Dienstag, 30. September 2025

Hieronymustag (1)

Bon­jour, hello und gu­ten Tag! Ich bin Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin Deutsch ⇔ Fran­zö­sisch (und aus dem Eng­lischen) mit fast zwei Jahr­zehn­ten Er­fah­rung bei Kon­fe­ren­zen und Dreh­ar­bei­ten sowie auf De­le­ga­tions­rei­sen. Sie lesen hier in meinem digitalen Arbeitstagebuch.

Der Auslöser meiner Gedichträtsel
Heu­te ist der Hie­ro­ny­mus­tag, der Tag der Über­set­ze­rin­nen und Dol­met­scher, der Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­zer. Es ist unser Tag! Prompt geht der Gaul mit mir durch, naja, ein we­nig. Hier, wie ich mei­ne bei­den Be­ru­fe auch de­fi­nie­ren könn­te. Ei­ne wei­te­re Hil­fe: sie­he die Un­ter­zeile mei­nes Blog­ti­tels.


Segeln im Wörtermeer

Ich sen­de Schif­fe durch die Luft,
Aus frem­den Wör­tern, Ton und Duft.
Der Him­mel stürmt, der Him­mel lacht,
Ich hal­te Kurs, ich ge­be Acht.
Die Stim­mung steigt, die Stim­mung fällt,
Mit Kraft vor­aus, die Stim­me hält.

Im stil­len Räum­chen webt die Hand,
Nutzt Stift und Tas­te mit Ver­stand.
Das Schiff­chen zieht im Web­stuhl fort,
von Zei­l' zu Zei­l', von Wort zu Wort.
Die Ket­te hält, der Schuss ist eben,
Dem Text wünsch’ ich ein lan­ges Le­ben.

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Il­lus­tra­tion: Kindergarten Heidelberg

Montag, 29. September 2025

Montagsschreibtisch (109)

Aus dem Be­rufs­le­ben von Dol­met­sche­rin­nen be­rich­te ich auf die­sen Sei­ten, auch, was Über­set­zer so ma­chen (und na­tür­lich das je­weils an­de­re Ge­schlecht). Hier schreibt ei­ne Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin mit Mut­ter­sprache Deutsch (und den Ar­beits­spra­chen Fran­zö­sisch und Eng­lisch). Die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt ins Eng­li­sche.

So sieht die KI mei­nen Ar­beits­platz
Vor dem Ein­satz ste­hen Kos­ten­an­ge­bo­te und Ler­nen. Die Or­ga­ni­sa­tions­ar­beit ist der­zeit über­pro­por­tio­nal hoch.

Auf dem Schreibtisch diese Wo­che:
⊗ Lek­to­rat ei­ner Dreh­buch­über­set­zung
⊗ Ver­mitt­lung zwei­er Dol­metsch­ein­sät­ze
⊗ Dol­met­schen in der Bil­dungs­ar­beit
⊗ Fünf Kos­ten­vor­an­schlä­ge



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Il­lus­tra­tion: Dal­l:e

Sonntag, 28. September 2025

Achtung, Baustelle!

Gu­ten Tag! Als Dol­met­sche­rin für Deutsch, Fran­zö­sisch (und mit Eng­lisch als Aus­gangs­spra­che) ver­bin­de ich Sprach­kul­tu­ren und Men­schen. Hier im Blog er­fah­ren Sie mehr über mei­ne Ar­beit bei Kon­fe­ren­zen, in der Po­li­tik und in der Kul­tur. Sonn­tags wer­de ich pri­vat.

Heu­te folgt ei­ne klei­ne Sonn­tags­ein­las­sung. Cela n'en­gage que moi, heißt es auf Fran­zö­sisch, das ist mei­ne pri­va­te Mei­nung. Ich weiß aber, dass sie von im­mer mehr Men­schen ge­teilt wird, die mit ei­ner spi­ri­tu­el­len oder re­li­giö­sen Grund­ein­stel­lung un­ter­wegs sind.

Street Art: eine Maus und ein Fingerabdruck liegen einander in den Armen und tanzen Blues
Gesehen in Berlin-Neukölln
Wenn ich se­he, wie hoch die rechts­extre­men Par­tei­en in Mei­nungs­um­fra­gen "ab­sa­nhnen", wird mir ganz blü­me­rant (*). Da sind ei­ner­seits die wirk­lich Über­zeug­ten, wo die Mei­nung von Groß­va­ter auf Mut­ter auf Kind über­ging, auf Fran­zösisch würden wir de père en fils sagen, modernisiert de père en fille. Ge­ra­de auf dem Ter­ri­to­ri­um der frü­he­ren DDR hat sich vie­les ge­hal­ten aus ei­nem tief­lie­gen­den Trotz ge­gen die oft über­grif­fi­ge Re­gie­rungen her­aus, die ver­sucht haben, die Ge­mü­ter auch mit Grund­über­zeu­gun­gen zu be­sie­deln, die als "wis­sen­schaft­lich" pos­tu­liert wur­den.
Aus die­ser Ver­gif­tung speist sich bis heu­te in ei­nem Teil der Ge­sell­schaft die Ab­leh­nung von Wis­sen­schaft, so ab­surd das klingt.

Kei­ner von die­sen Men­schen zwei­felt ernst­lich die Schwer­kraft an oder For­schungs­er­geb­nis­se, die ih­nen Com­pu­ter, In­ter­net oder Mo­bil­te­le­fo­ne ge­bracht ha­ben. Aber "plötz­lich" ge­gen Imp­fun­gen sein, die For­schung in­fra­ge stel­len, die ana­ly­siert hat, wie der Raub­bau an den Res­sour­cen und die Um­welt­ver­schmut­zung un­ser Kli­ma und jeg­li­che Di­ver­si­tät in Flo­ra und Fau­na an­grei­fen, das ist eben­so un­lo­gisch wie in­kon­se­quent!

Das Gros die­ser Leu­te scheint mir indes „nur“ ir­ra­tio­nal und un­ge­bil­det zu sein. (Die Lea­der sind es meis­tens nicht; vie­le sind hoch­ge­bil­det und schla­gen aus der Volks­ver­füh­rung Macht und Ka­pi­tal.)

Auch im Wes­ten des Lan­des hat diese „Par­tei“ im­mer mehr Zu­lauf, da­run­ter ne­ben den Be­nach­tei­lig­ten vor al­lem je­ne, die Angst ha­ben, ih­re Mit­tel­klas­se­vor­tei­le zu ver­lie­ren.

Das wiegt an­ge­sichts der vie­len Bau­stel­len, die die­ses Land hat, schwer: Ex­plo­si­on der Prei­se für Woh­nen (vor al­lem Mie­ten. Ei­gen­tum lässt sich nicht mehr oh­ne ein Er­be er­wer­ben, Mo­der­ni­sie­rung hat sich eben­falls über­pro­por­tio­nal ver­teu­ert), Le­bens­hal­tungs­kos­ten (Energie, Le­bens­mit­tel, Fern­ver­kehr), Le­bens­hal­tung im Al­ter, vor al­lem Pfle­ge­kos­ten, Büro­kra­tie­auf­wuchs, Sta­gna­ti­on der Mo­der­ni­sie­rung der Bil­dungs­kon­zep­te bei gleich­zei­ti­gem Ver­fall der Ge­bäu­de, oft mit blo­ßem Au­ge er­kenn­ba­res Zer­brö­seln der öf­fent­li­chen In­fra­struk­tur, ich nen­ne stell­ver­tre­tend nur die Bahn, Sta­gna­ti­on der De­mo­kra­tie, die längst an­ge­passt wer­den müss­te, Rück­stand im Be­reich Di­gi­ta­li­sie­rung, was mit der Glas­fa­ser los­geht, die vie­le Ge­gen­den bis heu­te nicht er­reicht, Ener­gie, Mikroplastik in Böden, Luft, Wasser, Nicht-Nach­hal­tig­keit der in­dus­triel­len Land­wirt­schaft (Raub­bau an den Bö­den), zu­neh­men­de Kon­zen­tra­ti­on von Fir­men in den Hän­den we­ni­ger, wach­sen­de Un­gleich­ver­tei­lung des Volks­ver­mö­gens ... (Lis­te un­voll­stän­dig).

Und dann gibt es noch ei­nen As­pekt, der mich un­ver­än­dert ir­ri­tiert. Wir er­le­ben seit Jah­ren, dass die Po­li­tik der "kon­ser­va­ti­ven" Par­tei­en mas­siv da­zu bei­trägt, un­se­re Le­bens­grund­la­gen zu zer­stö­ren. Ich ha­be hier wie­der­holt dar­über ge­schrie­ben. Mit Le­bens­grund­la­gen mei­ne ich un­seren schö­nen Hei­mat­pla­ne­ten und, in der Spra­che der Kir­che, sämt­li­che Mit­ge­schöp­fe, von Pflan­zen über den Springs­chwanz und der As­sel im Kom­post­hau­fen bis hin zum Ele­fan­ten und Eis­bä­ren in für uns ent­le­ge­nen Re­gio­nen und so vie­len an­de­ren Wun­dern, de­ren Teil wir sein dür­fen.

Das Wort „kon­ser­va­tiv“ reimt sich oft mit „christ­lich“, was his­to­risch ge­wach­sen ist.

Fast die Hälf­te der Be­völ­ke­rung in der EU be­zeich­net sich selbst als be­ken­nend christ­lich (ka­tho­lisch oder pro­tes­tan­tisch). Mi­nis­ter und Re­gie­rungs­chefs hal­ten nicht sel­ten die Hand auf die Bi­bel, wenn sie ver­ei­digt wer­den, und sa­gen et­was in der Art wie „So wahr mir Gott hel­fe!“ ... Wie konn­te es so weit kom­men, dass sich Par­tei­en mit ei­nem christ­li­chen Selbst­ver­ständ­nis so weit ent­fernt ha­ben von Grund­fes­ten die­ses Glau­bens, als da wä­ren Nächs­ten- und Frem­den­lie­be, Für­sor­ge, So­li­da­ri­tät und Ver­söh­nung?

Wo fin­den sich die­se Wer­te der­zeit in der So­zi­al­po­li­tik, in den Be­rei­chen Mi­gra­ti­on und Asyl wie­der? In Sonn­tags­re­den ist viel vom Schutz der Fa­mi­lie und der Frei­heit, von Re­spekt und Ver­ant­wor­tung für an­de­re die Re­de.

Al­lein: In der Po­li­tik se­he ich das nicht. Wie wä­re es mal, wenn die ech­ten Chris­tin­nen und Chris­ten bei ih­ren Ver­tre­ter:in­nen stär­ker das ein­for­dern wür­den, was ih­ren Glau­ben zen­tral aus­zeich­net?

Das wür­de na­tür­lich auch be­deu­ten, auf die „Aus­ge­mus­ter­ten“ zu­zu­ge­hen (was Zeit und Geld kos­tet)! Kon­se­quen­tes de­mo­kra­ti­sches Han­deln, von den Has­sern, Lü­gen­ba­ro­nin­nen und Ein­peit­schern den Wind aus den Se­geln neh­men.

Das war’s, mein heu­ti­ges Wort zum Sonn­tag!

(*) blü­me­rant, kommt von bleu mourant, wört­lich „ster­ben­des Blau“, al­so blass­blaue Far­be wie das Ge­sicht von Men­schen, die kurz da­vor sind, in Ohn­macht zu fal­len. Um­gangs­sprach­lich be­deu­tet der Aus­druck, dass es ei­nem schwin­de­lig oder spei­übel ist.

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Foto: C.E.

