Dienstag, 26. November 2024

Kipppunkt Kultur

Wei­ter im Text mit die­ser aty­pi­schen Wo­che. Als Sprach­ar­bei­te­rin be­rich­te ich hier über Le­ben und Ar­bei­ten der Dol­met­scher und Über­set­ze­rin­nen (und des je­wei­lig an­ders­ge­schlecht­li­chen Pen­dants). Ge­stern muss­te ich kurz­fris­tig ins Kran­ken­haus, und zwar zum Dol­met­schen. Mut­ter und Kind sind wohl­auf! Mehr ist dazu nicht zu sa­gen. "Ge­sund­heit­lich" be­droht sind in der Haupt­stadt ganz an­de­re ...

Ein­spa­run­gen im Kul­tur­be­reich ste­hen im Ber­li­ner Ab­ge­ord­ne­ten­haus heu­te auf dem Pro­gramm. Leu­te, bit­te lasst das sein! 

Richard Müller, Berlin, 1901 (beim No­ten­stu­dium)
So­was ist kom­plett kon­tra­pro­duk­tiv! Die Kul­tur­or­te sind voll (als pfle­gen­de An­ge­hö­ri­ge su­che ich oft ge­nug Last-Minute-Kar­ten). Ich weiß es auch als Sprach­kul­tur­schaf­fen­de. Un­se­re Ho­no­ra­re stag­nie­ren seit lan­gem, wur­den zwi­schen­durch ein we­nig er­höht, man­che Häu­ser ha­ben sie be­reits ge­kürzt, und das in Zei­ten ex­plo­die­ren­der Prei­se.
Denn die Kul­tur­ein­rich­tun­gen ha­ben ho­he Fix­kos­ten.

Das meis­te Geld ist dau­er­haft ver­plant, für Ge­bäu­de, Ge­häl­ter, Ener­gie, Ver­si­che­run­gen und Be­triebs­mit­tel, al­les wird teu­rer. Wenn dann 20, 25 Pro­zent des Bud­gets fürs Pro­gramm zur Ver­fü­gung steht, stel­len mi­nus zwölf Pro­zent in man­chen Häu­sern al­les in­fra­ge.

Ein kul­tu­rell to­tes Ber­lin zieht am En­de we­ni­ger Tou­ris­ten an, und Tou­ris­mus steht in der Lis­te der Haupt­stadt­wirt­schaft an ers­ter Stel­le, noch vor Bil­dung, Po­li­tik, Lob­by­ing. Hier wird in Ber­lin Um­satz ge­macht. Kul­tur ist zu­dem der Ort, an dem Zu­sam­men­halt ge­schaf­fen wird, hier wer­den Wer­te dis­ku­tiert, die De­mo­kra­tie ge­fes­tigt. Denkt an die 1920-er Jah­re! Die Kul­tur tot­zu­spa­ren ist ein Selbst­mord auf Ra­ten.

Ich kann nur das bes­te Zi­tat brin­gen, das ich in dem Kon­text ge­hört ha­be, es stammt von Re­gis­seur Bar­rie Kos­ky: "Ber­lin oh­ne Kul­tur ist nur Bie­le­feld mit big buil­dings." 

Das Ge­gen­teil von Kür­zun­gen tut drin­gend not. Mu­sik war ge­stern schon ein Stich­wort, denn Mu­sik­bil­dung ist die bes­te Grund­la­ge fürs Spra­chen­ler­nen.

Deutsch­land und die die EU soll­ten drin­gend neue För­de­rungen auf­legen, und zwar die För­de­rung der eu­ro­pa­weiten Mu­sik­aus­bil­dung, ge­rade und be­son­ders jetzt in der Ära der Mul­ti­krisen. Mu­sik för­dert in den Schu­len die bes­ten Ei­gen­schaf­ten: Fleiß, Hin­hö­ren, Ko­o­pe­ra­tion, Selbst­kon­trol­le (üben!), Kon­zen­tra­tion. Das ist man von et­li­chen Mo­dell­ver­su­chen be­kannt, bei de­nen in Pro­blem­vier­teln ech­ter In­stru­men­tal- und Or­ches­ter­un­ter­richt ein­ge­führt wor­den ist.

Miau / Miaou ... Katzen mit Sprechblasen
... oder soll'n wir bald nur noch
Kat­zen­kon­zer­ten lau­schen?
Das ist von et­li­chen Mo­dell­ver­suchen be­kannt, bei de­nen in Schu­len von Prob­lem­vier­teln ech­ter Ins­tru­men­tal- und Or­ches­ter­un­ter­richt ein­ge­führt wor­den ist. Mu­sik ist cha­rak­ter­bil­dend, schult das Ge­hör, schenkt Men­schen eine sinn­vol­le Frei­zeit­be­schäf­ti­gung und macht meis­tens nur we­nig kli­ma­schäd­li­che En­er­gie nö­tig, au­ßer­dem ist sie Tra­di­tions­pfle­ge (und da­mit Iden­ti­fi­ka­tion) pur.

Stoppt die Ber­li­ner Kür­zungs­wut mit dem Ra­sen­mä­her (und mit einem Schwer­punkt auf Ju­gend­kul­tur­an­ge­bo­te)! Geht in die Of­fen­sive, in die eu­ro­pä­ische Mu­sik­of­fen­sive! Mu­sik ist zu­dem frie­dens­stif­tend. Böse Men­schen ken­nen kei­ne Lie­der.


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Il­lus­tra­tio­nen: Frank­fur­ter Buch­mes­se (2017), Gast-
land Frank­reich, Wett­be­werb für jun­ge Ge­stal­ter, o.N.,
so­wie Fo­to­ar­chiv Elias Los­sow

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