Dienstag, 11. Dezember 2012

Privatissimum

Willkommen beim Blog einer Spracharbeiterin. Ich verdiene meine |Brötchen| Croissants mit Übersetzen und Dolmetschen für Menschen aus der Politik-, Kultur- und Modewelt. Hier schreibe ich über meinen Berufsalltag. Heute gewähre ich einen Blick in meine Trickkiste.

Laden auf, Blick in die Trickkiste ... und das Ganze verbinde ich gleich noch mit einer kleinen Warnung.

Da ich ja meine Ausbildung zur Dolmetscherin parallel zur Arbeit als Journalistin absolviert habe und von den verschiedensten Kreisen (Filmproduktion, Literatur) damals schon seit Jahren zum Dolmetschen herangezogen worden war, meist im kleinen Kreise, beschlich mich regelmäßig eine gewisse Unsicherheit, als ich die ersten wirklich großen Aufträge bekam. Ich war deshalb unsicher, weil ich ja nicht alle Tricks und Techniken einer fertig studierten Dolmetscherin kannte und weil ich beobachten musste, dass so manche Menschen die Arbeit von Sprachmittlern nicht richtig einschätzen konnte, im schlimmsten Fall über die Notwendigkeit, Pausen zu machen, großzügig hinwegsahen (beim konsekutiven Dolmetschen) oder sich weder um ein normales Sprechtempo noch um eine ausreichend laute Artikulation bzw. Nähe zu Mikrofon bemühten (beim simultanen Dolmetschen).

Kurz gesagt: Ich hatte eine Riesenangst.

Füße eines Mannes in schwarzen Schuhen mit schwarzen Anzughosenbeinen, Beine einer Frau in blauer Stoffhose mit Fragen auf den Knien, Füße in dunkelgrauer Anzughose mit Notizblock drauf. Angeschnitten ein Couchtisch mit Wasserglas. Teppich und Möbelstoffe von der schweren, eleganten Sorte ...
So kam ich auf meinen "Trick". Ich bat immer darum, den betreffenden Menschen zuvor kennenlernen zu dürfen ... damit mich dieser ab dann hoffentlich als Person mit Bedürfnissen und Engagement wahrnehmen würde, deren Arbeit auch und gerade von der Kooperation der Redner abhängt. Noch einen Grund gab es für die Bitte.

Diesen Grund gab ich übrigens stets als Hauptgrund an: Jeder Mensch spricht anders, es ging mir darum, mich einzuhören. Themen und Motive variieren von Projekt zu Projekt und von Einsatz zu Einsatz, auch deshalb bot sich ein Vorgespräch an.

Noch heute bitte ich oft, aber nicht immer, um diese Möglichkeit. Heute kann ich mich auf die Sprechweise vieler Berühmtheiten im Internet einhören und auch rasch lesen, was zu diesem oder jenem Projekt bereits veröffentlicht wurde. Mancher Gast hat seine Tabus, an die besser nicht zu rühren ist, auch das spricht man besser vorher ab. Mitunter kommt aber auch ein Mensch von der PR zu uns Sprachmittlern und rattert eine Liste runter ... derlei wird natürlich nie aufgeschrieben! Und das war's dann mitunter auch schon mit dem fine tuning.

Neulich saß ich mit einem berühmten Künstler aus dem Bereich Mode und Kosmetik zusammen, leider gab es vorab keine Zeit sich kurz kennenzulernen. Austragungsort war eines der elegantesten Hotels einer europäischen Hauptstadt, très chic ... und ein kleiner Hochsicherheitstrakt: Nur mit den codierten Karten, die als Zimmerschlüssel fungierten, ließ sich der Fahrstuhl bedienen. Sieben oder acht Interviews waren innerhalb eines Tages zu dolmetschen, Einzelinteviews, das ist  d e r  Luxus verglichen mit den Press Junkets, die vor Filmstarts üblich sind. Wir waren in einer Hotelsuite untergebracht. Zwischen den Gesprächen gab es etliche Pausen, Monsieur zog sich in die Schlafgemächer zurück, ich ging aus dem großen Salon in den kleinen, um mir neuen grünen Tee aufzubrühen. Nach 15, 20 Minuten Pause kam die nächste Journalistin oder der nächste Journalist. Wir hatten einen klaren Stundenplan und hielten uns dran.

Kurz: Immer, wenn ein neuer Journalist ankam, hatten wir von uns aus unsere Pause schon beendet und saßen in einem kurzen Gespräch beeinander. Einmal gerieten wir ins Plaudern. Der nächste Pressevertreter kam nicht, die Berühmtheit hatte viele Fragen, ich auch, die Zeit verging wie im Fluge. Mehr als zwanzig Minuten später ging die Tür auf, die PR-Damen und der Mann von der Presse, der diesmal wieder eine Frau war, standen höchst irritiert im Zimmer. Sie wären im Aufzug steckengeblieben, erzählten sie, denn das iPhone habe die Karte mit dem Code demagnetisiert ...

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Foto: C.E.

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