Freitag, 26. September 2025

Keine Pointe (2)

Seit fast zwei Jahr­zehn­ten bin ich Si­mul­tan­dol­met­sche­rin für Deutsch, Fran­zö­sisch und aus dem Eng­li­schen tä­tig. Ob auf Kon­fe­ren­zen, bei De­le­ga­tions­rei­sen oder in Work­shops – ich sor­ge da­für, dass Spra­che so an­kommt, wie sie ge­meint ist. Die­se Prä­zi­sion und Er­fah­rung le­sen Sie auch hier im Blog.

Nicht mein Stil, aber trotzdem elegant
Eine Kun­din und ihr Mann möch­ten mich als Dol­met­sche­rin für ei­nen Gang zum No­tar bu­chen. Es geht um den Kauf ei­ner Ei­gen­tums­woh­nung. Da die Kun­din Fran­zö­sin ist, werde ich als Dol­met­sche­rin für den No­tar­ter­min ge­braucht.

Der Ter­min passt. Ich er­hal­te auch recht­zei­tig Ein­blick in den Ent­wurf des 14-sei­ti­gen Kauf­ver­trags, zu dem ein zwei­tes ähn­lich lan­ges Do­ku­ment hin­zu­kom­men wird, denn aus di­ver­sen Grün­den fällt die Grund­schuld­be­stel­lung et­was üp­pi­ger als üb­lich aus.

Und ob­wohl das Haus fast neu ist, hat die Ei­gen­tü­mer­ver­samm­lung des Hau­ses, in das sich die bei­den ein­kau­fen, be­reits et­li­che Pro­ble­me mit­ei­nan­der ge­habt, wes­halb es auch hier­zu noch ei­ni­ge län­ge­re Do­ku­men­te gibt.

Die Grö­ße der Woh­nung steht nicht im Ent­wurf. In Woh­nungs­kauf­ver­trä­gen wer­den nur pro­por­tio­na­le An­tei­le der Lie­gen­schaft er­wähnt, die auf Woh­nung, Kel­ler­raum und, in die­sem Fall, Tief­ga­ra­gen­platz ent­fal­len. Ich ha­be zu we­nig Wör­ter­pro­ble­me zu lö­sen, um mir das auch noch aus­zu­rech­nen. Au­ßer­dem fehlt der Kauf­preis. Der Ent­wurf wird kurz vor Ter­min an­ge­passt.

Ins­ge­samt sind wir bei 34 Ver­trags­sei­ten, die ein­ge­hend vor­be­rei­tet wer­den wol­len. (Ge­wis­sen­haft sind das mit Vor­er­fah­rung und ei­ner aus­führ­li­chen Lex­ik zehn, zwölf Stun­den, da auch et­li­che Bau­be­schrei­bun­gen im Text ent­hal­ten sind, die ver­mut­lich ei­ni­ges an Re­cher­che nö­tig ma­chen.)

Wir ver­han­deln ei­nen Preis für mei­ne Dienst­leis­tung. Es geht ei­ni­ge Ma­le hin und her, denn den Kun­den scheint mei­ne Dienst­leis­tung zu teu­er zu sein. Die letz­te Ver­hand­lungs­stu­fe er­folgt in 25-Eu­ro-Schrit­ten.

We­nig spä­ter, wir ha­ben uns ge­ei­nigt, ploppt die fer­ti­ge Ver­trags­fas­sung in mei­nen elek­tro­ni­schen Brief­kas­ten: Die Hüt­te, um die es geht, ist ei­ne Pent­house­woh­nung, als Du­plex an­ge­legt, zu der au­ßer­dem noch ei­ne se­pa­ra­te Gäs­te­woh­nung ge­hört. Die Lie­gen­schaft ist mehr als 200 Qua­drat­me­ter und soll über 2,5 Mil­lio­nen Eu­ro wert sein.

Kei­ne Poin­te.

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Il­lust­ra­tion: pixlr.com (Zu­falls­fund)

Donnerstag, 25. September 2025

Beim Warten

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin für Deutsch, Fran­zö­sisch und Eng­lisch ar­bei­te ich dort, wo kla­re Kom­mu­ni­ka­ti­on über Er­folg ent­schei­det: bei in­ter­na­ti­o­na­len Kon­fe­ren­zen, in der Po­li­tik und bei Dreh­ar­bei­ten. Hier im Blog gibt’s den Blick hin­ter die Ku­lis­sen.

Gleich kommt ein Pres­se­team, wir be­rei­ten In­ter­views zum The­ma Kli­ma vor, die ich dol­met­schen werde. Ich warte. Die Kaf­fee­ta­fel ist ge­deckt, in ih­rer Mit­te steht der Ku­chen aus rei­fen Bio­ba­na­nen, auf der Dienst­rei­se am Stra­ßen­rand ge­fun­de­nen Fall­äpfeln, selbst ge­mix­ter Dat­tel­creme und ge­mah­le­nen Wal­nüs­sen- Ki­cher­erb­sen­mehl und Voll­korn­grieß run­den das ve­ga­ne Re­zept ab. Wie­der so ein gro­ßer Ku­chen! Den Rest wer­de ich ei­ner Nach­ba­rin brin­gen, die ges­tern Abend, als ich nach­hau­se ge­kom­men bin, im Flur so be­drückt aus­ge­sehen hat.

Tassen, Teller, Servietten, Kuchen, Blumen
Schön ge­deck­te Kaf­fee­ta­fel
Ihr Sohn ist Tee­nager. Eben hat er in der Schule das The­ma Kli­ma­ka­tas­tro­phe durch­ge­nom­men. Er ist tief nie­der­ge­schla­gen. Mein Patenz­­ieh­sohn trägt die­selbe Schwe­re. Die klei­nen Fräu­leins, was mei­ne Nich­ten sind, drei und sechs Jah­re alt, sprin­gen noch un­be­schwert auf dem Gart­en­tram­polin und wis­sen nichts von den Zah­len, auf die sich un­se­re Welt zu­be­wegt.
Am Mor­gen ha­be ich die neue Stu­die des Pots­dam-In­sti­tut für Kli­ma­fol­gen­for­schung ge­le­sen, die bis zum Jahr 2050 mehr als drei Grad Erd­er­wär­mung pro­gno­sti­ziert.

Drei Grad ge­gen­über dem vor­in­dus­tri­el­len Ni­veau! Lan­ge wur­de diese Zahl erst für das Jahr 2100 ge­schätzt (oder für ir­gend­ei­ne an­de­re un­schar­fe Zu­kunft).

Da­bei wis­sen wir, dass die Luft pro zu­sät­z­li­chem Grad rund sie­ben Pro­zent mehr Was­ser auf­neh­men kann. Das be­deu­tet mehr Ver­duns­tung, der schwä­cheln­de Golf­strom, ein an­derer Aspekt der Pro­blem­la­ge, führt zu lang an­hal­ten­den Wet­ter­la­gen, zu län­ge­ren Dürre­pe­ri­oden, bis sie von Ex­trem­wet­ter­la­gen mit zu viel Re­gen in kur­zen Pha­sen un­ter­bro­chen wer­den. In Deutsch­land könnte der Jah­res­durch­schnitt um 3,4 bis 4,7 °C an­stei­gen, ita­lie­nisches Wet­ter al­so.

Was heißt das kon­kret? Böden trock­nen aus, dann rei­ßen Ge­wit­ter Lö­cher in die Land­schaft, wert­voller Hu­mus wird von Äc­kern in die Flüs­se ge­spült. Trink- und Nutz­was­ser wird knap­per, für Men­schen, Land­wirt­schaft und In­dus­trie; Tur­binen, Lauf­kraft­wer­ke, Kühl­ung wer­den zum Pro­blem. Flüsse fal­len tro­cken, nach­dem die Ba­lan­ce ihrer Öko­sys­teme schon län­ger be­droht wa­ren.

Die Ern­ten schrump­fen, denn vie­le eu­ro­päi­sche Kul­tur­pflan­zen er­tra­gen, an­ders als Reis, kein ste­hen­des Was­ser. Es wird al­so zu tief­grei­fen­den Än­de­rung­en in der Land­wirt­schaft kom­men müs­sen, ne­ben den Er­trags­ver­lus­ten ste­hen Mehr­aus­ga­ben für an­ge­pass­te Sys­teme, die Prei­se stei­gen. Die in­du­stri­elle Land­wirt­schaft greift be­reits heu­te öf­ter auf schwin­den­de Grund­was­ser­re­ser­ven zu­rück; je tie­fer ihr Spie­gel fällt, desto mehr Bäu­me ge­ra­ten in Not.

Das Tem­po des Wan­dels macht den Un­ter­schied. Flo­ra und Fau­na kom­men bei dem Tem­po nicht mit. Wan­der­we­ge für Tie­re und Pflan­zen sind blo­ckiert, die Ur­ba­ni­sie­rung bremst die bio­lo­gi­sche Migra­ti­on aus. Ar­ten­ster­ben be­schleu­nigt sich.

Glei­ch­zei­tig wan­dern in­va­sive, tro­pi­sche In­sek­ten nach Nor­den, oft oh­ne ihre na­tür­lichen Fressfei­nde. Sie brin­gen neue Krank­heits­ri­siken oder ver­brei­ten Be­kann­tes in neu­en Kon­tex­ten. Ein Auf­enthalt „im Grü­nen“ kann plötz­lich an­ders wahr­ge­nom­men wer­den: nicht mehr als Zu­flucht, son­dern als Ri­siko. Eine pas­to­rale Sze­ne wie „Früh­stück auf dem Lan­de“ droht in ein dys­to­pi­sches Zerr­bild zu kippen. Die Idyll­e fehlt die Si­cher­heit, die sie einst ver­sprach, die Na­tur als Ru­he­pol wird be­droh­lich wahr­ge­nom­men wer­den, der Stress der Men­schen steigt, Herz- und Kreis­lauf­er­kran­kun­gen neh­men zu.

Die For­scherin­nen und For­scher sa­gen klar, was hilft: Emis­sio­nen ra­di­kal sen­ken, na­tür­liche Sen­ken wie Wäl­der und Moo­re wie­der­her­stel­len, Raum­pla­nung neu den­ken, z. B. Rück­zug aus tie­fer­le­genden Küsten­re­gio­nen, Äcker ver­klei­nern, Blüh­strei­fen oder „Knicks“ aus Hecken und Bäu­men ein­bau­en, auf Agro­forst­wirt­schaft und Per­ma­kultur set­zen, die Städ­te durch Schwamm­stadt­kon­zepte er­tücht­igen, den Über­kon­sum ein­schrän­ken, Ver­keh­re auf die Schiene ver­la­gern, Ge­bäu­de er­tüch­ti­gen, lo­ka­le und re­gio­nale Ener­gie- und Le­bens­mit­tel­pro­duk­tion för­dern. Es gibt vie­le An­sätze.

Doch ist der­zeit in der Po­li­tik kein Plan er­kenn­bar. Oran­ge Face hat erst die­se W­oche die wis­sen­schaft­lichen Er­kennt­nis­se zur Kli­ma­ka­tas­trophe als „größ­ten Be­trug al­ler Zei­ten“ ver­leum­det. (Mit Na­tur­ge­set­zen ver­han­delt nie­mand, nicht ein­mal „Ih­ro ge­schwätz­ige Selbst­über­schät­zig­keit“.)

Die Mensch­heit muss jetzt mög­lichst ge­mein­sam die Kon­se­quen­zen zie­hen, son­st wer­den die Prog­no­sen zu er­leb­tem Ver­lust. Es gibt Aus­wege, vie­le, wir müs­sen nur end­lich wei­ter­ma­chen mit dem An­fang.

