Freitag, 9. Juli 2010

Hirnnebel, die Zweite

Willkommen beim 1. deutschen Weblog aus der Dolmetscherkabine. In den Sommerwochen verlasse ich den stickigen kleinen Raum gerne und mische mich wie in Marseille unter Seminarteilnehmer.

Gestern beschrieb ich den Hirn­nebel, den ich nach intensiven Dolmetscheinsätzen bei mir beobachte. Immer, wenn es möglich ist, ziehe ich mich nach solchen Momenten (kurz) zurück. Die Kon­zen­tra­tion ist als Solo-Dolmetscherin noch intensiver, als wenn wir im Team tätig werden, und ich weiß sehr genau, dass ich sehr gut auf mich aufpassen muss.

Denn wenn ich es hier überspanne, gefährde ich meine Arbeitsfähigkeit für Tage. Daher betreue ich nur dann Seminare und Delegationsreisen ohne Kollege/Kollegin, wenn zwischen den Begegnungen Pausen sind, wenn nicht den ganzen Tag diskutiert wird, sondern Sitzungen mit Besichtigungen oder Filmsichtungen alternieren - und wenn das, was verhandelt wird, meiner Spezialisierung entspricht. (Und dass ich hier alleine aktiv bin, passt zu den Auftraggebern, denn in den Bereichen Kunst, Filmvermittlung und soziokulturelle Arbeit sind oft die Mittel knapp.)

Bei Konferenzen, wo wir zu zweit oder zu dritt in der Kabine sind, fliehe ich gern zwischendurch in den Ruheraum, so es einen gibt. Bei Delegationsreisen frage ich im Bistrot nach einer stillen Ecke - ich schlief schon auf Sani-Bänken, Couches im Lounge-Bereich und auf Chefsesseln in Büros. Glück habe ich, wenn wir oder die ausländischen Gäste im Tagungshaus auch wohnen. Nach und vor sehr intensiven Einsätzen, schlafe ich gerne eine ganze Schlafphase, die bei mir 1,5 Stunden dauert. War/wird der Tag nicht so heftig, reichen dreißig Minuten.

So wie gestern. Ich liege auf dem Bett, mache autogenes Training, sage meinem Körper, der gerade hochgeputscht ist vom Adrenalin, dass Schlaf total unwichtig ist, dass jetzt nur der rechte Arm schön schwer wird. Danach ruckel ich mich kurz zurecht, nun liegt auch die Schulterpartie entspannt und schwer da. Dann greift die Ruhe auf den linken Arm über - und weg bin ich. Und doch nicht. Im Tagungshaus ist es laut, Türen klappern, irgendwo arbeitet eine Bohrmaschine, Taubengurren vermischt sich mit Geschirrklappern auf dem Hof.

Innerhalb von zwanzig Minuten erlebe ich immer wieder kurze Einschlafphasen, dabei kann ich mir beim Träumen selbst zusehen: Eben noch eckige Formen, sind nun runde angesagt, alles à la 70-er Jahre wie die einstige Kantine des SPIEGEL, plötzlich fällt Papier aus einer der bullaugenartigen Luken an der Decke des Raums heraus - ich zucke, bin wieder wach. Inklusive Zucken geht das sechs Mal so. Die Augen, die anfangs geflirrt und sich bewegt haben, als wäre ich mitten in einer REM-Phase (ich unterstütze das willentlich), haben sich beruhigt. Ich stehe auf, erfrischt. Nur die Beine kribbeln noch ein wenig.

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Foto: Axel Lambrette.
Begleitend zum Veranstaltung entstehen Tonaufnahmen für
die Dokumentation des Seminars. Von links nach rechts:
Cécile Tollu-Polonowski, myself, Emmanuelle Choin

1 Kommentar:

Marc O. hat gesagt…

Hi Caro,

gerade stoße ich zufällig auf Deinen Blog, weil ich jemanden für Untertitel suche. Sag einmal, Du wirst ja auch immer jünger! Du siehst hier aus wie Mitte 20 oder so!!

Wie ich sehe, hast Du ja einige Erfahrung mit dem Übersetzen von Filmen. Ich sag meiner Producerin, dass sie Dich morgen mal anruft wg. Kostenangebot.

Gruß aus Bern,
Dein
Marc

... hab mich jetzt nicht eingeschleimt, damit wir einen Sonderpreis kriegen! Und Anfang Sept bin ich in Berlin, Du auch?