Freitag, 31. Dezember 2010

E glëckliches Nëies!

... mit der Stimme der "Sendung mit der Maus":
"Das war Elsässisch!"
 (... aufgeschrieben von Franzosen).

Auf Französisch heißt das "bonne année !" Auf Ch’ti : Mi cheu'te souhaite une bouène année une bouène sinté pi du blé din't porte monnaie, à dé. ((Moi je te souhaite un bonne année une bonne santé et puis de l'argent dans ton porte monnaie, au revoir! - Also ich wünsche dir ein gutes Jahr, gute Gesundheit und außerdem Geld im Portmonee, auf Wiedersehen!)


Felix sit annus novus * Happy new year * Felice anno nuovo * Feliz año nuevo * Feliz ano novo! * Kali chronia! * عام سعيد *  高兴的新年 * שנה טובה * Nav varsh ki subhkamna * Farsælt komandi ár * Gott Nytt År* سال نو مبارک * Boldog új évet *  С новым годом * Unyaka omusha omuhle

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Foto: Gestern war irgendwo am Ufer
des Landwehrkanals eine Eisscholle
abgebrochen, die nun die imaginierte
"time line" bildet ...

Donnerstag, 30. Dezember 2010

Résumé 2010

Ein großes Dankeschön an alle Leser dieses Blogs für Ihr freundliches Interesse und die wertvollen Hinweise und Fragen, die mich immer wieder erreichen.

Den Hauptgrund des Blogs hatte ich vor kurzem einmal launisch beschrieben: ich brauche in der Arbeit oft einen Schreibanlass, um wieder in meine Sprache zurückzufinden, mich zu lösen von dem, woran ich mich gerade festgelesen oder -gedacht habe.

Dieses öffentlich geführte Arbeitsjournal soll aber auch für jene über eine wenig bekannte Berufswirklichkeit berichten, die erwägen, Übersetzer/in oder Dolmetscher/in zu werden. Denn den zahlreichen Anfragen auf Praktika, die uns erreichen, können wir nur in seltenen Ausnahmefällen Folge leisten; meistens hat diese Art der Nachwuchsbetreuung im allzu hektischen Alltag einfach keinen Platz. Meine Kabinenfotos zum "Girls day" und die Reaktionen darauf hatten mich schon sehr früh darin bestärkt, mich dieser Leserschaft besonders verpflichtet zu fühlen.

Last but not least gebe ich auch praktische Informationen an potentielle Kunden weiter. Ich erzähle von unseren Nöten, an unzulänglichen Orten zu dolmetschen, am besten zugleich auch noch ohne Vorbereitungsmaterial, um sie anzuregen, bei ihrer Veranstaltung sorgsamer mit dem dolmetschenden Personal umzugehen.

Das letzte Jahr war spannend und abwechslungsreich! Ich bin dankbar für die vielen Drehbücher, Dokumente, Konferenzen und Filme, die ich als Übersetzerin und Dolmetscherin begleiten durfte.

Allen Kollegen, Kunden, Freunden und Lesern (die weibliche Form bitte ich hier immer mitzudenken) wünsche ich ein gesundes, von Gelassenheit geprägtes 2011!

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Foto: Meine Tastatur nach sieben Mio.
Anschlägen in etwas mehr als fünf Jahren.
Die farbigen Tasten markieren short cuts
für PlotPot.

Freitag, 24. Dezember 2010

Wir wünschen geruhsame letzte Tage des Jahres 2010!


Entspannte und fröhliche Wintertage wünschen meine Kolleginnen, Kollegen und ich Ihnen, geneigte Leser dieses Blogs!

Am letzten Tag des Jahres geht's im Blog weiter — und ab dem 4. Januar kümmern wir uns im Büro wieder um Ihre Texte und Sprechanlässe. In unserem Alltag ist es wie bei dieser Fotoreihe, die an drei aufeinanderfolgenden Tagen entstand: Es sind die Details, die den Unterschied ausmachen (und die völlige Entsprechung ist nie möglich)!

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Foto (zum Vergrößern anklicken): C. Elias

Mittwoch, 22. Dezember 2010

In der Computerbude

Neulich muckte mein "Schlepptop". Bis vor Stunden war es mein Hauptrechner, denn als Dolmetscherin und Übersetzerin lebe ich zwar in Berlin, bin aber viel in München, Köln, Hamburg oder Paris zum Einsatz - und auf den Reisen dorthin, zu denen ich am liebsten mit der Eisenbahn fahre, kann ich mich wunderbar entspannt auf die Einsätze vorbereiten (Hin) oder an Übersetzungen weiterarbeiten (Rück).

Daher lässt sich die Arbeit der letzten Monate Jahre vom Gerät ... ablesen. Für mich nichts Neues, ich kenne die Tasten, deren Oberfläche ich langsam abschubbere, ja seit Jahren.

Wie ich da also beim Rechnerschrauber mein Gerätchen auspackte, und das mitten in einer Übersetzung, ich hätte eigentlich am Schreibtisch sitzen sollen, als am Morgen der Rechner sich nicht einschalten ließ, schaute der Mann am Desk auf das Gerät, drückte den Anknopf, schaute nochmal ... und sein Blick erhielt etwas Irres. Er starrte drauf - und auf der anderen Seite des Desks sagte ich mir schon: "Na klasse, Vorführeffekt mal wieder, der Computer springt an, das ist wie Freitagnachmittag mit fiebrigem Kind beim Arzt, wo mit Überschreiten der Schwelle zur Praxis bereits die Spontanheilung eingesetzt hat!"

Aber nichts da! Der Laptopdoc fasste sich wieder, rief in den Nebenraum: "Kalle, komm' mal her, das musste sehn!", und fragte mich dann, ob ich irgendwelche aggressiven Handcremes benutzen würde.

Nachdem ich das verneint hatte, sagte der Computerfachmann: ... "weil ich so abgeschubberte Tasten noch nie gesehen habe. Manchmal gibt's sowas an der Shift-Taste, aber da sieht man höchstens eine kleine Spur."


P.S.: Als Zweitgerät gab's bislang für Notfälle einen alten Standcomputer, und ich bin sort of a maniac, was Sicherheitskopien angeht, seit ein Ex mir mal meinen Rechner geschrottet hat.
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Foto: Der Wert des eigenen Rechners
ist nicht zu beziffern.

Dienstag, 21. Dezember 2010

Donnerwetter, die Bahn!

Nachrichten hören bildet. Manchmal. Ein Gedächtnis zu haben ist dabei auch hilfreich. Gestern war auf Deutschlandradio Kultur von den vielen Störungen im Bahnbetrieb die Rede, die gegenwärtig unseren Alltag beeinträchtigen, weil "gespart" worden sei an Ersatzzügen, beheizbaren Weichen usw.

Zitat Nachrichtensprecher: "Die Bahn sagt, wir sollten uns dran gewöhnen, dass an einem Wintertag nicht alles so funktioniere, wie an einem strahlenden Sommertag."

Hier spekuliert ein Unternehmen mit unserer Vergesslichkeit. Erstens: Als die Bahn noch staatlich war (und nicht gewinnmaximierend handelte), warb die "Deutsche Bundesbahn" mit dem Slogan "Alle reden übers Wetter, nur wir nicht!"

Zweitens: Erinnern Sie sich an die megaheißen Tage des letzten Sommers, als herauskam, dass die Züge nicht auf mehr als ca. 30 Grad Außentemperatur ausgelegt sind?

Wir werden uns also daran gewöhnen müssen, dass die Bahn an strahlenden Sommertagen ebenso wenig zuverlässig funktioniert wie im kalten Winter.

Das kommt von der Durchschnittsdenke. Was das ist? Bei der Dividende wird am Ende der Durchschnitt zugrunde gelegt. Bei der Wettertauglichkeit offenbar auch.

Und was hat das jetzt mit der Dolmetscherei zu tun? Das Gedächtnis! Während ich diese Nachrichten hörte, ertappte ich mich dabei, wie ich den alten Slogan der Bahn ins Französische übersetzte. Ich will ja gewappnet sein in der Kabine, wer weiß schon jetzt, wo und wann das mal jemand anführt ... tout le monde parle du temps, sauf nous !


Mehr Bahnschelte in Zusammenhang mit dem Wetter hier (in den Stuttgarter Nachrichten).
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Foto: Lieber mit Kind in der ersten Klasse
reisen, als auf dem Gang zu stehen.

Montag, 20. Dezember 2010

Jahresendhektik

Manchmal geht's im Büro einfach nur rund, und das geht sogar ganz ohne Fahrrad. In den letzten Wochen zum Beispiel, da übersetzte ich nicht nur in sportlicher Geschwindigkeit, die Herausforderung war mein erster 3-D-Film! 2010 brachte viele technische Neuerungen, fasste Englisch-Kollegin Tanja neulich in ihrem Blog das Jahr zusammen. Dem kann ich nur beipflichten.

Die drei Dimensionen übersetzten sich indes kaum anders als zwei ... immer mit Hilfe der gefühlten Eindimensionalität von Papier oder Bildschirm. Mir ist lediglich aufgefallen, dass die Regieanweisungen ausführlicher sind und die Elemente im Raum öfter Erwähnung finden (und dass sie 'aktiv' werden).