Ich sa­ge das der Nach­ba­rin, dem Tee­nager, mei­nem Zieh­sohn. Die Fräu­leins möch­te ich ge­rne in ei­ne Zu­kunft be­glei­ten, in der eine wis­sen­schaft­lich fun­dier­te Po­li­tik und die Na­tur nicht als Ri­si­ko dargestellt wer­den. Die Angst darf blei­ben, so­fern sie uns ak­ti­viert. Sonst ge­winnt die Be­fürch­tung, dass länd­liche Sze­nen künf­tig als ein Alb­traum in­ter­pre­tiert wer­den.

Vo­kabelliste
Kipp­punkt — point de bas­cu­le­ment — tip­ping point
Po­sit­ive Rück­kop­plung(sschlei­fe) — ré­ac­tion po­si­tive, cer­cle ver­tu­eux — po­si­ti­ve feed­back
Koh­len­stoff­sen­ke — puits de car­bone — carbon sink
Ther­mohal­ine Zir­ku­la­tion — cir­cu­la­tion ther­mo-ha­line — ther­mo­ha­line cir­cu­la­tion
Tau­en von Per­ma­frost­ — dé­gel du per­géli­sol — per­ma­frost thaw

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Foto: Bild­ar­chiv Elias Los­sow

Montag, 22. September 2025

Montagsschreibtisch (108)

Wie Sprach­pro­fis ar­bei­ten, ist im neun­zehn­ten Jahr Ge­gen­stand die­ses Web­logs. Mei­ne Mut­ter­spra­che ist Deutsch, ich ar­bei­te meistens als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Sehr häu­fig be­glei­te ich De­le­ga­tions­rei­sen. Hier folgt der Wo­chen­über­blick.

Goethes Arbeitszimmer in Weimar
Die Mutter aller Arbeitsstuben!
Es ist Mon­tag, noch ist es in Ber­lin som­mer­lich warm, in Süd­deutsch­land sei schon der Herbst zu spü­ren, so mei­ne gro­ße Nich­te, pas­send zum ers­ten Herbst­tag. Was eben­falls ein­deu­tig ist: Die Herbst­sai­son im Kon­fe­renz- und in­ter­na­tio­na­len Aus­tausch­be­trieb hat be­gon­nen.
Nach ei­nem ful­mi­nan­ten Auf­takt schleppt es sich wie­der. So ist die La­ge das gan­ze Jahr schon.

Was steht diese Woche an?

⊗ Bei­ne hoch und run­ter­kom­men (denn die letz­te Wo­che war an­stren­gend)
⊗ Nach­be­rei­tung der letz­ten Ter­mi­ne
⊗ Ak­tu­el­le po­li­ti­sche La­ge (für Me­dien)
⊗ Kor­rek­to­rat: Spiel­fil­mex­po­sé
⊗ Kos­ten­vor­an­schlä­ge
⊗ Fes­ti­val­vor­be­rei­tung, lang­fris­tig, weil im­mer plötz­lich Au­ßen­ter­mine an­steh­en kön­nen

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Fo­to: C.E.

Freitag, 19. September 2025

Anstrengender Alltag

Her­zlich will­kom­men! Als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin für Deutsch und Fran­zö­sisch (so­wie aus dem Eng­li­schen) ar­bei­te ich in­ter­na­tio­nal. Ich be­rich­te von Kon­fe­ren­zen, De­le­ga­tio­nen und Ge­sprä­chen, bei de­nen Spra­che mehr ist als nur Mit­tel zum Zweck. Manch­mal sit­ze ich auch län­ger am Schreib­tisch. Je nach The­ma ist da­bei mo­men­ta­ne Ein­sam­keit gar nicht gut.

Klavier, Tisch (angeschnitten), Lampen, Bilder, alles sehr unscharf auf einer sehr alten Fotografie
Mu­sik­zim­mer (um 1900)
Neu­lich ha­be ich al­te Lis­ten über­setzt, Woh­nungs­in­ven­ta­re, wie sie von den Na­zis er­stellt wur­den im Zu­ge der Ent­rech­tung, Ver­schlep­pung und in­dus­tri­el­len Er­mor­dung von Men­schen, die ih­nen nicht ge­passt ha­ben, von An­ders­den­ken­den und -glau­ben­den. Es war grau­en­voll. Der Ein­satz war un­ab­hän­gig von mei­ner Rei­se nach Wei­mar vor ei­ner Wo­che, hat mir aber er­neut auf­ge­zeigt, wo­hin to­ta­li­tä­re Sys­te­me stre­ben.

Die USA sind in­zwi­schen ein to­ta­li­tä­rer Staat, ob die Mid­term-Wah­len über­haupt statt­fin­den wer­den, steht in den Ster­nen. Rei­sen dort­hin sind, wenn mög­lich, zu ver­schie­ben.

Dort dür­fen in­zwi­schen auch un­ge­straft Men­schen im TV vor­schla­gen, Leu­te, die auf der Stra­ße le­ben, die nicht ar­bei­ten wol­len, die krank sind und Hil­fe ab­leh­nen, mit der Gift­sprit­ze zu er­mor­den. Es ist die lo­gi­sche Kon­se­quenz aus dem Ul­tra­li­be­ra­lis­mus und der Ma­xi­mal­ver­wer­tung von al­lem und je­dem: Der Ge­dan­ke, „un­nüt­ze Mäu­ler“ müs­sten künf­tig nicht mehr ge­füt­tert wer­den. Ein Grund­recht auf Woh­nen ha­ben sie schon jetzt nicht.

Es ist hohe Zeit, dass wir den Auf­trag des Grund­ge­set­zes ernst­neh­men und auf die ex­tre­mis­ti­schen Aus­wüch­se der Po­li­tik ei­ne Ant­wort fin­den.

Die Er­mor­dung von Char­lie Kirk ist tra­gisch: Ei­ne Frau ver­liert ih­ren Mann, Kin­der ver­lie­ren den Va­ter. Doch zu­gleich war sein Tod der An­lass, die po­li­ti­sche La­ge in den USA wei­ter zu ver­gif­ten.

In den Me­dien wur­de Char­lie Kirk jah­re­lang (und diese Wochen auch in Deutschland) ein "kon­ser­va­ti­ver Ak­ti­vist" ge­nannt. Doch sei­ne Rhe­to­rik reich­te weit da­rü­ber hin­aus: Er be­trieb ge­ziel­te Het­ze ge­gen Min­der­hei­ten, schür­te Miss­trau­en ge­gen de­mo­kra­ti­sche In­sti­tu­tio­nen und ver­brei­te­te Ver­schwö­rungs­er­zäh­lun­gen. Wer das nüch­tern ana­ly­siert, er­kennt: Er war kein Ak­ti­vist, son­dern ein po­li­ti­scher Agi­ta­tor, des­sen Auf­trit­te sys­te­ma­tisch Hass und Spal­tung be­feu­ert ha­ben.

Seit dem Tag des At­ten­tats wird er von Pre­di­gern und Kul­tur­kämp­fern in­stru­men­ta­li­siert und zum „Mär­ty­rer“ sti­li­siert. Mein Herz ver­krampft sich, wenn ich dar­an den­ke, dass es in Eu­ro­pa Ver­tre­ter:in­nen von Volks­par­tei­en gibt, die in die­sel­be Ker­be schla­gen.

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Foto: Pri­vat­ar­chiv Elias Los­sow

Donnerstag, 18. September 2025

Einander zuprotzen

Hel­lo! Ich bin Dol­met­sche­rin Deutsch–Fran­zö­sisch und mit Eng­lisch als Aus­gangs­spra­che. Mei­ne Ar­beit bringt mich in an­de­re Städ­te und Län­der, zu Kon­fe­ren­zen, Kul­tur­events und De­le­ga­tio­nen. In mei­nem Blog le­sen Sie von den klei­nen und gro­ßen Mo­men­ten, die Sprach­ar­beit so span­nend ma­chen. Manch­mal schöp­fe auch ich nur in den News. Bin ich froh, dass ich so sel­ten Eng­lisch dol­met­sche!

Wort des Ta­ges: "ein­an­der zu­prot­zen" (statt zu­pros­ten).

Was sich liest wie ein Tipp­feh­ler, ist ei­ne Zu­stands­be­schrei­bung. Ana­log zum GRÖ­FAZ (*): Der größ­te Prä­si­dent in un­se­rem Bund der Staa­ten ist beim bri­ti­schen Kö­nigs­haus zu Gast. Die in­ter­na­tio­na­le Di­plo­ma­tie hat mit­ge­schnit­ten, dass dem Mäch­tigs­ten der ein­st­mals west­li­chen Welt kräf­tig Ho­nig ums Maul ge­schmiert wer­den muss, um ihn bei Lau­ne zu hal­ten.

Als Hym­ne am ro­ten Tep­pich spielt ei­ne Ka­pel­le auf und bringt als Be­grü­ßung die Er­ken­nungs­me­lo­die von Darth Va­der zu Ge­hör. Der über­see­i­sche Gast und sei­ne wer­te Frau Ge­mah­lin, die be­rühm­tes­te il­le­gal ein­ge­wan­der­te Gast­ar­bei­te­rin des Lan­des, hal­ten dies für ei­ne Na­tio­nal­hym­ne, le­gen die Hän­de auf die Her­zen und be­kom­men feuch­te Au­gen.

Sehr bri­tisch, der Hu­mor. Ich muss an Queen E­li­za­beth den­ken, die Pad­ding­ton Bear zu Gast hat­te. Un­ten der et­was fei­ne­re Scha­ber­nack zur Er­in­ne­rung.

Abends hat man sich dann an der längs­ten Ta­fel nörd­lich Eu­ro­pas stil­echt zu­ge­protzt.


          Ma’am­a­la­de sand­wich Your Ma­jes­ty?

Und nein, ich ma­che mich nor­ma­ler­wei­se NIE über wich­ti­ge Per­so­nen lus­tig. An­de­re be­deu­ten­de Per­sön­lich­kei­ten ma­chen das auch nicht, nur dann, wenn es un­ter (emo­tio­na­ler) "Not­wehr" zu ver­bu­chen ist.

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Film: You­Tube / "The Roy­al Fa­mi­ly"
(*)GröFaZ: Größ­ter Füh­rer al­ler Zei­ten.
Der "Füh­rer" wird (fast) wie la fu­reur
aus­ge­spro­chen = Wut, Ra­se­rei. Tou­ché !

Dienstag, 16. September 2025

Aufhängen, abhängen

Bon­jour, hel­lo & gu­ten Tag! Ich bin Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin Deutsch–Fran­zö­sisch (und mit Eng­lisch als Aus­gangs­spra­che) mit Sitz in Ber­lin. Seit fast zwei Jahr­zehn­ten sor­ge ich da­für, dass in­ter­na­tio­na­le Kon­fe­ren­zen, De­le­ga­tio­nen und Ge­sprä­che rei­bungs­los funk­tio­nie­ren und dass Sie die Spra­chen als Brü­cken er­le­ben! Da­bei be­trach­te ich auch im­mer das Werk­zeug: un­se­re Spra­che.

Der Übel­tä­ter im Bild
Heu­te bei ei­nem Mes­se­be­such zum The­ma Um­welt­tech­nik: Für die Ge­sprä­che in den lau­ten Hal­len, an Stän­den oder im Kon­fe­renz­be­reich ha­ben wir ein mo­bi­les Sys­tem da­bei, zwei Mi­kro­fo­ne und vie­le End­ge­rä­te, da­mit auch un­se­re Gast­ge­ber oder aus­län­di­schen Gäs­te Tech­nik nut­zen kön­nen. Auf Ka­nal 1 liegt wir Fran­zö­sisch, die (aus­ge­hen­de) Ar­beits­spra­che, auf Ka­nal 2 Deutsch, die Gast­land­spra­che. (Das hilft auch uns beim Ar­bei­ten.)

