Neulich stehe ich mit einer Innenarchitektin in einer frisch gekauften Berliner Altbauwohnung. Der Besitzer, ein Franzose, wünscht sich Umbau- und Einrichtungsvorschläge.
Ich dolmetsche. Monsieur als Auftaktstatement: „Ich hätte das hier gerne sehr berlinisch. Eine echte Berliner Wohnung.“
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Eine "weiße Leinwand" (white canvas) |
Die Innenarchitektin: „Gut. Was stellen Sie sich vor?“
Er (augenzwinkernd): „Quadratisch, praktisch, gut. Genau so sehe ich Deutschland.“
Sie nickt: „Kriegen wir hin.“
Er zeigt auf den Boden, wo die Dielen unterschiedliche Farben haben, hier ist eine breite Linie aus heller Fichte neben satt orangefarbene Fichte. „Was ist denn hier passiert?“ Sie sieht genau hin. „Hier stand mal eine Wand. Da war die Toilette …“ und sie zeigt auf zwei schmalen, übereinander angeordnete Fenster. „Von Speisekammer und Toilette.“ Er überlegt und fragt: „Und wo war die Küche?“
Sie atmet tief durch und zeigt, wo früher die Küche war und wo das handtuchschmale Klo. Heute gibt es ein fensterloses Bad, das vom Flur abgeht, die Küche wurde verkleinert. Die Architektin erklärt ihm, dass es zuvor kein Bad in der Wohnung gegeben habe.
Er nickt langsam. „Hm, könnten wir den Fluranteil etwas verkleinern? Und wo sind die Einbauschränke geblieben?“ Ich übertrage. Die Innenarchitektin blinzelt. Nicht nur ich weiß genau, was er meint. In Frankreich zählen Einbauschränke zur Grundausstattung.
Sie so: „Nun, wir können ja etwas Frankreich reinbringen …“, und sie schlägt vor, den entstandenen zweiten kleinen Flur, den Durchgang zur an der Fensterseite gelegenen Küche, mit Wandschränken zu versehen und ein Stück Wand wegzunehmen: „Zum Glück ist hier kein tragendes Mauerwerk.“
„Wie soll denn die Grundstimmung sein?“, möchte sie wissen. Monsieur darauf: „Ich wünsche mir eine warme, gemütliche Atmosphäre.“ „Kein Problem“, meint die Innenarchitektin. „Welche Farben stellen Sie sich denn vor?" und zückt einen Farbfächer. Er ist schneller: „Sonnengelb, Flamingorot und Lavendelblau!“ Madame: „Wie schön, ich wollte Ihnen auch gerade vorschlagen, lieber Provencebunt als Berlingrau zu wählen. Berliner Winter können lange dauern!“
Wir gehen ins Bad. Er zeigt auf die Dusche. „Könnte die größer werden? Und mit Regendusche?“ Die Innenarchitektin mustert die Fläche. „Dann müssten wir die Waschmaschine in die Küche verlagern.“ So soll es sein. „Und warum gibt es in deutschen Wohnungen keine Bidets?“ Die Innenarchitektin macht sich Notizen, verschiebt die Objekte in Gedanken, findet die perfekte Anordnung, zeichnet. Alle lächeln.
Dann geht es ins Wohnzimmer und das dahinterliegende Schlafzimmer. Monsieur bezeichnet das alles als „nackt“. "Ich brauche praktische Lösungen“, sagt er. „Wie in Paris!“ Die Innenarchitektin nickt. „Also kompakte Möbel?“
„Ja, genau!“, sagt er, „Stauraum!“. Sie schlägt vor, ein Bett mit viel Stauraum darunter einzubauen und deckenhohe Schränke, dazu eine Leiter, um oben noch Sachen verstauen zu können.“ Er strahlt: „Ja, das habe ich letztens in Vogue Living gesehen, sowas ist gut!“ Madame strahlt zurück.
Er: „Ich möchte möglichst viel Platz sparen.“ Sie schaut sich im 30-Quadratmeter-Wohnzimmer um, auch hier wurde eine Wand entfernt, und auch das Schlafzimmer ist über 20 Quadratmeter groß. „Das müssen Sie doch gar nicht!“
Er wirkt unsicher. „Aber ich möchte den Platz effizient nutzen! Schön wäre auch ein kleines Arbeitszimmer, so eine Art Box, gerne mit Bett darüber für meine Gäste. Nicht so ein Möbelhaushochbett, sondern mit echten Trennwänden und Fenstern en second jour, mit indirektem Licht, hier hinten in der Ecke.“ Er greift zum Stift und zeichnet es auf: „Glauben Sie, dass so etwas möglich ist?“
Die Innenarchitektin macht große Augen. „Ja, das ist machbar, und so würde ich es verbessern“, sagt sie und zeichnet es fertig. „Wunderbar!“, darauf Monsieur. Mein Kopf ist irritiert, weil in Paris solche Lösungen an der Tagesordnung sind.
Nach zwei Stunden ist er zufrieden. Als wir gehen, sagt er zu mir: „Berlin ist anders als Paris, da muss mehr erklärt werden.“
Vermutlich habe ich ihn verwundert genug angesehen. Prompt lädt er mich zum Essen ein. Ich erfahre, dass er sich im Grunde seine Pariser Wohnung hier nachbauen lässt, denn er pendelt, um in Berlin seinen kleinen Sohn zu besuchen, der mit seiner Mutter nach Berlin gezogen ist.
Ich frage ihn, warum er am Anfang etwas von „Berliner Stil“ gesagt habe. Er grinst. „Jetzt hat die Innenarchitektin das alles mitentwickelt und wird perfekt sein als Bauleiterin ihrer eigenen Ideen“, sagt er augenzwinkernd.
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Foto: pixlr.com (Zufallsfund)
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