Freitag, 15. Januar 2010

Automatische Übersetzung oder "Machine Translation"

Was Dol­­­met­­­scher und Über­­­setzer ma­­­chen, ist der brei­­­ten Öf­­­fent­­­lich­­­keit oft nicht ge­­nau be­­kannt. Hier denke ich darüber nach, auch über die Zukunft des Berufsfelds.

Letzte Woche fragte mich die halbwüchsige Tochter von Bekannten, die wohl ge­ra­de überlegt, was sie beruflich mal machen könnte, ob nicht eines nicht allzu fer­nen Tages alle Übersetzer und Dolmetscher durch Computer ersetzt werden wür­den. Ich habe dem heftig widersprochen. Ich weiß, dass Computer die Arbeit vor allem der Übersetzer schon heute erleichtern, aber ebenso ist es klar, dass dies nie ohne den intelligenten, studierten Nutzer funktionieren wird.

Als ich heute Morgen in den Wirtschaftsnachrichten rumstöbere, lese ich in der FAZ folgendes:
Fundamental laufen die Geschäfte für Apple derzeit gar nicht so schlecht. Die weltweiten Computerverkäufe sind zwar zum Jahresende erstmals seit fünf Jahren um 0,4 Prozent gefallen, berichtete das amerikanische Marktforschungsinstitut IDC am Mittwoch. Immerhin konnte Apple jedoch 1,2 Millionen Computer verschiffen und den Marktanteil auf 7,2 Prozent steigern.
Offensichtlich handelt es sich um einen Text, der bereits automatisch übersetzt wurde, und bei dem die Redaktion oder das Lektorat nicht ausreichend tätig waren. "Fundamental" ist hier durch "grundsätzlich" zu ersetzen, und das Wort "verschiffen" hat sich über das Englische "to ship" hier eingeschlichen, das glei­cher­ma­ßen verschiffen wie versenden/ausliefern bedeutet.

Der Mensch ist also als Korrektiv vonnöten, wo verschiedene Begriffe für den Com­puter nur Synonyme oder tolerierbare Ausdrücke sind, oder anders: Woher soll der Rechner denn wissen, dass es zwar die Fundamentalkritik am Fundament so mancher Theorie gibt, wir uns aber in Zusammenfassungen fundamental anders äußern. Es geht um die Nuancen, die auch in noch so vielen Pro­gram­mier­stun­den den Rechnern nicht beizubiegen sind. Denn oftmals lenkt unser Schön­heits­em­pfin­den die Wortwahl, selbst bei kleinen, dummen Zei­tungs­mel­dun­gen. Effekte der Lautähnlichkeit bis hin zu Alliterationen oder im Gegenzug die Vermeidung von als unangenehm empfundenem Aufeinanderprall von Ähnlichem, das erfordert Ebenen der Programmierung, die mir in "Mannjahren" gerechnet die Programmiererleben mehrerer Generationen zu fordern scheinen. Währenddessen ändert sich ja unser Sprachempfinden, unsere Kultur täglich ...

Vor einigen Jahren habe ich mich mit Babelfish Translations von Altavista rum­ge­spielt und erlebte beim wiederholten Hin- und Herschieben ein hübsches Wunder der Verschlimmbaselung von idiomatischen Redewendungen, also von For­mu­lie­run­gen, die für die jeweiligen Sprache typisch sind.

Versuch aus dem Sommer 2005 (später hier veröffentlicht)

Du kommst wie gerufen, ich muss ein Regal aufbauen.
Tu viens comme appelé, moi dois une étagère développer.
... zehn Durchgänge später:
Du mich mußt dort ein Regal auf mehr Stadt der Konzepte auspacken.

In die andere Richtung (2005)

Tu tombes à pic, je dois monter une étagère.
Du Steilgräber muß ich ein Regal aufrichten.
... und fünf Durchgänge später:
Du mußt starr von den Gräbern mich ein Regal verbessern.

Und heute? Versuch vom 15.01.2010, also fast fünf Jahre später

Du kommst wie gerufen, ich muss ein Regal aufbauen.
Tu viens comme appelé, moi dois une étagère développer.
Du kommst als gerufen, mich muss ein Regal entwickeln.

Nach dem dritten Durchgang bleiben die Ergebnisse gleich.


In die andere Richtung (ebenfalls heute)

Tu tombes à pic, je dois monter une étagère.
Du Steilgräber muss ich ein Regal aufrichten.
Tu tombes raides dois redresser moi une étagère.
Du müssen steife Gräber mich korrigieren ein Regal.
Tu dois corriger des tombes rigides moi une étagère.
Du musst starre Gräber verbessern mich ein Regal.
Tu dois améliorer rigide des tombes moi une étagère.
Du musst starr von den Gräbern mich ein Regal verbessern.

Ergebnis: Die Übersetzung des Satzes aus dem Französischen entwickelt sich exakt genauso wie vor fünf Jahren. Beim ersten Beispielsatz sind die Veränderungen mi­ni­mal, der Unsinn bleibt bereits nach wenigen Durchläufen gleich. Entweder ha­ben Altavista und Co. ihr Wissen noch nicht auf das Gratisangebot "run­ter­ge­brochen" oder man ist tatsächlich dabei, Abermillionen von stehenden Redewendungen von Hand einzugeben. Eindeutige Verbesserung: Die Recht­schreib­re­form ist bei Ba­bel­fish angekommen, das ist große Klasse. Weiter so!

Unten ein ebenfalls aktuelles Beispiel, bei dem ich Wert auf eine etwas komplexe Satzstruktur gelegt habe.

Hinübersetzung (zum Vergrößern bitte Text anklicken)Und das Ergebnis des ersten Durchlaufs ist Ausgangstext für den zweiten:


P.S. (09/2013): Ich weiß, dass mein Blogeintrag auf Fachkonferenzen zitiert wurde. Daher bin ich nicht verwundert, als beim Test dieses Mal herauskommt, Tusch, Trommelwirbel und ...
Fast richtig! (In jeder Übertragung wird das Duzen zum Siezen.) Umso irritierter bin ich, dass die Beispielsätze nicht vollständig erfasst wurden: 

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