Dienstag, 19. März 2024

You guys are funny!

Ob zu­fäl­lig oder ge­plant: Sie sind mit­ten in ei­nem di­gi­ta­len Ta­ge­buch aus der Ar­beits­welt ge­lan­det, das seit 2007 be­steht — in In­ter­net­jah­ren ge­rech­net seit ewig. Ich bin Dol­met­sche­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che, mit Deutsch als Mut­ter­spra­che und aus dem Eng­li­schen — wo­bei Eng­lisch im­mer häu­fi­ger an­ge­fragt wird, nicht im­mer be­grün­de­ter­ma­ßen.

Altes Bild (schwarz und weiß): Menschen sitzen in einem Raum zusammen und arbeiten
Einst: Kreative bei der Eventplanung
Neu­lich er­reich­te mich die Fra­ge, ob ich eine zwei­tä­gi­ge Fort­bil­dung im Me­di­en­be­reich für Fir­men­lei­tun­gen und Krea­ti­ve dol­met­schen wol­len wür­de. Ich woll­te sehr gerne. Es ging um ein Me­dien- und In­ter­net­the­ma, et­was in der Art von "Di­gi­ta­le nar­ra­tive Stra­te­gien in Zei­ten der KI".

Die Fort­bil­dung hat in Ber­lin statt­ge­fun­den. 

Schon die Bu­chung war lu­stig, denn ich hat­te es mit einem mehr­köp­fi­gen Team von Ko-Ver­an­stal­tern zu tun, die sämt­liche Kor­re­spon­denz im­mer in Ko­pie be­ka­men.

Ein frü­he­rer Ar­te-Kol­lege, der heu­te im All­tag nur sel­ten Fran­zö­sisch spricht, hat­te mich an­ge­fragt, an­schlie­ßend auf Eng­lisch die Be­tei­lig­ten über meine Exis­tenz und Be­reit­schaft in­for­miert. Die Dol­metsch­rich­tung soll­te EN>FR er­fol­gen, aus dem Eng­li­schen ins Fran­zö­si­sche. Ich schrieb auf Eng­lisch, da­mit es alle ver­ste­hen kön­nen, ei­ne Ant­wort mit Grund­sätz­li­chem, vor al­lem auch dazu, dass ich nicht ins Eng­li­sche zurück­dol­met­sche, denn das ist nicht mei­ne Ziel­spra­che.

Da­rauf kam von ei­nem der Be­tei­lig­ten die Ant­wort: I don't re­ally un­der­stand, your writ­ten En­glish is per­fect. Ich er­kläre mich: A-Spra­che: Mut­ter­spra­che (Deutsch), B-Spra­che: Haupt­ar­beits­spra­che, Aus­gangs- und Ziel­spra­che (Fran­zö­sisch), C-Spra­che: nur Aus­gangs­spra­che (Eng­lisch). Das wür­de be­deu­ten, dass der Rück­ka­nal, al­so FR>EN, den ich nur in Aus­nah­me­fäl­len zu Ge­hör brin­ge, nicht so ge­schlif­fen ist wie die an­de­­re Rich­tun­g. Aus Pa­ris be­kam ich für den Fol­ge­tag einen Te­le­fon­ter­min an­ge­bo­ten — in der Spra­che Sha­kes­peares. Da­rauf schrieb der frü­here Ar­te-Mann (auf Eng­lisch): "Wa­rum um Him­mels wil­len mai­len jetzt hier zwei Fran­zo­sen auf Eng­lisch mit­ein­an­der?"

Lie­ber Autor die­ser Mail, Dan­ke fürs "Fran­zö­sin eh­ren­hal­ber". Du er­in­nerst Dich schon, dass ich meis­tens schrif­tlich ins Deut­sche über­set­ze, in mei­ne Mut­ter­spra­che, auch für Dei­ne Pro­jek­te? Le­dig­lich beim Dol­metschen geht's eben­so flott ins Deut­sche wie ins Fran­zö­si­sche ... Dol­met­schen und Über­set­zen sind eben zwei Paar Schuh.

Der an­ge­spro­chene Fran­zose lacht in sei­ner Ant­wort­mail und stellt (auf Fran­zö­sisch) fest: "Ihr Deut­sche seid merk­wür­dig (bizarre). Warum fin­det Eure Ver­an­stal­tung eigent­lich auf Eng­lisch statt? Lau­ter Deut­sche im Raum, die zu­sam­men auf Eng­lisch ler­nen und so­gar unter­ein­an­der nur noch Eng­lisch spre­chen wol­len ... Könn­te mir bit­te mal je­mand den hö­he­ren Sinn die­ses Um­stands er­klä­ren?"

Eine andere Be­tei­ligte schrieb: "Some­one who speaks French in this world, that's a very good news!"

Das Event kün­dig­te sich als sehr le­ben­dig an. Es war die Fort­setzung ei­ner an­de­ren Ver­an­stal­tung, of­fen­bar war einiges an Ge­sprächs­be­darf auf­ge­lau­fen. Mich er­reich­te Mi­nuten spä­ter von ei­nem an­de­ren wich­ti­gen Ko-Ver­an­stal­ter (auf Fran­zö­sisch) diese Bot­schaft: "Ich ver­stehe die Welt nicht mehr. Nicht nur die Deut­schen spre­chen Eng­lisch in die­sem Pro­jekt, die Fran­zo­sen sol­len auch un­ter­ein­ander Eng­lisch spre­chen. Aber Gott­sei­dank gibt es noch uns, die an der Ver­an­stal­tung be­tei­lig­ten Mo­ne­gas­sen, wir spre­chen die wun­der­bare Spra­che Mo­liè­res!"

Da­rauf setz­te der frü­here Ar­te-Kol­lege noch ein "You guys are fun­ny!" in die Run­de ab.

To make a long sto­ry short: So mei­nungs­stark wie die­se Kom­mu­ni­ka­tion waren al­le Be­tei­lig­ten dann auch im Se­mi­nar. Nicht ich al­lein wur­de ge­bucht, um ab und zu mal "Un­ver­ständ­li­ches" aus dem En­gli­schen ins Fran­zö­si­sche zu über­tra­gen, nein, wir waren zwei Si­mul­tan­dolmet­sche­rin­nen für Ort für DE<>FR mit Kopf­hö­rern für al­le, auch für uns (mit dem Aus­gangs­ton der Vor­träge und Fra­gen), und ei­ni­gen Mikro­fo­nen. Dank der Kopf­hö­rer für uns konn­ten wir uns in die Ecke set­zen und dort wie in ei­ner Dol­met­scher­ka­bine als Team ar­bei­ten, nur eben oh­ne die Wän­de der Box.

Die Deut­schen ha­ben sich üb­ri­gens in der Kaf­fee­pau­se auch po­si­tiv ge­äußert, Deutsch spre­chen zu dür­fen. "Ge­ra­de, wenn's um Krea­ti­ves geht, ist man in sei­ner Mut­ter­spra­che doch viel prä­zi­ser!"

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Foto: Archiv Elias Lossow

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