Am Montag erhielt ich die Anfrage, ob ich ein KI-vorübersetztes Drehbuch redigieren wolle. Das angebotene Honorar betrug nur 20 Prozent meines üblichen Satzes für einen Text dieses Schwierigkeitsgrades. Meine Antwort war klar: Nein, das will ich nicht. Sofort kam die Rückfrage, ob ich jemanden empfehlen könne. Auch hier: Nein. Der Preis passt nicht zum Auftrag, und der Auftrag passt nicht zu einem kreativen Text, der eine manuelle Übersetzung erfordert.
Ich habe der potenziellen Kundin nur kurz geantwortet, möchte mich aber hier ausführlicher erklären.
Ein Wald ist mehr als die Summe seiner Bäume
Übertragen heißt das: Ein Text ist mehr als die Summe seiner Wörter. Autor:innen wählen bestimmte Begriffe bewusst, spielen auf kulturelle Phänomene, Buchtitel oder Filmzitate an, vermeiden abgenutzte Begriffe. Sie schaffen ein Gedankengeflecht aus Ideen und Bezügen. All dies bleibt in einer maschinellen Übertragung, die das Ergebnis angewandter Mathematik ist, auf der Strecke. Wir Menschen indes kennen das sprachliche und historische Hinterland der Begriffe, wir haben Assoziationstalent, die Maschine nicht. Soweit das kulturelle Argument.
Alles verrutscht. So sah 2023 die KI meinen Dolmetscherberuf |
Der Klang der maschinellen "Lösungsvorgaben" beeinträchtigt zusätzlich meine Arbeit. Es vergeht also mehr Zeit, bis ich produktiv werde.
Wörter und Prosodie ergeben den Stil eines Textes. Beim Aufpeppen einer seelenlosen Vorlage kann ich nicht wirklich kreativ arbeiten. Mein Gehirn ist darauf trainiert, schnell aus Version A die Version B zu machen — nicht umsonst bin ich seit über 30 Jahren Dolmetscherin und Kulturvermittlerin.
Dieses Hin und Her beim Editieren hindert mich daran, in einen kreativen Flow zu kommen. Ich versuche, gleichzeitig auf mehreren Ebenen zu arbeiten und verliere dabei oft den Gesamttext aus den Augen. Auch die KI überträgt nur von Satzanfang zu Satzende, was zu einer doppelten Kurzsichtigkeit führt. Ich schaffe maximal die Hälfte in der vorgegebenen Zeit und bin am Ende wirklich erschöpft.
Ein solcher Auftrag wäre also ein mehrfaches Problem hinsichtlich Zeitaufwand, Ergonomie und Arbeitszufriedenheit. Sollte eine Kundin darauf bestehen, dass ich maschinell vorgewählte Begriffe verbessere, müsste ich mehr als das Doppelte meines normalen Preises verlangen.
Kurz gesagt: Es fühlt sich an, als würde ich mit angezogener Handbremse ein Autorennen fahren. Ein passenderes Bild, da ich keinen Führerschein habe: Es ist, als müsste ein Rennpferd mit einem alten Holzkummet einen Acker pflügen, dabei wissen wir doch heute, dass wir wegmüssen vom Pflügen, hin zur Direktsaat!
Wörter und Prosodie ergeben den Stil eines Textes. Beim Aufpeppen einer seelenlosen Vorlage kann ich nicht wirklich kreativ arbeiten. Mein Gehirn ist darauf trainiert, schnell aus Version A die Version B zu machen — nicht umsonst bin ich seit über 30 Jahren Dolmetscherin und Kulturvermittlerin.
Zeitaufwand und Ergonomie
Dieses Hin und Her beim Editieren hindert mich daran, in einen kreativen Flow zu kommen. Ich versuche, gleichzeitig auf mehreren Ebenen zu arbeiten und verliere dabei oft den Gesamttext aus den Augen. Auch die KI überträgt nur von Satzanfang zu Satzende, was zu einer doppelten Kurzsichtigkeit führt. Ich schaffe maximal die Hälfte in der vorgegebenen Zeit und bin am Ende wirklich erschöpft.
Ein solcher Auftrag wäre also ein mehrfaches Problem hinsichtlich Zeitaufwand, Ergonomie und Arbeitszufriedenheit. Sollte eine Kundin darauf bestehen, dass ich maschinell vorgewählte Begriffe verbessere, müsste ich mehr als das Doppelte meines normalen Preises verlangen.
Einzelne Maschen statt kunstvolles Textgeflecht
Richtig übel wird es, wenn ich mir den Ausgangstext erneut in Ruhe vornehme und dem kulturellen und sprachlichen Hinterland nachspüre. Beim verbalen Balkenturnen (immer der vorgegebenen Linie entlang) bleibt zu viel auf der Strecke. Ich kann meine Kompetenzen beim "Editing" von maschinell "Übersetztem" nicht voll einbringen, weil alles an der Oberfläche bleibt. Ein Text ist eben mehr als die Summe seiner Wörter.
Kurz gesagt: Es fühlt sich an, als würde ich mit angezogener Handbremse ein Autorennen fahren. Ein passenderes Bild, da ich keinen Führerschein habe: Es ist, als müsste ein Rennpferd mit einem alten Holzkummet einen Acker pflügen, dabei wissen wir doch heute, dass wir wegmüssen vom Pflügen, hin zur Direktsaat!
Nachrede
Auf meine Kurzfassung antwortet die Kundin, dass sich die maschinelle Übersetzung gar nicht so schlecht lesen würde. Es sei recht flüssig, man müsse nur ein paar "Stopper" austauschen, den großen Aufwand sehe sie nicht. Ich schicke ihr einen Absatz, den ich von Hand übersetzt habe, direkt davor das maschinelle Ergebnis und erkläre in Kommentaren hier und da meine Wortwahl. Die Kundin wird nun mit der Firmenleitung Rücksprache halten. Drückt mir die Daumen!
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Foto: Dall:e (Vorgaben: realistic, 3D,
french, painting, historic)
Foto: Dall:e (Vorgaben: realistic, 3D,
french, painting, historic)
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