Ich kloppte also wie eine Wahnsinnige in die Tasten trat also elegant in die Pedale und erledigte in weniger als acht Tagen die Rohübersetzung eines überlangen Films, damit der erste Termin für die Technik noch lange vor Weihnachten stattfinden konnte. Am Ende hatte ich zwar kurz einen Dreher in der Optik, alles, was mich umgab, schien übergangsweise mal kurz aus den Lot zu rutschen - aber die kleine, in einem langen, ruhigen Wochenende überwundene Bildstörung wird jetzt durch einen "Eilzuschlag" kompensiert, mit dem ich mir einen neuen Laptop mitsamt Diktiersoftware kofinanziere.

Mit neuer Technik kann ich dann zwischen den Jahren beim letzten (kurzen) Filmskript des Jahres, der ein Privatauftrag ist, mein Glück versuchen. Ob die Diktiersoftware mit der Drehbuchsoftware Final Draft kombinierbar ist? Ob ich die FD-Lizenz auf den neuen Rechner übertragen kann? Ich hoffe, dass die Mühen der letzten Tage nicht in neue münden, ich bin noch geschwächt.

Der Jahresendspurt ist so etwas wie das contre la montre beim Radrennen, Zeitfahren. Der Dezember hat, wie hier ja bereits bemängelt, für die meisten Büromenschen oft nur dreizehn Arbeitstage, für andere Branchen siebzehn, für viele Verkäuferinnen noch mehr! So muss ich denn nach dem Sprint und damit wenige Tage, bevor in Deutschland die Gemütlichkeit ausbricht, noch etwas Ausdauer zeigen und mich vom geplanten frühen Urlaubsbeginn verabschieden. Schnell eine Phase Rechnungs- und Mahnwesen einbauen, dann fünf Kostenvoranschläge schreiben. Hurtig voran!

Denn nicht Weihnachten droht, sondern die Berlinale wirft ihre Schatten voraus. Und dann geht's erst richtig rund für uns, die wir auf der Berlinale dolmetschen ...

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Foto: "War sowie so schiefe!" (Wer
kennt die Antwort aus der Werbung noch?)

Sonntag, 19. Dezember 2010

Drehbuchseitenformatierung

Für heute angekündigt: Ein Bericht über PlotPot, eine einfache Word-Applikation für die Formatierung von Drehbuchseiten.

Ich habe einen älteren Beitrag überarbeitet, hier: *aktualisiert*


Achtung: Manchmal löscht sich bei der Word-Fassung von PlotPot die vertikale Bildlaufleiste (blau, zum "Anfassen" und 'Runter-/Rauffahren') sowie die Statusleiste unten. Dazu über den Hilfe-Modus die jeweilige Anleitung zum Wiedereinstellen der Funktionen suchen. Nach zwei Häkchen in den betreffenden Kästchen die Datei abspeichern, schließen, neu aufrufen. 
Bei mir waren zwei oder drei Anläufe nötig, um den Fehler dauerhaft zu beheben.

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Foto: PlotPot, eigene Anwendung

Medientipps

Hier zwei Medientipps, einmal Film, einmal Radio.

Heute Abend kommt der wunderschöne Dokumentarfilm über die Dostojewski-Übersetzerin Swetlana Geier auf 3Sat, dem deutsch-österreichisch-schweizerdeutschen Kulturkanal.

Der Film mit dem poetischen Titel "Die Frau mit den fünf Elefanten" ist nicht nur für Übersetzer interessant (und kann nach dem Sendetermin sicher auch als DVD bestellt werden. Hier der Link zur Filmwebseite der schweizerisch-deutsch-französischen Koproduktion: klick).

Als die "fünf Elefanten" bezeichnet Swetlana Geier die fünf großen Romane Dostojewskis. Die alte Dame, die leider Anfang November gestorben ist, berichtet über ihre große Liebe zur deutschen Sprache, ihren abenteuerlichen Lebensweg im wenig friedlichen 20. Jahrhundert sowie über ihre Arbeit.

Mich hat vor allem beeindruckt, wie lange sie und in welcher Intensität die Originaltexte studiert, bevor sie die Übersetzung einfach diktiert.

Zusammenfassung:
"Die Frau mit den fünf Elefanten" - Dokumentarfilm von Vadim Jendreyko.
Am Sonntag, dem 19.12.2010 von 22.15 bis 23.50 Uhr auf 3Sat.

Mehr zum Film in der Fachzeitschrift Schnitt.


Zum Nachhören bei Deutschlandradio Kultur hier noch ein Hinweis auf einen Bericht, der im Radio mit "Wie Journalistenpreise und PR den Journalismus gefährden" angekündigt wurde. Die Anmoderation fragte: "Wo ist die Grenze zur PR überschritten? (...) und machen manche Journalisten nicht ohnehin PR, um wirtschaftlich zu überleben?"

Zum Inhalt: Im Beitrag heißt es, die Anzahl der Journalistenpreise habe in den letzten Jahren stark zugenommen, von einer "Inflation" spricht sogar Thomas Leif, der erste Vorsitzende von netzwerk recherche
Viele Journalisten schrieben direkt auf einen der über 300 jährlich allein in Deutschland vergebenen Preise hin, auch, um eventuell die heute oft so schändlich niedrigen Honorarsätze zu kompensieren. Die Ethik in der Branche sei auch durch gezielt auf Wettbewerbe hin geschriebene Artikel gefährdet, dadurch entstünde eine große Nähe zu PR-Maßnahmen einiger Verbände.

Im Alltag arbeiteten bereits viele Journalisten nebenberuflich für Industriekunden. Diese Autorentätigkeit biete den Vorteil höherer, regelmäßig eintreffender Honorare bei weniger redaktionellen Eingriffen, so das Freischreiber-Mitglied Felix Zimmermann (mehr zu Freischreiber hier, ich schrieb bereits darüber).

Silke Burmester, die selbst PR-Beiträge verfasst, unterstreicht, wie wichtig in der alltäglichen Arbeit eine saubere Trennung zwischen PR und Journalismus sei.
Die taz-Kolumnistin ("Das geheime Tagebuch der Carla Bruni") schreibt nebenbei für das Kundenmagazin eines Autoherstellers.

netzwerk recherche sei übrigens, so Leif, der einzige Verein, der das Trennungsgebot zwischen Journalismus und PR weiter vertrete; DJV, Verdi und Freischreiber seien da nicht so eindeutig.

Alle Beteiligten sind sich indes einig und erwarten, dass der wirtschaftliche Druck auf Journalisten zunehmen werde - auch dadurch, dass immer mehr Nachwuchs auf den Markt dränge.

Der Beitrag wurde am 18.12.2010 in "Markt und Medien" gesendet. Hier der Link zum Podcast der betreffenden Sendung sowie zu Markt und Medien.

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Bild: das offizielle Plakat. Hier geht's
zum Shop der Produktionsfirma: klack

Inside and outside

Bei manchen sehr langgestreckten Räumen können nicht nur die Dolmetscher nicht gut sehen, was vorne passiert. (Mehr Sicht, bitte!)
Draußen ist das mit der Weitsicht egal ...


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Fotos: C. Elias

Samstag, 18. Dezember 2010

Für hier?

Ist der Kaffee auch für hier?", fragt der Mann im Backshop. Ich lege eine Pause zwischen den Weihnachts- und Wochenendeinkäufen ein. "Für hier!", nicke ich knapp.

Der Backshopverkäufer weist die Mitarbeiterin an: "Großer Kaffee für hier".

Für hier, das ist Einkaufsweltenneudeutsch und hat das Zeug zum Klassiker, ähnlich wie das "Frau Müller, kannst du mal, Storno?!"

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Foto: Die Dolmetscherin liest beim "Für-hier"
verschiedenste Quellen, um darüber auf dem
Laufenden zu sein, was die Gesellschaft bewegt.

Freitag, 17. Dezember 2010

Kurze Frage ... und Sternchen

Warum müssen wir eigentlich in 13 Dezembertagen das gleiche Pensum schaffen, für das im September 20 Arbeitstage vorhanden waren?

Zitat von Asterix, was von l'astérisque, das Sternchen, kommt: 
 Ils sont fous, ces Romains !
Und endlich kann ich den Link zu einem Kurzartikel über Gudrun Penndorf posten, die Übersetzerin von Asterix, und zwar hier, den das Blog für Frankophile vor über einem Jahr brachte. Ein Interview der taz mit der Übersetzerin hier.

Reality-Formate

Neulich auf der französisch-belgisch-deutschen Kinokonferenz: Es war kurz von cinéma vérité die Rede, einer (vor allem in Frankreich entwickelten) aus den 1960-er Jahren stammenden Arbeitsweise des Dokumentarfilms, die lange im Spannungsfeld zum nordamerikanischen direct cinema diskutiert wurde und bis heute weiterwirkt. Der (französische) Dolmetscher schien mit der Filmgeschichte des eigenen Landes, die über die europäischen Grenzen hinaus ausgestrahlt hat, nicht sehr vertraut zu sein. Auf dem Muster von "TV-Reality", wie Programme, in denen vorgeblich oder ernsthaft der Versuch unternommen wird, "Wahrheit" abzubilden, baute der Dolmetscher dann "Kino-Reality".

Ja, in der Kabine geht's oft sehr hektisch zu, da haben wir oft nicht viel Zeit, um nachzudenken. Jeder von uns baut übers Jahr so seine "Trouvaillen" ... Trotzdem wüsste ich allzu gern, welches Kino oder welche Filme der Sprachmittler da wohl vor Augen gehabt haben mag ...

