Donnerstag, 29. Dezember 2011

La trêve des confiseurs

Willkommen beim einzigen Blog Deutschlands, das in der Dolmetscherkabine entsteht. Hier denke ich (an manchen Tagen auch vom Übersetzerschreibtisch aus) über unseren Alltag als Sprachmittler nach. Dabei ist der Schwerpunkt mit meinen Arbeitssprachen identisch: Französisch und Deutsch. Heute gehe ich einem Begriff auf den Grund, der (indirekt) etwas mit den deutsch-französischen Beziehungen zu tun hat.

"Zwischen den Jahren" ist ein Ausdruck, der die Woche zwischen Weihnachten und Neujahr bezeichnet. Die Franzosen kennen einen anderen Ausdruck für diese ruhigen Tage: la trêve des confiseurs.

Dröseln wir's der Reihe nach auf. La trêve bedeutet "Gefechtspause". Für einen Augenblick schweigen also die Waffen, zwischen Deutschland und Frankreich fällt mir dazu immer diese Episode aus dem Ersten Weltkrieg ein, um die herum 2005 sogar ein Spielfilm gestrickt wurde, Joyeux Noël von Christian Carion, der in Deutschland unsinnigerweise unter dem Titel "Merry Christmas" ins Kino kam.

Dann ist da noch das Wort confiseurs. Es kommt von confir — in Zucker/Essig einlegen, es handelt sich also um ein Verfahren der Haltbarmachung. Confit de canard kennen viele, es steht auch so auf deutschen Speisekarten, weil sich "eingemachte Ente" nicht so gut liest. Bei den confiseurs ist aber die Zuckervariante gemeint, wie zum Beispiel süß eingelegte Früchte, um nur citrons confits zu nennen, oder anderes Naschwerk, das vermehrt in der kalten Jahreszeit verzehrt wird. Das deutsche Wort "Konfekt" stammt übrigens aus der gleichen Wortquelle, dem lateinischen confectum.

Nun ruhen zwischen den Jahren nicht die Waffen der Zuckerbäcker, sondern der allgemeine Rückzuck ins Privatleben wird als eine Art Pause des politischen Lebens verstanden, die zugusten diverser Verkäufer von Feinschmeckereien und  Händler anderer Dinge eintritt. Denn wie in Deutschland auch geht das französische Parlament Ende Dezember in eine Pause, und auch die allgemein aufgeworfenen Debatten sind, um den kurzen Frieden zum Jahresende nicht zu gefährden, eher zahm.

Der Begriff trêve des confiseurs entstand als ironische Reaktion auf eine Atempause, die den Einwohnern der französischen Hauptstadt Ende des 19. Jahrhunderts dekretiert wurde, so geht es jedenfalls aus den Erinnerungen des Duc de Broglie (*) hervor, einem Politiker dieser Zeit. Um den vom deutsch-französischen Krieg, von Commune und Belagerung geschwächten Einwohnern der französischen Hauptstadt (und anderer Städte) Luft für die Wie­der­auf­nahme der Wirtschaft zu lassen, legten die Politiker im Dezember ihre erbitterten Machtkämpfe um die Verfassung der Dritten Republik ad acta. De Broglie schrieb:
On convint de laisser écouler le mois de décembre [1874], pour ne pas troubler par nos débats la reprise d'affaires commerciales qui, à Paris et dans les grandes villes, précède toujours le jour de l'an. On rit un peu de cet armistice, les mauvais plaisants l'appelèrent la trêve des confiseurs.
Auf Deutsch: "Wir beschlossen, den Dezember [1874] ver­strei­chen zu lassen, um mit un­se­ren Debatten nicht die Wie­der­auf­nahme der Handels­ge­schäf­te zu stören, die in Paris und den anderen großen Städten immer dem Jahres­wechsel vorausgehen. Man lachte ein wenig über diesen Waffen­still­stand, Witzbolde nannten sie trêve des confiseurs."

Dieser Begriff dockt wahrscheinlich auf einem anderen Ausdruck auf, der mit einer vergleichbaren Unterbrechung zu tun hat: la trêve de Dieu, Gottes Waffenruhe also, die König Ludwig IX. von Frankreich 1245 verfügte. Kriegerische Handlungen sollten für den Zeitraum des Advents bis Weihnachten ausgesetzt werden.

Über französischen Advent habe ich ja bereits geschrieben. Und irgendwie ist der politische und gesellschaftliche Teil dieser Gefechtspausen dann auf die Zeit nach Weihnachten zusammengeschmolzen.


(*) Broglie, Albert, duc de (1821-1901)
[Dieser Name wird nicht wie "Mogli" aus dem "Dschungelbuch" ausgesprochen, sondern so, als würde sich der Name Breuil schreiben.]
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Foto: C.E.

Dienstag, 20. Dezember 2011

Auf ein Neues!

Heute bearbeite ich noch die letzten Anfragen fürs erste Quartal und den letzten Auftrag, dann geht's in die wohlverdiente Winterpause. Auch das Blog pausiert bis zum 4. Januar 2012, zumindest, was regelmäßige Einträge angeht.

An dieser Stelle schon mal herzlichen Dank an alle Kunden und Kollegen für  vielseitige Projekte, spannende Filme und weitreichende Erkenntnisse! Mögen wir das alle 2012 bei bester Gesundheit fortsetzen können!

Bis dahin wünsche ich schöne, ruhige Winteranfangstage allerseits! Die Stunde des Sonnenuntergangs war jetzt einige Tage immer gleich früh; nach dem Stillstand wird es langsam wieder besser. Möge uns in der Zwischenzeit das Licht der Projektoren weiterhin Netzhaut und Hirn erhellen ... auch im kommenden Jahr, für das ich alles Gute, Glück und Gesundheit wünsche!

Caroline Elias
Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache 
Fachgebiete: Politik / Medien / Gesellschaft / Kultur / Wirtschaft

P.S.: Aktuelle Anfragen bearbeiten wir auch in den letzten Tagen des Jahres, Mails werden täglich abgefragt
 

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Fotos: C.E.

Kollaboration

Das Bild unten ist nicht von mir. Es stammt aus einem Presseheft. 

Manchmal kommen wir Dolmetscher ins Trudeln, und zwar genau dann, wenn es um das Wort "Zusammenarbeit" geht. Dieses Trudeln hängt stets vom Alter derjenigen ab, für die wir arbeiten, und von der Situation, in der wir das tun. Der Hintergrund ist rasch erklärt, die französische Vokabel für "Zusammenarbeit" ist nämlich stark besetzt: sie lautet bis heute la collaboration, womit auch die französische Mitwirkung an der Besetzung Frankreichs, an Unterdrückung, Verschleppung und Ermordung von Minderheiten im einst von den Deutschen besetzten Teil Frankreichs bezeichnet wird.

Wie französische Behörden, Polizisten und Miliz Schuld und Mitschuld auf sich geladen haben, war im Heimatland von liberté, égalité, fraternité lange ein offenes Geheimnis. Dieser Tage kommen gleich zwei Filme in die deutschen Kinos, die diese Zeit thematisieren: Sarahs Schlüssel von Gilles Paquet-Brenner und Der Krieg der Knöpfe von Christophe Barratier. Beide Filme habe ich gesehen, meine Kritik des ersten Films hier, zum zweiten Text geht's da. Den Kinderfilm "Krieg der Knöpfe" haben wir übrigens zu dritt besprochen, je ein Filmkritiker aus der Kinder-, Eltern- und Großelterngeneration.

