Freitag, 22. November 2024

Artikel in der ZEIT

Hier ver­öf­fent­li­che ich als Sprach­ar­bei­te­rin Epi­so­den aus dem All­tag der Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen. Neulich habe ich eine Jour­na­lis­tin ge­trof­fen und mit ihr über den Be­ruf in Zeiten der KI ge­spro­chen.

Weil mich die Nut­zung neu­es­ter Technik in­te­res­siert, woll­te ich neu­lich auf ei­ne Land­wirt­schafts­mes­se fah­ren, auf der "Si­mul­tan­über­set­zung" an­ge­bo­ten wer­den soll­te, al­so ir­gend­was Schnel­les in Schrift­form. Sie­he die Un­ter­schrift die­ses Blogs, zu­sätz­lich ver­weist der Begriff "si­mul­tan" in mei­ner Bran­che aufs Dol­met­schen. An­ge­bo­ten wur­de tat­säch­lich ei­ne KI-un­ter­stütz­te "schnel­le" Über­tra­gung in Text­form. Beim Bu­chen ha­be ich dann be­merkt, dass die­ses An­ge­bot nicht mehr auf der Web­sei­te stand, es war durch "Si­mul­tan­dol­met­schen" er­setzt wor­den. Huch, es gab bei der Wun­der­lö­sung doch nicht et­wa Qua­li­täts­pro­ble­me?

Kopf, Hirn, Verschaltungen
Menschmaschine oder Maschinenmensch?
Die Jour­na­lis­tin, mit der ich im Aus­tausch war, heißt Lou­isa Ja­cobs. Sie ar­bei­tet für die Wo­chen­zei­tung DIE ZEIT und hat aus un­se­ren und wei­te­ren Ge­sprä­chen ei­nen span­nen­den Ar­ti­kel ge­macht, der ges­tern on­line ver­öf­fent­licht wurde (Link).

Der Artikel por­trä­tiert auch eine Na­tur­il­lus­tra­to­rin, die eben­falls spürt, wie die KI der­zeit ih­ren Mar­kt ver­än­dert.

Meine Ar­gu­men­te, die im Ar­ti­kel ste­hen, kön­nen Sie hier seit Mo­na­ten mit­le­sen.

In­te­res­sant, dass die An­bie­ter sol­cher "Wun­der­ma­schi­nen", wie sie oben be­schrie­ben wur­den, keine Pres­se ha­ben möch­ten. Da­bei klingt de­ren Selbst­dar­stel­lung doch so traum­haft of­fen und so wun­der­voll in­klu­siv! Die DLG er­rei­che, Zi­tat: "... auf ih­ren Mes­sen dank Trans­krip­tion und Über­set­zung mit 'trans­crib­byAI' der Deut­sche Te­le­kom MMS ein noch grö­ße­res Pu­bli­kum. Der KI-Si­mul­tan­über­set­zer der Te­le­kom-Toch­ter kann Spra­che in Echt­zeit er­fas­sen, ver­ar­bei­ten und in mehr als 100 Spra­chen über­set­zen und för­dert so die In­klu­sion von Men­schen mit Seh- und Hör­be­hin­de­run­gen."

Als wä­ren Men­schen mit kör­per­li­chen Ein­schrän­kun­gen der Mo­tor für die­se Ent­wick­lun­gen! Es geht um ganz an­de­re Din­ge.

Grund­sätz­lich wer­den neue tech­ni­sche Ent­wick­lun­gen ger­ne über­schätzt. Ei­ne gro­ße Tech­nik­gläu­big­keit hat das Land seit Jahr­zehn­ten fest im Griff. (Huch, Atom­kraft macht ge­fähr­li­chen Müll? Ach, klä­ren wir spä­ter!) Aus dem ge­schön­ten Blick ent­steht ein Hype, die Wer­bung kommt noch oben­drauf. Letz­te­re sug­ge­riert, dass die KI so gut wie Men­schen "ar­bei­ten" könn­te ... oder so­gar bes­ser. Dann geht's schief und Men­schen wer­den an­ge­heu­ert, die hin­ter­her auf­räu­men müs­sen. Am En­de lo­ben alle ein­an­der selbst: "Wir sind in­no­va­tiv", "Wir ge­ben Tech­nik eine Chan­ce", "Wir be­rei­ten die Zu­kunft vor", sogar dann, wenn die Rech­nung am Ende teu­rer war. (Dass hier vor al­lem Män­ner den Mehr­wert ein­ste­cken, habe ich hier be­schrie­ben: klick.)

Die Kol­la­te­ral­schä­den, das Nicht­ver­ste­hen, die Nicht­kom­mu­ni­ka­ti­on, feh­len­de Rück­fra­gen und die Frus­tra­ti­on des Pu­bli­kums, wer­den aus­ge­blen­det und rasch aus­ge­bucht. Kund:­in­nen schei­nen nur dann wich­tig zu sein, wenn sie sich be­schwe­ren. Ich kann da­her al­le nur zu Rück­mel­dun­gen er­mu­ti­gen!

Es ist schon lan­ge ein Teil un­se­rer Grund­in­for­ma­tio­nen an po­ten­zi­el­le Kund:in­nen, dass sie sich auch Zeit für die Er­geb­nis­se (der Über­set­zungs- oder Dol­met­scher­ar­beit) nehmen und ein Ge­spür für Qua­li­tät ent­wi­ckeln sollten. Sonst wird immer wieder das­sel­be Set­ting be­müht und es gibt keine po­si­ti­ve Ent­wick­lung. So ein Bei­spiel habe ich erst ges­tern wieder bei einer Film­pre­mie­re erlebt. Lei­der war da gro­ßes Fremd­schäm­po­ten­zi­al. Ich muss mich dann im­mer am Ses­sel fest­kral­len, um nicht auf die Büh­ne zu sprin­gen und zu dol­met­schen, oder ich ver­las­se den Raum. Was ich er­lei­den muss­te, hät­te in an­de­ren Zei­ten oder mit an­de­ren Be­tei­lig­ten so­gar ein An­lass für di­plo­ma­ti­schen Ärger sein kön­nen. Kei­ne De­tails!

Die­ser Ta­ge sitze ich viel in der Ka­bi­ne, kann da­her nicht wei­ter auf die Pu­bli­ka­ti­on und auf die zum Teil in­ter­es­san­ten Le­se­r:in­nen­kom­men­ta­re ein­ge­hen. (Hier hilft ein Pro­be­abo zu ei­nem Euro, wer die ZEIT nur ei­nen Mo­nat le­sen möch­te, kün­di­ge bei­zei­ten.) Was mich al­ler­dings über­rascht: Nur bei ge­fühlt 20 Pro­zent der Kom­men­ta­re geht es wirk­lich um den In­halt.

Ins Mark ge­trof­fen hat mich al­ler­dings die­ser Kom­men­tar: "Schei­ße be­zahlt und her­ab­las­send be­han­delt von Leu­ten ohne Ah­nung vom Job wurden wir ei­gent­lich schon immer. Da braucht es viel Arbeit, Auf­klä­rung und Durch­set­zungs­kraft, (um) sich ein Ge­schäfts­ver­hält­nis auf Augen­hö­he zu er­kämp­fen. Ge­hen Sie mal durch die Welt und den­ken Sie zwei­mal da­rü­ber nach, was ei­ne 'Il­lus­tra­ti­on' alles sein kann, wie sie im Detail ent­stan­den sein mag und wie oft am Tag sie Ihnen be­geg­net." So ist es. Die Er­geb­nis­se werden einfach so "ab­sor­biert", weil sie "leicht" er­schei­nen, ich ver­men­ge jetzt die Zu­mu­tun­gen, die die zu­sam­men mit mir por­trä­tier­te Il­lus­tra­to­rin Janine Sommer hören muss mit denen, die ich so erhalte: "Gemalt hab ich als Kind auch, das ist doch kein Beruf!", "Leben Sie Ihr Hobby doch in der Frei­zeit aus!", "Sie haben einmal die Sprache gelernt und können sie jetzt, warum ist Ihre Arbeit dann so teuer?", "Sie sind von Beruf Pa­pa­gei, wie?" ...

Her­ab­las­send auch das, Zi­tat aus dem Ar­ti­kel von Lou­isa: "Je nach­dem, in wie viele Sprachen über­setzt werden soll, kommen locker meh­re­re Zehn­tau­send Euro zu­sam­men, weiß der Ge­schäfts­füh­rer der Ver­an­stal­tungs­tech­nik­fir­ma Hotelco, Manuel Steffan. Seit An­fang des Jahres bietet er ein KI-Dol­metsch­sys­tem an. 'Stel­len Sie sich vor, ge­nau wäh­rend wir spre­chen, mache ich ge­ra­de die Ar­beit von acht Dol­met­schern. Ist das nicht geil?', fragt Stef­fan bei ei­nem ers­ten Te­le­fo­nat. Seine Be­geis­te­rung, so ver­si­chert er, gilt nicht der Tat­sa­che, dass acht Dol­met­scher er­setzt wer­den, son­dern al­lein der Tech­no­lo­gie. Un­ge­fähr 5.000 Eu­ro ver­lange er von sei­nen Kun­den für die An­wen­dung, je nach An­zahl der Spra­chen und der Dauer des Events. 'Die An­zahl der Spra­chen ist nach oben of­fen.'"

Und wir se­hen, es geht, wie immer, nicht um Tech­no­lo­gie, die Be­geis­te­rung ist Mit­tel zum Zweck, das In­klu­si­ons­ar­gu­ment eine per­fi­de Ne­bel­ker­ze. Es geht ums Geld, wie­der mal "Geiz ist geil" oder "Raff­ke sein ist geil", dabei gilt das Ge­gen­teil: "Geist ist geil". (Beim Ler­nen und in­tel­lek­tu­el­len Er­kennt­nis­sen wer­den im Hirn die glei­chen Are­ale an­ge­spro­chen wie beim Sex. Sagt das bit­te den Schü­le­rin­nen und Schü­lern.)

Wei­ter im ZEIT-Artikel: "Auf einem Li­ve­e­vent dür­fen Jour­na­lis­ten sich das Pro­dukt al­ler­dings nicht an­se­hen – we­der bei der Te­le­kom noch bei Ho­tel­co. Stef­fan gibt zu: 'Feh­ler­frei ist das na­tür­lich nicht. Die Qua­li­tät tech­no­lo­gi­scher Dol­met­scher­sys­te­me ist nicht auf dem Stand eines mensch­li­chen Dol­met­schers, das ist ganz klar.'"

... und dann schließt er, dass sich das alles bald än­dern kön­ne, bla und peng, mei­ne Ar­gu­men­te fin­den Sie oben links über die Such­funk­ti­on und den Be­griff "KI". Das äl­tes­te Buch über au­to­ma­ti­sches Über­set­zen mei­ner Samm­lung stammt aus dem Jahr 1959, und in ihm steht, dass von jetzt an au­to­ma­ti­sche Sprach­über­set­zung prak­tisch mög­lich" sei.

So, wei­ter­ler­nen. Mor­gen geht es (in­halt­lich) nach Af­ri­ka!

______________________________
Illustration: Pixlr.com (Zufallsfund)

Keine Kommentare: