Donnerstag, 3. Juni 2010

Mahlzeit, Kulturbeutel!

Neulich wurde wie alle Jahre wieder das schönste deutsche Wort gesucht. Zarte Schöpfungen wie Augenblick, etwas für Freunde des rollenden Rs wie Rhabarbermarmelade oder der Bilderreisenauslöser Lichtspielhaus wurden in den letzten Jahren vom Deutschen Sprachrat erwähnt oder gar gekürt.

Ich genieße auch gerne schöne Worte und kann sie zelebrieren wie erlesenen Wein. Selbst Handfestes wie Mahlzeit!, den Schlachtruf der deutschen Arbeiter, Angestellten und Beamten in der Kernarbeitszeit zwischen 10 Uhr morgens und zwei Uhr mittags. Vielleicht muss man länger im Ausland gelebt haben, um die Besonderheit dieser deutschen Sprachkostbarkeit angemessen würdigen zu können. Stellen wir uns doch mal vor, die Franzosen begrüßten sich fast morgens schon mit einem « repas! » oder die Briten mit "meal!"


Ja, ich weiß, das "... ich wünsche Dir eine gute Mahlzeit" muss ich jedesmal mitdenken, der Begriff entspricht also dem "Guten Appetit!" Aber ein Begrüßungsruf, der « appétit » lautet, ist aus französischer Perspektive ebenso kaum vorstellbar. Womöglich könnte das als Anzüglichkeit missverstanden werden - Appetit worauf? Oder sind wir jetzt unter die Kannibalen gegangen?

Eine weitere deutsche Sprachbesonderheit ist der Kulturbeutel. Der Beutel für die Körperkultur, das Nécessaire fürs Bad oder auch "Mäppchen für die Morgen-/Abendtoilette", wie trousse de toilette etwas freier übersetzt lautet. Ist es im Französischen die Toilette, die da sprachdominiert, ist es im Deutschen die Kultur! Wie schön! Das wollten wir doch schon lange wieder sein, eine Kulturnation!

Manchmal tut es mir dann doch leid, dermaleinst von meinem erfolgversprechenden Karrierweg als Fernsehredakteurin abgezweigt zu sein, dann wäre ich bald Fernsehdirektorin und würde die Kultursendung "meines" Senders schlicht und ergreifend "Kulturbeutel" nennen.

Und jetzt steigern wir die Chose noch: "Mahlzeit, Kulturbeutel!"

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Foto: Traubensaft statt Wein, lautet die Devise in intensiven Arbeitswochen.

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