Samstag, 18. Februar 2017

Berlinaletag

Nach Mitternacht habe ich zwei Seiten Fragen eingehend studiert, die ich bald für ein Interview brauchen würde, so ging mein Beispieltag der Berlinale heute los. Ich dolmetsche und übersetze mit Zielsprachen Deutsch und Französisch (auch aus dem Englischen). Neben Film arbeite ich zu Themen der Wirtschaft und So­zial­po­li­tik, Kultur, Geschichte und Medien.

9.00 Uhr, andere in der Wohnung schlafen aus nach der Panoramaparty, ich sitze schon wieder am Schreibtisch. Gestern brach beim Sichten des Online-Screeners die Verbindung immer wieder ab, vermutlich gibt es bei manchen Last-Minute-Sichtungslinks den berühmten Stau auf der Datenautobahn. Oder das sind ir­gend­wel­che Spätfolgen des Stromausfalls vom Donnerstagabend im Nachbarkiez? (Alle, die es im Lebensmittelhandel nicht passend oder nur Plastikgeld hatten, wurden wieder weggeschickt.) Und nach dem Stromausfall wackelte bei uns das Netz.
11.30 Uhr, fertig mit dem Sehen. Zwischendurch hat das System etwas gestottert und ich habe mir viele Notizen gemacht. Ich überfliege das Presseheft ein weiteres Mal, rekapituliere die Fragen des Moderators, rufe mir den Vorgängerfilm des Re­gis­seurs in Erinnerung, der vor zwei Jahren lief und den ich nur inoffiziell gesehen habe.
12.30 Uhr, ich eile zum Potsdamer Platz. Lese auf der Fahrt weiter meine "Pres­se­clip­pings" zum Regisseur sowie die bearbeiteten Fragen auf einem leichten Gerät.
13.00 Uhr, im Hotel am Interviewort, warten, bis ich 13.30 Uhr in den In­ter­view­raum darf. Dort bleibe ich auch, als die Journalisten wechseln. Ich höre mich auf den Regisseur ein, den ich um
14.20 Uhr kurz kennenlerne.
14.40 Uhr, Ankunft im Tonstudio in einem anderen Hotel am Potsdamer Platz. Ich richte mich ein, Parlando mit den Leuten vor Ort, kurzes Vorgespräch mit dem Moderator.
Calin Peter Netzer, Antoine Guillot, Michel Ciment, Romuald Karmakar, Caroline Elias (im Uhrzeigersinn)
Im Uhrzeigersinn (von links): Calin Peter Netzer, Antoine 
Guillot, Michel Ciment, Romuald Karmakar, CE
14.50 Uhr, die Regisseure tref­fen ein, ein weiteres Vor­ge­spräch folgt.
15.05 Uhr gehen wir auf Sen­dung. Zwanzig Minuten später ist das von mir ver­dol­met­schte Interview gesendet, ich bleibe noch etwas sitzen, um einem anderen Regisseur bei Bedarf sprachlich zu hel­fen, der aus biografischen Grün­den sehr gut Französisch spricht, im Alltag aber aus­schließ­lich Deutsch.

15.40 Uhr heißt es Au revoir à Cannes ! Ich eile zum Bus ... gehe auf dem Nach­hau­se­weg noch in ein Restaurant, und als ich wieder zuhause ankomme, ist es
17.00 Uhr: Ich notiere noch einige Vokabeln, die heute wichtig waren, morgen wer­de ich die Sendung runterladen (ich pod­cas­te sie), kritisch abhören, eine zweite "Nachlese" betreiben.
17.30 Uhr: Späte Siesta, 30 Minuten, dann weiter mit einer Filmübersetzung. Open end oder Kino, das steht noch nicht fest.


Nachwort
Einmal meinte ein Kunde, dass unsere Arbeit nicht teuer sein könnte, weil sie ja mündlich geschieht. Dabei ist der Technikeinsatz für die Vorbereitung hoch. Rech­ner, Speicherkapazität (meine Drei-Ter­ra­byteplatte, das Schallarchiv, ist fast voll), mobiles Gerät, Mobil­te­le­fon, Wartung, Gebühren, das ganze Büro, das dran­hängt, Akten mit Themenmaterial, Bücher, alles Verwaltungsrelevante. Ein weiteres Re­chen­bei­spiel hier: Zahlen, bitte!
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Danke an Fanny Steyer für das Foto.
Neben Karmakar saß ich schon 2009.

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