Hier hätte nur Vorwissen weiterhelfen können. Denn cinéma vérité wird mit "Cinéma vérité" 'übertragen'.

In unserer immer komplexer werdenden Welt ist es wichtig, Fachdolmetscher anzuheuern, der Trend geht auch in unserer Branche zur Spezialisierung.

Zu Weihnachten und fürs neue Jahr wünsche ich mir, dass dem Kultursektor mit seinen unterschiedlichen Bereichen mehr Ernsthaftigkeit entgegengebracht wird. Im vorliegenden Fall wurde ein auf Technik und Medizin spezialisierter Kollege für ein Filmthema eingesetzt. Andersherum käme niemand auf die Idee, einen Filmdolmetscher für einen Kongress zum Thema OP-Technik anzufragen. So viel zu unserer Arbeits"reality".

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Foto: aus der Serie "Arbeitsplätze"

Donnerstag, 16. Dezember 2010

Das weiße Blatt

L'angoisse de la page blanche - die Angst vorm weißen Blatt Papier kennen viele Autoren und auch Übersetzer. Wobei wir Übersetzer ja mogeln, es steht ja immer schon etwas auf dem Papier, eine Spur von Gedanken, Gefühlen und Geschehnissen, der wir nur folgen müssen.

Dennoch ist das Weiß des Papiers anstrengend, selbst, wenn es hochgradig virtuell in Form eines Monitors daherkommt. Außerdem stimmt es, dass unsereiner beim Übersetzen und Korrekturlesen immer wieder ein- und dasselbe Buch liest, mal in der Originalfassung, mal in der Zielsprache - und schlimmstenfalls dann sogar in drei bis vier Versionen: Erstübersetzung, Original mit Änderungen, englische Fassung, in welche die Änderungen bereits übernommen wurden, deutsches WIP, also mein eigenes "Work in Progress".

Das geht am besten mit mehreren Monitoren und mit gefärbten Dokumenten. Word bietet (bei meiner Mac-Version) unter "Ansicht" die Möglichkeit an, das Dokument als "Onlinelayout" aufzurufen. Dann klicke ich in der Programmauswahl "Symbolleisten" die Option "Hintergrund" an und färbe das Papier ein. Um einen für die Augen angenehmen Kontrast zu erzielen, verändere ich dann oft noch die Buchstabenfarbe.

Mit verschiedenfarbigen Dokumenten ist das Arbeiten ein wenig abwechslungsreicher und entspannter, weil das Suchen entfällt.

Für reine Schreibarbeit fiel mir im Rahmen meiner Softwaresuche übrigens Scirvener angenehm auf, eine andere Mac-Software für Textarbeiter, die ich, was die Möglichkeiten der Drehbuchformatierung angeht, noch nicht vollständig ausgelotet habe. Aber ein kreativer Mensch ist bis zu dem Augenblick, in dem der Flow einsetzt, ablenkbar. Hier lässt sich mit einem Mausklick bildschirmfüllend alles ausblenden, was stört - die schwarze Fläche auf dem Bild lässt sich auch auf Tiefschwarz einstellen.

Das Programm ist nicht kostenlos, aber mit 45 $ viel günstiger als die Konkurrenz. (Auch gut: Es gibt 30 kostenlose Probetage.)
Marktführer Final Draft (FD) kostet um die 249 $, wobei wir Übersetzer da zahlreiche Vorproduktions-Features mitbezahlen, die wir gar nicht brauchen.

Wie gut sich hiermit auf FD erstellte Drehbücher importieren und wieder dorthin exportieren lassen, prüfe ich in den nächsten Tagen. Der Scrivener-Hersteller wirbt zumindest damit.

Zum Vergrößern bitte anklicken.
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1. Bild: eigener Text ;-)

Mittwoch, 15. Dezember 2010

Jauchztest

Da jauchzt der Übersetzer still im Kämmerlein, und die Übersetzerin auch. Ich probiere den Spell Check der  Version 8.0 der Drehbuchsoftware Final Draft aus, die so neu ist, dass noch nicht alle deutschen Studios sie besitzen.

Super, der Jauchztest ... das Wort regt die Phantasie an. Ansonsten ist das Ergebnis ja wohl ein Elchtest für die Rechtschreibkontrolle des Marktführers Final Draft. Durchgefallen!

Für meine Arbeit bedeutet das: Exportieren des Dokuments als .rtf (rich text format), eine Kopie davon herstellen, diese als .doc-Datei abspeichern, dann die dabei entstandenen Artefakte per Copy & Paste löschen und am Ende die Word-Rechtschreibprüfung durchlaufen lassen.

Nochmal zur Illustration, was ich aktuell als C&P-Zwischenschritt einlegen durfte, hier das Protokoll meiner Fehlerkorrektur durchs (automatische) Umformatieren:
§ durch ß ersetzen (297 Mal)
ÊÉ durch untrennbares Leerzeichen und ... (421 Mal)
É durch ... (610 Mal)
Dann H...LÈNE durch Hélène ersetzen (124 Mal)

Kurz: Ich habe übergangsweise (absichtlich und unabsichtlich) neue Fehler eingebaut, um die alten überhaupt finden zu können. Da jauchzt das Übersetzerherz wirklich. Wo wir in unserem freudlosen, entbehrungsreichen Alltag ja sonst nichts zu lachen haben!

Danach darf ich unter Word die Tippfehler suchen, sie markieren, kopieren, wieder auf FD gehen, sie dort in die Suchfunktion eingeben um die jeweilige Stelle zu finden, dann ins Dokument, Begriff verbessern, zurück auf Word, dort weitersuchen. Nach stundenlangem Hin und Her kribbelt der Arm.

Jauchztest ist leider kein Einzelfall. Als Beleg folgt hier gleich noch mehr Murks ...





Inhalt: Dolmetscher Berlin Übersetzer Drehbuch Kritik Film Software Final Draft
P.S. für Final Draft: "Jacuzzi" ist ein Markenname und bezeichnet ein sprudelndes Bad - ähnlich wie "Tempo" oft als Synonym für Papiertaschentuch verwendet wird. "Jacuzzi" steht seit etlichen Jahren im Duden.
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Bilder: Drehbuchstellen aus der Arbeit
der letzten Woche, natürlich verändert.

Call a god

Am Ende einer Übersetzungsarbeit lese ich den Text noch einmal in Ruhe durch. Wenn ich mich gerade durch eine große Masse an Worten hindurchgekämpft habe, ist es aber besser, wenn ich ihn erst einige Tage lang ruhen lasse, denn ich bin dann noch eine Weile betriebsblind. (Was sicher nicht überrascht, wenn ich das Arbeitspensum des letzten Monats erwähne: 300.000 Zeichen inklusive Leerzeichen Übersetzung sowie 220.00 Zeichen Korrekturlesen, das macht vier Drehbücher.)

Also liest eine Kollegin für mich - und ich für eine sie. Jede liest etwa zwei Mal. Ich prüfe dann sorgfältig ihre Kritikpunkte; dann kommt die "vierte Lesung" dran.
Trotz dieser Sorgfalt kann passieren, dass erst am Ende auffällt, dass eine bestimmte Wortwahl zu unfreiwilliger Komik führt ...

Bild anklicken, um es zu vergrößern. Links ist das Fenster fürs Reparieren der Formatierung abgebildet.


P.S.: Und wer jetzt meint, ich sei unter die Superreichen gegangen: Eines 'meiner' Bücher war normal dotiert, eines hab ich zum Freundschaftspreis übersetzt und das dritte zum Freundschaftspreis mit Zahlung in zwei Raten. Das vierte Buch ist das der Kollegin. Das lese ich für sie im Tausch, das geht "in Naturalien".
Und am Ende dieses Monats hat sie noch einige Korrektorate bei mir gut.
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Bild: Szene geändert (Kundenschutz),
"Fehler" authentisch.

Dienstag, 14. Dezember 2010

Korrekturlesen ...

... ist mühsame, kleinteilige Arbeit. Ich muss hellwach sein, wenn ich nach der Tippfehlerjagd mit dem spell check alles "von Hand" erneut auf Fehler durchsuche. Mein Problem: Wenn ich eine Abweichung von der Norm Fehler drei Mal sah, halte ich diese (neue) Version für richtig, besonders seit der "so genannten" Rechtschreibredeform.

Stets hab ich einen Blick auf die Synonyme und muss Ausdrücke harmonisieren. Die meisten Szenen stehen nicht allein, haben ihre Entsprechungen an anderer Stelle, das gilt es zu beachten ...

... dann die drei raumgreifenden Punkte gegen das eine Zeichen mit den Punkten austauschen (geht bei Courier). Dann die drei Punkte vom Zeilenanfang ans Ende der vorhergehenden Zeile kleben da, wo sie keinen Zeitsprung markieren, sondern wo ein Wort oder ein Satz in der Luft hängen geblieben war. Am Ende alle einsam am Blattrand unten hängenden "Charaktere" mit dem verbinden, was sie gleich sagen. Sind die Bindestriche Bindestriche und die Gedankenstriche Gedankenstriche? Sind Seitenzahlen drauf? Die Namen/Adressen richtig geschrieben?

