Mittwoch, 19. März 2025

Was die KI nicht kann

Wie Über­set­ze­rin­nen und Übersetzer, Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, be­schrei­be ich hier im 19. Jahr. Mei­ne Ar­beits­spra­chen sind Deutsch (Mut­ter­spra­che), Fran­zö­sisch und Eng­lisch; mei­ne Bü­ro­kol­le­gin ar­bei­tet als Über­set­ze­rin, al­so schrift­lich, mit Eng­lisch als Ziel­spra­che. Heu­te: KI-Mitt­woch.

Kopf und Netz
Mensch oder Maschine?

„Künst­liche Intel­ligenz“: Das Wort hat einst ein Infor­matiker er­fun­den, um Ven­ture Ca­pi­tal an­zu­locken. Intel­ligence wird hier im Sinn von Infor­ma­tions­samm­lung und Daten­bank ver­standen. 

Darauf zu warten, dass die KI künf­tig ein „Be­wusst­sein“ er­langt, ist der schiere Ani­mismus. Ohne Ner­ven, Or­gane, Krank­heits­an­fäl­lig­keit, Familie und Liebste so­wie ohne Sterb­lich­keit wird die KI nie­mals ein men­schen­ähn­liches Be­wusst­sein er­lan­gen.

Die KI si­mu­liert Kom­muni­ka­tion mit Bau­stei­nen, Flos­keln und Steh­satz. Ihr Aus­wurf ist der sta­tis­tisch wahr­schein­lichs­te Durch­schnitt. Exakt darum geht es in meinem Be­rufs­kon­text nicht — Kon­fe­renzen, Dreh­bücher, Preis­reden, Gedenk­ver­an­stal­tungen, inno­vative Texte, Nach­rufe, Ver­hand­lungen sind Aus­nah­men, kei­ne Durch­schnitts­fälle.

Iro­nie, Sar­kas­mus, Wort­spie­le, kul­tu­relle An­spie­lungen und sozio­kultu­rel­les Hinter­land bleiben der Ma­schi­ne ver­bor­gen. Sie er­kennt kei­ne Into­na­tion, sieht nichts zwi­schen den Zeilen, hört kei­ne „Un­ter­töne“. Un­voll­stän­dige Sät­ze er­gänzt das Sys­tem ei­gen­mächtig, hallu­ziniert, er­findet Infor­ma­tionen, ver­mischt sie mit Ge­sagtem oder be­haup­tet das Ge­gen­teil.

Kom­muni­ka­tion ist mehr als Wör­ter: Vor­träge und De­batten, Pub­likums­rück­fragen, an­ge­regte bis hitzige Ge­spräche, spon­tane Pro­gramm­ab­weichungen über­fordern die KI. Sie igno­riert Kon­text, Kör­per­sprache, Sprech­ab­sichten und Ver­hand­lungs­stra­tegien.

Poin­tierte Un­ter­titel der KI an­zu­ver­trauen ist ebenso riskant wie krea­tive Texte. Finger­spitzen­gefühl kann nur je­mand haben, der/die Finger­spitzen und Ge­fühle hat. Sinn­volles Kürzen setzt Wis­sen vor­aus, das Ge­stri­chene muss leise mit­schwingen. Das Tem­po und der Zus­chnitt der Titel hän­gen von der je­wei­li­gen Dich­te der Spra­che ab so­wie von den Lese­ge­wohn­heiten der Ziel­grup­pe.

Schlech­te Ton­tech­nik, leise, dia­lek­tale Stim­men — was falsch trans­kri­biert wird, wird falsch von Text-to-Speech ver­tont. Auch Sprech­feh­ler über­for­dern die KI. (In­klu­sion?)

Die Qua­lität des KI-Aus­wurfs hängt vom In­put ab. Englisch ist die Mut­ter­sprache von 18,2 Pro­zent der Welt­be­völ­kerung, aber 49 Pro­zent der Web­seiten im Netz sind An­fang 2025 auf Eng­lisch. Für kleine Spra­chen gibt es kaum Trai­nings­mate­rial. Eine do­mi­nie­rende Sprache in der Hand ei­ner do­mi­nie­renden Person, siehe Trumps Ver­bots­liste vom 8.3.25, dar­unter auch Be­griffe wie „Frauen“ und „stil­len“, führen zu Ver­zer­run­gen. Die KI hat in den USA neulich eine Seite über Trans­plan­ta­tions­medizin ab­ge­schal­tet, geht halt mit Trans… los.

Struk­tur­schwa­ches Land? Netz­ausfall? Kei­ne KI! Das wird struk­tu­relle Un­gleich­heit ver­stärken.

Bei "Dol­metsch­tests" hat die KI oft pau­siert, dann In­halt in der fünf­fachen Sprech­ge­schwin­digkeit „ab­ge­spult“. Profis würden inter­ve­nieren, wenn etwas unklar ist, und wir spre­chen auch nicht sooo schnell. Bei Texten sind wir Sprach­ar­bei­te­r:innen die ersten, die etwas kritisch gegenle­sen, Feh­ler fin­den und zu­rück­mel­den.

Neben der er­wähnten Be­griffs­zen­sur sind KI-Sys­teme auch für An­griffe von au­ßen an­fällig. Stra­te­gien, Film­kon­zepte, Pa­tente etc. schützen mensch­liche Kom­mu­ni­ka­tion, die weiß, wie sie un­ge­betene Zu­hörer ver­meidet.

Die KI ist ein Tool. An­gehende Me­di­ziner:in­nen wird aktu­ell nicht vom Stu­dium ab­geraten, an­ders als Lin­guist:in­nen. Fach­kräf­te­man­gel ist pro­gram­miert.

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Il­lus­tra­tion: pixlr.com (Zufallsfund)

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