Arbeitsplatz Eisenbahn |
Für mich endet zunächst eine lange Zeit der Unsicherheit. Als Dolmetscherin, aber auch privat nehme ich die Bahn, wie andere Leute den Bus. Wenn ich vor einem Jahr gewusst hätte, was mich erwartet, hätte ich mir die BahnCard 100 gekauft.
Aber ein solcher Freifahrtschein fürs gesamte Verkehrsnetz hilft auch nicht weiter, wenn die Bahn streikt. Ich muss das nochmal genau durchrechnen. Ich schätze, mich hat der Bahnstreikstress in den vergangenen 12 Monaten an die 5000 Euro gekostet — das ist mehr, als diese BahnCard 100 in der 2. Klasse kostet (4.550 Euro). Dazu kommen noch zwei Einsätze, die ich weitergeben musste, weil ich irgendwo in der Pampa mit der Bahn festsaß. Damit wäre eine BC in der 1. Klasse möglich gewesen. Und, liebe streikende Bahner, ich spreche hier nicht von Eurem Inflationsausgleich und Mehrverdienst, sondern von Umsätzen, aus denen sich mein Einkommen ableitet.
Die kommenden knapp zwei Jahre muss ich wenigstens keine Streiks mehr erleiden, auch keine "Wellenstreiks" (wobei nie erläutert wurde, was das genau ist). Es gilt Friedenspflicht zwischen den Tarifparteien.
Ja, ich kann Tarifautonomie und Streikrecht gut nachvollziehen, finde aber auch, dass das Bestreiken von Infrastruktur der Grundversorgung problematisch ist. Es gibt viele Menschen ohne Auto, die ähnlich wie die Menschen im Führerstand der Loks nicht im "Home office" arbeiten können, Berufspendler:innen, entfernt arbeitende Elternteile, die regelmäßig zu ihren Kindern und erwachsene Kinder, die ebenso regelmäßig zu ihren alten Eltern reisen, manche sogar als pflegende Angehörige.
In den Medien war von einem vergifteten Klima zwischen Bahnvorstand und Bahnführergewerkschaft GDL die Rede, der Spartengewerkschaft für das Eisenbahnpersonal, hier stehen einige tausend Menschen Millionen potentiellen Reisenden entgegen. Ehrlicherweise würden wir von einem vergifteten Klima zwischen Managern und Angestellten auf der einen und Nutzer:innen auf der anderen Seite sprechen.
Öffentliche Nah- und Fernverkehrssysteme müssten eigentlich für Verlässlichkeit und Planbarkeit stehen. Vertrauen in die Bahn ist ein hohes Gut. Die sprichwörtlich chaotische deutsche Bahn, die keine Streiks für Verspätungen und Zugausfälle braucht, hat ihren Ruf weiter beschädigt.
Durch ihr langes Ringen haben Management und GDL der Gesellschaft und der Volkswirtschaft hohe Kosten verursacht. Leider hat auch GDL-Chef Weselsky mit lauten Ansagen, in denen die Kundschaft überhaupt nicht vorkam, die "Buhmannrolle" perfekt verkörpert und viel dafür getan, dass der sächsische Dialekt jetzt von mehr Menschen als unsympathisch wahrgenommen wird. Das hat er, der Dialekt, nicht verdient.
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Foto: C.E.
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