Letzter Akt: Per Suchmodus nachsehen, ob auch nirgendwo kein Sternchen übriggeblieben ist. Mit denen markiere ich mir beim Übersetzen alle Stellen, an die ich auf jeden Fall nochmal ranmuss.

Zum Glück habe ich dieses Mal wenigstens keinen Knies mit der Formatierung. Sowas kann unsereinen stundentagelang aufhalten, da entwickelt sich das Stundenhonorar dann im Sinkflug.

Puh! Und was mach' ich heute Nachmittag nach dem Rechnungschreiben, um meine Augen auszuruhen?

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Bild: Dieser Tage lebe ich zwischen
vier Sprachen - Deutsch, Französisch,
Englisch und der Filmsprache.

Montag, 13. Dezember 2010

Deutsch länger

Blick auf den Übersetzerschreibtisch: Wir betreuen Übersetzungen für die Fördereinreichung auf europäischer Ebene. Dabei sitzen unsere Kunden in Paris und München, die Übersetzerkollegen in Straßburg, Brighton und Berlin. Bevor ich mich später am Tag auf meinen nächsten Einsatz als Dolmetscherin für die französische Sprache vorbereite, lese ich Korrektur und schreibe Rechnungen.

Die deutschen Fassungen sind in der Regel die längsten. Hier wird es sogar bei den (auf Wunsch der Produzenten) mitübersetzten Namen deutlich: Michael ist länger als Michel ist länger als Mike.

As Mike turns, he comes face to face with the monster wearing a white pyjama.

Lorsque Michel se retourne, il tombe nez à nez avec le monstre vétu d'un pyjama blanc.

Als sich Michael umdreht, steht er plötzlich dem Monster gegenüber, das einen weißen Schlafanzug trägt.

Und witzig: Auf Englisch stehen Kind und Monster einander Gesicht an Gesicht gegenüber, auf Französisch Nase an Nase. Manchmal, wenn es sehr physisch zugeht in der Szenenbeschreibung, also bereits andere Körperteile angesprochen wurden, übersetze ich das auch "... stehen Michael und das Monster einander Aug' in Aug' gegenüber." Der Pyjama muss dann leider einen Nebensatz umziehen ... und es wird daraus das Untenstehende. Kürzer ist das aber auch nicht.

Als sich Michael umdreht, stehen er und das Monster einander Aug' in Aug' gegenüber. Das Monster trägt einen weißen Schlafanzug.

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PS: Aus Gründen des Kundenschutzes
wurde das Beispiel leicht verändert.

Sonntag, 12. Dezember 2010

Super! Deutschland ... *AKTUALISIERT*

... liegt jetzt am Mittelmeer, das sind heute meine Sonntagsbilder.





... zu diesem Beitrag gibt's ein P.S.: hier klicken!
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Fotos: C. Elias

Freitag, 10. Dezember 2010

Berufsbild Übersetzer

Heute im Hamburger Abendblatt: Ein Artikel über den Übersetzerberuf.

Hier rasch ein paar Essentials.

Workload: Maximal schaffe die vorgestellte Übersetzerin, täglich 3000 Worte zu übersetzen. Damit erziele sie es "an sehr guten Tagen" bis zu 400 Euro Umsatz. Umsatz wohlgemerkt, da gehen dann die Gestehungskosten, Versicherungen und Steuern noch ab.

Der Markt sei durch die Globalisierung zwar hierzulande gewachsen, dennoch stagnierten die Honorare, was auch am Wettbewerb und an automatischen Übersetzungen läge (die ja oft zumindest eine Art Übersicht des Textes liefern, Anm. der Autorin). Diese Konkurrenz relativiert in dem Artikel umgehend die  Vizepräsidentin des Bundesverbandes der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ), Norma Kessler: "Die menschliche Sprache ist zu komplex für eine Maschine".

Die BDÜ-Repräsentantin meinte außerdem, dass der Trend vom Allrounder zum Fachübersetzer gehe. Für Berufsanfänger sei es daher sehr wichtig, über die sprachliche Befähigung hinaus fachlich qualifiziert zu sein.

Donnerstag, 9. Dezember 2010

Drehbuchformatierung *überarbeitet*

Mancher Nachwuchsautor formatiert sein Drehbuch einfach nur mit Word.

Hier die vom Eckdaten für eine Dokumentenvorlage, die schnell mit Tabs eingerichtet ist, der Hollywood-Standard, auf Europa übertragen. Format: A4, europäisches Hochformat, Ränder 3,0 cm. Schriftart: Courier New, 12pt, einfacher Zeilenabstand

Dann müssen vier Tabulatorpositionen definiert werden, und zwar bei
  • 10,0 cm für die Orts- und Zeitangabe (die in Majuskeln wiedergegeben werden ... das berühmte "INNEN / NACHT"
  • 5,5 cm für den Rollennamen (ebenfalls in MAJUSKELN)
  • 4,5 cm für knappe Tätigkeitsbeschreibung des Sprechenden (in Klammern)
  • 3,0 cm für Dialoge

Drehbücher haben in der Regel einen automatischen Zeilenumbruch (anders als bei Manuskripten für Kurzgeschichten und Romane).

Die Seiten erhalten Zahlen, das Deckblatt die nötigen Informationen über den Autor und die jeweilige Fassung (4. Version, Dezember 2010

Der Vorteil von Word ist unbestritten: Der Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis kann das Buch lesen und vorab kritisieren.

Und wir Übersetzerinnen und Übersetzer haben keine große Mühe, auch in der hektischen Vorweihnachtszeit einen Korrektor/eine Korrektorin zu finden.

Voilà !


Ergänzung: Einige junge Leute aus der berühmten Filmstadt Tübingen, die bereits seit dem zarten Jugendalter Filme drehen, enwickelten vor einigen Jahren Plot Pot, eine Word-basierte Drehbuchvorlage, in der alles schon programmiert ist. Sehr gut gefällt mir hier die Leiste mit den jeweiligen Makros, die ich mir auch vertikal neben meinen Text legen kann (hier liegt sie zur Ansicht auf dem Text).

Eine kleine Anregung aus der Praxis an diese "Helden des Filmübersetzeralltags": Es wäre wunderbar, wenn Ihr Plot Pot ein wenig überarbeiten könntet, um die Reihenfolge bzw. Nummerierung der short cuts an die professionelle Drehbuchsoftware Final Draft (FD) oder Scrivener anzupassen, kurz: die Klammer zwischen "Charakter" und "Dialog" legen. Ich kann mir zwar denken, was Euch bewog, die Klammer hinter den Dialog zu packen, die geringere Häufigkeit, aber für Profis wäre eine Vereinheitlichung prima. Denn die langen Übersetzerarbeitstage bringen Routinen mit sich und geminderte Aufmerksamkeit, was Technik angeht. Irgendwann denken wir dann nur noch mit den Fingern.
Und irgendwie passen die Plot Pot-Formatierungen nicht zu den amerikanischen Vorlagen (siehe oben). Aber wir sind in Europa, letzten Endes zählt der Inhalt.

Zusammenfassung: Word bleibt für Drehbuchautoren ein wichtiges Format. Aus meiner Übersetzungspraxis heraus ergibt sich eindeutig, dass FD und Word gleichermaßen vorkommen.

Hier geht's zum kostenlosen Download von Plot Pot.

Und bei nachfolgendem Text steht ganz unten noch als Kurzhinweis, wie ein Fehler beseitigt werden kann, der mir bei PlotPot am Anfang häufig begegnete: klick.

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Foto: Plot Pot (zum Vergrößern bitte
anklicken), Drehbuchauszug geändert.

Mittwoch, 8. Dezember 2010

Alles Rhabarber

Warum dieses Blog? Wegen Tomatensalat. Oder wegen Barbara.

Als Sie klein waren, haben Sie sicher auch dieses Spiel gespielt, in dem es darum geht, ein Wort oder einen Namen immer wieder zu sagen, bis es völlig sinnentleert und nur noch Klang ist. Zum Beispiel "Tomatensalattomatensalattomatensalat ..." Das haben wir einst bei Frau Förster (?), Rösler (?) in der Marburger Richts­berg­grund­schule im Chor gesungen (Schulmusik ist klasse! Musik für alle Schüler!) Ach, das war ein großer Schabernack und das finden heute auch noch Leute.

Und so kommt es mir beim Übersetzen vor, wenn ich Worte suche, ausprobiere, verwerfe, andere teste: Nach viel Wortgedehne und -gespanne und -gezerre und Vokalgeschubse und Konsonantengedrängel brauche ich aber immer etwas, das meinen Kopf wieder klarkriegt. Etwas, das mir die nötige Bodenhaftung verschafft, die Erdung, wie's auf Eso-Deutsch heißt. Also schreibe ich.

Kurz, knapp, launisch geht's los, kann dann schon mal länger werden, manches wächst, baut sich über Tage selbst zusammen, anderes wird abgeschossen, bevor es fertig ist, weil ich mich verrannt habe. Und vergleichbar mit der der Wort­such­und­fin­de­rei, bei der ich mir 'nen Wolf einfangen kann, gibt's später oft das Fest­ha­ken an Redewendungen oder Vokabeln beim Korrekturlesen. So dass ich dann mein Hürn mittels Gegenlesens dessen, was ich so en passant 'fabriciert' habe, immer wieder schön hübsch freischaufle. Fühlt sich an wie das, was ich gerade höre: die Hauswartfrau (die keine concierge ist), müht sich vor dem Haus mit Schnee und Eis ab, es schrabt das Metall auf dem kleinteiligen Pflaster, dort rumpelt es anders als auf den die Mitte des Bürgersteigs Gehwegs markierenden Granitplatten.

Oder Barbara. Barbarabarbarabarbara ... Am Ende kommt Rhabarber raus.
Hilfe, die Ohren! Und gleich muss ich raus, einkaufen.

Für Sprachbesessene wie mich kann der Alltag mitunter gar schröcklich sein.

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Foto: Auch die Augen leiden mitunter.

Dienstag, 7. Dezember 2010

Seilschaften

Sprung in der Platte, so fühle ich mich. Ich sitze im Café unweit meiner Wohnung und genieße den ersten Kaffee des Nachmittags, der das Suppenkoma mindern soll. Wir sitzen zusammen und unterhalten uns, ein Gemälderestaurator, eine Kindergärtnerin, ein angehender Heilpraktiker, eine Nachwuchsanwältin und ich. Wir diskutieren. Mein Kopf ist nicht so ganz dabei. Ich habe kalte Füße bis zu den Knien, kalte Hände bis zu den Schulterblättern. Mein Kopf flasht mich immer wieder kurz weg, ich sehe, höre, fühle etwas, das woanders stattfindet: Die Kälte kriecht uns durch die dicke Schutzkleidung, wir finden die alte Filmkamera nicht, die Gletscherspalte ist dunkel, selbst wenn über uns eine dicke Masse Pulverschnees liegt. Mein Kopf beamt sich zurück ins Café. Und dann wieder in die Gletscherspalte: Wir suchen nach der Kamera, es ist unten dunkel und oben hell und gleich suchen wir nach dem Ausgang.

Jedes Mal geht meine Bilderreihe ein winziges Stückchen weiter, aber irgendwie ist der Film hängengeblieben und setzt immer wieder (fast) an der gleichen Stelle an. So oder so ähnlich klang einst, als es noch Schallplattenspieler gab, ein Sprung im Vinyl.

Mein Sprung ist indes keiner in der Schüssel, sondern in der Eisplatte. Gemeinsam mit Bergbezwingern aus der Frühzeit des Bergsteigens stecke ich in der Gletscherspalte fest, von jähen Witterungsänderungen am Abstieg gehindert. Dann nippe ich wieder am heißen Kaffe, versuche mich auf die politische Diskussion des Jahres 2010 zu konzentrieren. Ich bin in Kreuzberg, Anfang Dezember 2010.

Die Überlagerung der Orte und Zeiten ist mein Alltag. Ich bin Dolmetscherin, lebe in Berlin und etliche Monate des Jahres auch in Paris, und wenn ich nicht irgendwo mein Mundwerk vermiete, also dolmetsche, gehe ich dem Handwerk der Übersetzerin nach. Wenn ich dann in der Übersetzung eines Drehbuchs abtauche, kommt es mir spätestens in den intensiven Phasen der Schlussredaktion so vor, als lebte ich in einem Paralleluniversum. Gestrandete Schiffe, nordafrikanische Fischer, die umsonst auf die seit Jahrhunderten sie ernährenden Fischschwärme warten und übers Mittelmeer zu fliehen versuchen, Bergsteiger vom Anfang des letzten Jahrhunderts, Eltern im Rosenkrieg an der französischen Atlantikküste oder ein Berliner Berufsschullehrer im Kampf für Bildungschancen der ihm Anvertrauten, nicht zu vergessen der Schweizer Hausmeister einer reichen Familie, der den Kopf verliert - ich teile den Alltag 'meiner' Filmhelden für die Zeit einer Übersetzung. Sie werden mir vertraut, ich leihe ihnen meine Worte und versuche, in ihre Haut zu schlüpfen, damit diese Worte nicht nach mir klingen.

Dabei lerne ich jedes Mal viele neue Worte. Eispickel gehörte zuvor garantiert nicht zu meinem aktiven Wortschatz. Seilschaften auch nicht. Ich lese mich ein in diese Übersetzung für la cordée und merke dabei, dass mir das Wort in seiner originären Bedeutung völlig fremd war. Ich kannte nur des Wortes Bedeutung, wie es in Deutschland in Sachen Karriere und Marktchancen verwendet wird, über Vitamin B wie Beziehung und mit alten Seilschaften hat schon mancher die unliebsame Konkurrenz aus dem Weg geschafft.

Und während ich im warmen Café mein Heißgetränk genieße, müssen meine Helden länger frieren. Vite, vite!, zurück an den Schreibtisch, auf dass wir alle wieder ins Warme kommen! Ich bin die Seilschaft für meine Filmhelden, damit sie eines Tages das Licht der Filmprojektoren erblicken! Ja!

Am Abend nach dem Kino ...

... Film in Originalversion ...
rasch fünf Minuten lang einer künftigen Kollegin etwas Berufsberatung zuteil werden lassen, dann beim unitalienischen Italiener an der Ecke irdischen Weißwein (0,1 Liter) und himmlische Datteln mit Gorgonzola und Walnuss aus dem Ofen genießen, dabei die Zeitungen des kommenden Tages anlesen, zwei aktuelle politische Vokabeln notieren und am Ende alles sacken lassen.

Am Nachbartisch wird heftig auf Italienisch debattiert, ich bin froh, mich nicht angesprochen zu fühlen. Großstadtleben! Hmmmm!

On rentre ?
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Foto: danach ...

Montag, 6. Dezember 2010

Filmempfanggeflüster

Stehen ein Produzent und eine Filmdolmetscherin in Berlin auf einem Filmempfang. Worüber reden sie?

Josef: Wie würdest Du "das making of" auf Französisch sagen?
Caro: Letztens beim Filmtreffen in Heidelberg stellte Arte so eine Web-Serie vor, und die sagten die ganze Zeit "voici le backstage".

In der deutschen Fassung stand dann wirklich making of. Schon komisch, wo doch sonst auf der anderen Rheinseite stets viel Energie aufs "Umfranzösischen" verwendet wird ...

Sonntag, 5. Dezember 2010

Neulich auf der Konferenz ...

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Foto: C. Elias

Samstag, 4. Dezember 2010

Hörtipp

"Sie arbeiten am größten Projekt, das sich denken lässt: Dolmetscher."
Sein hübsches Feature über "Die Verständigungsschamanen" macht Hans-Otto Reintsch mit diesem Satz auf. Der auf WDR 5 gesendete Beitrag ist jetzt online verfügbar.

Im 15 Minuten versucht der Autor, die Hintergründe unserer Arbeit vorzustellen. An einer Stelle musste ich besonders schmunzeln, denn hier wird ein Dolmetscher so zitiert: "Die besten Resultate habe ich erlebt, als ich mich in fast in so etwas wie Trance hineinbegeben habe oder hineingezogen wurde, da habe ich das Gefühl, ich reite den Sprecher regelrecht ..." Eine gewisse Hochtourigkeit sei notwendig, um gut zu dolmetschen, heißt es darin auch.

Gelungen werden hier Orte, Situationen und Vorgänge vorgestellt (trotz gelegentlicher Vermischung der Begrifflichkeiten Dolmetschen und Übersetzen). Mein Link der Woche!

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Foto: WDR 5

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Déjà-vu

Das Saallicht geht aus, im Cinéma Paris, einem der stilvollsten Kinos Berlins, wird der goldene Bühnenvorhang aufgezogen. Ich höre (vielleicht auch nur im Geiste), wie der Projektor startet: Jetzt noch acht Sekunden Vorlauf, bis die ersten Bilder zu sehen sind.

Ich sitze im Kino, habe heiße Ohren, bin glücklich.

Zwei Monate lang habe ich (verteilt auf etwa ein Jahr) das Drehbuch übersetzt, überarbeitet, Änderungen eingefügt - aber auch auf Unstimmigkeiten und Fehler hingewiesen. Amélie, eine von zwei deutschen Koproduzenten, las meine Texte stets gegen und schickte mir ihre sprachlichen Verbesserungsvorschläge zu: Korrektorat kann auch seitens der Produktion erfolgen, und Amélie erwies sich als ein hervorragender Gegenpart, von dem ich viel gelernt habe (encore merci, chère Amélie !) So ging bereits vor einer kleinen Ewigkeit das Drehbuch, Grundlage einer deutsch-französischen Koproduktion, wie ein Weberschiffchen immer hin und her.

Jetzt sitze ich wie gesagt auf einem gemütlichen Kinosessel. Der Film ist nicht nur fertig, mit ihm wird eine kleine französische Filmwoche aus Vorabpremieren eröffnet, die das frankophone Kino wirkungsvoll in Szene setzt. Gäste sind auch da: Schauspieler, Regisseur Bruno Chiche und natürlich die Produzenten aus Frankreich und Deutschland.

Für alle Beteiligten ist es aufregend, der Film "Small World" erlebt hier seine Welturaufführung. Dann sind wir schon mittendrin. Den Text könnte ich oft mitsprechen. Es gibt Stellen, da hatte ich beim Tippen genau diese Rhythmen gefühlt, exakt jene Pausen im Spiel der Schauspieler erahnt ... und manches lakonische Wort fällt in exakt dem Tonfall, den ich im Ohr hatte, als meine Finger so wie jetzt über die Tastatur glitten.

