Vorgestern: Gepaukt, ins Blaue hinein, eine Tagung steht an und wir kennen das Thema, die Namen der Redner, die Titel ihrer Beiträge. Wir erinnern die geneigten Tagungsteilnehmer erneut schriftlich daran, uns doch bitte Informationsmaterial zur Verfügung zu stellen. Bei der Arbeit ins Blaue hinein, zum Glück war ich im ersten Berufsleben Journalistin und kann recherchieren, landen wir bei ca. 50 A-4-Seiten Dokumentation und etwas mehr als 200 Fachbegriffen.
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Anschließend weiter mit der Buchübersetzung. Vor dem Schlafengehen überfliege ich nochmal das Recherchematerial für die Tagung.
Heute früh: Vorbereitung eines hohen Tages für eine Freundin, die morgen ihren Liebsten heiraten wird. Anruf beim Rathaus, in der Abteilung Ringe und Herzen bin ich inzwischen bekannt wie ein bunter Hund. Ich muss anmelden, dass das Formular zur Beeidigung rausgelegt wird, denn ich bin nicht gerichtlich beeidigt. Den Schnack: "In der Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes, § 2, Absatz 2, wird die Beeidigung als Regelfall an erster Stelle genannt, die Hinzuziehung eines nach den landesrechtlichen Vorschriften allgemein beeidigten Kollegen wird nur ergänzend erwähnt, kann also keinesfalls als Regel gefordert werden" kann ich inzwischen im Schlaf runterbeten und komme meistens nur noch bis "Absatz 2".
Dann loseilen zur Tagung, der möblierte Herr hat Home office-Tag. Kurz bevor ich gehe, landen noch zwei Reden für den Vormittag in meinem digitalen Briefkasten, zwei Reden von sechs erwarteten Papieren. Um's genau zu sagen: zwei Stunden vor der Veranstaltung. Ich rechne: Eine Stunde Fahrtzeit inklusive Puffer, 30 Minuten vorher da sein, ich kann also ein Drittel Tagung in 30 Minuten vorbereiten. Liebe Kunden, bezahlt uns künftig bitte den doppelten Satz als Stresszulage und auch die Sänfte mit Multimediaanschluss, die uns zum Tagungsort bringt. Ich verstehe nicht, was sich die Leute dabei denken. Und ich will es auch gar nicht verstehen müssen. Die Gesellschaft ist von Egozentrik und Kurzzeitdenken geprägt. Auch hier kann ich es ablesen.
Wir haben ins Blaue hineingearbeitet und haben den Kopf nachher hoffentlich nicht in der Milchsuppe, nur im ganz normalen Schraubstock.
Vokabelnotiz
Eine Fahrt ins Blaue lässt mich an Sommer denken ... es könnte auch eine Fahrt ins Grüne sein. Der blaue Himmel jedenfalls kontrastiert mit der Redensart "ins Blaue hinein", was "auf Verdacht", "aufs Geratewohl", "der Nase nach" bedeutet.
(*) "Möblierter Herr" ist ein etwas altertümlicher Ausdruck für Untermieter.
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Foto: C.E.
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