Ir­gend­wann ver­sagt das zwei­te Mi­kro die Ar­beit. Es bleibt dau­er­haft im Räus­per­mo­dus stec­ken, wir kön­nen es nicht mehr an­stel­len. Te­le­fo­nat mit dem Tech­nik­dienst­leis­ter: "Das Mi­kro­fon hat sich auf­ge­han­gen."

Mir tut's kurz im Ohr weh. Ich hät­te "auf­ge­hängt" ge­sagt. Doch diese Be­griffs­ver­wech­se­lung ist recht häu­fig zu hö­ren. Und mit "ab­­hän­gen" bzw. "ab­ge­han­gen/ab­ge­hängt" ist es ent­spre­chend. 

Ein Po­li­ti­ker im TV: Die Men­schen in die­ser Re­gi­on füh­len sich ab­ge­han­gen. Young­sters auf dem Weg zum Park am Han­dy: "... ei­gent­lich nichts, nur ein we­nig ab­ge­han­gen". Die be­tag­te Nach­ba­rin: "Ich kom­me rü­ber, so­bald ich die Wä­sche ab­ge­han­gen ha­be."

Drei Bei­spie­le für ein- und den­sel­ben Feh­ler, der in­zwi­schen der­art om­ni­prä­sent ist, den Po­li­ti­ker, der Nach­wuchs und die Omi aus dem Kiez glei­cher­ma­ßen ma­chen. Sie lie­gen al­le falsch. Denn das Par­ti­zip Per­fekt von "ab­hän­gen" ist ab­ge­hängt. Wir spre­chen von "ab­ge­häng­ten" so­zia­len Schich­ten und nicht von "ab­ge­han­ge­nen". (Mit dem Auf­hän­gen ver­hält es sich gleich).

Mei­ne Oma ca. 1970 beim Metz­ger: "Bit­te Rin­der­fleisch für ei­nen Sonn­tags­bra­ten, aber bit­te gut ab­ge­han­gen." Das war in Ord­nung. Hier geht es um hän­gend la­gern­des Fleisch, das bes­ser wird, wenn es nicht so­fort nach Schlach­tung ver­zehrt wird.

Es gibt bei die­sem Stan­dard­prob­lem mehr Feh­ler­mög­lich­kei­ten als Si­tua­tio­nen rich­ti­gen Ge­brauchs. Frei­tag saß ich im Zug, plötz­lich hieß es, der Zug wür­de "ab­ge­han­gen", ir­gend­wie war ein Zug­teil zu viel, wir muss­ten uns wo­an­ders Platz su­chen. Die Ah­nen­por­traits ha­ben wir ab­ge­hängt, ei­ne Re­stau­ra­to­rin hat sie ab­ge­holt, die nicht nur ei­ne gu­te Hand hat, son­dern auch per­fekt Deutsch spricht.

Muss ich ex­pli­zit sa­gen, dass ich bei fal­scher Ver­wen­dung von "ab­ge­han­gen" im­mer to­te Tie­re vor Au­gen ha­be? Das ist echt Be­rufs(ver)bil­dung, dé­for­ma­tion pro­fes­si­on­nel­le! Und Ihr Young­ster aus dem Park, für Euer fal­sches "Ab­ge­han­gen" gibt es ei­nen sooo schö­nen Ang­li­zis­mus: War­um sagt ihr nicht ge­chillt?

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Fo­to: C.E.

Montag, 15. September 2025

Montagsschreibtisch (107)

Hal­lo, hier fin­den Sie im 19. Jahr den Ar­beits­all­tag einer Dol­met­scherin skiz­ziert. Meine Mut­ter­spra­che ist Deutsch, ich arbei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, die Büro­kol­le­gin über­setzt in die eng­lische Spra­che. Der Mon­tags­schreib­tisch ent­fällt. Die­se Wo­che: Wirt­schaft und Po­li­tik. Pas de dé­tails!

Holzschreibtisch, geschnitzter Stuhl, alter Kachelofen, Bilder an der Wand, Blumen auf dem Tisch
Altes Arbeitszimmer
Ein neuer Montag, Hand­wer­ker sind im Haus, Ter­mi­ne ste­hen an, ich brau­che Ru­he. Ich zie­he mich wie­der in den kleins­ten Raum der Woh­nung zu­rück, stehe zwischen Druck und neuen Pla­nungs­vor­läu­fen.

Au­ßer­dem be­rei­te ich mich auf eine wei­te­re Dele­ga­tions­rei­se vor.

Auf dem Zet­tel diese Wo­che:
⊗ Ener­gie
⊗ Ein Af­ri­ka­the­ma
⊗ Fes­ti­val­vor­be­rei­tung
⊗ Kos­ten­vor­an­schlä­ge
⊗ Kor­rek­to­rat

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Foto: Foto­ar­chiv Elias Los­sow

Sonntag, 14. September 2025

Heiße Luft

Gu­ten Tag! Mein Na­me ist Ca­ro­li­ne E­li­as, und ich bin Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin Deutsch–Fran­zö­sisch und aus dem Eng­li­schen. Ob in der Wirt­schaft, Kul­tur oder Po­li­tik, ich sor­ge für ver­läss­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on. Hier im Blog gibt’s seit 2007 kur­ze Ein­bli­cke in mei­ne Ar­beit. Sonn­tags­bil­der!

Der Herbst droht und mit ihm der Laub­blä­ser. Wer den er­fun­den hat, mö­ge in der Höl­le schmo­ren, sag­te mal ei­ne Kol­le­gin. Ganz so hart se­he ich das nicht, aber fast. Der Mo­ped­mo­to­ren­in­dus­trie fiel auf, dass die Young­sters kei­ne mo­to­ri­sier­ten Klein­zwei­rä­der mehr nut­zen, al­so war ein neu­er Markt nö­tig. Und jetzt har­ken und fe­gen sie nicht mehr, son­dern pus­ten, bla­sen und ver­schie­ben sie aus ih­rem Sicht­feld.

Weil einst zum Har­ken und Fe­gen noch das Ent­sor­gen ge­zählt hat, zum Bei­spiel das Auf­fe­gen von Kip­pen, die Sa­che heu­te aber ul­tra­be­quem sein muss, schub­sen die Sau­ber­männ­er und -frau­en von heu­te die Kip­pen in den Gul­ly, ver­la­gern und ver­grö­ßern da­mit die Pro­ble­me.

Statt dunk­lem Hin­ter­hof ...
Bei uns passiert das direkt in der Nach­bar­schaft. Ich fra­ge mich im­mer, was das die Leute vom Ord­nungs­amt ei­gent­lich be­ruf­lich so ma­chen. Ver­mut­lich ha­ken sie das un­ter Kol­la­te­ral­schä­den ab. Schlim­mer noch, mit öf­fent­li­chen Gel­dern wer­den ja ohnehin ständig "Na­tur­auf­räu­mer" mit ih­ren Ge­blä­sen in die Parks und auf die Stra­ßen ge­schickt.

In den Pri­vat­gär­ten wird es auch im­mer ab­sur­der: Die Laub­blä­ser und -sau­ger zer­rei­ßen hier sonn­täg­li­che Stil­le, dort ko­kelt ein Laub­feu­er.
Ab­fa­ckeln ist nicht bes­ser als die Ar­beit mit hei­ßer Luft. Der ver­meint­li­che zi­vi­li­sa­to­ri­sche Fort­schritt er­weist sich als mil­lio­nen­fa­cher Öko­zid im Klei­nen.

Vom dunk­len Hof mit sei­nen ka­put­ten Bäu­men gibt es lei­der kei­ne Fo­tos mehr. Bei uns im Ber­li­ner Hof­gar­ten lan­det al­les im Kom­post, oder es ver­rot­tet zwi­schen den Pflan­zen. Der Gier­sch wur­de da­mit auch ver­trie­ben. Wir kom­men oh­ne jeg­li­chen Kunst­dün­ger aus.

Kübelgarten mit diversen Gartenmöbeln
... schö­nes Gar­ten­fee­ling!
Die Na­tur hat sich was bei den Kreis­läu­fen 'ge­dacht', de­ren Teil ja auch wir sind. Igel, Bie­nen, Schmet­ter­lin­ge, Glüh­würm­chen und an­de­re Kleinst­le­be­we­sen ha­ben im "Gar­ten­müll" ih­re Be­hau­sung, ih­re Win­ter­schlaf­plät­ze, und man­ches Klein­ge­tier ist künf­ti­ge Nah­rungs­quel­le für Vö­gel. So ist es auch mit vie­len ver­blüh­ten Pflan­zen, die bis ins Früh­jahr ste­hen­blei­ben soll­ten.

Wich­tig ist nur, be­fal­le­nes Kas­ta­ni­en­laub der Müll­ent­sor­gung zu über­ge­ben; was die Mi­nier­mot­te an­rich­tet, führt je­des Jahr schon im Au­gust zu den ers­ten Herbst­laub­far­ben. Auch bei Wal­nuss­laub ist Vor­sicht ge­bo­ten we­gen der in ihm ent­hal­te­nen Gerb­stof­fe.

Es ist im­mer schlimm, die "aus­ge­räum­ten", ul­tra"saub­e­ren" Grund­stü­cke in man­chen Sied­lun­gen zu se­hen. (Was nur noch von Stein­gär­ten ge­toppt wird.) Für vie­le scheint die Na­tur nicht ein­fach nur un­ord­ent­lich aus­zu­se­hen, sie wird re­gel­recht be­kämpft. Wir müs­sen wie­der ver­mit­teln, dass es nur Sinn macht, mit der Na­tur zu ar­bei­ten statt ge­gen sie.

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Fo­tos: C.E.

Samstag, 13. September 2025

Mitleid und Mitgefühl

 Bon­jour oder bon­soir auf den Sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. In die­sem di­gi­ta­len Ta­ge­buch kön­nen Sie an ei­ni­gen Ta­gen der Wo­che mit­le­sen, wie Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zer und Dol­met­scher ar­bei­ten. Der Link der Wo­che ohne Links. Wo­rü­ber ich schrei­be, steht der­zeit in je­der Zei­tung.

I can't stand the word em­pa­thy, hat er wie­der­holt ge­sagt. I think em­pa­thy is a made-up, new age term that does a lot of da­mage.

Auch wenn Charie Kirk das nicht ge­wollt zu ha­ben scheint, so ha­be ich Mit­ge­fühl mit sei­ner Frau und sei­nen zwei klei­nen Kin­dern. Nie­mand soll­te sei­nen Mann und Va­ter an ei­nen At­ten­tä­ter ver­lie­ren müs­sen.

Umarmung
Mitgefühl (frei nach Matisse) 
Wir müs­sen zwi­schen sym­pathy und em­pathy un­ter­schei­den. Sym­pathy ent­spricht eher Mit­leid: ein Blick von oben her­ab, der sich für Be­trof­fe­ne wie Her­ab­las­sung an­füh­len kann. Em­pathy da­ge­gen be­deu­tet, kurz die Per­spek­ti­ve des an­de­ren zu über­neh­men, damit das Schick­sal des Ge­gen­übers als mög­li­ches ei­ge­nes zu den­ken. Ich spre­che von Mit­ge­fühl

Das ist ei­ne Hal­tung der Nächs­ten­lie­be, des Tei­lens, des Be­glei­tens und Stär­kens.