Ich bin zufrieden und sehe einen Film, den ich schon längst kenne, erinnere mich an meine eigenen Lebensumstände aus der Zeit, in der ich das Buch übersetzt habe und weiß, dass ich jetzt den Film erst einmal vergessen werde müssen. In zwei Jahren sehe ich ihn mir nochmal an, dann hoffentlich als neutrale Zuschauerin.


P.S.: Der Rahmen des Abends ist der neuen Protokollbeauftragten (preußischer Hochadel) recht glamourös geraten. Dort, wo einstmals die Leihbibliothek des benachbarten französischen Kulturinstituts war, wurde ein langer, roter Teppich für die Fotografen ausgerollt. Vermutlich geht's nicht ohne Bling-Bling, um die restlichen Subventionen nicht auch noch zu verlieren: Kostbare Medienminuten voller Strass und Sternchen, erkauft mit der Präsenz vieler Fernsehmenschen, die sich auf die Füße traten, auch ein vielen Zuschauern unbekannter Fernsehansager (er stellte sich auch nicht vor) moderierte und "übersetzte" acht Minuten Reden gern mal in 30 Sekunden ("Ich fass' mal kurz zusammen (...) und dann haben sie noch über andere Schauspieler geredet").
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Foto: "red carpet show" mit lauter Filmfans,
die wie ich zunächst auch die Garderobe am
Anfang des Teppichs übersehen haben ...
Manche müssen Glamour eben erst noch üben!

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Schülerpraktikum

Noch einen Blick auf den Schreibtisch ...

Sehr geehrte Frau Elias,

meine Tochter ist für die Zeit vom 06.12.2010 – 17.12.2010 auf der Suche nach einem Schülerpraktikum. Da sie sehr sprachinteressiert ist, am bilingualen Un­ter­richt Englisch teilnimmt und als 2. Fremdsprache Französisch gewählt hat, möchte ich Sie auf diesem Weg fragen, ob es Ihnen möglich ist, meine Tochter während der angegebenen Praktikumszeit einen kleinen Einblick in die Tätigkeit eines Dol­metschers und Übersetzers zu geben. Eine vollständige Bewerbung würde Ihnen meine Tochter natürlich dann auf jeden Fall übersenden.

Mit freundlichen Grüßen,

Soundso
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Liebe Frau Soundso,

zunächst bitte ich Sie um Verständnis, dass ich nicht sofort auf Ihre Mail ge­ant­wor­tet habe. Derzeit sind wir viel unterwegs — wir, das sind einige selbständige Sprach­mitt­ler, die gemeinsam am Markt auftreten; es gibt nur ein kleines Büro und diverse Arbeitszimmer, keinerlei Großraumbüro mit Kundenverkehr.

Deshalb muss ich Sie leider enttäuschen, ein Schü­ler­prak­ti­kum können wir derzeit nicht anbieten. Meine Arbeit als Übersetzerin sieht so aus, dass ich still dasitze und kom­pli­zierte Sachverhalte von der einen in die andere Sprache übertrage. Als Dolmetscherin bin ich in der genannten Zeit drei Tage außerhalb Berlins, der Ver­an­stal­ter lässt uns ein­flie­gen, zahlt Hotel und Unterkunft, dann sitzen wir jeweils zu zweit in den Kabinen, die schon für uns sehr eng sind, Foto anbei, von Glaswand zu Glaswand gewissermaßen.

Die Zeit im Dezember ist leider schlecht gewählt. Im Sommer begleiten wir mit­unter Delegationsreisen zu Fragestellungen der sozialen Arbeit durch Berlins Problemkieze, das wäre sicher auch für eine Schülerin spannend. So bleibt mir nur Ihnen zu raten, es bei einer der großen Agenturen zu versuchen, wobei es in jedem Fall auf Bei-der-Arbeit-Zuschauen hinausliefe. Wir Übersetzer und Dol­met­scher sind so hochgradig spezialisiert, dass uns oft keine Zeit bleibt, etwas zu erklären.

Mit der Bitte um Ihr Verständnis
und freundlichen Grüßen,
C. Elias

Dienstag, 30. November 2010

PR vs. Medienberichterstattung

*AKTUALISIERT*

Die deutschen Medien sind voll von geheimen Depeschen, die Wikileaks publiziert hat. Ich gewähre heute einen Blick auf meinen Schreibtisch. 

Lieber Herr Verleiher Soundso,

wir kennen uns seit meinen Tübinger Tagen, als ich für die Französischen Filmtage Programm ausgewählt, dem Publikum vorgestellt und Gespräche mit Filmschaffenden verdolmetscht habe (2003, 05, 06). Ich denke, dass Du mich damals sowie bei der Berlinale als Moderatorin und vor allem Dolmetscherin erlebt hast. In unserer Branche laufen wir einander ja regelmäßig über den Weg.

Leider warst Du letzte Woche nicht beim Branchentreffen in Heidelberg mit von der Partie.  Denn ich wollte Dir natürlich persönlich dazu gratulieren, dass Ihr als Team für Eure Verleih- und Kinoarbeit erneut einen Preis bekommen habt. Diese Auszeichnung habt Ihr Euch redlich verdient. Besonders möchte ich unterstreichen, wie sehr mich Dein und Euer treues Engagement in Sachen französischer Filmkultur begeistert.

Letztlich betrübt mich nur eine Tatsache: Dass ich nur noch so selten für Euch als Übersetzerin/Autorin von Pressemappen und Dolmetscherin von Presseinterviews arbeiten kann – im Grunde nur noch, wenn Journalist XXXX verhindert ist.

Als Dolmetscherin enthalte ich mich jetzt jeglicher wertenden Einschätzung seiner Arbeit als 'Sprachmittler', er geht ganz anders an die Arbeit ran, als Journalist eben, rafft und verkürzt ... und begeistert im Kino immer wieder das in Sachen Film nicht beruflich "vorbelastete" Publikum. Das ist sehr schön mit anzusehen!

Dass es aber auch viele kritische Stimmen zu seiner Arbeit gibt, meist von Seiten der Profis, weißt Du.

Mich treibt etwas anderes um - die Nicht-Trennung von Journalismus und PR, wenn hier jemand Pressetexte verfasst/übersetzt, Stars dolmetscht und dann am Ende eigentlich einen objektiven Beitrag verfassen sollte. Ich kann da nur von mir selbst sprechen: Wenn ich einen ganzen Nachmittag lang eine Filmemacherin oder einen Star "vertone", sage ich immer dann "ich", wenn mein "Klient" in der ersten Person Singular spricht. Im Laufe der Interviews muss ich mich mit dem Entstehungsprozess des Films ebenso identifizieren wie mit den Problemen und den künstlerischen Absichten, um gut zu sein. Durch die totale Beanspruchung, die professionelles Dolmetschen darstellt, habe ich keine einzige Hirnwindung mehr frei, um für die Herstellung eines Berichts auf Distanz zu gehen. Und Distanz ist nötig, wenn ich als Filmjournalistin und Filmkritikerin arbeiten will. (...) Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass die Verquickung von PR-Arbeit und öffentlich-rechtlichem Journalismus rechtlich zulässig ist. Als Ex-Journalistin weiß ich, wie hoch innerhalb der Redaktionen die Unabhängigkeit der Berichterstatter von wirtschaftlichen, privaten und anderen Einflüssen gewertet wird.

Ich wünsche Dir alles Gute und hoffe, dass wir uns doch auch mal wieder persönlich sprechen können.

Mit freundlichen Grüßen,
Caroline

P.S.: Noch ein französisiches Sprichwort: on ne peut à la fois être juge et partie, man kann nicht zugleich Richter und Partei sein.

Montag, 29. November 2010

Delegationsreisen und Seminare

Heute folgt der Text zum Bild von gestern.

Dass eine Kamera oder ein Tonaufnahmegerät mitläuft, während ich dolmetsche, ist schlicht und ergreifend ein Stressor mehr. Dabei stellt sich immer die Frage, zu welcher weiteren Verwendung gedreht oder Ton aufgezeichnet wird. Hier waren es immer interne Nutzungen – das jährlich stattfindende achttägige Seminar in Marseille ist stets auch Anlass, Schulungsmaterial herzustellen. Das Aufgezeichnete wird also nicht so, wie die Diskussion stattgefunden hat, 1:1 überspielt und ausgewertet, z.B. als DVD, die im Anschluss vertrieben würde. Die Bild- bzw. Tondokumente gehen auch nicht in einen Dokumentarfilm oder einen Hörfunkbeitrag ein – dann wäre die Art des Arbeitens eine andere, dann stünden Kamera oder Tonaufzeichnungsgerät im Vordergrund und nicht die Teilnehmer der Fortbildung.

Trotzdem hat das Aufgenommen-Werden meinen Stresspegel erhöht. Inmitten der Gruppe zu sitzen und nicht wie auf Konferenzen in der schalldichten Kabine ist auch anstrengend. Auf dem Kameramonitor (Foto von gestern) ist außerdem gut zu sehen, dass ich mich gegen eine akustische "Störquelle" abschirme. Zwei Teilnehmer, die links von mir saßen, fingen gerade an, sich leise abzusprechen: Wir waren auf einem Festival, das Programm eng gestrickt, wir hatten jeden Tag mehrere Termine, Seminarsitzungen und Filmvorführungen. Die Teilnehmer mussten etliches selbst koordinieren. Also schirmte ich zwischendurch mein Ohr ab, um mir selbst besser zuhören zu können beim Dolmetschen. "Hinterbandkontrolle" hieß das einst im analogen Zeitalter, wo der Ton hinter dem Aufnahmekopf nochmal "abgenommen" und in seiner Qualität geprüft wurde.

