Selbst die Rose hat Stressholz ausgebildet. Im Hintergrund meine Tageslichtlampe |
Meine Worte möge ein konkretes Beispiel illustrieren, das ich in der 2. Hälfte der 1990-er Jahre von meinen Reisen in die USA mitgebracht habe. In der Wüste Arizonas bauten Wissenschaftler zwischen 1987 und 1991 ein riesiges Gebilde aus zusammenhängenden Gewächshäusern, um die komplexen Zusammenhänge zwischen den Ökosystemen zu untersuchen, die wir auf der Erde kennen. Und weil unser Globus die erste Biosphäre ist, wurde das Unternehmen "Biosphere 2" getauft. In den frühen Neunzigern haben Wissenschaftler dann versucht, in diesem geschlossenen System zu leben ... und sie scheiterten.
Das Scheitern hat viele Ursachen, über die ich hier nicht sprechen werde. Aber zugleich konnten sie zahlreiche wertvolle Beobachtungen anstellen. Zum Beispiel sahen sie, dass die Bäume lediglich dünn und schwach wuchsen, dass ihr Wurzelwerk unterentwickelt blieb. Manche Bäume knickten sogar unter dem eigenen Gewicht ein. Nach einer Weile des Nachdenkens verstanden die Wissenschafter: Die Abwesenheit von Wind hatte die Bäume geschwächt. Beim Wachsen müssen Bäume starken Winden widerstehen, um das zu entwickeln, was die Wissenschaftler daraufhin "Stressholz" (stress wood) genannt haben. Sie brauchen die Winde auch, um starke Wurzeln zu entwickeln, um ihre eigene Struktur zu festigen. Draußen sind es die Winde (= die Schwierigkeiten), die es den Bäumen erlauben, kräftig zu werden, so dass sie dem nächsten Wind (oder sogar mehr) standhalten können ...
Conclusio: Wir Menschen brauchen Schwierigkeiten und wir müssen das, was uns ängstigt und leiden macht, annehmen. Wenn wir sie akzeptieren und unsere Antworten finden, entwickeln wir Stressholz und Wurzeln, so dass Schwierigkeiten zu einer Herausforderung im Leben werden können, die uns Leib und Seele stärken.
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Foto: C.E.
2 Kommentare:
Es gibt auch Windflüchter, das sind Bäume, die den Wind nur von einer Seite kriegen und deswegen deformieren. In Graal gab es den Gespensterwald mit solchen Bäumen. Zur Idealform braucht man also nicht zu wenig und nicht zu viel Wind.
DH
Danke, sehr richtig. Mit dem Wind ist es wie mit dem Wasser und der Sonne: Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig ...
Grüße, C.
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