Kristin Scott Thomas spielt Journalistin Julia
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Foto: (c) Camino Filmverleih

Montag, 19. Dezember 2011

Portfolio

Bonjour auf den Seiten eines Logbuchs aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Manchmal texte ich meine Einträge aber auch am Schreibtisch, denn ich bin Übersetzerin und Dolmetscherin für die französische Sprache. In den letzten Jahren konnte ich mich auf Medien, Politik, Kino und Gesellschaft spezialisieren. Und nach schönen und anstrengenden Wochen habe ich noch wenige Tage im Dezember und dann ab dem 03.01.2012 wieder Kapazitäten frei!

Hier einige Zeilen aus meinem "Portfolio" samt Link.... 

Ich biete an:
— Dolmetschen mit den Schwerpunkten Wirtschaft, Politik und Soziales, Medien und Kino, Kulturwirtschaft, französische und deutsche Landeskunde, Architektur, Literatur, Berlin- und DDR-Geschichte
— auch Begleitdolmetschen für Privatleute und Set-Dolmetschen von VIPs
— Übersetzungen ins Deutsche, vor allem von Drehbüchern, Filmförderanträgen, Exposés
— Zweisprachige Moderation (im Erstberuf bin ich ausgebildete Journalistin)
— Führen von Interviews für elektronische Pressemappen (EPKs)
— Recherchen für Sender und Autoren
— Texten/Rewriting
— Untertitelung und Übertitelung
— Sprechen (ausgebildete, warme Altstimme; Deutsch und Französisch akzent- und dialektfrei)
— Lehre: Französisches Kino, Französisch für Filmschaffende, Lerntechniken

Mehr Arbeitsbeispiele und Referenzen hier: klick.

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Foto: privat

Sonntag, 18. Dezember 2011

Spätherbstlicht

Diese Farben! Rostrot und etwas schrilles Kupfergrün, dazu die in einen blassblauen Himmel reingetupften Wölkchen und auch die Lichtflecken auf dem Eiffelturm, so lieb ich mein Paris, mais oui ! (Und der Eiffelturm sieht wie frischgewaschen aus, als wär' er an der Wäscheleine zum Trocknen aufgehängt.)


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Foto: C.E.

Samstag, 17. Dezember 2011

Französische Mimik

Für Franzosen sei das Gesicht, was den Italienern die Hände sind: Ein Ausdrucksmittel von "der Elastizität eines Gummibandes".
So steht es auf einer bebilderten Übersicht des englisch-, französisch- und arabischsprachigen (staatlichen) Senders France 24, die schon im Mai veröffentlicht wurde.

Von totaler Langeweile und Überraschung bis hin zur völligen Gleichgültigkeit über ein breites Spektrum, Überdruss und Unwissenheit zu signalisieren, reichen diese bebilderten Besipiele. Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, klicken Sie hier.

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Foto: France 24

Freitag, 16. Dezember 2011

Untertitel und Urheberrecht

Will­kom­men auf den Sei­ten mei­nes Blogs aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bi­ne. Wenn ich nicht den mehr oder weniger großen Be­rühmt­hei­ten auf Kon­fe­ren­zen Wörter zuflüstere, sitze ich zuhause, ler­ne ... oder übersetze.

Je ne suis pas prête à recommencer!, sagt die alte Dame erschöpft, als der En­kel­an­sturm eines schönen Sommerabends vorüber ist. Dabei hat sie seit Wochen darauf hingearbeitet, dass die lieben Kleinen einen Grund dafür bekommen, ihre Großeltern öfter zu besuchen. "Ich bin nicht bereit, nochmal von vorne an­zu­fan­gen", steht im Untertitel, der Satz war die Antwort auf die Frage, wie es ihr denn jetzt gehe. Der Satz ist ein Beispiel von einigen hundert.

Es geht alles noch schlimmer: UTs per Machine Translation
(so liest es sich jedenfalls)
Der Abspann nennt als Autorin dieser Untertitel die In­ha­ber­in der Firma, die die Un­ter­ti­tel ver­ant­wor­tet. Die er­wähn­te Dame verfügt über deut­lich mehr als ein Vier­tel­­jahr­­hun­dert Be­rufs­er­­fah­rung. Ich glaube nicht, dass die Un­­ter­ti­tel von ihr sind. Sie hat sie nicht einmal ge­gen­­ge­­le­­sen, und wenn, dann nur flüchtig oder aus­zugs­hal­ber. Jeder Profi hätte hier: "Jetzt brauch' ich erstmal eine Pause!" über­setzt, denn die Oma hat den ganzen Garten umgekrempelt und sogar ein echtes Schwimmbecken anlegen lassen.

Noch erhalten die deutschen Übersetzer und Untertitler über eine (oft auch zu ge­rin­ge) Einmalzahlung hinaus für ihre Arbeit keine angemessene Vergütung, was die Ur­he­ber­rechte angeht. In Frankreich wird meinen Kollegen bei wiederholten Aus­strah­lun­gen audiovisueller Werke, an deren anderssprachigen Fassungen sie be­tei­ligt wa­ren, einmal im Quartal ein interessantes Sümm­chen von den Ver­wer­­tungs­­ge­s­ell­­schaf­ten über­wiesen. Im Fall einer Synchronautorin (in den 1950-ern ge­bo­ren), die u.a. für einen erfolgreichen und arbeitsamen Filmemacher tätig wird, reichen diese Aus­­schüt­­tun­­gen, um den Kredit für ihre Pariser Wohnung abzubezahlen.

Diese für deutsche Kollegen nachteilige Situation wird in Fachkreisen langsam zum Thema. Zugleich scheint sich mancher Inhaber von Übersetzungsbuden noch rasch zum Gewinn auch die künftigen Ausschüttungen sichern zu wollen.

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Illustration: Ein nicht näher genannter big player
der französischen Kinoindustrie (Kundenschutz!)

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Grand malheur ...

Bonjour, Sie haben das Log­buch einer Sprach­mittlerin auf­ge­schla­gen. Ich bin Fran­zö­sisch­dol­met­sche­rin und schreibe hier mitten aus der Alltagshektik in der Kabine heraus ... oder berichte vom heimischen Übersetzerschreibtisch. Französisch und Deutsch sind meine Arbeitssprachen; Kultur, Politik, Soziales und Medien meine Schwerpunkte. 

"Grand malheur de caque!", pflege mein ost­el­bi­scher Großvater immer dann zu sa­gen, wenn etwas da­ne­ben­ging. Daneben denken und laut lesen muss ich auch, wenn ich wie dieser Tage die Übersetzung eines Dreh­buchs flicke, denn manchmal verbirgt sich hinter einer halbwegs deutschen Formulierung ein Zwölf­ender aus der Reihe "serielle Miss­ver­ständ­nis­se beim Kulturtransfer".

Arbeitsplatz
Sekretär in Berlin
Grand malheur de caque, pflegte schon dessen Vater, mein ost­el­bi­scher Ur­groß­va­ter, zu sagen, wenn er auf der Fahrt nach Hause war. Die Entfernung auf dem Lande zwischen den Bahnhöfen und dem hei­mi­schen Gut war so weit, dass er zwischen dem einen und dem anderen Bahnhof im­mer die Notbremse zog, darauf erschien der Schaffner, grüßte freundlich, machte die Hand auf, mein Urgroßvater reichte das abgezählte Geld hinüber, ver­ab­schie­dete sich ebenso freundlich und stapfte über das Feld von dannen.

Der Weg über einen der beiden Bahnhöfe und dann mit der Kutsche heim ins (kleine) Trakehnergestüt wäre weiter gewesen.

Grand malheur de caque, sage ich, wenn eine merkwürdige Übersetzung auf mei­nen Tisch flattert, die von jemandem übersetzt worden ist, der oder die sich viel­leicht lieber anderen Textarten, Sprachen oder Berufen zugewandt hätte. Nicht jede(r) kann jedes, auch ich habe viele Schwächen. Aber dann erwartet eine Pro­duk­tions­fir­ma von mir, dass es eins, zwei, fix "gefixed" wird, dieses Fehl am ta­de­lungs­wür­di­gen Text, und ich kann ihnen nur sagen (wie der Handwerker, der be­trübt auf ein Küchengroßgerät blickt, das den Dienst verweigert): "Au weia, das wird teuer!"

