mour­öses Le­ben über­haupt erst mög­lich!

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Il­lus­tra­ti­on: pixlr.com (Be­stand)

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