Blick aus meinem 2. Wohnzimmerfenster |
Als Dolmetscherin und Familienfrau lege ich derzeit 40.000 Kilometer im Jahr mit der Bahn zurück. Lange Zeit wurde mir ein persönliches Bahnpech nachgesagt, die reihenweisen Verspätungen, von denen ich im Familien- und Freundeskreis berichten konnte, galten als legendär. Irgendwann griffen die Medien die Lage auf, nein, nicht meinen seriellen Ärger, die Gesamtlage natürlich!
Heute fallen mir den Medien Begriffe auf. Ein wegen Sanierungsarbeiten gesperrter Streckenabschnitt wird von der Bahn "der Korridor" genannt, höre ich gestern in den Nachrichten. Spontan denke ich, auf Französisch würden wir hier le tronçon sagen, zurückübersetzt bieten sich Alternativen zum "Korridor" an, nämlich: Streckenabschnitt oder Teilstrecke.
Wer viel weiß, sieht auch, wie viel sie oder er nicht einmal ahnt. Cogito et cetera. Ich bin sehr für einen allgemeinen Bildungsoptimismus.
Also schlage ich nach und lerne: Ein "Bahnkorridor" ist eine zentrale Verbindungsachse im Schienennetz, Synonyme sind "Eisenbahnkorridor", "Verkehrskorridor" oder eben verkürzt "Korridor". Dabei kommt es auf die zentrale Lage und der Nutzungsintensität des Abschnitts an; der Begriff kann sowohl stark frequentierte Verbindungen des Güter- als auch des Personenverkehrs bezeichnen.
Wieder etwas gelernt. Ob es wohl einen ähnlichen Begriff im Französischen gibt? Eine kurze Suche im Netz hat spontan nichts ergeben. Mal sehen, ob sich hier jemand meldet, die oder der es weiß.
Das Gegenteil des oben Beschriebenen ist der Dunning-Kruger-Effekt: Leute, die von etwas ein Fitzelchen Ahnung haben, steigern sich durch grenzenlose Selbstüberschätzung in vermeintliches Expertentum hinein und machen sich damit sehr laut sehr lächerlich. Eigentlich. Da die Hälfte der öffentlichen Kommunikation im Netz und in den "asozialen Medien" aus so etwas besteht, scheinen immer weniger Menschen ein Bewusstsein für diese Art von Peinlichkeit zu haben.
Ich kenne meine Wissensgebiete und bin ansonsten bescheiden. Wichtig ist, wo wir Informationen finden und wen wir fragen können und zu lernen, die eigenen Quellen einzuschätzen. Das sind neben Lesen, Schreiben, Denken und Sprechen die wichtigsten Kulturtechniken. Wichtiger als der Führerschein!
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Foto: C.E. (Archiv)
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