Grand malheur de caque, denke ich dann noch und rechne die Stunden zusammen, die diese Flickschusterei kosten wird. Manchmal ist eine Neuübersetzung billiger. Noch günstiger wäre es gewesen, gleich einen Profi zu beauftragen, selbst wenn's auf den ersten Blick teurer aussieht, was auch bei der Fahrkarte plus Strafgebühr für den außerplanmäßigen Halt meines Urahns in der Heimat der schönen Tra­keh­ner­pfer­de der Fall gewesen sein muss. Aber die ganz lange Strecke, Umfahrung und Kutsche, ist am Ende einfach noch teurer.

Was ich als Übersetzerin darüber hinaus bezahle, wenn ich solche Jobs annehme, und was nicht kakulierbar ist: Es kostet mich meist Tage, mich von den sprach­li­chen Missgriffen eines/einer anderen zu befreien, die kleben nämlich. Nee, aber auch.

Zum Glück gibt's Schmerzensgeld, und non olet sagte mal einer.

Ich sehe mir über die Schulter, bemerke meinen gehoben Stil, weiß, dass ich damit überkompensiere, dass mir heute eigentlich nach derben Worten ist! Muss wohl daran liegen, dass auch die auf die netteste Weise vorgetragenen schlechten Aus­sich­ten auf eine letzte übervolle Arbeitswoche im Jahr, die bislang frei von Ver­pflich­tun­gen war, mir erstmal auf den Organismus schlagen. Ich bin ja sonst nicht so derb veranlagt ... Und zitier' jetzt doch noch Jarry: Merdre !


Hinweise für die Kalkulation von Drehbüchern: Bei Word steht unter "Extras" und "Wörter zählen" die Zahl der Anschläge inklusive Leerzeichen. Jene Zahl legen wir bei Kostenvoranschlägen zugrunde, Thema und Sprachniveau des Buchs sind wei­te­re Faktoren. Um mal grob eine "Hausnummer" zu nennen: eine Übersetzung kostet um die 25 bis 30 Euro je Drehbuchseite für einen nichteiligen Auftrag — das ist nur ein Näherungswert. Die letzte "Reparatur" schlug mit 19 Euro je Drehbuchseite zu Buche.

Post Scriptum von 2024: Der Beitrag ist leider so aktuell wie einst. Ersetze Nicht­pro­fi durch KI, und da haben Sie die Misere bei kreativen Texten. Standardsachen wie Wegbeschreibungen oder Küchenrezepte kann die KI recht gut. Sonst agiert sogar DeepL in Zweifelsfällen wie ChatGPT: gerne mal erfinderisch. Leselink: "Ich weiße die Verantwortung von mir." (sic!)
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Foto: C.E. (Archiv)

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Fachwörterbuch

Unlängst parlierte ich mit einem Kollegen, Konferenzdolmetscher seines Zeichens, der bei einer Filmveranstaltung gedolmetscht hat. Er ist unter anderem auf Sport und medizinische Themen spezialisiert. Seine Performance war bei allen all­ge­mei­nen Themen hervorragend, bei allem Fachlichen trat das auf, was ich erst vor einer Woche hier beschrieb: Es war ungenau, wirkte wie ausweichend, stel­len­wei­se redundant. Ich nahm an der Veranstaltung teil und "hörte" auch kurz mal "rein".

Das zentrale Moment unseres Berufs ist immer die Vor­be­rei­tung. Dazu gehört, das Programm vorher eingehend zu studieren und über Worte wie la chronologie des médias zu stolpern. Dieser Terminus bezeichnet nicht den "Ablauf der Medien", sondern die Abfolge der verschiedenen Medien, die nacheinander Spielfilme nutzen, also Kino — DVD-Verleih (sechs Monate nach Kinostart) — Verkauf (sechs Monate oder später) — Video on demand (33 Wochen) — Pay-TV-Abo (12 Monate) — Free-TV (24 Monate nach Kinostart, wenn der Sender koproduziert hat) — Free-TV (36 Monate nach Kinostart, wenn der Sender kein Koproduzent war), das Ganze wird durch die immer kürzer werdenden Kinolaufzeiten immer öfter infragegestellt.
Hier wird auf Deutsch von "Auswertungsfristen" gesprochen, die in einzelne "Auswertungsfenster" unterteilt sind, das englische time window lässt grüßen. Wir Dolmetscher schreiben zu den Themen, über die wir arbeiten, im Vorfeld immer unsere eigenen Lexiken; bei Fachdolmetschern umfassen diese am Ende zusammen mit Kongress- und Vorbereitungsmaterial oft mehrere Aktenordner.

Zurück zur Filmveranstaltung. Das Pikante an den in der Kabine verbaselten Be­grif­fen: Diese "Auswertungsfristen" wurden auf der Konferenz detailliert erklärt, die deutschen Begriffe kamen wiederholt vor, es wäre ein leichtes gewesen, das Wort in der Kabine auf der Vokabelliste nachzutragen.

Wir notieren oft im Job Worte, die sich uns bei der Vorbereitung nicht erschlossen haben, zum Beispiel neugeschaffene Begriffe, ich denke da an meine erste Begegnung mit der "Schuldenbremse", als ich mit französischen Abgeordneten im bundesdeutschen Haushaltsausschuss war. Tagelang hatte ich zuvor im Netz nach dem offiziellen Terminus von "Schuldenbremse" gesucht, nach einem technischen Begriff, der diesen Vorgang halbwegs bildlich darstellen möge; das in den Medien verwendete Wort règle d'or schien mir der Welt der Kritik und der Presse an­zu­ge­hö­ren. Ich hatte verschiedene Varianten gefunden, zögerte aber in der Begegnung, sie auszusprechen. In mein Zögern hinein sagte der französische Botschafter in Berlin, der die Delegation begleitete, leise ermunternd nur la règle d'or ... und ich verwendete es für den Rest des Tages. (Merci beaucoup, Monsieur l'Ambassadeur !)

Sprung zurück ins Gespräch mit dem Dolmetscher, der (nicht nur) mit der "Medienchronologie" haderte. Sehr interessiert an meiner Fachrichtung, bat er mich um meine Vokabellisten. In solchen Momenten habe ich das Gefühl, dass mich mein Gegenüber, obwohl es selbst über eigene Fachgebiete verfügt, nicht richtig ernst nimmt. Lexiken entstehen über viele Jahre. Die ersten gibt's nur noch auf Papier, die dazugehörigen Datenträger sind längst nicht mehr lesbar. Dann hatte ich mir bei Drehs in elend langen Wartezeiten Vokabelkärtchen gebastelt. Nicht zu vergessen der kleine Stapel alter Dispos, die mit Fachtermini übersät sind.

Vieles übertrug ich für mich gar nicht mehr in Lernlisten, denn ich hatte die Begriffe längst on the job gelernt. Später habe ich für die französischen Filmtage Tübingen ein Lexik hergestellt, als ich dort ein Jahr lang künstlerische Leiterin war (zwei weitere Jahre habe ich dort moderiert (vor dem Jahr als künstlerische Leiterin) bzw. Programm kuratiert (danach)).

