Dienstag, 16. September 2025

Aufhängen, abhängen

Bon­jour, hel­lo & gu­ten Tag! Ich bin Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin Deutsch–Fran­zö­sisch (und mit Eng­lisch als Aus­gangs­spra­che) mit Sitz in Ber­lin. Seit fast zwei Jahr­zehn­ten sor­ge ich da­für, dass in­ter­na­tio­na­le Kon­fe­ren­zen, De­le­ga­tio­nen und Ge­sprä­che rei­bungs­los funk­tio­nie­ren und dass Sie die Spra­chen als Brü­cken er­le­ben! Da­bei be­trach­te ich auch im­mer das Werk­zeug: un­se­re Spra­che.

Der Übel­tä­ter im Bild
Heu­te bei ei­nem Mes­se­be­such zum The­ma Um­welt­tech­nik: Für die Ge­sprä­che in den lau­ten Hal­len, an Stän­den oder im Kon­fe­renz­be­reich ha­ben wir ein mo­bi­les Sys­tem da­bei, zwei Mi­kro­fo­ne und vie­le End­ge­rä­te, da­mit auch un­se­re Gast­ge­ber oder aus­län­di­schen Gäs­te Tech­nik nut­zen kön­nen. Auf Ka­nal 1 liegt wir Fran­zö­sisch, die (aus­ge­hen­de) Ar­beits­spra­che, auf Ka­nal 2 Deutsch, die Gast­land­spra­che. (Das hilft auch uns beim Ar­bei­ten.)

Ir­gend­wann ver­sagt das zwei­te Mi­kro die Ar­beit. Es bleibt dau­er­haft im Räus­per­mo­dus stec­ken, wir kön­nen es nicht mehr an­stel­len. Te­le­fo­nat mit dem Tech­nik­dienst­leis­ter: "Das Mi­kro­fon hat sich auf­ge­han­gen."

Mir tut's kurz im Ohr weh. Ich hät­te "auf­ge­hängt" ge­sagt. Doch diese Be­griffs­ver­wech­se­lung ist recht häu­fig zu hö­ren. Und mit "ab­­hän­gen" bzw. "ab­ge­han­gen/ab­ge­hängt" ist es ent­spre­chend. 

Ein Po­li­ti­ker im TV: Die Men­schen in die­ser Re­gi­on füh­len sich ab­ge­han­gen. Young­sters auf dem Weg zum Park am Han­dy: "... ei­gent­lich nichts, nur ein we­nig ab­ge­han­gen". Die be­tag­te Nach­ba­rin: "Ich kom­me rü­ber, so­bald ich die Wä­sche ab­ge­han­gen ha­be."

Drei Bei­spie­le für ein- und den­sel­ben Feh­ler, der in­zwi­schen der­art om­ni­prä­sent ist, den Po­li­ti­ker, der Nach­wuchs und die Omi aus dem Kiez glei­cher­ma­ßen ma­chen. Sie lie­gen al­le falsch. Denn das Par­ti­zip Per­fekt von "ab­hän­gen" ist ab­ge­hängt. Wir spre­chen von "ab­ge­häng­ten" so­zia­len Schich­ten und nicht von "ab­ge­han­ge­nen". (Mit dem Auf­hän­gen ver­hält es sich gleich).

Mei­ne Oma ca. 1970 beim Metz­ger: "Bit­te Rin­der­fleisch für ei­nen Sonn­tags­bra­ten, aber bit­te gut ab­ge­han­gen." Das war in Ord­nung. Hier geht es um hän­gend la­gern­des Fleisch, das bes­ser wird, wenn es nicht so­fort nach Schlach­tung ver­zehrt wird.

Es gibt bei die­sem Stan­dard­prob­lem mehr Feh­ler­mög­lich­kei­ten als Si­tua­tio­nen rich­ti­gen Ge­brauchs. Frei­tag saß ich im Zug, plötz­lich hieß es, der Zug wür­de "ab­ge­han­gen", ir­gend­wie war ein Zug­teil zu viel, wir muss­ten uns wo­an­ders Platz su­chen. Die Ah­nen­por­traits ha­ben wir ab­ge­hängt, ei­ne Re­stau­ra­to­rin hat sie ab­ge­holt, die nicht nur ei­ne gu­te Hand hat, son­dern auch per­fekt Deutsch spricht.

Muss ich ex­pli­zit sa­gen, dass ich bei fal­scher Ver­wen­dung von "ab­ge­han­gen" im­mer to­te Tie­re vor Au­gen ha­be? Das ist echt Be­rufs(ver)bil­dung, dé­for­ma­tion pro­fes­si­on­nel­le! Und Ihr Young­ster aus dem Park, für Euer fal­sches "Ab­ge­han­gen" gibt es ei­nen sooo schö­nen Ang­li­zis­mus: War­um sagt ihr nicht ge­chillt?

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Fo­to: C.E.

1 Kommentar:

Hans Christian von Steuber hat gesagt…

Fast so schön wie ein schlecht benommenes Kind. Da fragt man sich dann auch, ob es zu wenig gechillt ist ;-)