Dienstag, 12. März 2024

Warten auf den Saisonstart

Wie Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­sche­rin­nen ar­bei­ten, kön­nen Sie hier seit 2007 er­fah­ren, im ers­ten deut­schen Blog aus dem In­ne­ren der Dol­metsch­ka­bine. Mei­ne Mut­ter­spra­che ist Deutsch, ich ar­bei­te über­wie­gend mit Fran­zö­si­sch und Eng­lisch, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Die Pan­de­mie hat auch un­se­re Bran­che durch­ein­an­der­ge­bracht.

Mikrofon, Kopfhörer, Computer, Papier
Vor dem Kon­se­ku­tiv­ein­satz
Vor je­dem Ein­satz steht die Bu­chung. Nor­ma­ler­wei­se wüs­sten wir jetzt schon, was wir von jetzt an bis An­fang Ju­li ar­bei­ten wür­den, auch ers­te Herbst­ter­mi­ne wären fest ver­ein­bart. Da­bei hät­ten wir in der Sai­son im Schnitt zwei Ein­sät­ze pro Wo­che. Der­zeit ste­hen zwei Ein­sät­ze fürs ge­sam­ten Früh­jahr fest. Die Ter­mi­ne kom­men im­mer sponta­ner rein.
Das ist ein Déjà vu.

Spä­te Bu­chun­gen

Die Haupt­sai­son des Kon­fe­renz­we­sens teilt sich in die Früh­jahr-/Früh­som­mer­wo­chen und den Herbst auf. Schon in den letz­ten Co­ro­na­jah­ren wur­den die Bu­chun­gen da­zu im­mer schlep­pen­der. Die Kund­schaft hat­te Angst vor einem Auf­flam­men der Pan­de­mie. In­zwi­schen bu­chen nur noch die Mi­nis­te­ri­en und For­schungs­ein­rich­tun­gen mit mo­na­te­lan­gem Vor­lauf.

Er­schwe­rend kommt eine mas­si­ve Zu­nah­me der An­fra­gen von Agen­tu­ren hin­zu. Um mit einer weit­ver­brei­te­ten, aber irr­tüm­li­chen An­nah­me auf­zu­räu­men: Agen­tu­ren ha­ben KEINE fest­an­ge­stell­ten Sprach­ar­bei­ter:in­nen im An­ge­bot, sie su­chen auf dem frei­en Markt, wer den Ein­satz mög­lichst güns­tig über­nimmt, also Sub­un­ter­neh­mer­tum wie auf dem Bau.

In­ak­zep­ta­ble Ho­no­ra­re

Da­her ist Dum­ping an der Ta­ges­ord­nung. Agen­tur A bie­tet mir für drei Stun­den Si­mul­tan­dol­met­schen via In­ter­net, was an­stren­gen­der ist als vor Ort, den stol­zen Satz von 350 Eu­ro an. Kun­de: Ein Kon­zern, der ver­mut­lich et­was um die 900 Eu­ro be­zah­len darf. Oh­ne mich.

Dann Agen­tur B, eine kom­ple­xe tech­ni­sche Sa­che ir­gend­wo in Bran­den­burg. Fahr­zeit je Stre­cke: ab zwei Stun­den. Vor Ort: eben­falls zwei Stun­den, die Ar­beit wäre ins­ge­samt in drei Spra­chen zu leis­ten. An­ge­bot der Agen­tur: 375 Eu­ro pro Na­se, Fahrt zu viert im PKW, am Steu­er: der Prak­ti­kant, Ab­fahrt­zeit: sechs Uhr in der Früh in Mit­te, Rück­kehr acht bis zwölf Stun­den spä­ter, z.T. zu­sam­men mit dem Tech­nik­dienst­leis­ter, weil der Mo­de­ra­tor prio­ri­tär im Prak­ti­kan­ten­au­to mit­fahr­en darf.

Auch die­se Fir­ma wird den Ein­satz teu­er an­bie­ten, dazu nicht un­er­heb­li­che Kos­ten für Trans­fer, Bahn­rei­se 1. Klas­se, Ho­tel und Ver­pfle­gung be­rech­nen. Der vor­be­rei­tungs­in­ten­si­ve Ein­satz hät­te mich am Tag selbst in­klu­si­ve Fahrt­zei­ten acht Stun­den ge­kos­tet, da­zu zwei Ta­ge Vor­be­rei­tung, er­gibt 125 Eu­ro pro Tag. So viel be­kommt in der Re­gel auch ei­ne Kom­par­sin/ein Kom­par­se beim Film, wo­für nie­mand stu­die­ren muss.

Gras­sie­ren­des Agen­tur­un­we­sen

Agen­tu­ren ar­bei­ten wie Ma­k­ler. Man­che sind se­ri­ös und neh­men ähn­li­che Mar­gen wie Schau­spiel­agen­tu­ren, al­so 14 bis 18 Pro­zent. Vie­le an­de­re langen je­doch, weil wir es mit einer un­re­gu­lier­ten Bran­che zu tun ha­ben, mit ganz an­de­ren Sät­zen zu und schla­gen noch Neben­kos­ten auf, die es manch­mal gar nicht gibt, sie­he das Rei­se­ne­ben­kos­ten­bei­spiel oben.

Dolmetscherkabine mit Blick in den Raum, besonders: Messer und Gabel. Wir dolmetschen ein Arbeitsessen an einem langen Arbeitstag.
Si­mul­tan­ein­satz im Aus­wär­ti­gen Amt
Schau­spie­ler:in­nen ken­nen das Prob­lem nicht. Gemäß § 301 des So­zial­ge­setz­buchs (III / Ar­beits­för­de­rung) ist so­gar in Deut­sch­land ver­bo­ten, "bei der Ver­mitt­lung von Künst­lern in ein Ar­beits­ver­hält­nis mehr als 18 % Pro­vi­sion (bei der Ver­mitt­lung in ein Ar­beits­ver­hält­nis bis sie­ben Ta­ge), bzw. 14 % (bei der Ver­mitt­lung mit ei­ner Dau­er von mehr als zwölf Mo­na­ten) ab­zu­füh­ren."

Feh­len­de Ge­set­ze

Alle kla­gen über die sprich­wört­li­che Über­re­gu­lie­rung un­se­rer Ar­beits­welt. Im Dol­metsch­bü­ro se­hen wir das auch. Zu­gleich spü­ren wir, was pas­siert, wenn es wie in un­se­rer Bran­che kei­ne Re­ge­lun­gen gibt. Die Ge­set­zes­lü­cke müs­sen wir Dol­met­scher:in­nen teu­er be­zah­len. Wä­ren wir Berufs­sport­ler:in­nen wür­de uns das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ar­beit und So­zia­les per Rechts­ver­ord­nung bes­ser schüt­zen. Auch hier darf die Ge­bühr für die Ver­mitt­lung ma­xi­mal 14 % des Ent­gelts be­tra­gen.

Mo­ment, was sol­len wir ei­gent­lich an­ders sein als Künst­ler:in­nen mit sport­li­chen Qua­li­tä­ten?

(Mor­gen mehr dazu.)

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Foto: C.E. (Ar­chiv)

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