Die Krux der Situation, in der wir uns alle befinden, ist schnell erklärt: Es gibt kaum Fachwörterbücher für den Filmsektor. Die Geyer-Werke hatten im letzten Jahrhundert mal sowas aufgelegt, es ist aber schon lange vergriffen, und mein Exemplar stammt von einem alten DEFA-Re­gis­seur, der es mir verehrte, als er sich zur Ruhe setzte. Der Rest meiner Wörterbücher ist einsprachig. Es gibt Bücher über technische Begriffe, über Etappen der Filmherstellung und ihr Vokabular, film­wirt­schaft­liche Grundbegriffe, dazu etliche Lehrwerke. In meinem Bücherschrank steht ein halbes Regalbrett davon. Oft lese ich abends in den Fachbüchern auf der Suche nach einem bestimmten Wort, während neben mir jemand sitzt und in Designbüchern nach einem bestimmten Entwurf sucht. Wir fühlen uns dann immer wie Forscher, wie Entdecker, wie Baumeister unserer eigenen Welt. Retour aux sources nennen die Franzosen das, zurück zu den Quellen. Diese Grundlagenarbeit ist integraler Bestandteil unseres Tagewerks, denn beim Suchen und Blättern aktivieren wir unser Wissen, lernen 'inzidentell' Neues, stärken die Verknüpfungen unserer Neuronen.

Zu meinem Bedauern hören übrigens die Veranstalter von mehrsprachigen Events die Verdolmetschungen selten gegen. Spezifisches feed back erhalten wir meistens nur dann, wenn zum Beispiel der Gatte der Veranstalterin die andere Sprache kaum versteht und auf Verdolmetschung angewiesen ist (wie neulich geschehen). Oder aber ich höre, wie ich es mit dem literarischen Übersetzer Alain Lance erlebt habe, als ich Christa Wolf vor einem halben Jahr für Arte verdolmetscht habe: "Die Journalistin hat immer auf den Punkt genau nachgefragt, daran habe ich die Qualität Ihrer Arbeit erkannt."

Einschub. Ich rekapituliere mal rasch, was für unseren Beruf neben der Fähigkeit zum Multitasking notwendig ist: Liebe zur Sprache und zur Kleinteiligkeit, Muße, seine Fachkenntnisse regelmäßig und zu festigen und zu erweitern, rasche Auf­fas­sungs­gabe und schnelles Schalten beim möglichen Aufschnappen von Worten, Lernfähigkeit, Konzentrationsvermögen sowie das, was die Franzosen une âme d'archiviste nennen, eine Archivarsseele.

Mein Dolmetscherkollege neulich verstand mein Zögern übrigens nicht gleich. Wie, die Listen seien auf Papier, er würde sich gerne der Sache annehmen und sie scannen. Ich zögerte nun auch, stammelte was von Vokabelzetteln und Dispos. Er wollte immer noch nicht verstehen. Ich wurde deutlicher: Ich wartete auf den Moment, an dem mich ein Verlag anfragen würde mit der Bitte um Erstellung eines Wörterbuchs. Ich bräuchte einfach mal Zeit, um das alles zu sortieren und aufzuarbeiten und auch, um für einen zweiten Teil den Grundwortschatz von den Fachwortschätzen zu trennen, denn es sei ja nicht zielführend und fürs Lernen nicht praktisch, alle Bereiche stets zu vermischen: Stoffentwicklung, Film­fi­nan­zie­rung, organisatorische und technische Drehvorbereitung und -durchführung, Endfertigung, Marketing. Das sei nicht nur sehr viel Heu, sondern stelle auch ein Kapital dar ...
Ich denke, dass mein Gegenüber am Ende verstanden hat.


P.S.: Die Arte-Sendung über die deutschen Schriftsteller, für die ich im Frühjahr gedolmetscht habe, ging leider total an mir vorbei. Ich hoffe, die Wiederholungen rechtzeitig mitzubekommen und werde hier dann einen Hinweis veröffentlichen.
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Fotos: C.E. (z.T. aus dem Archiv)

Dienstag, 13. Dezember 2011

Abschied

Heute gilt es, von Christa Wolf Abschied zu nehmen. Dabei denke ich an ihren Mann Gerhard und an ihre Familie. Mein herzliches Mitgefühl.

Erst vor etwas mehr als sechs Monaten bin ich Christa Wolf im Rahmen von Dreharbeiten für Arte begegnet. Ihre Bücher las ich schon als Teenager — im Westen. Mit 18 kaufte ich "Kassandra", das hüben und drüben in zwei Fassungen erschienen war. Zuhause las ich die Bücher "synchron" und tippte dann mit viel Carbonpapier die in der DDR-Fassung fehlenden Stellen ab. Im Uraltkoffer von der Urgroßmutter, der als Begleiterscheinung seiner Altersschwäche einen "doppelten Boden" hatte, schmuggelte ich die zensierten Stellen nach Sachsen.
Solche banalen Dinge fallen einem an Tagen wie diesen wieder ein ...

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Foto: C.E.

Montag, 12. Dezember 2011

Multitasking

"Ihr seid ja echte Multitasker", sagt der Auftraggeber anerkennend, als wir uns einigermaßen fix und alle aus der Simultandolmetscherkabine schleppen. "Ihr macht ja mindestens zwei Dinge auf einmal", setzt er seinen Gedanken fort, und endet mit einem fragenden: "... oder?"

Als ich das Wort "Multitasking" zum ersten Mal gelesen habe, hatte ich einen schönen "Verleser", ich meinte nämlich "Muttitalking" zu verstehen ...

Über das Thema schrieb ich hier schon 2007
Nein, im Ernst, ich versuch's mal: Wir müssen 1. hören, was gesagt wird, 2. verstehen, was gesagt wird, 3. das Verstandene analysieren,
4. Grammatik und Redewendungen beider Sprachen vergleichen, indem wir 5. übersetzen, dabei 6. sprechen, uns 7. merken, was wir noch unübersetzt ist (Grammatikunterschiede ... unfertige Sätze und Gedankenfolgen) und uns dabei 8. selbst zuhören, ob am Ende das Verb auch beim Gesprochenen mit dabei war oder der letzte Nebensatz und ob die Stimme am Ende des Satzes wirklich runterging. Dabei müssen wir 9. atmen und 10. uns zur Sicherheit manche Zahl aufschreiben oder manches Wort, das wiederholt wird, ein zentraler Begriff ist, damit wir selbst es später ablesen können oder die Kollegin oder im Bedarfsfalle sogar rasch nachschlagen. Noch etwas vergessen? Ach ja, manchmal müssen wir auch noch 11. die Spucke runterschlucken zwischendurch und merken, dass wir durstig sind, was auf die Stimmbänder gehen könnte, also rechtzeitig mal was trinken, kurz: 12. die dazu geeigneten Pausen erkennen, weiterdenken, Glas ergreifen, leise ein Schlückchen nehmen, Glas ebenso leise wieder abstellen.

Ziemlich viel Multi, wie ich finde. Und zugleich weiß ich aus der Forschung, dass es echtes Multitasking gar nicht gibt, dass Mensch und Maschine nur eben mit kurzen Schaltmomenten hin- und herspringen. Warum so viele Frauen in den Kabinen sitzen? Okay, ich versuch's mal: Bei Frauen werden in der Sprachproduktion mehr Hirnareale beider Hemispären aktiv und das Corpus Callosum, der sogenannte Hirnbalken, der die beiden Hirnhälften verbindet, ist bei Frauen stärker entwickelt als bei Männern. Vielleicht geht damit auch das Hin- und Herschalten bei uns einfacher. Also doch Muttitalking beim Multitalking ;-)

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Foto: Ana Lisa Calais e Val

Sonntag, 11. Dezember 2011

Ein Tag im Leben ...

... einer Dolmetscherin.
Bienvenue auf der Seite einer Dolmetscherin und Übersetzerin. Französisch ist meine zweite Arbeitssprache, und hier gebe ich Einblicke in den Berufsalltag in Berlin, Paris und anderswo. Hier denke ich nach über das, was unsere Arbeit ausmacht, aber auch über Rhythmen, in denen wir leben, wenn wir Politikern, Künstlern und Normalmenschen die Sprache leihen.
Regelmäßig erhalte ich Anfragen, wie denn mein typischer Arbeitstag aussieht. Um's kurz zu machen: Es gibt ihn nicht. Auf Tagen in der Kabine folgen Tage, an denen ich mich vor- oder nachbereite, dann gibt es reine Übersetzerzeiten und es gibt Festivalwochen.

Letzte Woche ging in Berlin die Französische Filmwoche zuende. Ich war als Dolmetscherin mit von der Partie — und habe 100 % der Termine mit Publikumsgästen in Neukölln verdolmetscht. Hier also, wie ein solcher Tag aussieht. 

8.30 Uhr, spätes Aufstehen, weil ich am Vorabend im Kino war. Nach dem Frühstück sitze ich ab 9.30 Uhr am Schreibtisch und wiederhole Vokabeln für einen Einsatz der nächsten Tage. Die Texte zum Film, dem ich mich heute Abend widmen werde, habe ich in den letzten Tagen schon gelesen, ich überfliege nochmal die Notizen.
  
11.00-11.30 Uhr dolmetsche ich am Rande der Filmwoche ein Interview. 13.00 Uhr Vorgespräch und eigenes Interview mit den Stars des Abends. 14.00 Uhr Mittagspause. 15.00-18.00 Uhr arbeite ich weiter am Schreibtisch.
20.00 Uhr komme ich im Kino an.
  
Unten: Mit Verleiher Justus Peter von pandastorm pictures (Mitte) wählen wir kurz darauf aus dem Menu des benachbarten Restaurants aus (links: Dominique Abel, rechts: Fiona Gordon). Gleich geht's ins Café Rix, einen wunderschönen Saal mit angrenzender Bühne.












20.30 Uhr sind wir im Kino, dann moderieren wir den Film an, kurz darauf geht der Film los. Wir verfolgen den Vorspann und die ersten Bilder, denn Dominique möchte noch den Ton einstellen. (Den Film habe ich gestern gesehen, und die Macher kennen ihn natürlich auch.)



21.00 Uhr sitzen wir am Tisch und warten aufs Essen. (Es wird uns hervorragend schmecken.)





 

Nach 22.00 Uhr sehen wir noch die letzten Filmminuten im Kino mit an. Dann folgt das Publikumsgespräch.
Was hier (natürlich!) nicht abgebildet ist: Der Umtrunk nach dem Film und der Absacker im Bistrot de Paris, zusammen mit anderen Gästen der Filmwoche.












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Fotos: C.E. und privat

Samstag, 10. Dezember 2011

Hirnforschung im TV-Film

Freitag auf Arte, jetzt noch eine knappe Woche als "Replay" bei ARTE+7: Ein Film über das Wunderwerk Gehirn, der mit irritierenden Zahlen aufwartet. Beispiel: In der Großstadthektik können bis zu elf Millionen Informationseinheiten auf uns einströmen, von denen uns maximal 40 bewusst werden. Im Film "Das automatische Gehirn" werden Vorgänge beschrieben, die ohne unser Wissen täglich stattfinden. Wenn wir davon wüssten, könnten wir nicht leben, unser Gehirn wäre überfordert oder so groß, dass wir es nicht tragen könnten. Nicht nur, wenn wir von Informationen überflutet werden, blendet unser Gehirn alles aus, was es für unwichtig hält ... oder für bekannt. Es schaltet dann auf "Autopilot" ...

Der Film von Francesca D'Amicis, Petra Höfer und Freddie Rückenhaus zeichnet die Erforschung des Unbewussten der letzten Jahrzehnte nach. (Den zweiten Teil zeigt ARTE am Freitag, dem 16. Dezember, ab 21.40 Uhr.)

Für uns Dolmetscher sind solche Filme spannend. Denn oft sagen mir Leute nach Dolmetscheinsätzen Sätze wie: "Ich finde ganz unglaublich, was Sie da machen, ich kann mir gar nicht vorstellen, wie SO ETWAS funktionieren soll." Darauf antworte ich meist ebenso ehrlich wie schlicht: "Das geht mir genauso!"
Ich kann nur mutmaßen: Wir haben die dolmetschtypische Art des Ausblendens, also eine sehr stark kanalisierte Aufmerksamkeit, trainiert, unser Bewusstsein mehrerer Sprachebenen vergrößert und die Sprachproduktion im jeweils anderen Idiom automatisiert. Das ist ETWAS, das Laien in der Regel nicht länger als einige Minuten improvisieren können. Daher lernen und üben Dolmetscher erst viele Jahre, bevor sie auf die Menschheit losgelassen werden.

Wie viele Ebenen dieses ETWAS darstellt, das Multitasking der Dolmetscher, versuche ich hier Montag aufzuzählen.

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Bild: ARTE

Freitag, 9. Dezember 2011

Photomaton

... heißt der Passbildautomat auf Französisch, und zum Glück kannte ich das Wort.
Welcome, bienvenue, Sie sind auf einer Logbuchseite aus der Dol­met­scher­ka­bine gelandet. Hier schreibe ich mitten aus dem Geschehen ... und manchmal auch vom Überset­zer­schreib­tisch aus. Französisch und Deutsch sind meine Arbeits­sprachen; Kultur, Politik, Soziales und Medien meine Arbeits­schwer­punkte. 
Ein tempo­rei­cher Film­einstieg: Zwei Teens klettern regel­mäßig in den Auto­mat, knipsen sich, tauschen zunächst Schals und Brillen aus, später erste Küsse, denn wir sehen einer jungen Frau und ei­nem jun­gen Mann beim Auf­wach­sen zu. Als junge Twens halten sie erst ihren dicken Bauch, dann die Frucht ihrer Liebe vor die Scheibe, hinter der das Objek­tiv steht. Ti­tel­se­quenz, dann geht die ei­gent­li­che Film­er­zäh­lung los.

In Frankreich heißt der Knipskasten le pho­to­ma­ton. In Deutsch­land herrscht Be­griffs­un­schärfe: Photo­automat, Pass­bild­au­tomat, Schnell­fo­to­au­tomat, je nach Gegend und vor­herr­schen­der Marke. Den fran­zö­si­schen Begriff, der diesmal fürs Lektorieren einer Dreh­buch­über­setzung un­gemein nützlich war, fand ich nicht im Wörter­buch, sondern vor Jahr­zehn­ten im Vor­bei­rennen in der U-Bahn. Ich lese im Gehen fast alles, was ich mit schnellem Schritt lesen kann, und ich merke mir die ko­misch­sten Dinge wie colonne sèche — Steig­lei­tung trocken.

Offenbar sind in Frank­reich und Deutsch­land vor allem die Na­men der Kis­ten un­ter­schied­lich. EDIT: In den 1920-er Jahren war "Pho­to­maton" als Mar­ke eines Selbst­fo­to­gra­fier­ge­räts in Berlin gut be­kannt; entspre­chen­de Lä­den gab es an der Friedrich­stra­ße und am Pots­da­mer Platz.


Als Teenager habe ich dieses Trumm übrigens mal meinem sächsi­schen Cousin in einem Brief beschrieben: Das Ganze ist wie ein Kleider­schrank, dessen eine Seite offen, die andere ge­schlos­sen ist. Die offene Seite kann mit einem Vorhang zuge­macht werden, in ihr steht eine Art am Boden festgeschraubter Klavier­hocker. Wenn Du die Höhe einge­stellt hast, blickst Du seit­lich auf den geschlossenen Teil bzw. auf ein Glas­fens­ter, hinter dem sich das Objek­tiv befindet. Dann musst Du seitlich Geld in die Schlit­ze einwerfen (2 DM). Du kannst noch einstellen, ob Du vier un­ter­schied­liche Aufnah­men oder vier­mal das­selbe Bild haben willst. Dann blitzt es. Der belichtete Strei­fen (vier Fotos untereinander) wird dann an der Vorderseite aus­ge­geben. Er steckt zunächst noch im Schlitz, wo er von einem ein­ge­bau­ten Fön getrocknet wird ...

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Collage: C.E.

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Verachtung der Kultur

Willkommen auf den Seiten des digitalen Logbuchs einer Dolmetscherin und Übersetzerin. Meine Arbeitssprachen sind Französisch, Deutsch ... und Film. An dieser Stelle schreibe ich regelmäßig und so, dass man nicht die Betreffenden, dafür aber durchaus die Situationen erkennen kann, über den Berufsalltag in Berlin, Frankfurt, Hamburg, München, Köln, Paris, Marseille, Cannes und anderswo. Jetzt geht die Herbstzeit mit ihren Dienstreisen zuende ...

Neulich, an irgendeinem größeren westdeutschen Ort (oder war's in einer französischen Kulturstadt?): Ein Colloquium mit namhaften Gästen aus dem Ausland und viel Fachpublikum sowie etlichen Honoratioren der Stadt fand mal wieder zu einem filmrelevanten Thema statt. Da ich in nämlicher Stadt eine private Unterkunft habe und weiß, wie ich mit der Bahn günstig reise, hatte ich mich als Dolmetscherin lange im Voraus beim Kulturamt beworben. Ich erhielt eine Woche später die Auskunft, dass man soeben kompetente Kollegen angeheuert habe, die den Vorzug böten, aus nämlicher Gemeinde zu stammen und damit keine Anfahrtkosten zu verursachen.

Auf meiner kleinen herbstlichen Rundreise hatte ich das Colloquium seit langem eingeplant, ich unterbrach also die Fahrt und ging als einfache Teilnehmerin hin. In der Mittagspause kam ich mit der Kulturamtschefin ins Gespräch. Sie gab ihre Eindrücke von der Veranstaltung wieder. Leider fände sie, erklärte sie mir zwischen Vorspeise und Hauptgang, dass die ausländischen Gäste durch die Bank weg eher schwammig sprächen und auch auf Nachfragen kaum Konkretes aus ihnen herauszuholen sei. Den Eindruck hatte ich allerdings nicht ... und ließ das vorsichtig durchblicken. Am Nachmittag hörte ich in die Verdolmetschungen rein. Meine Befürchtungen wurden bestätigt.

Am Abend sitzen alle in geselliger Runde zusammen. Eine Dolmetschkollegin ist auch dabei. Sie ist erfreut, als sie mich beim Dessert kennenlernt, und erzählt, dass sie in den letzten Jahren schon einige Diskussionen zu Filmthemen verdolmetscht habe. Und dass sie sich jetzt vielleicht doch endlich mal eine Vokabelliste anlegen müsse für die Fachtermini ...

Ich kommentiere das jetzt nicht ausführlicher, wer mich kennt, weiß, was ich darüber denke. Nur dies: Wer Fachgebiete hat, hält sich auch ohne Aufträge auf dem Laufenden. Die Kollegin war übrigens in ihrer Region sehr gut im Geschäft und hatte schlichtweg keine Zeit gehabt für eine intensive Vorbereitung. Sie hielt sich für eine gute Kulturkennerin und sagte en passant auch noch: "Kultur ist ja mein Steckenpferd ..."

Is klar, Kultur kann jeder ... und nur für Ärztekongresse braucht man Fachdolmetscher.

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Bild: Ruven (acht Jahre)

Mittwoch, 7. Dezember 2011

Im Hotel

Willkommen auf den Seiten des Arbeitstagebuchs einer Übersetzerin und Dolmetscherin. Meine Arbeitssprachen sind Deutsch, Französisch und Film, mein Spezialgebiet, denn Film ist eine Sprache für sich. Hier denke ich öffentlich über unsere Arbeit nach. Was in den Kabinen oder auf dem Übersetzerschreibtisch geschieht, ist für das Publikum meist geheim, daher verfremde ich das eine oder andere. Ebenso geheim wie die nächtlichen Qualen, die unsereiner als Vielreisender zu erleiden hat. Einblicke in intimste Momente im Alltag einer Sprachmittlerin mit Hauptwohnsitz Berlin.

1. Schlafen ist eine prekäre Angelegenheit. 2. Dolmetscher sind "Reisekader" und müssen oft mit der Stadt auch die Bettstatt wechseln. 3. Auf der Basis meiner diversen Einsätze beobachte ich, dass die Qualität der Hotelzimmer in dem Maße zu wünschen übrig lässt, wie das zu verdolmetschende Tagesgeschehen Spannung und interessanten Inhalt zu bieten hat.

Das sind drei Sätze, die leider zusammengehören.

Schlafstellen sind intim, ihre Ruhe ist oft von außen bedroht. Ich denke mit Grausen an den Einsatz, wo ich aufgrund akustischen Ungemachs eine Woche lang kaum schlafen konnte. Grundsätzlich bin ich so empfindsam, dass ich mit dem eigenen Kopfkissen reise, um nicht beim nächtlichen Atmen mit |dem Gesabber| den feinstofflichen Überbleibseln wildfremder Menschen konfrontiert zu werden. Zudem hab ich keine Lust auf nächtliche Boxkämpfe mit diversen Varianten von Knickhalskissen über harte |Bettwürste| Rollen bis hin zu mondartigen Wattelandschaften mit Klumpvulkanen und Kratern und was es da an alptraum- und nackenstarreförderndem Marterwerkzeug mehr gibt. Dann ist da noch die Decke, die in Deutschland gerne sogar im Sommer mit Federn gefüllt ist. Dabei bringt mich allein das Wort "Sommerdaune" bereits zum Schwitzen!

Im Schlaf bin ich sehr französisch, am liebsten habe ich nur eine Wolldecke, im Winter dürfen's auch zwei sein oder eine wirklich dünne Daunen- zur Wolldecke. Beim nächtlichen Atmen setzt sich der deutsche Erbteil durch: Ich liebe es, den Großteil des Jahres bei offenem Fenster zu schlafen. Diese Schizophrenie des Schlafens nach deutsch-französischem Muster — eine andere Abhandlung zum Thema hier — hat mich aber noch nicht zum Mitführen der eigenen Decke veranlasst.

Manchmal müsste ich mein eigenes Zimmer bei mir haben. Wir (in der Regel) akustisch empfindliche Dolmetscher bauen schlechten Nächten gern vor und erbitten vor Anreise ruhige, abgelegene Räume in den Obergeschossen. Indes, es klappt nicht immer mit dem Einschlafen, manchmal ist die Enttäuschung groß, wenn der zugewiesene Raum wieder im ersten Stock neben dem Treppenhaus mit den Steinstufen liegt oder neben dem Aufzug oder, um die Sache zu toppen, neben dem Fahrstuhl und direkt über der hell erleuchteten Einfahrt (mit valet parking und vielen Spätheimkehrern).

Fürs Durchschlafen gibt's Hilfsmittel: das doppelte Piratenauge vulgo Schlafbrille, dem Ohr erleichtert Ohropax das Abschalten. Aber es gibt Geräusche, die dringen auch hier durch. Einmal sollte ich in einem Kaff über der Bar des schicksten Hotels am Platze nächtigen, in der am Wochenende nächtens ein Clubbetrieb für die "Dorfjugend" stieg mit wummernden Bässen, die mein Zwerchfell überaus deutlich registriert hat. Ein andermal versuchte ich mir lange im Voraus eine ruhige Nacht zu sichern und erbat ein Quartier "im Obergeschoss". "Tut uns leid", war die Antwort, "bei uns geht's nur bis zum 1. Stock, und unten ist die Bundeskegelbahn."

Bei Hotelzimmermatratzen gibt es folgende Regel: Sind zwei Betten im Zimmer, ist die Matratze, die dem Klo näher ist, stärker abgenutzt. Und wenn das Zimmer nicht nur so aussieht wie 70-er Jahre, sondern sich auch so anfühlt, hilft nur eins: Matratze raus und auf dem Boden weiterschlafen. Träume, in denen keine Hängematten vorkommen, sind dann garantiert! Das geht allerdings in Paris oft nicht, wo das normale Hotelzimmer bereits voll ist, wenn der Koffer reingetragen wurde, und bei dem Schrank- und Badezimmertür nie gleichzeitig geöffnet werden können, auch im kofferlosen Zustand nicht.

Mich als Dolmetscherin würde nur eins aus der Not befreien: Nicht mehr für die armen Schlucker dolmetschen, denn die anderen bringen uns in mehrsternigen Quartieren unter, an denen nichts auszusetzen ist (außer einer brummenden Lüftung vielleicht). Aber dann wäre das Berufsleben nur noch halb so spannend! Und das wäre dann doch irgendwie unpraktisch.


P.S.: Lesetipp: Georges Perec, der ein literarisches Verzeichnis der Orte, an denen er schlief, angefertigt hat.
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Fotos: C.E.

Dienstag, 6. Dezember 2011

Advent

Dieser Tage höre ich viel Radio beim Sortieren der Ablagen im Büro, und immer wieder sagen die Moderatoren: "Die Weihnachtszeit hat begonnen, und passend dazu ..." oder "Jetzt in der Weihnachtszeit ..."

Hab ich da etwas missverstanden, oder ist das einfach nur grundfalsch? Wenn ich mich richtig erinnere, heißt die Phase, in der wir uns derzeit befinden, Advent, ist also die Zeit vor etwas, die Vorweihnachtszeit, so nannte man das "früher" (bis vor wenigen Jahren).

Französischer Weihnachtskitsch in einem
Pariser Haushaltswarenladen
...
In Frankreich wird der Advent traditionell nicht so wie in Deutschland begangen, wobei die Geschäftsleute dort den ökonomischen Vorteil der Wochen vor dem, was meine Patchworkschwester Annette einst wegen ihrer schwäbischen Oma "Päcklesfest" genannt hat, seit etlichen Jahren auch kennen. Auch das Wort "Advent" ist auf Französisch kaum gebräuchlich. Mir kommt französische Adventsdeko daher immer ein wenig prätentiös und pompös vor. 

Aber auch in Deutschland beginnt die Weihnachtszeit strenggenommen erst mit dem 24. Dezember. Zur Begriffsverwirrung gehört auch, dass Weihnachtsgebäcke und Stollen hierzulande praktisch seit dem Verstauen sommerlicher Kleidung in den Läden gekauft und spätestens ab Ende November auch aufgetischt werden. Noch ein flash back: In der sächsichen Heimat meines Vaters wurde der Stollen erst am 24.12. angeschnitten. Aber eine so kurze Weihnachtszeit, also eine Woche bis Sylvester, ist natürlich für den Handel viel zu kurz, daher die Erweiterung der heimeligen Wochen, die auch Atheisten einen schönen Kuschelfaktor verschaffen, in die Wochen des Advents.

... und im Monoprix
Und so wundert es mich nicht, wenn (mein alter Kumpel) der RFI-Korrespondent Pascal Thibaut — er berichtet jetzt sicher auch schon seit 103 Jahren aus Berlin — die Sache aus französischer Sicht so beschreibt: Pour les Allemands, Noël commence un mois plus tôt. L'Avent avec ses marchés, son vin chaud, ses gâteaux traditionnels, ses couronnes de sapin et ses bougies et autres rencontres familiales et professionnelles rend la grisaille de fin d'automne plus supportable. — "Für die Deutschen fängt Weihnachten einen Monat früher an. Der Advent bringt Weihnachtsmärkte, Glühwein und traditionellen Kuchen, Advenzkränze, Kerzen und macht auch mit Begegnungen in Familien- oder Kollegenkreis den grauen Spätherbst erträglicher."

Dieser Gedanke gefällt mir, er versöhnt mich mit dem ganzen Weihnachtsklimbim. Merci beaucoup, Pascal !

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Fotos: C.E.

Montag, 5. Dezember 2011

Zu den Notizen ...

Willkommen beim Arbeitstagebuch einer Sprachmittlerin für die französische Sprache! Was Französischdolmetscher und -übersetzer nicht nur in Berlin umtreibt, wie wir leben und arbeiten, können Sie hier verfolgen. Regelmäßig denke ich auch über unser Arbeitsmaterial nach, heute: Spick- und Notizzettel.
... von gestern: zwei Bemerkungen nur, denn ich düse derzeit als Gast der französischen Botschaft — merci beaucoup ! — dolmetschend und als Filmkritikerin über die Berliner Französische Filmwoche, während die Mitbewohnerin in unserem Wohnzimmer einen Film fertig schneidet.

Letzte Woche saßen meine Dolmetscherkollegin Kerstin und ich in der Kabine, es ging um die französische Gesetzeslage gegenüber Raubkopierern, das Loi Hadopi. Zu diesem Thema habe ich in den letzten Jahren schon zwei Panels gedolmetscht, musste also "nur" meine Kenntnisse auffrischen. Trotzdem habe ich acht Stunden mit dem Lesen aktueller Infos und dem Ergänzen meiner Vokabelliste (vier DIN-A-4-Seiten je Sprachrichtung) zugebracht.

Am Ende pinselte ich das abgebildete Wortfeld (allerdings mit dem Füller). Es ist eine Art Mind Map geworden, durch Striche hab ich Beziehungen, durch unterbrochene Linien "Einblendungen" anderer verwandter Themen dargestellt, es kommen Pfeile und eine Schere vor, Figuren und Kürzel. Indem ich mir eine Vokabelliste grafisch sortiere, denke ich alle Eventualitäten erneut durch und suche mir aus der Liste die richtigen Begriffe heraus bzw. prüfe sie nochmal vor dem Abschreiben. Am Ende beherrsche ich im Idealfall das Worfeld so gut, dass ich meinen Spickzettel fürs simultane Dolmetschen gar nicht mehr brauche. (Mit Doppelklick müsste sich das Bild vergrößern lassen, zu dem der Link führt.)
Der Einsatz war letzte Woche Dienstag und verlief zur allgemeinen Zufriedenheit. Am Ende erhielten wir sogar geschriebene Dankesworte "für die wunderbare Dolmetscherarbeit von Ihnen und Ihrer Kollegin". Das tut gut. (Auch wenn der Vertreter der Piratenpartei zweimal schmunzeln musste, als ich im im Eifer des Gefechts anhob, das französisch beeinflusste Wort "Pirat" anstelle von "Raubkopierer" zu verwenden, le piratage - das Raubkopieren.)

Gestern traf ich dann die Brüder Dardenne wieder, die Samstag beim Europäischen Filmpreis als die Autoren des "besten Drehbuchs" 2011 ausgezeichnet wurden. Sonntag gingen also die Presseinterviews los. Hier sprachen sie über Orte, ein magisches Dreieck, das Unbewusste, den Raum. Ich stimme mit Theoretikern der Notizentechnik überein, die davon ausgehen, dass jeder Dolmetscher/jede Dolmetscherin über die Jahre eigene Kürzel entwickelt und die Gedankenstützen eben auch grafisch erfolgen können.

