Mittwoch, 26. Oktober 2011

Zu viele Filme

Spezialisiert müssen wir sein ... und zugleich Allrounder. Das ist das Résumé, das ich als Fachdolmetscherin und -übersetzerin für Film, Politik und Medien derzeit für mich ziehen muss. Denn mit Film und Medien läuft gerade nicht viel. Ein Grund dafür ist der sich verschärfende Wettbewerb auch mit exponierten Kollegen angrenzender Berufe. Da wird dann schon mal ein öffentlich-rechtlicher Stammautor in Erinnerung an sein Abitur in einem französischsprachigen Land zum improvisierten Dolmetscher, macht den Sprachmittlerjob so einigermaßen bis schlecht und meint, der Verpflichtung zur Unvoreingenommenheit als öffentlich-rechtlicher Journalist durch People-Stücke oder Berichte über die Dreharbeiten zu entsprechen, auch wenn er vorab für seine Mitarbeit bei der PR von ein- und demselben Filmverleih Honorar kassiert hat. (Das Thema Vermischung von Lobbyarbeit und Journalismus stand hier schon mehrfach, denn es prägt unseren Alltag.)

Der einzige Grund, weshalb eine eigentlich qulitätsbewusste Branche derlei zulässt, ist das Überangebot an Filmen: Bei 15 neuen Werken, die wöchentlich ins Kino kommen, kann nicht jedes von den Medien aufgegriffen werden.

Der andere Bereich unseres Büros: Drehbuchübersetzungen. Und auch hier gibt es, salopp gesagt, gerade zu viele Filme. Üblicherweise finden deutlich mehr TV- als Kinokoproduktionen zwischen europäischen Ländern statt. Damit nicht alle fiktionalen ARD-Redaktionen international arbeiten müssen, haben diese Sender dazu eine gemeinsame Agentur bzw. Produktionsfirma mit dem Namen Degeto (Deutsche Gesellschaft für Ton und Film). Diese geriet in den letzten Jahren aufgrund so manchen Films für die prime time mit der Anmutung von Vorabendprogramm in die Kritik. Aber auch Anspruchsvolles entstand in Zusammenarbeit mit dieser ARD-Tochter.

Jetzt macht sie aber Schlagzeilen mit der unerfreulichen Nachricht, dass von ihr bis 2014 nur noch wenig kofinanziert wird.
Wie kam es dazu? Einerseits werde die Degeto den Zeitpunkt der Ausschüttung ihres finanziellen Anteils verändern, so heißt es jedenfalls übereinstimmend in Produzentenkreisen, von einer nachträglichen Überweisung abrücken, künftig also vorab zahlen. Dann gab es in den Auftrags- und Ankaufbüchern der Degeto über viele Jahre produktionsbedingte Überhänge: Es wurde mehr bestellt, als eigentlich gebraucht wurde, weil ja beim Film immer auch was schiefgehen kann und schiefgeht, was sich auf die Liefertermine auswirkt. Insgesamt, so die Süddeutsche Zeitung, solle die Degeto zwischen bis zu 30 Millionen für Produktionen über den eigenen Etat hinaus vergeben haben. An anderer Stelle ist die Summe von 25 Millionen zu lesen. Bei einer jährlichen Investitionssumme von 260 Millionen Euro sind das Überschreitungen in den Bereichen zwischen 9,6 und 11,5 %, wobei sich der Millionenüberhang über mehrere Jahre angesammelt haben soll.

Ende September jedenfalls äußerte sich die ARD-Tochter zu den Zahlen und bedauerte öffentlich, dass "die Produzenten in naher Zukunft mit einem Produktionsrückgang rechnen müssen"(*). Die Branche rechnet sogar mit einer "Pause" bis Anfang 2014, wobei sich die ARD jetzt laut SZ zu einem Darlehen für die Deckung laufender Verpflichtungen bereiterklärt haben soll.

Ergebnis der misslichen Lage hier im Büro: Rückgang der Drehbuchübersetzungen um 50 % und viele Anfragen nach Leider-leider-Honorarsätzen, denn natürlich mindern nicht zustandgekommene Projekte auch das vorhandene Budget zur Vorfinanzierung von Anschlussvorhaben.


(*) Mehr zum Thema:
"Eine derart verschwurbelte Pressemitteilung [PM] gibt es nicht alle Tage", schrieb dazu die Frankfurter Allgemeine Zeitung, und auch ich musste diese Zeilen dreimal lesen, um sie am Ende ahnungshalber zu verstehen. Weniger ist mehr oder ist was? Hier der Absatz aus der PM: Die ARD Degeto hat in den Jahren 2010 und 2011 ihr Engagement sowohl im Lizenzerwerb als auch in der Produktion intensiviert. Sie verfügt aktuell dadurch über ein Programmvorratsvolumen für die Jahre 2012 und 2013, das angesichts perspektivisch verringerter finanzieller Rahmenvorgaben und der Übernahme zusätzlicher Aufgaben zunächst im Programm ausgestrahlt werden soll.
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Illustration: ARD

3 Kommentare:

Vega hat gesagt…

Mäuschen, guckstu hier: Jurgan muss gehen
Gruß, Bine

caro_berlin hat gesagt…

Danke, Bine, aber musste das sein? Ich mein' das "Mäuschen", nicht die Info.

Werner hat gesagt…

Und hier geht's gleich weiter ...
Gruß, W.