Einst, als ich im Radio als Nachwuchsjournalistin anfing, hab ich regelmäßig die Tonmeister gefragt, die unsere Beiträge schnitten, was sie gegen einen Ohrwurm machen, denn dieser Berufsstand kennt das auf seine Art auch. "Einen anderen Ohrwurm entgegensetzen!", war einmal die Antwort, und eine Tonmeisterin legte gleich die Tubes der 60er und 70er auf, die damals noch "Hits" hießen und als Schallplatten verfügbar waren.
Das klingt jetzt wie aus grauer Vorzeit, ist aber gerade mal 20 Jahre her - ich hatte das Glück, sehr jung schon als Praktikantin das Berufsleben kennenzulernen.
Ich setze heute auch andere Ohrwürmer entgegen, verbale Ohrwürmer zum Beispiel, indem ich im Internet BBC höre oder mir Vorlesungen zu spannenden Themen auf Englisch suche. Dank Lautsprechern kann ich mir den Ton ins Schlafzimmer holen und den Rechner dann auf eigenständiges Ausschalten programmieren.
Eine andere Möglichkeit: Starke Musik. Meine historischen Tubes sind Choräle des Mittelalters, die sind zwar sprachgebunden, aber historisches Französisch, fast noch Latein. Oder Chromatisches von Bach, gern Orgel, aber nicht nur. Hier gilt: Je schwieriger, desto besser. Ich habe dann das Gefühl, mein Gehirn weite sich innerlich aus und dort entstünden komplexe, dreidimensionale Räume, in die ich mich fallenlassen kann.
Im Sommer pflege ich dann noch meinen Balkon, im Winter gehe ich meinem Interesse für Design und Innenarchitektur nach - oder sortiere die Sommerfotos.
Grundsätzlich ist es wichtig zu akzeptieren, dass nach abendlichem Dolmetschen der Adrenalinspiegel noch so hoch ist, dass ich erst spät in der Nacht einschlafe und mir selbst einige Tage gönnen muss, um wieder in der mitteleuropäischen Zeitzone anzukommen. Bis dahin lebe ich mit Zeitverschiebung, im Jet lag durch die Arbeit, mit der inneren Ortszeit von Montevideo.
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Foto: Im Wörlitzer Park
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