Donnerstag, 25. November 2010

Transkribieren

Willkommen et bienvenue beim Arbeitstagebuch einer Französischdolmetscherin und -übersetzerin. Meine Arbeitssprachen sind Deutsch, Französisch und Film, ähh, Englisch (als Ausgangssprache) mit den Schwerpunkten Wirtschaft, Politik und Soziales, Kultur und Medien. Rechts steht, wie Sie mich erreichen können.

Ein wunderbar sonniger, etwas feuchter Herbstsamstag in Berlin: Die Lieben sind im Wald beim Pilzesammeln, ich sitze gemeinsam mit einer Studentin im menschenleeren Gebäude des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb). Wir sitzen vor gedrehtem Material, das übersetzt werden soll. Manchmal geht der Übersetzung eine Transkription voraus.

Beim Transkribieren verwandele ich Ton- oder Filmaufnahmen – kurz: gesprochenes Wort – in geschriebene Sprache. Dabei wünsche ich mir immer sauberen Ton, also ohne störende Begleitgeräusche. Schwierig zu transkribieren sind Diskussionen, bei denen sich Stimmen überschneiden, schwer verständliche Akzente zu hören sind ... sowie unvollendete Sätze und Gedankenführungen.

Als Studentin transkribierte ich für die Wissenschaft, ich tippe schnell, das war rasch verdientes Geld. Heute transkribiere ich manchmal noch, wenn schwierige Filmmontagen anstehen, wenn ich mir des Gesprochenen wirklich sicher sein muss, weil vielleicht durch den Schnitt eine Logik entstehen oder verstärkt werden soll, die im Ausgangsmaterial nicht sofort ersichtlich ist. Ja, wer hier mitdenkt, ahnt, dass durch geschickten Schnitt mitunter das Gegenteil dessen behauptet werden kann, was im Interview gesagt wurde, aber redliche Journalisten arbeiten so nicht. Inkohärenzen bei aufgenommenen Gesprächen gehen vielmehr meist darauf zurück, dass der Redner ungeübt ist oder die interviewte Person durch das Umfeld wiederholt unterbrochen worden ist.

Wir notieren auch nichtsprachliche Informationen, deuten Fehlstarts an, weil sich später, bei der Durchführung des Schnitts, meist eine andere Person in meinem Material orientieren muss. Meine Texte sind dann dreispaltig, links die Zeiten, dann das Original, in der letzten Spalte die Übersetzung. Dazu gebe ich Tipps, wo sich was wie schneiden lässt.

Für zehn Minuten Film- oder Audiodatei rechne ich mit einer Stunde Tippen. Angehenden Filmemachern rate ich immer dazu, alles selbst zu transkribieren, nur so lernen sie ihr Material optimal kennen.

Aus dem Material, das wir im rbb bearbeitet haben, ließ sich übrigens nur schwer eine kohärente Ton-/Bildspur für das herstellen, was die Autoren des TV-Beitrags vermitteln wollten, und zwar aus zwei Gründen: Der Zeuge war jemand, der das, worüber er sprach, immer nur indirekt mitbekommen hatte ... und er verfügte nur über wenig Medienerfahrung. Die Dolmetscherin, die in Paris das Interview betreut hatte, offenbar auch nicht, sie hätte dringend eingreifen, nachhaken, die Regeln von TV-Interviews klarmachen müssen.

Kurz: Nicht eine Sekunde des Interviews landete am Ende im Beitrag. Wir hatten einen ganzen Tag umsonst geschuftet! Aber die Pilze, die in der Zwischenzeit gesucht, gefunden und zubereitet wurden, ließ ich mir trotzdem schmecken. Jetzt warte ich nur noch darauf, dass die HoLi (Abteilung Honorare und Lizenzen) mein Honorar anweist ...
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