Mittwoch, 25. Januar 2012

Out of the blue

Willkommen beim Dolmetscherweblog aus Berlin! Hier dürfen Sie heute einer Sprachmittlerin auf den Schreibtisch sehen, die Teil eines Netzwerks ist. Wenn wir nicht in der Kabine sitzen, für Festivals, VIPs oder Privatpersonen dolmetschen, bereiten wir diese Events vor. Wie jetzt, die Berlinale steht vor der Tür.

Nicht plötzlich, out of the blue, sondern durchaus nachvollziehbar verändert sich der Markt. Französisch wird immer weniger nachgefragt, befördert durch die Franzosen selbst, die ja sonst immer die Muttersprachen verteidigen.

Beispiele gefällig? Neulich, wir sollen für Pressetermine auf der Berlinale gebucht werden, Einzel- und Gruppeninterviews in irgendwelchen Hinterzimmern von Luxushotels. Tag passt (so gerade) noch, Zeit auch, Honorarvorschlag angemessen. Wir schreiben eine Option in den Kalender. Sie wird schriftlich bestätigt, französischer Film, läuft im Wettbewerb, Name des zu betreuenden Dolmetschgasts. Kostenvoranschlag geht raus.

Berlinale 2012: 9.-19.Februar
Drei Stunden später kommt eine Rückfrage. Ob denn klar gewesen wäre, dass ins Englische zu dolmetschen sei? Nee, war nicht. Steht auch so nicht im Kostenvoranschlag oder in der Anfrage. Hm, ja dann.... man habe doch nur mit internationaler Presse zu tun und die wenigen Deutschen sprächen alle gut Englisch. So jedenfalls die Entscheidung der internationalen Agentur, die den Film auf der Suche nach einem deutschen Verleih vertritt.

Über Englisch auf der Berlinale haben wir hier schon oft diskutiert. Eine Dolmetscherkollegin, selbst Engländerin, ist regelmäßig entsetzt über das Niveau dieser "lingua franca", jedenfalls, wie sie in Deutschland bei manchem Festival bzw. Publikumsgespräch im Anschluss an Filme praktiziert wird, und nennt derlei "simplified facebook english". Dass es aber viele Journalisten gibt, deren Englisch nicht sicher genug ist, um komplizierte Sachverhalte im Interview zu klären, wird mir von den Betreffenden noch immer regelmäßig zugeraunt. Und das sind dann nicht nur Leute, die vor 1989 im Ostteil Deutschlands lebten.

Unsere internationale Agentur und der Presseagent sehen im Luxushotel also nur ein "Publikum", das sich bereits selbst vorsortiert hat, logisch, "wir haben nie Journalisten bei den Interviews, die kein Englisch können", this is a self fulfilling prophecy.

Wie die Sache ausging? In den Stunden, in denen die Dolmetscher optioniert waren, kam eine andere Anfrage rein und wurde mangels weiterer einschlägig erfahrener Kollegen abschlägig beschieden. Am Ende waren beide Jobs futsch, denn wir dolmetschen nicht in unsere Drittsprache, auch C-Sprache genannt.

Tja, die Franzosen verteidigen eben nicht Fremdsprachen oder ihr Idiom im Allgemeinen, sondern die Sprache Molières im eigenen Land oder außerhalb bei öffentlichen Ereignissen.

Was machen wir jetzt? Weiter! Weiter mit der Übersetzung eines Treatments, der Kurzfassung eines Drehbuchs, das ein Engländer verfasst hat. Englisch kommt derzeit recht oft rein. Und wenn man eine Sprache schon gut kann, ist Übersetzen die beste Methode, um diese zu festigen und zu vertiefen. Also: out of the blue, ich sehe da den blauen Himmel bei "heiterem" Wetter vor mir, also "aus heiterem Himmel".

______________________________  
Foto: C.E. (Archiv)

Keine Kommentare: