Mittwoch, 21. Mai 2025

KI und Buchmarkt

Was Dol­met­scherin­nen und Über­set­zerin­nen, Dol­met­scher und Über­set­zer um­treibt, wie wir ar­bei­ten, ist hier seit 2007 in lo­ser Fol­ge The­ma. Ich be­ob­ach­te da­ne­ben un­se­re Zeit sehr ge­nau. Heute ist wie­der KI-Mitt­woch!

Wir Sprach­ar­bei­ter:in­nen lei­den täg­lich dar­un­ter, dass man­che Nerds die KI als Al­lein­lö­sung ver­kau­fen. Die KI ist mit Über­setzen und Dol­met­schen na­tür­lich kom­plett über­for­dert. Die KI ist ein Tool, das manch­mal passt, nicht im­mer. Die wer­te Kund­schaft lässt ihre Pro­jek­te doch auch nicht von der CNC-Frä­se oh­ne Fach­men­schen um­set­zen oder di­gi­ta­les OP-Be­steck oh­ne Chi­rurg:in­nen, n'est-ce pas? Da­her war­ten wir die­ses Jahr auf die klei­nen Bom­ben, die los­ge­hen, wenn miss­bräuch­li­che KI-Nut­zung be­kannt wird.

Oft wer­den die Text­aus­wür­fe der KI mi­ni­mal von Men­schen be­ar­bei­tet, bei Auk­ti­ons­web­sei­ten für Bil­lig­ar­bei­ten prü­geln sich Men­schen oh­ne Ar­beit, in Aus­bil­dung oder frü­he­re Call­cen­ter-Mit­ar­bei­ter:in­nen aus dem Aus­land um die Jobs. Die Er­geb­nis­se sind am En­de nur ge­ring­fü­gig bes­ser, die Feh­ler fal­len oft nur Pro­fis auf, weil in der Re­gel der Aus­gangs­text beim Schleif­en kei­ne Rol­le mehr spielt. Ver­ges­sen wird hier, dass die KI In­hal­te auch er­fin­det, was Pro­fis "Hal­lu­zi­nie­ren" nen­nen. 

Dä­ne­mark zieht jetzt kla­re Gren­zen zwi­schen Über­set­zen und Nach­be­ar­bei­tung. Der eu­ro­pä­i­sche Dach­ver­band der Li­te­ra­tur­über­set­zer, CEATL, ver­mel­det ei­nen kla­ren Kurs der dä­ni­schen Ver­bän­de in Sa­chen ge­nau­er Be­zeich­nung von Sprach­ar­bei­ten: Wer ei­ne KI-Über­set­zung nur nach­be­ar­bei­tet, ist kei­ne Über­set­zer:in, so der Ver­band. 

Sommerspaß und Unterhaltung
Die Quel­le mit Links zu den dä­ni­schen Do­ku­men­ten fin­det sich hier: klick.

Un­ter­stüt­zung fin­den die Kol­leg:in­nen bei je­nen, die die Tex­te als ers­te ge­schrie­ben ha­ben, bei der dä­ni­schen Au­to­ren­ver­ei­ni­gung al­so. In ei­ner ge­mein­sa­men Er­klä­rung schrie­ben sie be­reits im April: "Ei­nige Men­schen ha­ben fälsch­li­cher­wei­se öf­fent­li­che Gel­der für Bü­cher er­hal­ten, in de­nen sie als Über­set­zer ge­nannt wur­den. In die­sen Fäl­len wur­de kei­ne ech­te Über­set­zungs­ar­beit ge­leis­tet, son­dern le­dig­lich be­reits ma­schi­nell über­setz­ter Text be­ar­bei­tet."

CEATL zu­fol­ge ha­ben die bei­den Ver­bän­de ge­mein­sam mit dem dä­ni­schen Ver­le­ger­ver­band ei­ne bran­chen­wei­te Ver­ein­ba­rung zur Nen­nung von Über­set­ze­rin­nen und KI-Lek­to­rin­nen ge­trof­fen. Sie ha­ben sich zu­dem an die dä­ni­sche Re­gie­rung ge­wandt, um recht­li­che Schrit­te ein­zu­lei­ten. Be­tont wur­de da­bei, dass die Nach­be­ar­bei­tung von KI-ge­ne­rier­ten Über­set­zun­gen nicht dem dä­ni­schen Ver­gü­tungs­recht für öf­fent­li­che Bi­blio­theks­aus­lei­hen (PLR) un­ter­liegt. Im Rah­men die­ser Re­ge­lung er­hal­ten ech­te Text­ar­bei­ter, aber auch Il­lus­tra­tor:in­nen und Kom­po­nist:in­nen für die öf­fent­li­che Aus­lei­he ih­rer Wer­ke durch Bi­blio­the­ken Tan­tie­men aus­ge­schüt­tet.

Für die Nach­be­ar­bei­tung von KI-Aus­wür­fen gibt es künf­tig kei­ne Ur­he­ber­rechts­ver­gü­tung für die Be­ar­bei­ter:in­nen mehr. Noch ein Punkt: "Die Nach­be­ar­bei­tung ma­schi­nell über­setz­ter Bü­cher darf nicht als Über­set­zung be­zeich­net wer­den."

Hier wird deutlich, dass es kla­rer Re­geln für KI im Ver­lags­we­sen bedarf, ins­be­son­de­re auf eu­ro­päi­scher Ebe­ne. Auch ei­ne Re­form des AI-Code of Prac­ti­ce  der EU wird an­ge­mahnt.

Buch­tipps für den Som­mer 25
Die­ses Ver­hal­ten ist nicht tech­no­phob, son­dern sprach­po­li­tisch zu ver­ste­hen, au­ßer­dem ken­nen Pro­fis "ih­re Pap­pen­hei­mer", rech­nen mit der oft frei­dre­hen­den KI.

Ach, hätte doch die Chicago Sun-Times, eine ge­mein­nüt­zi­ge Ta­ges­zei­tung aus Chi­ca­go, Il­li­nois, ih­re Tex­te bes­ser kon­trol­liert. Hier wur­de ChatGPT ge­nutzt, um Le­se­tipps für den Som­mer 2025 zu­sam­men­zu­stel­len. Ein frei­be­ruf­li­cher, ver­mut­lich schlecht­be­zahl­ter Journalist, er kam von ei­nem ex­ter­nen Zu­lie­fe­rer, so­wie die Re­dak­tion hat­ten ver­ges­sen, den Text zu prü­fen.

Auf der ver­öf­fent­lich­ten Lis­te ste­hen die Ti­tel le­ben­der Au­tor:in­nen, aber mehr als die Hälf­te der emp­foh­le­nen Bü­cher gibt es nicht, da­für ste­hen hier so­gar de­tail­lier­te Buch­be­schrei­bun­gen, dar­un­ter für die Ti­tel "Tide­wa­ter Dreams" (Ge­zei­ten­träu­me) von Isa­bel Al­len­de, ma­gi­scher Re­a­lis­mus meets Kli­ma­ka­tas­tro­phe, oder "The Last Al­go­rithm", der letz­te Al­go­rith­mus, von Andy Weir. Die Ti­tel sind kom­­plett von der KI hal­lu­zi­niert. Eine an­de­re Zei­tung, der Phi­la­del­phia In­qui­rer, hat­te die Son­der­aus­ga­be eben­falls un­ge­prüft über­nom­men. 

Der freie Au­tor darf nun nicht mehr für die Sun-Times bzw. die Zu­lie­fer­fir­ma ar­bei­ten. Die­ser Zu­lie­fe­rer er­klär­te, dass "un­se­re Mit­ar­bei­ter, Ka­ri­ka­tu­ris­ten, Ko­lum­nis­ten und frei­e Au­to­ren strikt ge­gen den Ein­satz von KI zur Er­stel­lung von In­hal­ten sind." Nun ja.

Die Chi­ca­go Sun-Times ist ein ge­mein­nüt­zi­ges Blatt, wird in­des nicht gra­tis aus­ge­lie­fert. Auf ei­ner Ex­tra­sei­te wid­met sich die Re­dak­tion des Vor­falls: klick. Dort steht der Kern­satz: "Wir be­fin­den uns in ei­ner Zeit gro­ßer Ver­än­de­run­gen in Jour­na­lis­mus und Tech­no­lo­gie, und zu­gleich steht un­se­re Bran­che wei­ter­hin wirt­schaft­li­chen Pro­ble­men ge­gen­über. Dies soll­te ein lehr­rei­cher Mo­ment für al­le jour­na­lis­ti­schen Un­ter­neh­men sein: Un­se­re Ar­beit wird ge­schätzt, und sie ist wert­voll, we­gen der Men­schen, die da­hin­ter ste­hen."  Hoffen wir das Bes­te. Denn es schim­mert ein Ge­schäfts­mo­dell durch: Im­mer häu­fi­ger se­hen sich Me­di­en als Ver­käu­fer von Wer­bung, die In­hal­te sind we­ni­ger wich­tig. Der größ­te Mei­nungs­ma­cher Deutsch­lands, der Kon­zern um die BLÖD-Zei­tung, macht es vor. Hier ist Re­gu­lie­rung wich­tig. Auch, was die Ein­hal­tung jour­na­lis­ti­scher Stan­dards an­geht. 

NO­TIZ: Frü­her war ich Jour­na­lis­tin, bis heu­te prü­fe ich mei­ne Quel­len gründ­lich.

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Il­lus­tra­tio­nen: Chi­ca­go Sun-Times
(In ein 2. Fens­ter ge­la­den, las­sen sie 
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2 Kommentare:

Vega hat gesagt…

Schon krass, wohin Zeitdruck, Sparmaßnahmen und Personalmangel infolge der Unterbezahlung führen. Ich finde es fragwürdig, dass jetzt der freie Autor, der obendrein nicht einmal bei der Redaktion selbst angestellt war, als Bauernopfer herhalten muss. Wo bleibt die Redaktion in der Verantwortungskette? Ein kurzes Gegenlesen hätte genügt, um die erfundenen Buchtitel zu entlarven.

Und dann, avanti dillettanti und heraus mit der Doppelmoral: Die Agentur gibt sich betont anti-KI, aber hat mindestens einen KI-Text durchgewunken. Es folgt die rührselige Selbstreflexion über die „wertvolle Arbeit von Menschen“, während sie gerade diese Arbeit mit Füßen tritt.
Der Spagat zwischen journalistischem Anspruch und wirtschaftlichem Überlebenskampf ist für viele Medien riesig, da die obersten Ebenen nicht auf ihre gewohnt hohen Einkommen und Dividenden verzichten möchten. Wie einfach da Blendwerk durchrutscht, im Namen von Effizienz, Fortschritt oder angeblicher Innovationsfreude, ist ein echtes Problem.
Gruß, B.

Anonym hat gesagt…

So isses leider, liebe Bine. Besonders krass finde ich, dass die populistischen Lügen, die manche Parteien seit Jahren bringen, um die Politik und die Stimmung im Land ins Kippen zu bringen, sogar in den Öffentlich-Rechtlichen ungeprüft verwendet werden (bzw. nicht als Zitat kenntlich gemacht). Das schüttet noch mehr Öl ins Feuer der Populisten und anderer Parteien, die von deren Stimmzuwächsten träumen. Berufsethik müssen wir gesamtgesellschaftlich diskutieren, aber mit Fakten, nicht mit Meinungen. Gruß, c