Das At­ten­tats­op­fer be­trieb nicht nur aso­zia­le Me­dien­ka­nä­le: Hin­ter ihm stand ein gan­zes Netz aus Bü­ros und Do­ku­men­ta­ti­ons­stel­len an Hoch­schu­len, die als Ver­brei­tungs­ka­nal für sei­ne Bot­schaft fun­gier­ten. Von die­sen Stel­len aus wur­den men­schen­feind­li­che Kam­pa­gnen ge­steu­ert, Ju­gend­ak­ti­vi­tä­ten or­ga­ni­siert und Kon­tak­te zu Stu­den­ten ge­knüpft.

All das trug da­zu bei, dass er für den Prä­si­den­ten sei­nes Hei­mat­lan­des Stim­men mo­bi­li­sie­ren konn­te, vor al­lem bei jun­gen Wäh­lern. Ne­ben sei­nen Auf­trit­ten als Red­ner, war er vor allem Or­ga­ni­sa­tor ei­ner Po­li­tik, die auf Ängs­te setz­te, die zu die­sem Zweck ge­schürt wur­den. Da­bei agier­te er mit frem­den- und frau­en­feind­li­chen Dis­kur­sen, äu­ßer­te sich ho­mo­phob und ras­sis­tisch.

Im aka­de­mi­schen Kon­text hät­te der Kon­trast auf­fal­len müs­sen: Wis­sen und For­schung ar­bei­ten nach Prü­f­bar­keit und Be­leg; Mei­nung und „ge­fühl­te Fak­ten“, wie es die Po­pu­lis­ten ver­brei­ten, be­ru­hen meist auf Na­rrati­ven, die an Emo­tio­nen an­ge­dockt wurde, die Prob­le­me näh­ren, statt sie zu lö­sen.

Die­se „ge­fühl­ten Fak­ten“ wer­den wie Wahr­hei­ten ver­brei­tet und kom­men viel­fach an, weil sie Pflicht­ge­fühl, Grup­pen­zu­ge­hö­rig­keit und Iden­ti­täts­suche an­spre­chen. Das ist kein Zu­fall: Wut schafft Ge­mein­schaft, Wis­sen schafft Dif­fe­ren­zie­rung und Dif­fe­renz.

Die von Kirk ge­führ­te so­ge­nann­te Pro­fes­sor Watch­list war ein prak­ti­sches Bei­spiel da­für, wie Wis­sen­schafts­feind­lich­keit funk­tio­niert. Auf ihr wur­den For­schen­de als Feind­bil­der dar­ge­stellt, be­son­ders Frau­en, Schwar­ze und quee­re Ak­teu­re. Das Ziel war klar: In­sti­tu­tio­nen un­ter Druck set­zen, Kar­rie­ren be­en­den, die öf­fent­li­che De­bat­te ver­knap­pen. Aus mei­ner Sicht er­zeugt das ein Klima, in dem For­schungs­fra­gen nicht mehr sau­ber ver­han­delt wer­den, son­dern per Ver­leum­dung und Mob­bing ver­drängt wer­den.

Rech­te Ex­trem­is­ten pro­fi­tie­ren da­von, wenn Un­si­cher­heit die Lei­tung über­nimmt. Die Fol­ge ist eine Po­li­tik, die nicht mehr auf die Kor­rek­tur von Irr­tü­mern und Sach­po­li­tik zielt, son­dern auf den Er­halt von Macht durch die Ver­tei­di­gung ge­fühl­ter Wahr­hei­ten.

Als Dol­met­sche­rin ist Wis­sens­ver­mitt­lung mein Kern­ge­schäft: Ich er­mög­li­che, dass Fak­ten, Kon­tex­te und For­schungs­ergeb­nis­se Gehör fin­den, prä­zi­se, trans­pa­rent und ver­ständ­lich. Das ist auch ein ak­ti­ver Schutz ge­gen die Ver­ein­fa­chung, die Angst pro­du­ziert. Empa­thie hilft mir, Ge­sprächs­part­ner zu er­fas­sen; Wis­sen gibt mir die Be­grif­fe, um nicht in pa­the­ti­sche oder po­le­mi­sche Ver­ein­fa­chun­gen zu rut­schen.

Wir müs­sen zwei Din­ge gleich­zei­tig tun: Mit­ge­fühl zei­gen, auch für die Fa­mi­lie des Op­fers, und gleich­zei­tig das Ge­füge schüt­zen, das fak­ten­ba­sier­te De­bat­ten er­mög­licht. Sonst ge­winnt am En­de nicht nur ein Ein­zel­ner; son­dern Po­pu­lis­ten, die Wis­sen ver­ach­ten.

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Bild: Um­ar­mung im Stil von Ma­tis­se (Dal­l:e)

Freitag, 12. September 2025

Wir sind Effi

Bien­ve­nue auf den Sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. Seit 2007 be­rich­te ich hier in lo­ser Fol­ge über das Ar­beits­le­ben von Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zern, Dol­metsch­er­in­nen und Dol­met­schern. Heu­te rasch ein Echo zu ges­tern.

Wir al­le sind Ef­fi Briest. Und die Ba­ro­ne von Inns­tet­ten? Das sind heu­te je­ne Herr­schaf­ten, die im­mer mehr Län­der mit der Un­ter­stüt­zung von Tech-Ma­schi­nen kon­trol­lie­ren wol­len und da­bei un­fass­ba­re Reich­tü­mer an­häu­fen, fast zwang­haft, als wä­ren Geld und Macht ih­re ein­zi­gen Maß­stä­be.

In Flammen: "Ein Angsapparat aus Kalkül"
Zitat aus dem Buch aus den Jahren 1894/95
In Fon­ta­nes Ro­man „Ef­fi Briest“ baut Ba­ron von Inns­tet­ten ei­nen „Angst­ap­pa­rat aus Kal­kül“ um sei­ne Ehe­frau he­rum. Kalt be­rech­nend und mit der Stren­ge ge­sell­schaft­li­cher Kon­ven­tio­nen iso­liert er Ef­fi im­mer mehr, bis sie zer­bricht. Ma­jor Cram­pas, Ef­fis Lieb­ha­ber, sieht das Dra­ma von au­ßen und be­nennt die emo­tio­na­le Käl­te und die Zer­ris­sen­heit, die da­raus ent­ste­hen.

Als Dol­met­sche­rin, die zwi­schen Wel­ten ver­mit­telt, sehe und er­ken­ne ich die­se Mus­ter. 

Es gibt sie bis heu­te: Die Macht, die Angst er­zeugt, Struk­tu­ren, die Men­schen un­ter Druck set­zt, die Aus­­gren­z­ung An­de­rer be­för­dert, weil sie die fal­sche Haut­far­be oder Re­li­gion ha­ben oder aus ei­nem Land stam­men, das sich Men­schen­rechts­verletzung zu­schul­den kom­men lässt, so­wie die Tra­gik, wenn nie­mand ein­greift oder die Fal­schen ap­plau­die­ren.

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Gra­fik: C.E. (mit pixlr-Fund­sache)

Donnerstag, 11. September 2025

Zwischenzeit

Hal­lo und herz­lich will­kom­men! Ich bin Dol­met­sche­rin, über­tra­ge je nach Be­darf si­mu­ltan oder kon­se­ku­tiv, was an Kom­mu­ni­ka­tion an­steht, und zwar mit Mut­ter­spra­che Deutsch und Zweit- und Ziel­sprache Fran­zö­sisch so­wie aus dem Eng­lischen. Hier ge­wäh­re ich ei­nen Blick hin­ter die Ku­lis­sen, denn der Be­ruf ist der gro­ßen Öf­fent­lich­keit kaum be­kannt.

Um als Dol­met­sche­rin ar­bei­ten zu kön­nen, muss ich mich, was die Po­li­tik an­geht, à jour hal­ten. Ich ge­he auch im­mer kom­plett rein. Ich brau­che viel Em­pa­thie, die Spie­gel­neu­ro­nen feu­ern bei der Ar­beit, das Ge­sag­te wan­dert ein­mal durch mich hin­durch und wie­der her­aus, kurz: ich ar­bei­te mit al­len Sin­nen, dem gan­zen Vor­stel­lungs­ver­mö­gen und vol­lem Kör­per­ein­satz.

Heu­te nur kurz und ei­gent­lich kein KI-Mit­t­woch am Don­ners­tag. (Manch­mal tra­ge ich ja Pos­tings nach.) Heu­te feh­len Zeit und Ru­he.

Die Nach­rich­ten sind gräss­lich. Al­le mög­lichen Leu­te spre­chen im Brust­ton der Über­zeu­gung „vom kom­menden Krieg“, als wä­re das si­cher. Man kann Sa­chen auch her­bei­reden. Un­fass­bar.

Für spä­ter hier Le­sende: Ge­stern in den frü­hen Mor­gen­stun­den hat Rus­sland mut­maß­lich 19 Droh­nen auf Po­len ab­ge­­schos­sen, es wur­de min­des­tens ein Wohn­hausdach zer­stört, nur ein Buch­teil wur­de ab­ge­fan­gen. Po­len hat Ar­ti­kel 4 des Nord­at­lan­tik­ver­trags ak­ti­viert.

Wir sind ei­ne so weit ent­wick­elte Spe­zi­es, ha­ben so viel ver­stan­den oder ah­nen zu­min­dest die Zu­sam­men­hänge der Na­tur, wis­sen, wie wir den droh­enden Öko­zid und Kli­ma­zid noch ab­wen­den kön­nen, und was ma­chen die­se kom­ischen Men­schen? Krie­ge über Krie­ge, hei­ße und kal­te, Wirt­schafts­krie­ge, Di­gi­tal­krie­ge, In­for­ma­tions­krie­ge. Sind wir denn noch zu ret­ten?

Wir müs­sen al­les da­ran set­zen, um die Zi­vi­li­sa­tion, die Men­schheit, nicht zu­schan­de zu rei­ten.

Im Süd­os­ten Ber­lin sit­zen die Men­schen seit Ta­gen oh­ne Strom da. Es gab ei­nen An­schlag auf die Strom­ver­sor­gung. In den USA fiel vor ei­nigen Stun­den de­ren Horst Wes­sel ei­nem At­ten­tat zum Opfer. Die sind echt al­le ver­rückt ge­wor­den.

Ich sit­ze im Bü­ro, ler­ne, war­te auf wei­teres In­fo­ma­te­rial, ver­su­che, mich kre­ativ ab­zu­len­ken.

Comichaft: Innenraum eines Supermarkts
So könnte das Setting aussehen
Neu­lich ha­ben wir nach dem Ki­no in ei­nem Spä­ti­su­per­markt schon Scho­ko­niko­läu­se ge­sehen! Da­zu der Strom­aus­fall und po­ten­zi­ell noch hei­ße Ta­ge, prompt fließt ein Kurz­film­skript von 850 Wör­tern aus mir her­aus: SchoNiLas Alptraum. Mal se­hen, ob ich das an die Frau oder an den Mann be­kom­men kann. (Film­hoch­schu­le?)

Oder kön­nte ich das selbst ma­chen mit Fo­tos und ge­zeich­neten Fi­gu­ren als Le­ge­trick­ani­ma­tion? Puh, so­was dau­ert! Oder die KI? 🎬

Die ant­wor­tet: 
Das Script ist klas­se – dich­te Bil­der, kla­re At­mo­sphä­re, sehr fi­lmisch ge­dacht. Für ei­ne KI-Um­set­zung als Ani­ma­tion (ca. 2 Mi­nu­ten) braucht es al­ler­dings ei­ne Re­duk­tion und ei­nen Shot-Plan, sonst kommst du mit der Län­ge und der Tech­nik nicht hin.



