Aus dem Arbeitsalltag einer Dolmetscherin können Sie auf diesen
Seiten einiges erfahren. Meine Muttersprache ist Deutsch, ich arbeite
hauptsächlich mit Französisch, ein wenig mit Englisch. Für den Beruf darf ich viel lernen und auch reisen. Manchmal ist die Vorbereitung umfangreicher und bezieht sich nicht nur auf den Inhalt.
Mit einer Extraportion an Wörtern |
Nur eines ist klar: Früher wären solche Einsätze im Hochsommer undenkbar gewesen. Im letzten Jahrzehnt hatten wir das wiederholt als Folge langer Koalitions- oder Budgetverhandlungen und von Corona, nur eben noch nie so hochrangig.
Im Vorfeld war Fortbildung in Sachen Business Casual Outfit angesagt, also eindeutig nicht "Business", nicht das strenge Kostümchen oder der klassische Hosenanzug, sondern schlichte Eleganz, die auch ein wenig sommerlich und robust sein darf, Stoffhose statt Jeans, die Schuhe im Sneaker-Schnitt nur dann, wenn das Obermaterial edel ist, z.B. glänzend poliertes Leder. Im Protokoll stand etwas von "kurzem Kleid", ich übersetze: die Knie sind bedeckt. Was ist mit Sandalen? Und überhaupt, Landwirtschaft! Wie weit geht es auf den Acker raus, wie weit rein in den Stall?
Ich habe eine elegante Sommergarderobe ausgesucht, darunter ein Kleid, das ich von einer älteren Bekannten ‚geerbt‘ habe, einer stets bestgekleideten Gesellschaftslöwin. Da sie etwas runder und kleiner ist als ich, die aber Schultern perfekt passen, hat eine Schneiderin Stoff aus der Breite herausgenommen, um das Hemdblusenkleid mit Manschetten für mich zu optimieren (meine Arme sind extralang).
Wer Landpartie sagt, denkt an Mücken und Bremsen: Das Fläschchen mit Desinfektionsmittel, das im passenden Innenfach des Rucksacks wohnt, wird durch ein Fläschchen mit einem natürlichen Elixier gegen Juckreiz ergänzt.
Für den Abend noch ein Jäckchen, fürs Tablet mit Tastatur eine Powerbank, dazu ein Hut und Sonnenmilch sowie zwei Trinkflaschen statt einer eingepackt, das sollte passen.
Auf Nachfrage optiert das Amt übrigens fürs Weglassen der Seidenstrumpfhose bei der Hitze, es sei schließlich kein Staatsbesuch auf allerhöchster Ebene. Ich lasse die Strümpfe im kleinen Stofftäschchen (in dem einst ein Regenschirm gewohnt hat) und orientiere mich an dem, was die anderen Damen so tragen (ich greife vor: ein Tag mit, ein Tag ohne). Das Ersatzpaar blieb in der hauchzarten Einkaufstasche in der Limousine, in der auch Wassernachschub, Sonnenmilch und ein Fächer auf ihren Einsatz gewartet haben.
Mein Vorbereitungsmaterial hat 50 Seiten plus zehn Seiten Lexik umfasst. Ich habe mir alles, was ich in den letzten Jahren zum Thema bereits bearbeitet hatte, noch einmal angeschaut und dann eine Art "Wissensspeicher" daraus gemacht, die Wiederholungen wie vor einer Prüfung systematisch geplant und durchgeführt.
Meine Lernzeit kann ich vorab gut einschätzen, die Überlegungen zu den Formalitäten allerdings kosten eine unbekannte Menge Zeit und außerdem Geld (Schneiderin! Wechselgarderobe! Extraschuhe!) ... Diese Kosten kann ich leider nicht bei der Steuererklärung geltend machen, hierin ist unsereiner Monteuren oder Ärztinnen gegenüber benachteiligt, denn ich könnte die "Kledage" ja auch privat tragen.
Was in der Praxis natürlich Quatsch ist, zumal die ollen Seidenstrümpfe am Ende kaputt waren. Die Sommergarderobe für das diplomatische "Parkett" auf Agrartour wird anschließend gewaschen und gut verstaut. Nach der Delegationsreise ist vor der Delegationsreise!
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Foto: C.E. (Mit Holzbesteck von
Muji für die Rückreise)
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