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Foto: Eric Vidal (angeschnitten), Jeremy
Gravayat, die Autorin dieser Zeilen.
Merci beaucoup, Audrey, pour la photo !

Sonntag, 28. November 2010

Filmaufzeichnung

Gestern am späten Nachmittag kam ich erst von einer Tagung in Heidelberg zurück, daher stammt das Sonntagsbild des Dolmetscher-Berlin Weblogs dieses Mal aus dem Archiv. Und nachdem ich so viele schöne verschneite Landschaften auf der Autofahrt durch das Thüringer Land sah, ist mir mal wieder nach Sommer zumute ...

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Foto: Dokumentarfilmseminar, das
Peuple & Culture Marseille jährlich
am Rand des dortigen Dok-Festivals
veranstaltet

Samstag, 27. November 2010

Benda Bilili!

Link der Woche: Schon wieder ist frankophones Kino aus Afrika in Berlin zu sehen, dieses Mal mit viel Musik.

Auf dem Festival mit dem poetischen Namen "In 14 Filmen um die Welt" läuft der kongolesische Streifen Benda Bilili!, und zwar am heutigen Samstag sowie morgen, jeweils um 19.30 Uhr ... und mit anschließendem Filmgespräch.

Aus dem Festivalprogramm:
Mit Standing Ovations bejubelter Eröffnungsfilm der diesjährigen „Quinzaine“ beim Festival von Cannes. Der Film machte, ähnlich wie Wim Wenders Film die kubanische Band „Buena Vista Social Club“, die kongolesischen Musiker von „Staff Benda Bilili !“ weltweit bekannt.

Freitag, 26. November 2010

Kunstfehler

Heute nur kurz. Eine liebe Verbandskollegin ist gestorben, intern machte die Runde, dass ein ärztlicher "Kunstfehler" daran schuld sei.

Wut mischt sich mit Ärger über das deutsche Gesundheitssystem, dem Entsetzen über 48-Stunden-Schichten  von Klinikärzten und der Übermacht mancher interessierter Gruppen innerhalb der Strukturen.

Und dann schlägt inmitten des Trauergefühls wieder meine interne Sprachkontrolle zu, ich muss grinsen, ein klassischer Fall von Übersprungshandlung, wenn man entsetzt das Gegenteil dessen tut, was man fühlt.

Und ich denke: Ein Kunstfehler ist kein Kunstfehler, sondern schlicht und ergreifend ein Behandlungsfehler. Das hat mit Kunst rein gar nichts zu tun.

Donnerstag, 25. November 2010

Transkribieren

Willkommen et bienvenue beim Arbeitstagebuch einer Französischdolmetscherin und -übersetzerin. Meine Arbeitssprachen sind Deutsch, Französisch und Film, ähh, Englisch (als Ausgangssprache) mit den Schwerpunkten Wirtschaft, Politik und Soziales, Kultur und Medien. Rechts steht, wie Sie mich erreichen können.

Ein wunderbar sonniger, etwas feuchter Herbstsamstag in Berlin: Die Lieben sind im Wald beim Pilzesammeln, ich sitze gemeinsam mit einer Studentin im menschenleeren Gebäude des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb). Wir sitzen vor gedrehtem Material, das übersetzt werden soll. Manchmal geht der Übersetzung eine Transkription voraus.

Beim Transkribieren verwandele ich Ton- oder Filmaufnahmen – kurz: gesprochenes Wort – in geschriebene Sprache. Dabei wünsche ich mir immer sauberen Ton, also ohne störende Begleitgeräusche. Schwierig zu transkribieren sind Diskussionen, bei denen sich Stimmen überschneiden, schwer verständliche Akzente zu hören sind ... sowie unvollendete Sätze und Gedankenführungen.

Als Studentin transkribierte ich für die Wissenschaft, ich tippe schnell, das war rasch verdientes Geld. Heute transkribiere ich manchmal noch, wenn schwierige Filmmontagen anstehen, wenn ich mir des Gesprochenen wirklich sicher sein muss, weil vielleicht durch den Schnitt eine Logik entstehen oder verstärkt werden soll, die im Ausgangsmaterial nicht sofort ersichtlich ist. Ja, wer hier mitdenkt, ahnt, dass durch geschickten Schnitt mitunter das Gegenteil dessen behauptet werden kann, was im Interview gesagt wurde, aber redliche Journalisten arbeiten so nicht. Inkohärenzen bei aufgenommenen Gesprächen gehen vielmehr meist darauf zurück, dass der Redner ungeübt ist oder die interviewte Person durch das Umfeld wiederholt unterbrochen worden ist.

Wir notieren auch nichtsprachliche Informationen, deuten Fehlstarts an, weil sich später, bei der Durchführung des Schnitts, meist eine andere Person in meinem Material orientieren muss. Meine Texte sind dann dreispaltig, links die Zeiten, dann das Original, in der letzten Spalte die Übersetzung. Dazu gebe ich Tipps, wo sich was wie schneiden lässt.

Für zehn Minuten Film- oder Audiodatei rechne ich mit einer Stunde Tippen. Angehenden Filmemachern rate ich immer dazu, alles selbst zu transkribieren, nur so lernen sie ihr Material optimal kennen.

Aus dem Material, das wir im rbb bearbeitet haben, ließ sich übrigens nur schwer eine kohärente Ton-/Bildspur für das herstellen, was die Autoren des TV-Beitrags vermitteln wollten, und zwar aus zwei Gründen: Der Zeuge war jemand, der das, worüber er sprach, immer nur indirekt mitbekommen hatte ... und er verfügte nur über wenig Medienerfahrung. Die Dolmetscherin, die in Paris das Interview betreut hatte, offenbar auch nicht, sie hätte dringend eingreifen, nachhaken, die Regeln von TV-Interviews klarmachen müssen.

Kurz: Nicht eine Sekunde des Interviews landete am Ende im Beitrag. Wir hatten einen ganzen Tag umsonst geschuftet! Aber die Pilze, die in der Zwischenzeit gesucht, gefunden und zubereitet wurden, ließ ich mir trotzdem schmecken. Jetzt warte ich nur noch darauf, dass die HoLi (Abteilung Honorare und Lizenzen) mein Honorar anweist ...
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Mittwoch, 24. November 2010

Vor dem Berliner Arsenal

Tür auf, Tür zu. Einen Sekundenbruchteil lang bin ich abgelenkt, und das reicht, um kurz zu befürchten, gleich den Faden zu verlieren. Nach dem dritten Mal weiß ich: Das wird heute noch öfter passieren, darauf darf ich jetzt nicht mehr achten.

Ich sitze als Simultandolmetscherin im zweiten Untergeschoss am Potsdamer Platz am künstlichen Herzen der Großstadt Berlin. Ich springe von Französisch zu Deutsch zurück in die französische Sprache. Hinter der Tür, die ständig auf- und zugeht, ist der Zuschauerraum des Kinos Arsenal, dort sitzen Filmfachleute aus Deutschland und Afrika und diskutieren. Zwischen uns dicke Wände und eben diese Tür, die eigentlich nur angelehnt ist – dicke Kabel schlängeln sich von uns aus hinein in den Raum mit den roten Sitzen. Sie gehörten zum Ton und liefern auch die Aufnahmen zweier Kameras. Dank ihrer sehen wir auf zwei Monitoren auf dem Tisch vor uns, was innen geschieht: links der Blick ins Publikum, rechts den Blick aufs Panel.

Wir sitzen bei Afrikamera auf dem Gang, seit mehr als anderthalb Stunden wird drinnen debattiert, ich schrieb schon kurz über das Festival. Das Gespräch ist lebendig, engagiert, alles andere als unterkühlt. Draußen vor der Tür ist die Stimmung anders. Und das ist nicht optimal. Ich hatte, als ich mich vorbereitete, befürchtet, wir würden uns in der kleinen Dolmetscherkabine neben den Filmprojektoren wiederfinden, und dort ist es heiß. Also trage ich eher leichten Stoff. Zu leichten. Zum Glück sind Daunenjacke und Wollschal in Reichweite. Dann kratzt es im Hals. Ich drücke die Räuspertaste, lasse sie los, mache weiter.

Vorne am Flurende geht die Tür zum Foyer auf. Wir hören Gelächter. Der Konferenztechniker am Tonmischpult zischt Richtung Eingang, weist mit großen Gesten auf uns. Das Lachen erstirbt, drei Leute schleichen sich in den Raum mit den aufsteigenden Sitzreihen. Sekunden später verlässt wieder jemand das Kino. Tür auf, Tür zu. Dann wieder: Tür auf. Jemand steht neben uns, ich zucke zusammen. Beim Räuspern hatte ich eben aus Versehen die Austaste erwischt, denn das Dolmetscherpult ist noch recht neu, und wir hatte noch nicht oft die Gelegenheit zur Zusammenarbeit. Kurz: eine knappe Minute lang kam von meiner Verdolmetschung nichts bei Debattanten und Publikum an. Beginn der Schrecksekunde. Anknopf. Ende der Schrecksekunde, ich hab keine Zeit für weiteres Nachdenken, auch wenn sich die Zeit kurz dehnt. Mein linkes Bein friert plötzlich, der Schal ist verrutscht, das Tischbein, an das es gedrückt wird, ist aus Metall.

