Mittwoch, 19. Oktober 2011

Wind und Luft

Bonjour auf den Seiten eines Logbuchs aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Heute schreibe ich darüber, wie ich mich 'laufend' auf dem Laufen halte.

Wirtschaft entwickelt sich gerade zu meinem alt-neuen Fachgebiet. Alt deshalb, weil ich mich 20 Lenzen beim Studium in Paris mehr im Vorbeigehen als sonstwas ein IHK-Diplom für Fachübersetzer im Bereich Wirtschaft und Handel abgeschossen habe. (Okay, die Chose bestand aus Büffeln und mehr Seminarpflichten, als wenn ich nur Sprache und Literatur studiert hätte, aber als Studienanfängerin mit süd­west­deutschem Abi hab ich in Frankreich eben weitergepaukt und nicht das "süße Studentenleben" entdeckt.) Neu ist das Fachgebiet deshalb, weil bislang 60 % der Aufträge vor allem aus den Bereichen Film- und Kulturwirtschaft stammten. Ich erweitere also. Habe mir Fachbücher gekauft, erwäge nächstes Jahr noch Se­mi­na­re an der Fernuni zu belegen.

Aber zunächst integriere ich neue Radioprogramme in alte Gewohnheiten. Am Wochenende höre ich gern Radio, zum Beispiel samstags ab 12.00 Uhr das Film­ma­ga­zin "12 Uhr mittags" auf Radio Eins, das mich ein wenig nervt mit seiner Werbung und einer Sendezeit, die perfekt zwischen der ersten und zweiten Einkäuferwelle in den Geschäften liegt. Die Lösung: Podcast! Musik- und werbelos schrumpft das Programm auf die Dauer einer Küchenaufräumung zusammen.

Da einige der neu anfragenden In­dustrie­kun­den aus dem Bereich der Um­welt­tech­nik stammen, höre ich jetzt auch das Umweltmagazin von RFI (Radio France Internationale), das ich in Berlin auf UKW empfangen kann. (Das ist auch in Zeiten von Internetradio und Podcast eine wichtige Info, denn ich höre Radio immer gern beim Erledigen des Haus­halts, und wenn dann die lieben Mit­men­schen zum Aufbruch drängen, läuft das gleiche Programm im (von ihnen be­rufs­be­dingt angeschafften) Auto weiter.)

Die Umweltsendung kann ich empfehlen. Sie heißt C'est pas du vent, was sich am ehesten durch "Das ist keine heiße Luft" übersetzen lässt. Jetzt kommt der Clou. Wenn die Moderatorin sich am Ende der Sendung mit den Worten Rendez-vous la semaine prochaine, même planète, même heure verabschiedet — "Wir hören uns in einer Woche wieder, gleiche Erde, gleiche Zeit" —, denkt die deutsch-französische Dolmetscherin mit erstem Fachgebiet Medien und Kultur natürlich an Friedrich Luft, den berühmten Rias-Theaterkritiker und sein "Wir sprechen uns wieder, in einer Woche. Wie immer — gleiche Zeit, gleiche Stelle, gleiche Welle", den sie Ende der 1980-er Jahre noch in Berliner Theatern erleben durfte. (Aber einmal ist er eingeschlafen, Heiner, das war bei einem Peymann-Stück, aber bei welchem?)

Allez!, mal halblang, diese krumme Verbindung fällt sicher nur Dir auf!, bekomme ich zu hören. Stimmt, und deshalb habe ich sie auch hier notiert ;-)

Dieser Eintrag kann getrost als private joke abgebucht werden. Schon komisch, welches zumeist unnötiges Faktenwissen sich in einem Dolmetscherhirn so an­sam­melt und stets untergründig damit beschäftigt ist, in der anderen Sprache, den anderen Kulturen ihre Entsprechungen zu finden. Ein Wissen, das bis zu dem Mo­ment unnütz ist, indem irgendjemand in unmittelbarer Nähe einer Dol­met­scher­ka­bine anfängt, ohne Vorwarnung über kaum bekannte, nahezu unmögliche Ver­bin­dungen zu sprechen ...

So, los geht's, eine Runde Laufen. Wichtig: Der MP3-Player muss mit.

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Illustration: RFI (bearbeitet)

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