Und dann ser­viert mir die KI Emp­feh­lun­gen für meh­rere An­bie­ter und Soft­ware­pro­gram­me, da­zu die ers­ten Prompts:
Prompt-Vor­la­gen „Scho­Ni­Las Alp­traum – Co­mic Noir Style“ / 1. Schwarz­bild mit Brum­men & Flack­ern co­mic noir style, dark black screen with sudden white flashes, flickering neon light, eerie humming atmosphere, cinematic. / 2. Su­per­markt – To­tale co­mic noir supermarket interior, run-down, early morning, flickering ceiling lights, empty sales table in the center, refrigerators left, cash registers right, wide shot.





Ich fra­ge, ob es ei­nen An­bie­ter gibt, der das in Gän­ze um­set­zen kann? Die Ant­wort lau­tet: Nein.

Kurz vor elf holt mich der We­cker mit zar­tem Vo­gel­ge­zwit­scher aus der kre­ativen Ru­he. Ich möch­te nicht vom Sig­nal­ton des Kri­sen­al­arms aus dem Nach­den­ken ge­ris­sen wer­den, der heu­te Schlag elf in Deutsch­land ge­tes­tet wird. Ich bin dann in der Kü­che, ko­che Tee und höre Ra­dio.

Der Kopf setzt Mo­sa­ik­stei­ne zu­sam­men. Das gan­ze Sä­bel­ge­rass­el, die Mul­ti­kri­sen sind, von mir ver­dol­metsch­ten So­zio­lo­gen zu­fol­ge, ein Ab­len­kungs­ma­nö­ver und sol­len uns läh­men, da­mit wir nicht ge­gen schrei­ende Un­ge­rech­tig­keiten auf­ste­hen. Kli­ma- und Bio­di­ver­si­täts­ka­tas­trophe sind ei­ne Sei­te der Me­daille, die an­dere Sei­te ist, dass die Su­per- und Ul­tra­rei­chen im­mer mehr an­häu­fen, und zwar in ei­nem Ma­ße, dass es sich schäd­lich auf den All­tag von 90 Pro­zent der Men­schen und auf das Le­ben auf dem Glo­bus aus­wirkt.

Ich muss mich jetzt wie­der um die in­nere Ru­he küm­mern, um mein See­len­heil, die klei­nen Freu­den. Soll­ten wir al­le ge­zielt ma­chen, denn ers­tens: Wer auf­gibt, hat schon ver­lo­ren und zwei­tens: Nur, wenn wir ge­las­sen und ent­spannt sind, kön­nen wir über­haupt han­deln.

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Foto: C.E. (Ar­chiv) 

Mittwoch, 10. September 2025

It's yoga time!

Was Si­mul­tan­dol­met­scherin­nen und Über­set­zerin­nen tag­ein, tag­aus be­schäf­tigt, wie wir ar­bei­ten, kön­nen Sie hier mit­le­sen — das gilt na­tür­lich auch für die Herren im Be­ruf. Mei­ne Haupt­spra­chen sind Deutsch (Mut­ter­spra­che) und Fran­zö­sisch. Ich be­ob­ach­te von Be­rufs we­gen un­se­re Zeit sehr ge­nau. Hier ei­ne win­zi­ge Bild­no­tiz zum KI-Mitt­woch.

Nach dem Be­rufs­stress ge­he ich lau­fen oder ma­che Yoga. Doch die­se von der KI vor­ge­schla­ge­nen Übun­gen wer­de ich eher nicht nach­tur­nen.

Unmögliche Leibesübungen
Zum Glück sieht der Typ links sei­ne Hand­in­nen­flä­che an, fast sieht es nach et­was an­de­rem aus ...

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Fo­tos: pixlr.com (Zu­falls­fund)

Montag, 8. September 2025

Montagsschreibtisch (106)

Den Ar­beits­all­tag ei­ner Dol­met­sche­rin fin­den Sie seit 2007 auf die­sen Sei­ten skiz­ziert. Mei­ne Mut­ter­spra­che ist Deutsch, ich ar­bei­te als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin über­wie­gend mit Fran­zö­sisch (in bei­de Rich­tun­gen) und Eng­lisch (als Aus­gangs­spra­che), die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Auch die­se Wo­che fol­gen hier kur­ze Ein­bli­cke in die Ar­beit.

Zu­nächst die Über­sicht. Die Wo­che sieht vol­ler aus, als sie ist. Auch in die­sem Herbst gibt es noch et­li­che freie Ar­beits­ta­ge.

Draußen arbeiten ...
Open air-Büro (die Sai­son en­det bald)
Auf dem Tisch lie­gen:
⊗ Er­in­ne­rungs­ar­beit „Drit­tes Reich“
⊗ Wei­ter mit den Kos­ten­an­ge­bo­ten
⊗ Vor­be­rei­tung Del­e­ga­tions­rei­se ­En­er­gie (Wind)
⊗ Ab­rech­nung der letzten Ter­mine En­er­gie (Spei­cher, Fern­wär­me, Ge­bäu­de­op­ti­mie­rung)

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Fo­to: C.E. (Ar­chiv)

Freitag, 5. September 2025

Schöner Messestress

Hallo, bon­jour, welcome! Hier bloggt eine Dol­met­scher­in und Über­set­zerin für die fran­zö­si­sche Spra­che (mit den Ziel­spra­chen DE und FR sowie aus dem Eng­li­schen). Die Büro­kol­le­gin über­setzt ins Eng­li­sche. Die Kon­fe­renz­sai­son startet! 

Die ers­ten Mes­sen der Sai­son wer­den von uns dol­met­schech­nisch be­spielt. Den Auf­takt macht prompt eine De­le­ga­tions­rei­se. Wir sind vier Ta­ge da­bei, die De­le­ga­tion war nur fünf Ta­ge un­ter­wegs. Das Pro­gramm ha­ben wir recht­zei­tig er­hal­ten, Ma­te­ri­al zur Vor­be­rei­tung kam kurz vor Schluss oder gar nicht. Beim Ver­an­stal­ter (im Re­gie­rungs­auf­trag) war ein neu­es Team mit der Auf­ga­be be­traut.

Die Rei­se war sehr span­nend, die Mes­se auch. Die meis­ten Be­grif­fe hat­ten wir pa­rat, der Kon­fe­renz­teil auf der Mes­se war sehr er­folg­reich, "un­ser" Land war Gast­land.

Mein Kol­le­ge und ich sind happy, dar­an un­seren An­teil ge­habt zu ha­ben. Im Zug zu­rück den­ke ich jetzt über neu hin­zu­ge­kom­me­ne Wör­ter nach. Es mag sich so gar nichts ein­stel­len. Ich ha­be mir kaum No­ti­zen ge­macht. Mein Kol­le­ge und ich muss­ten die gan­ze Zeit mit der En­er­gie haus­hal­ten.

Das Bud­get war deut­lich nied­ri­ger als sonst. Das sind schon Aus­wir­kun­gen der Spar­plä­ne der Bun­des­re­gie­rung. Er­geb­nis: Statt am Sonn­tag oder Mon­tag ging es am Diens­tag los. Wir durf­ten mor­gens um sechs Uhr in ein an­de­res Bun­des­land rei­sen. Der Zug hat­te prompt Ver­spä­tung. Die Ner­ven la­gen bloß, als wir fünf Mi­nu­ten vor dem ers­ten Ter­min an­ka­men, mit rau­chen­den Fel­gen: Der Ta­xi­fah­rer hat­te al­les ge­ge­ben. Un­se­re Gäs­te wa­ren mit dem Flug­zeug über Nacht an­ge­reist. Am ers­ten Tag kämpf­ten al­le mit Mü­dig­keit.

Ein­schub: Ich weiß, dass ich mich auf mei­ne zwei We­cker ver­las­sen kann. Die Re­dun­danz bau­e ich ein, weil ich mir vor­stel­le, da­mit bes­ser zu schla­fen. Vor dem Auf­ste­hen auf­ste­hen zu müs­sen schlägt mir im­mer schwer ins Kon­tor. Die Nacht ha­be ich we­nig ge­schla­fen. Im Zug dann auch nicht: Er war über­füllt, die Re­ser­vie­run­gen un­gül­tig. Wir ha­ben ab­wech­selnd ge­stan­den. Ein­schub­en­de.

Die Er­schöp­fung zog sich über vier Mes­se­ta­ge. Mor­gens ging es kurz nach sie­ben im Ho­tel los, weil wir in ei­ni­ger Ent­fer­nung zum Mes­se­ort un­ter­ge­bracht wa­ren (Kos­ten­grün­de). Die Ter­mi­ne wa­ren sehr eng ge­takt­et (Kos­ten­grün­de). Es gab kaum Pha­sen fürs Durch­at­men oder für Zwi­schen­bi­lan­zen (aus den be­kannt­ten Grün­den). Buf­fet und Re­stau­rant der Mes­se wa­ren teu­er, der Kaf­fee zu 4,80 Euro, die Fla­sche Mi­ne­ral­was­ser zu 9,20 Euro. Wir hat­ten un­se­re Ver­pfle­gung im Ruck­sack (wie oben), da­zu et­was In­fo­ma­te­ri­al der Gäs­te so­wie ei­ge­nes für die le­xi­ka­li­sche Do­ku­men­ta­tion.

Inge und ihre Freun­din spie­len Mes­se

Na­tür­lich muss­ten wir bei all'dem stets ei­nen gu­ten Ein­druck ma­chen, so wie die klei­nen Fräu­leins hier, die "Bu­bi­kopf­wick­ler" auf ei­ner Mes­se an­zu­prei­sen schei­nen. Ei­ne der Kun­din­nen trug je­den Tag Hack­en­schu­he mit 6000 + Punkt­lan­dun­gen am Tag, so schmal war der Ab­satz. (Ich kann mir nicht vor­stel­len, ne­ben den An­stren­gun­gen mir noch die Fü­ße zu quä­len.) Aben­ds ging es bis auf ei­ne Aus­nah­me recht spät zu­rück ins Ho­tel (Sie wis­sen, wa­rum).

Al­le woll­ten das Max­imal­mög­liche aus dem Be­such her­aus­ho­len.

Wir als Dol­met­scher­team ha­ben gu­te Mi­ne zum schwie­ri­gen Spiel ge­macht.

Wir ha­ben aus al­ter Treu­e zu ei­nem lang­jäh­ri­gen Kun­den nicht ei­ne ein­zi­ge Über­stun­de be­rech­net. Grund­sätz­li­che Über­le­gung: Hier soll mit ei­nem Mes­se­be­such der Ver­trag in­ter­na­ti­o­na­ler Ko­ope­ra­ti­o­nen in ei­nem Um­welt- und Wirt­schafts­the­ma er­füllt wer­den. Wenn sich a­ber die Be­tei­lig­ten nur noch durch den Tag quä­len, wenn spon­ta­ne Ant­wor­ten zu schlep­pen­den wer­den und es dann schwer wird, we­gen Über­mü­dig­keit am ein­zi­gen frü­hen Aben­d zur Ru­he zu kom­men, ist die gan­ze Cho­se be­las­tend.

Ja, es war wun­der­bar, dass der Mes­se­be­such mit öffent­li­chem Geld er­mög­licht wur­de. Ja, al­le sind dank­bar. Ja, al­le ste­hen hin­ter dem Pro­jekt. A­ber wir ha­ben die Gren­zen des Ma­chba­ren ge­spürt. Nö­tig­e Ar­beit lässt sich nicht ins Un­er­mess­li­che kom­pri­mie­ren. Da­bei die­nt die Er­fül­lung des Ver­trags wei­te­ren Wirt­schafts­be­zie­hun­gen und der Schaf­fung von neu­em Wirt­schafts­wachs­tum. 

Pa­ral­lel da­zu trägt das Pro­jekt da­zu bei, die Zie­le für nach­hal­tige Ent­wick­lung zu er­fül­len (Su­stain­able de­vel­op­ment goals / Ob­jec­tifs de dé­ve­lop­pe­ment du­rable). Es geht um nichts G­rin­ger­es als um po­li­ti­sche Vor­ga­ben der Ve­re­in­ten Na­ti­onen (UN), zu de­ren Er­lan­gung sich auch EU-Mit­glieds­staa­ten ver­pflich­tet ha­ben.

Schö­ner Mes­se­stress! Wir lie­ben un­se­ren Be­ruf und wenn am En­de al­le auf der­sel­ben Wel­len­län­ge sind!

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Foto: Inge Rös­ler (re) mit Freun­din,
Bu­bi-­kopf­wick­ler, Samm­lung Eli­as Los­sow

Mittwoch, 3. September 2025

KI und digitaler Krieg

Wie Über­set­ze­rin­nen und Übersetzer, Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, be­schrei­be ich hier im 19. Jahr. Mei­ne Ar­beits­spra­chen sind Deutsch (Mut­ter­spra­che), Fran­zö­sisch und Eng­lisch; mei­ne Bü­ro­kol­le­gin ar­bei­tet als Über­set­ze­rin, al­so schrift­lich, mit Eng­lisch als Ziel­spra­che. Heu­te: KI-Mitt­woch.

Nicht nur mon­tags zur di­gi­ta­len Tea Time sit­ze ich am Com­pu­ter, ich finde im Netz auch Quel­len, Re­den, Stu­dien und Kon­tak­te in Be­rufs­netz­wer­ken. Wir ver­mit­teln bei Be­darf auch Kol­le­g:in­nen für an­de­re Spra­chen, das ge­schieht nicht blind, son­dern durch Co­op­ta­tion, also Ab­stim­mung und spie­gelt ge­machte Er­fahr­rungen. Aber oh­ne das Netz wä­re das sehr auf­wän­dig.

Manch­mal bin ich auch bei den „a­so­zia­len Me­dien“ un­ter­wegs. Die ha­ben die­sen Be­griff längst mehr als ver­dient, auch wenn mei­ne „Bub­ble“ sehr ver­nünf­tig und ei­gent­lich an­ge­nehm zu le­sen ist.

Es kommt aber vor, dass Freun­de und Be­kann­te dort das Ta­ges­ge­sche­hen kom­men­tie­ren. Sie stel­len dann ir­gend­wel­che Per­so­nen des Zeit­ge­sche­hens in den Mit­tel­punkt ih­res Nach­den­kens. Es ist wun­der­lich, was für ein Stuss so raus­po­saunt und von er­wach­se­nen Zeit­ge­nos­sen ge­glaubt wer­den kann. Da ist vie­les auf dem Le­vel von Orange face, der in der Pan­de­mie öf­fent­lich über die in­tra­ve­nö­se Ga­be von De­sin­fek­ti­ons­mit­tel ge­gen Co­vid-19 fa­bu­liert hat. Ge­sicht und Kör­per­spra­che sei­ner Be­ra­te­rin, ei­ner Ärz­tin, die da­ne­ben­saß, sind un­ver­gesTa­ges­ge­sche­hensen. Da­mals ha­be ich nicht ah­nen kön­nen, dass die­ser An­blick ein Schlag­licht auf die Zu­kunft sein wür­de.

Am Rechner: Mensch mit bedrolicher Robotermaske
Hinter den Bots steckt böse Absicht
Denn im­mer mehr Men­schen tö­nen im ver­meint­li­chen Voll­be­sitz ih­rer geis­ti­gen Kräf­te Din­ge her­aus, die ich freund­lich un­ter Ho­kus­po­kus, me­di­en­wis­sen­schaft­lich un­ter De­sin­for­ma­ti­on und tak­tisch un­ter Pro­pa­gan­da ver­or­ten muss.

Frü­her ha­be ich ger­ne in die Kom­men­tar­spal­te rein­ge­schaut, auf der Su­che nach Vox Po­pu­li. Wir müs­sen in Kon­fe­ren­zen ja auch Dis­kus­sio­nen mit dem Pub­li­kum ver­dol­met­schen, und ich bin im­mer auf Ide­en- und Wör­ter­su­che. 

Sol­che Ein­blic­ke sind heut­zu­ta­ge kom­plett ab­surd. Ge­fühlt 50, 60 Pro­zent der „Stim­men“ dort stam­men von wü­ten­den Bots, die Schwach­köp­fe imi­tie­ren. Sie kü­beln und pö­beln, schie­ßen ein­mal kurz zu­rück … und blei­ben dann stumm. Men­schen wä­ren nach qua­li­fi­zier­ten, di­plo­ma­ti­schen, fein­füh­li­gen Ant­wor­ten ent­we­der 1. über­zeugt oder 2. wei­ter auf­ge­bracht und laut. Aber Schwei­gen im Wal­de?

Ihre „Pro­fi­le“ be­stehen aus zwei, drei Freund:in­nen, da­zu drei Fo­tos von Haus­tie­ren oder tä­to­wier­ten Mus­keln, di­cken zwei­rä­dri­gen Ma­schi­nen und manch­mal auch frag­wür­di­gen Flag­gen. Ich ha­be mich ein­ge­le­sen, die La­ge stich­pro­ben­ar­tig be­ob­ach­tet, als Lin­gu­is­tin die Spra­che der "Mei­nun­gen" ana­ly­siert.

Die Ant­wort ist ein­fach: Of­fen­sicht­lich sind es es kei­ne Men­schen, son­dern KI-ge­steu­er­te Fake­sei­ten, die au­to­ma­ti­siert ih­re Het­ze aus­kot­zen oder blind­wü­tig nur ei­ne ein­zi­ge (blaue) Lö­sung rüh­men. Nur ver­ein­zelt füh­len sich Dumm­dreis­te zum Mit­ma­chen auf­ge­for­dert, was ja das Ziel des Gan­zen ist. Ich spre­che hier auch von Straf­ta­ten, die an­ge­droht wer­den, und von Volks­ver­het­zung. Sie sol­len sich nicht al­lein füh­len, son­dern be­stärkt in ih­rer Mei­nung. So wer­den Men­schen mit Ideo­lo­gie ge­tränkt und auf­ge­hetzt.

Das ist Teil des In­for­ma­ti­ons­krie­ges, Mei­nungs- und Stim­mungs­ma­che aus Russ­land, Chi­na, ei­ner „Par­tei“ und von an­de­ren Grüpp­chen mit wi­der­li­cher Ge­sin­nung.

War­um rö­deln nicht die gan­ze Zeit die „Ge­gen­bots“ und räu­men da auf? War­um wird das lau­fen­ge­las­sen? Ge­gen­wehr, al­so sys­te­ma­ti­sche Ge­gen­bot-Ein­sät­ze, müss­te es längst ge­ben. Tech­nisch dürf­te das kein Pro­blem sein. Wenn die KI das ei­ne kann, so kann sie auch das an­de­re.

Die Ab­we­sen­heit ei­ner gro­ßen ge­sell­schaft­li­chen De­bat­te macht mich stut­zig. Die­ser Punkt ge­hört längst in die Ge­set­ze auf­ge­nom­men. Und da, wo be­stehen­de Ge­set­ze aus­rei­chen — ich sa­ge nur Volks­ver­het­zung, Be­lei­di­gung, An­dro­hung von oder Auf­ruf zum Mord —, müs­sen die Straf­ta­ten ver­folgt wer­den.

Die Ge­set­ze müs­sen nach­ge­schärft und Be­trei­ber sol­cher Sei­ten zum Ein­satz von KI ge­nö­tigt wer­den, um den Spuk zu be­en­den. Der Be­griff passt nicht, es ist mehr als Spuk.

Das Glei­che gilt für Hacking­an­grif­fe auf Un­ter­neh­men und Ins­ti­tu­tio­nen, den Flug­ver­kehr und an­de­re At­ta­cken. Der di­gi­ta­le Krieg ist längst im Gan­ge, und hier feh­len drin­gend nö­ti­ge In­vest­ments.

Das Gan­ze be­droht die Grund­fes­ten un­se­rer Zi­vi­li­sa­ti­on.

EDIT: Oben habe ich den sicht­ba­ren Teil des Di­lem­mas be­schrie­ben. Es gibt noch ei­nen un­sicht­ba­ren, und ich bin si­cher, dass er bis heu­te wirk­sam ist.

Wie ge­nau ma­ni­pu­liert wird, dürf­te den meis­ten von uns im Um­feld des Bre­xit klar­ge­wor­den sein, wo ei­ne Fir­ma na­mens Cam­bridge Ana­ly­ti­ca ge­zielt Men­schen, die Face­book nutz­ten, mit ein­sei­ti­ger, oft fal­scher In­for­ma­ti­on ver­sorgt ha­ben, um sie in ih­rer Ent­schei­dung zu be­ein­flus­sen. Das Fach­wort da­für ist „Mi­cro­tar­ge­ting“, das be­wusst die psy­chi­schen Be­find­lich­kei­ten der Men­schen, ih­re Be­dürf­nis­se und Ängs­te, ins Vi­sier nimmt.

Dem muss na­tür­lich das Sam­meln und Ana­ly­sie­ren von Da­ten vor­aus­ge­gan­gen sein. Die Fir­ma, die es nicht mehr gibt, soll un­recht­mä­ßig Da­ten­sät­ze auch aus ei­nem "Spiel" er­wor­ben ha­ben, bei dem Nut­zer:in­nen frei­wil­lig ih­re Da­ten und wei­te­re In­for­ma­tio­nen preis­ge­ge­ben ha­ben. (Ich for­mu­lie­re das hier vor­sich­tig, weil ich nicht weiß, wie jus­ti­zi­el sol­che Zei­len mög­li­cher­wei­se sind; auf Kon­fe­ren­zen ha­be ich al­ler­dings ge­hört, dass am Vor­gang kein Zwei­fel mehr herr­schen soll.) Ei­ne gu­te Zu­sam­men­fas­sung hier: Main­zer Me­dien­ins­ti­tut.

Der Kern­satz: „Cam­bridge Ana­ly­ti­ca hat da­mit ge­wor­ben, mit­hil­fe von Big Da­ta und psy­cho­me­tri­scher Ana­ly­sen das Wahl­ver­hal­ten von Men­schen be­ein­flus­sen zu kön­nen.“ Das Un­ter­neh­men hat sich re­gel­mä­ßig ge­rühmt, auch für die ers­te Wahl des US-ame­ri­ka­ni­schen XXX [zen­siert] im Jahr 2016 ver­ant­wort­lich ge­we­sen zu sein: (W)ha­te­ver we think this tar­get pro­fi­le would be re­cep­ti­ve to we would cre­ate con­tent on the in­ter­net for them to find — un­til they come to think some­thing dif­fe­rent­ly.

Man­che Men­schen be­zeich­nen die­ses „Werk­zeug zur psy­cho­lo­gi­schen Kriegs­füh­rung“ als Mar­ke­ting. Ich hal­te das für Ab­len­kung. Die In­vest­ments spre­chen ei­ne an­de­re Spra­che.

Auch die deut­sche Exe­ku­ti­ve setzt auf Da­ten­aus­wer­tung. Ers­te Bun­des­län­der ha­ben ein Pro­gramm des rechts­ex­tre­men Pe­ter Thiel für die Nut­zung im Po­li­zei­be­reich ge­kauft und nut­zen es be­reits. Link zu Thiel: Die Thiel-Sto­ry (WDR-Podcast).