Rednerwechsel. Ein Italiener packt eine Liste mit Filmtiteln aus und liest auf Deutsch aus ihr vor. Die Liste haben wir vorher nicht vorher bekommen. Sein Sprechtempo ist beeindruckend. Dann übernimmt die Kollegin. Tür auf, jemand geht, Tür zu.

Nach zwei Stunden ist alles vorbei. Jetzt müssen nur noch die Männer von der Technik alles wieder einpacken  grob geschätzt zehn Transportkisten befüllen und einen Einkaufswagen, der hier auch noch rumsteht.

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Fotos: kommen später noch.
Vorab vielen Dank, Günther!

Dienstag, 23. November 2010

Übertitel im Theater

Eine meiner Leidenschaften gilt der französischen Sprache. Aus dem Schulfach wurde mein Hobby, dann meine Studiensprache, später mein Beruf. Heute bin ich Teil der Dolmetscher und Übersetzer, die in Berlin leben und arbeiten (... und bei Bedarf auch reisen). Auf dem Weg dorthin habe ich viele Aufträge übernommen, den dazu passenden Ausdruck learning by earning habe ich gestern gelernt (Danke, Mo Asumang)! 

Foto (C.E.): Ein anderes Stück
Denn es gibt viele 'Jobs', die gestandene Dolmetscher nicht einmal mit der Kneifzange anfassen würden, so ... überschaubar ist die Entlohnung. Überschaubar, aber ehrbar und in hübscher Weise regelmäßig verdiente ich meine Brötchen Croissants einige Jahre mit Übertiteln im Theater.

Kurzer Einschub: Übertitel sind wie Untertitel, nur eben oben. Sie kommen aus dem Opernbereich und werden nicht erst seit Zeiten knapper Kassen oft bei internationalen Theaterkoproduktionen eingesetzt. Indes, ich sehe sie immer öfter, auch die Welt Welt der darstellenden Künste globalisiert sich. Einzelne Truppen/Theater können viele Stücke ohne die Kofinanzierung internationaler Festivals oder anderer Partner aus anderen Ländern gar nicht mehr auf die Beine stellen. Ende des Einschubs.

Eine meiner anderen Leidenschaften gilt dem Theater. So fand die eine Neigung die andere – und ich stieß auf ein Feld, über das es wenig Literatur gab. Ich bekam den Satz mitgegeben: "Wähle sorgsam aus, erschlage den Zuschauer nicht mit Text, schreibe deine Titel so, dass das Gestrichene mitschwingt", und bin ins kalte Wasser gesprungen. Dabei war und bin ich bereit, aus Fehlern zu lernen, fragte begierig alle nach der Wirkung, und mein Spaß an der Sache wuchs mit meinen Fortschritten. In dieser Zeit traf ich auch Yvonne Griesel, die meine Aufschriebe, Übertitelungen und im Interview preisgegebenen Gedanken zusammen mit denen anderer, die im Theater Übertitel fahren, erst zu einer Diplomarbeit, dann zu einer Dissertation verarbeitete (Yvonne Griesel: Die Inszenierung als Translat. Möglichkeiten und Grenzen der Theaterübertitelung. Berlin 2007).

Sorry, dass ich mich hier heute Morgen so 'ausmähre' (sächsisch für langsam tun), aber die Vorrede muss sein.

Irgendwann bekam ich von diversen Theatern keine Aufträge mehr. Ich lotete die Gründe aus: Nein, nein, an der Qualität habe es nicht gelegen, im Gegenteil, man sei hochzufrieden mit meiner Arbeit gewesen. Indes ... eine Tochter (es kann auch ein Sohn sein) einer im Berliner Theaterbetrieb wichtigen Person war inzwischen alt genug, um diesen, ich wiederhole mich: nicht unbedingt lukrativen, aber regelmäßigen Broterwerb auszuüben. Damit war ich weg vom Fenster. Nepotismus gibt's überall, denn die nächsten Mitmenschen bedenken zu wollen ist menschlich. Richtig ist es damit noch lange nicht. So war ich wieder auf dem Sprung - und einen Schritt weiter in Richtung Konferenzdolmetschen.

Übrigens sah ich zu Beginn der Karriere dieses jungen Menschen eine seiner Übertitelungen – und war entsetzt: Kaum ein Wort, das auf der Bühne gesprochen wurde, das sich nicht auch im kleinen Kasten wiederfand, der oben über dem Bühnenraum schwebte! Keine redaktionelle Bearbeitung, Reduktion, keine Pausen für die Augen des Zuschauers, auch kurze Worte standen viel zu lang, verleiteten zum Immer-wieder-auf-die-Übersetzung-Schauen. Und auch Verknappungen, wie sie in gesprochener Sprache vorkommen, wurden oben in ihrer grammatischen Vollständigkeit wiedergegeben. Wäre der Text eine Bewerbung gewesen, hätte die Nachwuchskraft eine DIN A4-Seite knapper als einzeilig beschrieben gehabt, immer bis zum Rand, ohne dem Leser Pausen, optische Orientierungen und Verweise aufs Wesentliche zu gewähren. Kurz: Eine Bleiwüste war das.

Ich hab damals die Klappe gehalten, heute würde ich sagen, aus falsch verstandener Rücksichtnahme. Offenbar hab nicht nur ich geschwiegen. Dann hab ich mich viele Jahre bei Gastspielen so hingesetzt, dass ich den Kasten mit der Übersetzung nicht dauernd im Auge hatte. Vor einiger Zeit trug es sich aber zu, dass ich mal wieder mit Blick auf die Übertitel saß. Und zu meinem zunehmenden Entsetzen musste ich feststellen, dass sich die "Qualität" der Übertitel nicht grundsätzlich geändert hat, nur Flüchtigkeitsfehler sind seltener geworden.

Oder gibt es in der Übertitelei etwa zwei Schulen, und die Variante 'aufgeschlagenes Textbuch' hat gewonnen? Ma chère Yvonne, ich bitte um Ratschlag. 

Denn leserfreundlich war das alles nicht. Zuschauerfreundlich auch nicht. Die Leute, die neben und um mich herum saßen, murrten, zumal der Text auf der Bühne wiederholt in 150-prozentiger Sprechgeschwindigkeit wiedergegeben wurde, ein Kunstgriff der Regie zur Charakterisierung von Figuren. Auf den oberen Rängen wurde es dann leicht unruhig, weil man schon mit dem Lesen kaum mitkam, vom Ansehen des Theaterstücks spreche ich hier gar nicht.

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Der Text wird der Kategorie "Alltag" zugeordnet, weil
sich Nepotismus immer mehr einbürgert. Den gab es 
sicher schon immer. Neu scheint mir zu sein, dass der 
solcherart geförderte Nachwuchs es heutzutage nicht
mehr dem Umfeld beweisen muss, dass er's auch kann. 

Montag, 22. November 2010

Gerichtsdolmetscher die Erste

Oft leiden wir Dolmetscher darunter, dass unsere sehr verehrte Kundschaft ein Sprechtempo pflegt, das nicht natürlich ist: Zum Beispiel beim Ablesen von Texten unter Einfluss des Stresshormons Adrenalin. Und dann kennen wir auch das leidvolle Problem, dass  manche Begriffe in der Ausgangssprache existieren, nicht aber in der Zielsprache.

Die Frankfurter Rundschau beschreibt in ihrer heutigen Ausgabe den Hamburger Prozess gegen die somalischen Piraten, die letzten April ein deutsches Frachtschiff gekapert haben. In der Berichterstattung von Bernhard Honnigfort wird deutlich, dass im Hamburger Landgericht Welten aufeinandertreffen, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Honnigfort schreibt: "Die Beweislage ist eindeutig, der Rest ein mühseliger Lernprozess und Exkurs in gänzlich andere Lebenswirklichkeit. Deutsche Gerichtsgründlichkeit trifft auf Angeklagte, die in Somalia groß wurden, einem bettelarmen Land, das seit 19 Jahren in Bürgerkriege verstrickt ist." So entspricht die Namensnennung der Betreffenden natürlich nicht deutschen Meldegesetzen.

Viele Angeklagte kennen nicht einmal das eigene Geburtsdatum, und einer der Piraten ist noch im Jugendalter. So kommt die Forderung auf, dass Ärzte die Frage nach der Strafmündigkeit klären mögen. Da hebt der Verteidiger laut Artikel zu einem Vortrag von einer Dreiviertelstunde über die Unsinnigkeit von derlei Altersschätzungen an. Dann fallen Worte wie Standardabweichungen, Skelettalter, Weisheitszähne, Methoden nach Tanner und Whitehouse und Atlas-Verfahren. Der Artikel schließt mit dem Satz: "Irgendwann stöhnt der Dolmetscher auf, bittet um etwas langsameres Sprechtempo und weist daraufhin, dass es für viele dieser Dinge im Somalischen überhaupt keine Wörter gebe."

Ein lapidarer Satz, und für den zeitungslesenden Dolmetscher tun sich Dramen auf.