Hier habe ich Notizen in der Ausgangs- und der Zielsprache (je nachdem, was im Augenblick schneller erscheint) mit Kürzeln vermischt, zum Beispiel Variationen des Buchstabens "F" wie f^ = forêt (Wald), das geschwungene Schreibschrift-f bedeutet bei mir immer Film, f° = femme (Frau) analog zu h° = homme oder histoire (Geschichte), je nach Kontext, wobei die Weltgeschichte durch den Großbuchstaben H° verkörpert wird. Trennlinien stellen neue Gedanken dar, Pfeile Bezüge, Blitzzeichen größere Probleme. Der Einfachheit halber bekam an einer Stelle der accent grave von père eine Pfeilspitze, das steht da für einen Nebensatz, der eine "Richtung" hat.

Den besten Satz zum Thema "Notizentechnik" hörte ich mal von einer amerikanischen Kollegin. Die Notizen seien weder für die Nachwelt noch für den Prof noch für den Tag danach, sondern allein und ausschließlich für den Moment gedacht. Voilà !


P.S.: Hier noch ein älterer Beitrag zum Thema Notizentechnik.

Sonntag, 4. Dezember 2011

Schriftliches

Heute zwei Bilder, ein Spickzettel aus der Dolmetscherkabine und einmal Notizen vom konsekutiven Dolmetschen. Morgen mehr dazu.


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Fotos: C.E.

2. Link der Woche

Und gleich noch ein Link der Woche. Eine Kollegin und ich treiben uns auf der Berliner Französischen Filmwoche rum. Hier die ersten Filmeinschätzungen.

Das Sonntagsfoto folgt im Laufe des Nachmittags.

Samstag, 3. Dezember 2011

Fähigkeiten

Welche Fähigkeiten brauchen Dolmetscher? Im Netz fand ich eine englische interaktive Karte mit mehr Infos dazu. Die Interpreting Skills map ist mein Link der Woche ...

Freitag, 2. Dezember 2011

Kiss and scan

Dieser Tage steigen in Berlin wieder viele Sektempfänge und Parties, bei denen sich das Filmvolk trifft, denn Berlin ist auch außerhalb der Berlinale Filmfestivalstadt. Das größte Event der Woche wird kommenden Samstag die Verleihung der Europäischen Filmpreise mit 2.500 Gästen sein. Am gleichen Abend geht "Around the world in 14 films" zunde, eine Festivalperle, die Werke zeigt, die oft Mühen haben, ins reguläre Kino zu kommen. Für diese jährlich im Dezember stattfindende cinéastische Reise habe ich dieses Jahr mal nicht gedolmetscht, schlicht, weil kein frankophoner Gast zugegen war.

François Cluzet, Olivier Nakache, Eric Toledano,
Nathalie Licard bei der Französischen Filmwoche
Das ist bei der Französischen Filmwoche anders. Diese Werkschau des französischen Films zieht (nach einer Formatänderung vor einem Jahr) mit ihren Vorabpremieren bald startender Filme weiterhin Kreative aus französischsprachigen Landen an — und auch das Berliner Publikum goutiert das Programm. Hier war gestern Eröffnung mit "Ziemlich beste Freunde" (Intouchables), einem sehr berührenden und zugleich humorvollen Film, der in Frankreich in nur vier Wochen 10,3 Millionen Zuschauer gefunden hat. Am Nachmittag und Abend dolmetschte ich in den Kulissen ... für Journalisten. Was mich im Gespräch mit den Regisseuren Olivier Nakache und Eric Toledano beeindruckt hat, war ihre Arbeitsweise. Sie erzählten, wie sie sich hochschaukeln beim Finden von Gags und wie die Kreativität des einen immer die Erfindungskraft des anderen beflügele.

Gleich nach der Premiere im Kino International
gab es (für Gepräche etwas zu laute) Musik
Diese Filmparties sind wunderbare Ereignisse, um Kollegen und Konkurrenten, Freund und Feind zu sehen, zu begrüßen und small talk zu betreiben. Vorneweg kommt oft das in der Branche übliche Küsschen links, Küsschen rechts auf die Wange, für das mir außer dem bayerischen "Bussi" nur das französische Original als Bezeichnung einfällt: la bise.

Bei einem anderen Empfang, letzte Woche in Paris, freute ich mich, seit langem den Berliner Produzenten Marco Mehlitz (Lago Film) mal wiederzusehen, der neben Alfred Hürmer (Integral Film) deutscher Koproduzent von "Mr. Nobody" (Regie: Jaco van Dormael) war. Unsere Begrüßung fiel ehrlich aus: Wir uns freuten uns zwar, einander zu sehen, lauerten zugleich aber dringend auf andere Gesprächspartner.

Empfang im Pariser Quai d'Orsay der rendez-vous
  franco-allemands du cinéma
Schon beim Bussi schweiften unsere Blicke ab ... um kurz darauf sehr herzlich miteinander zu lachen. Denn so ehrlich läuft derlei selten ab: Wir beschrieben einander das ungute Gefühl, begrüßt zu werden, während die Augen des Gegenübers durch den Raum wandern auf der Suche nach dem ranghöheren Tier, auf dass er oder sie sich werfen könnte ... "Das ist eine Art Raumscan, der da stattfindet", sagte Marco (oder war ich es?) — "Ja, hit and scan anstatt hit and run", erwiderte der andere. Und so schaukelten wir uns auf zur nächstböseren Variante und erfanden den Begriff für das szene- und empfangstypische "kiss and scan".

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Fotos: C.E.

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Unseriös

Täglich landen etwa dreißig Mails in meiner Mailbox. Etliche davon sehen aus, als hätten potentielle Kunden sie verfasst. Und dann gibt es die Ich-sitze-in-einer-afrikanischen-Bank-und-suche-den-Erben-von-Nathan-Elias-Komma-der-mit-einem-Guthaben-von-vierzehn-Millionen-Dollar-verstarb-Mails, die ich, da ich diese Form von Spam kenne, sofort lösche. Nein, ich glaube nicht, dass irgendwer meine Kontodaten braucht, um dieses Geld außer Landes zu schaffen, wofür ich natürlich mindestens ein Drittel der Summe erhalten soll.

Neu sind Spams dieser Art, die direkt auf den Beruf ihres Empfängers zugeschrieben sind. Da will jemand für ein Fotoshooting eine Dolmetscherin anheuern, sendet eine Mail, auf die ich aus Zeitgründen nicht antworte, am nächsten Tag liegt ein hoher Reisescheck aus dieser Quelle in der Post. Die zweite Mail folgt auf dem Fuße: Man hätte mir leider einen zu hohen Scheck geschickt, ob ich nicht den Differenzbetrag per Western Union übermitteln könne? Kann ich nicht, denn der Reisescheck wird sich nach Einreichung als gefälscht erweisen, so jedenfalls die Erfahrungen betrogener Kollegen. Et hop, à la poubelle !

Ein andermal gibt jemand vor, für ein französisches Ministerium zu arbeiten, in Berlin eine hochgestellte Person interviewen zu sollen ... und bietet mir einen lukrativen Dolmetscheinsatz an. Ich antworte, ohne rasch auf den Absender zu schauen, dass ich am angefragten Tag Zeit hätte. In einer zweiten Mail schreibt der Absender dann aber, dass er, weil angeblich auf Reisen, leider nicht die Anzahlung für zu mietende Aufnahmetechnik leisten kann. Der Betrag würde mir am Ende mit der Rechnung erstattet werden, Rechnung einer Berliner Technikfirma (die ich nicht kenne) im Anhang. Die Mail des Absenders endet auf @minister.com. Ich sehe auf www.minister.com/ nach — hier kann ich Bibeln und christliche Musik kaufen. Ab in die Spambox damit!

Mehr Infos darüber, wie man unseriöse Anfragen erkennt, bei Alexander von Obert.

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Foto: Archiv