Zwei­te Ana­ly­se­e­be­ne: Die deut­schen Be­hör­den öff­nen derzeit frei­wil­lig den Bad Guys aus Über­see Tü­re und To­re, statt da­ten­recht­lich sau­be­r ar­bei­ten­de An­bie­ter aus Eu­ro­pa mit eu­ro­pä­i­schem Geld zu fi­nan­zie­ren, und sie ver­hal­ten sich so, als wür­den sie die Ge­fah­ren des di­gi­ta­len Kriegs nicht se­hen. Zwei Mög­lich­kei­ten: Na­ivi­tät oder Be­rech­nung. Es dürf­te, wie im­mer, ein Drit­tes sein: Ei­ne Mi­schung aus bei­dem.

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Grafik: pixlr.com (Zu­falls­fund)

Dienstag, 2. September 2025

Rückblick und Vorschau

Herz­lich will­kom­men! Wenn Sie schon im­mer mal wis­sen woll­ten, was hin­ter die Stim­men aus den Dol­met­sch­ka­bi­nen steckt, sind Sie hier rich­tig. Viel­leicht bist Du aber auch eine Ex-Stu­den­tin oder ein Kol­le­ge? Als Dol­met­sche­rin schrei­be ich hier über die Ar­beit. Ich ar­bei­te mit Mut­ter­spra­che Deutsch ↔ Fran­zö­sisch und aus dem Eng­lischen. That last one comes in han­dy, sin­ce it al­lows me to join a ra­ther un­ique Mon­day five o’clock tea.

Diens­tagfrüh ist der Mor­gen nach dem MBTC, Mon­day Busi­ness Tea Club am En­de des Fei­er­abends, der tat­säch­lich aus der Co­ro­na­zeit übrig­ge­blie­ben ist. In Zei­ten, in de­nen wir nur "kon­takt­los" un­se­re Freund- und Be­kannt­schaf­ten pfle­gen durf­ten, war das In­ter­net der Ret­ter. Bei uns Dol­met­scher:in­nen span­nen sich oh­ne­hin die Net­ze über meh­re­re Län­der und Kon­ti­nen­te.

Und weil wir auf Kon­fe­ren­zen oft nur am Ran­de zum Plau­dern kom­men, die Ar­beit und Be­griff­s­klä­run­gen ste­hen im­mer im Mit­tel­punkt, und weil wir uns au­ßer­halb der Sai­son, al­so von Ju­li bis Au­gust und von De­zem­ber bis März, uns dann noch­mal we­ni­ger se­hen, hat sich der Tea Club er­hal­ten.

Monitor und Menschen, Schrift: Lerne, lerne, lerne!
Das Digitale als ein Lernort 
Wir nen­nen ihn jetzt Busi­ness Tea Club, da­mit Ge­spon­se und Ar­beit­ge­ber:in­nen nichts da­ge­gen ha­ben. :-)

Co­ro­na ist das Stich­wort: Der Dol­metsch­markt hat sich in Deutsch­land kon­zen­triert, denn GmbHs wur­den mit Un­ter­stüt­zung ge­flu­tet, weil je­mand im Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um über Mo­na­te nicht "Um­satz" von "Ge­winn" un­ter­schei­den konn­te. Über De­tails ha­be ich wie­der­holt ge­schrie­ben, ich scho­ne jetzt mei­ne Ner­ven. (Oben links ist eine Lu­pe zum Su­chen). 

Was hier hin­ge­hört: Wir So­lo-Selbst­än­di­gen wur­den im Re­gen ste­hen­ge­las­sen. Et­li­che von uns durf­ten die Not­hil­fen so­gar zu­rück­zah­len.

Ich ha­be deut­sche Kol­leg:in­nen, die ha­ben mit­ten im Som­mer eine Auf­for­de­rung da­zu be­kom­men, jetzt, fünf Jah­re spä­ter, mit ei­ner Frist von zwei Wo­chen, das Geld zu­rück­zu­zah­len, ob­wohl es nach­weis­lich das Über­le­ben ge­ret­tet hat. (Mir wür­de für sol­che Ide­en die ... Fan­ta­sie feh­len.)

Das ha­ben an­de­re Län­der bes­ser und ge­rech­ter ge­macht. 

Die Zeit war echt übel. Net­to acht Mo­na­te mit Lock­downs, in der Wirk­lich­keit über zwei­ein­halb Jah­re mehr Stop als Go, denn die Ver­an­stal­tungs­wirt­schaft hat Vor­lauf­zei­ten von sechs bis 18 Mo­na­ten.

Vie­le aus den Bran­chen sind aus dem Be­ruf aus­ge­stie­gen. Ich ha­be lei­der kei­ne Zah­len. Der Nach­wuchs, der da­mals aus­stu­diert war, ist oft­mals gar nicht erst ein­ge­stie­gen. Man­che sind in die Fa­mi­lie ge­flüch­tet, an­de­re in Teil­zeit.

Für mich heißt es oh­ne­hin: durch­hal­ten! Was ich sonst kann, ha­ben Men­schen in Deutsch­land längst zum Pre­ka­ri­at ge­macht, Dan­ke, 90-er Jah­re!, als da wä­ren: Frei­er Jour­na­lis­mus, Hoch­schul­leh­re, Pro­duk­tions­lei­tung im Do­ku­men­tar­film. (Nur ei­ne Min­der­heit ver­dient hier gut, in der Re­gel die Ver­wal­tung und ei­ni­ge Zwölf­en­der.) Ko­misch, die­se Be­rei­che ha­ben mit In­for­ma­ti­on und der Pres­se- und Ge­dan­ken­frei­heit zu tun, dem Ver­mit­teln von Ana­ly­se­fä­hig­kei­ten und Wis­sens­bil­dung. Nein, ich glau­be hier nicht an Zu­fall. Die La­ge die­ser Bran­chen ist ernst.

Was ha­be ich sonst noch für Ta­len­te? Soll ich als Schnell­ler­ne­rin noch­mal stu­die­ren? Mei­ne "Ne­ben­zei­ten" sind der­zeit der Pfle­ge ge­wid­met. Ich muss wei­ter­pla­nen, da­mit ich spä­ter nicht in ein Loch fal­le, soll­ten an­de­re na­h- und al­lein­ste­hen­de, be­tag­te An­ge­hö­ri­ge mich nicht brau­chen müs­sen.

Wenn Sie hier schon län­ger mit­le­sen (oder Du mich gar per­sön­lich ken­nst): Any ideas?

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Illustration: pixlr.com (Zufallsfund)

Montag, 1. September 2025

Montagsschreibtisch (105)

Bon­jour und herz­lich will­kom­men auf den Sei­ten des ers­ten deut­schen Dol­met­scher­blogs aus dem In­ne­ren der Dol­mets­cher­ka­bi­ne! Hier schreibt ei­ne Dol­met­sche­rin für Deutsch und Fran­zö­sisch. Mei­ne Sprach­kennt­nis­se (au­ßer­dem Eng­lisch) trai­nie­re ich täg­lich, so­gar am Wo­chen­en­de.

Ges­tern war Floh­markt an­ge­sagt. Die Freun­din, an de­ren Stand ich auch ei­ni­ges ver­kau­fen durf­te, hat­te in der Nacht nicht gut ge­schla­fen, ih­re Eng­lisch­kennt­nis­se sa­ßen nicht so lo­cker wie sonst. Al­so ha­be ich dis­kret Wör­ter souf­fliert und auch schon mal ein Ver­kaufs­ge­spräch ge­dol­metscht.

Heu­te wie­der der mon­täg­li­che Blick auf den Schreib­tisch der Wo­che.

Uhren, die bis in die Viertelstunden unterschiedlich sind
Ein Bü­ro mit Welt­zeit­uh­ren aus Sicht der KI

⊗ Po­li­ti­scher Hin­ter­grund mit Zeit­ver­schie­bung (die Re­dak­ti­on sitzt in Ka­na­da)
Bau­bio­lo­gi­sche Woh­nungs­re­no­vie­rung in Schö­ne­berg (Dol­metsch­ter­min, Fort­set­zung)
⊗ Ler­nen, ler­nen, ler­nen (für kom­men­de De­le­ga­tions­rei­sen)
⊗ Öko­no­mi­sche Un­gleich­heit und Kli­ma­kri­se (Stu­die, Lexi­ken, Hin­ter­grün­de)
⊗ Kos­ten­vor­an­schlä­ge und Ter­min­pla­nung (Herbst 25)

Das wird in­ten­siv. Die Stu­die The Eco­no­mics of In­e­qua­li­ty and the En­vi­ron­ment wurde un­ter Be­tei­li­gung des „Pots­dam-In­sti­tut für Kli­ma­fol­gen­for­schung“ er­stellt. Ver­öf­fent­licht wur­de sie im Jour­nal of Eco­no­mic Li­te­ra­tu­re. Hier wur­de erst­mals um­fas­send ana­ly­siert, wie Um­welt­schutz und wirt­schaft­li­che Un­gleich­heit zu­sam­men­wir­ken.

Aus­gangs­punkt ist der Be­griff „so­zia­le Wohl­fahrt“, die sich aus Gü­tern, Frei­zeit und Um­welt­qua­li­tät speist. Um­welt­po­li­tik be­rührt da­mit nicht nur öko­lo­gi­sche, son­dern auch öko­no­mi­sche Fak­to­ren und wirkt sich un­ter­schied­lich auf Ar­me und Rei­che aus.

Die For­schen­den un­ter­su­chen drei Quer­ver­bin­dun­gen:
Nut­zen für In­di­vi­du­en: Är­me­re pro­fi­tie­ren stär­ker von ver­mie­de­nen Kli­ma­schä­den, da sie we­ni­ger in An­pas­sung in­ves­tie­ren kön­nen. Bes­se­re Um­welt­be­din­gun­gen stei­gern Ar­beits­pro­duk­ti­vi­tät, Löh­ne und Er­trä­ge, was so­zia­len Aus­gleich för­dern kann.

Kos­ten der Um­welt­po­li­tik: Hö­he­re Prei­se für Sprit oder Heiz­en­er­gie tref­fen eher Ar­me, wäh­rend Bran­chen­re­gu­lie­run­gen auch Löh­ne und Ka­pi­tal­ren­di­ten be­ein­flus­sen.

So­zia­le Flan­kie­rung: Ein ge­rin­ge­res Arm-Reich-Ge­fäl­le kann die Wirk­sam­keit der Kli­ma­po­li­tik stär­ken, al­ler­dings birgt das „Equi­ty-Pol­lu­ti­on-Di­lem­ma“ Ri­si­ken: Hö­he­res Ein­kom­men bei Ar­men kann auch den Kon­sum kli­ma­schäd­li­cher Gü­ter an­hei­zen. (Grund­sätz­lich ver­ur­sacht der reichs­te An­teil der Be­völ­ke­rung über­pro­por­tio­nal ho­he Um­welt­schä­den.)

Die Stu­die for­dert mehr em­pi­ri­sche Un­ter­su­chun­gen zu „Ein­kom­mens­e­las­ti­zi­tä­ten“ und ei­ne prä­zi­se­re Mes­sung der Um­welt­qua­li­tät. Nur wenn Um­welt und Un­gleich­heit ge­mein­sam be­trach­tet wer­den, lie­ßen sich wirk­sa­me po­li­ti­sche Stra­te­gi­en ent­wi­ckeln, so die Wis­sen­schaft­ler:in­nen.

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Il­lust­ra­ti­on: pixlr.com (Zu­falls­fund)