Sonntag, 13. Juni 2010

Interviews dolmetschen

Was und wie Dol­met­scher und Über­set­zer ar­bei­ten und le­ben (und die Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen auch), be­schrei­be ich hier seit 2007.

Nicht räus­pern, jetzt nur nicht räus­pern!, sag ich zu mir kurz vor Pa­nik, um gleich um­zu­schwen­ken.

Ses­sel durch Ka­me­ra­mo­ni­tor hin­durch ge­se­hen
Dreh­ar­bei­ten Dok
Laut Au­to­ge­nem Trai­ning ist das der bes­se­re Satz: "Ich at­me ru­hig und leicht. Hals­krat­zen gleich­gül­tig." Neu­lich, wir sit­zen mit­ten im hoch­kom­ple­xen In­ter­view, spü­re ich, dass ich vor ei­ni­gen Wo­chen ei­ne bö­se Grip­pe hat­te, an­läss­lich de­rer sich mein Hals an ei­ne leich­te Keuch­hus­ten­form er­in­ner­te, die ich einst als Te­en­ager durch­­ma­chen muss­te.

Der Hin­ter­grund dazu ist rasch er­zählt: Als mei­ne Ge­schwis­ter auf die Welt ka­men, wa­ren die Impf­se­ren nicht sau­ber; ei­ne Nach­ba­rin, die Impf­ärz­tin war, in­for­mier­te mei­ne Mut­ter — und mei­ne El­tern lie­ßen die Kin­der erst­mal nicht im­pfen. Jah­re spä­ter rächte sich, dass dann durch ei­nen Um­zug die aus­ste­hen­de Imp­fung in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten war: Die gan­ze klei­ne Groß­fa­mi­lie hus­te­te über ein Jahr lang. Und nun kommt al­so manch­mal die­ser blö­de Hus­ten­reiz zu­rück!

Über­haupt darf ich, wenn ich ne­ben der Ka­me­ra sit­ze, nur flach at­men und lei­se No­ti­zen fürs Dol­met­schen ma­chen. Rück­mel­dun­gen, die das Ge­spräch auf­recht­er­hal­ten - ja? ... hm! ... so­so — sind ver­bo­ten, denn der­lei lässt sich ja spä­ter nicht vom In­ter­view­ton tren­nen, und die­ser Ton muss sau­ber sein. Manch­mal sit­ze ich in die­sen Fäl­len vor, manch­mal hin­ter dem Jour­na­list oder der Re­dak­teu­rin. Und da ich in Dol­metsch­si­tua­tio­nen die Fra­gen stel­le, ist es nur na­tür­lich, dass der In­ter­view­te mich an­schaut. Auch das sind The­men, die wir vor dem Dreh be­spre­chen, nicht, dass sich nach­her Ka­me­ra­frau oder -mann be­schwert, weil der Blick zu weit weg von der Ka­me­ra wan­dert.

Hus­ten­reiz flach zu hal­ten ist nicht ein­fach, l'a­mour et la toux ne se peu­vent ca­cher, sa­gen die Fran­zo­sen da, Lie­be und Hus­ten las­sen sich nicht ver­heim­li­chen. Noch schwe­rer fällt es mir manch­mal, bei lan­gen Ge­sprä­chen im­mer hell­wach zu blei­ben: Sagt er oder sie die Sa­che so, dass wir spä­ter schnei­den kön­nen? Passt es zu dem, was wir im Vor­ge­spräch er­fah­ren ha­ben? Das Dol­met­schen ge­rät so manch­mal zur Ne­ben­sa­che.

Und was ist, wenn die oder den für den In­halt Ver­ant­wort­li­che(n) die En­er­gie ver­lässt? Al­les schon ge­habt ... Das Dol­met­schen ist für al­le an­stren­gend, nicht nur das Ge­dol­metscht-Wer­den, son­dern auch das Ge­dol­metscht-Be­kom­men. Da ich ge­lern­te Jour­na­lis­tin bin und in der Re­gel gut ein­ge­ar­bei­tet in die The­men, über­neh­me ich zur Not auch die­se Auf­ga­be, oh­ne viel Auf­he­bens dar­um zu ma­chen. Auch aus Re­spekt vor dem Be­ruf des Jour­­na­lis­ten, den ich sehr ge­liebt ha­be und der in den letz­ten zwei Jahr­zehn­ten im­mer mehr in den Be­reich der un­mög­li­chen Traum­be­rufe ge­ra­ten ist, weil die Ho­no­ra­re oft nicht nur nicht ge­stie­gen, son­dern man­cher­orts so­gar ge­kürzt wor­den sind.

Noch ein As­pekt des In­ter­view­dol­met­schen sei hier er­wähnt, der für Seh­be­hin­der­te un­ge­fähr so grund­le­gend ist wie die Ge­schich­te mit dem Hus­ten­reiz für das Ge­spräch an sich: Fremd­kör­per im Raum. Ich bin Bril­len­trä­ge­rin, erb­te von den El­tern lei­der die Sum­me de­ren Fehl­sich­tig­keit. Oh­ne die Kunst mei­nes Op­ti­kers, mir die rich­ti­gen Ge­stel­le zu lie­fern und die pas­sen­den Glä­ser dazu, trü­ge ich bei fast mi­nus zehn Di­op­tri­en Flaschen­bö­den auf der Na­se spa­zie­ren! Oder Pan­zer­glas ...

Nun lässt sich durch ei­ne schuss­si­che­re Sub­stanz hin­durch, die mich von der Au­ßen­welt trennt, nur schlecht ein Ge­spräch im Fluss hal­ten, zu­mal ja dazu zweck­dien­li­che Wor­te und Ge­räu­sche — sie­he oben — ver­bo­ten sind. Al­so ant­wor­te ich mi­misch, schaue hin, kom­men­tie­re, fra­ge, spre­che mit den Au­gen. So dass mir die rich­ti­ge Bril­len­aus­wahl des Op­ti­kers hilft, in schwie­ri­gen Fäl­len und vor al­lem bei In­ter­views aber die rich­ti­gen Kon­takt­lin­sen!


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Foto: C.E.

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