Freitag, 17. Dezember 2010

Reality-Formate

Neulich auf der französisch-belgisch-deutschen Kinokonferenz: Es war kurz von cinéma vérité die Rede, einer (vor allem in Frankreich entwickelten) aus den 1960-er Jahren stammenden Arbeitsweise des Dokumentarfilms, die lange im Spannungsfeld zum nordamerikanischen direct cinema diskutiert wurde und bis heute weiterwirkt. Der (französische) Dolmetscher schien mit der Filmgeschichte des eigenen Landes, die über die europäischen Grenzen hinaus ausgestrahlt hat, nicht sehr vertraut zu sein. Auf dem Muster von "TV-Reality", wie Programme, in denen vorgeblich oder ernsthaft der Versuch unternommen wird, "Wahrheit" abzubilden, baute der Dolmetscher dann "Kino-Reality".

Ja, in der Kabine geht's oft sehr hektisch zu, da haben wir oft nicht viel Zeit, um nachzudenken. Jeder von uns baut übers Jahr so seine "Trouvaillen" ... Trotzdem wüsste ich allzu gern, welches Kino oder welche Filme der Sprachmittler da wohl vor Augen gehabt haben mag ...

Hier hätte nur Vorwissen weiterhelfen können. Denn cinéma vérité wird mit "Cinéma vérité" 'übertragen'.

In unserer immer komplexer werdenden Welt ist es wichtig, Fachdolmetscher anzuheuern, der Trend geht auch in unserer Branche zur Spezialisierung.

Zu Weihnachten und fürs neue Jahr wünsche ich mir, dass dem Kultursektor mit seinen unterschiedlichen Bereichen mehr Ernsthaftigkeit entgegengebracht wird. Im vorliegenden Fall wurde ein auf Technik und Medizin spezialisierter Kollege für ein Filmthema eingesetzt. Andersherum käme niemand auf die Idee, einen Filmdolmetscher für einen Kongress zum Thema OP-Technik anzufragen. So viel zu unserer Arbeits"reality".

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Foto: aus der Serie "Arbeitsplätze"

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