Dienstag, 25. Oktober 2011

Handschrift

Willkommen auf den Logbuchseiten einer Französischdolmetscherin und -übersetzerin. Hier berichte ich aus Berlin, Paris, Cannes, Marseille, München, Hamburg oder Leipzig unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse. Meine gewählte Perspektive: entweder aus dem Inneren der Dolmetschkabine oder direkt vom Schreibtisch. Dieses Blog gibt mir die Möglichkeit, über das Material nachzudenken, die Sprache, und die Formen unseres Schaffens.

So richtig schön mit der Hand schreibe ich nur noch selten. Das ist schade. Die meisten meiner Briefe sind Mails, oder aber es handelt sich um Texte fürs Büro oder Wortlisten, die werden rasch ausgedruckt. Privat ist der Weg zum Telefon dem Weg zum Briefkasten eindeutig überlegen. Bleiben nur noch die Postkarten aus aller Welt ...

So viel zu den Auswirkungen des digitalen Alltags aufs Schreiben. Über die Jahre hinweg hat sich meine Handschrift weiterentwickelt, leider in Richtung Unleserlichkeit, sie hat fast wieder etwas Schülerhaftes. Auch die handschriftlichen Notizen fürs konsekutive Dolmetschen haben nichts mit Kalligraphie zu tun. Vokabelnotizen im Kino oder Stichworte aus der Zeitung, Einkaufslisten oder Bonmots landen im Notizenheft, mit dem ebenfalls kein Schönschreibwettbewerb zu gewinnen ist.

Mein tägliches Arbeitspensum organisiere ich im Kalender, der ist noch auf Papier, auch hier kommen Kürzel aus der Notizentechnik der Dolmetscher vor. Bleiben noch Vokabelheft und Wortkärtchen. Hier nötige ich mich zur Schönschrift, auch, um mich selbst mit optischer Ruhe und Klarheit zum besseren Lernen zu konditionieren.

Und so, wie mir in der Grundschule Lehrer kleine Grinsegesichter unten auf die Schularbeiten malten, kann es vorkommen, dass ich auf der Vokabelkartei etwas grafisch kommentiere. Zum ersten Mal wanderte nun ein augenzwinkerndes Smiley in der Art und Weise, wie es getippt vorgekommen wäre, auf eine Vokabellernkarte ... um Ironie anzuzeigen, die bei einem Begriff mitschwingt. Das ist qualitativ ein Fortschritt bzw. ein Wechsel eines Symbols aus der Computerwelt, das im ASCII-Code geboren wurde, in die alte Welt des Papierlebens, kurz: Der Sprung über eine Gattungsgrenze hinweg.

Die Franzosen nennen diese Art Smileys übrigens émoticônes (f); die für Sprachpflege zuständige Académie française zieht dem Vernehmen nach das Wort frimousse (Gesichtchen) vor. Online ist die Aufnahme des Begriffs leider nicht überprüfbar, hier stehen nur Beispiele.

... eine bekannte Suchmaschine

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Illustration: Alte Kinowerbung
(Flohmarktfund) und das WWW

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