Donnerstag, 21. November 2024

Bonjour

... und herz­lich will­kom­men auf mei­ner Blog­sei­te! Was Dol­met­scher und Dol­met­scherin­nen be­schäf­tigt, kön­nen Sie hier seit 2007 mit­le­sen. Das Jahr biegt lang­sam in die Ziel­ge­ra­de ein!

Herbstsaison
Dolmets­chen bei Kon­gres­sen, für den Po­li­tik­be­trieb, auf De­le­ga­tions­rei­sen, bei Werks­be­sich­ti­gun­gen, Hin­ter­grund­ge­sprä­chen oder Ver­wal­tungs­vor­gän­gen, in Kanz­lei oder Kran­ken­haus, un­se­re Ein­sät­ze sind über­aus viel­fäl­tig.

In den letz­ten Jah­ren sind wir im­mer öft­er auch online gefragt. Da diese Über­tra­gungs­art für alle an­stren­gen­der ist, klei­ne Mo­ni­tor­bil­der, ge­stauch­te und damit un­na­tür­liche Stim­men, Rau­schen oder Echos, sind die­se Ein­heiten meis­tens kür­zer als nor­ma­le Ein­sätze.
Zur Pla­nung Ihres Dol­metsch­be­darfs er­rei­chen Sie mich be­quem per Mail an ca­ro­line@adazylla.de. Da ich in Teil­zeit ei­ne An­ge­hö­ri­ge pfle­ge, bit­te ich um schrift­li­che Kon­takt­auf­nah­me.

Es gibt ke­ine Bü­ro­sprech­stun­den
Wir freu­en uns auf Ihre An­fra­ge!

Bit­te be­ach­ten Sie: Krea­ti­ve Tex­te über­tra­ge ich selbst nur ins Deut­sche; an­de­re Spra­chen deckt un­ser Netz­werk ab. Do­ku­men­te be­ar­bei­ten Kol­le­gin und Kol­le­ge au­ßer­halb Ber­lins (im Post­ver­kehr).

Da wir nicht nur Spra­char­bei­terin­nen und Sprach­ar­beiter sind, son­dern auch Men­schen, die be­ob­ach­ten und Ihre Epo­che do­ku­men­tieren, fin­den Sie auf den fol­gen­den Sei­ten mein mit­un­ter sub­jek­tiv ge­präg­tes Ar­beits­ta­ge­buch.

P.S.: Die­se Sei­te ist für die An­sicht im Web­lay­out op­ti­miert, weil sonst Text­pas­sa­gen hin­ter den Fo­tos ver­schwin­den.

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Fo­to: C.E.

Chat­ham House Rule

Ob rein zu­fäl­lig oder ge­plant: Sie sind hier mit­ten in ein di­gi­ta­les Ar­beits­ta­ge­buch hin­ein­ge­ra­ten, in dem es um Spra­che, Dol­met­schen, Über­set­zen und Kul­tu­ren geht. Als frei­be­ruf­li­che Sprach­mitt­le­rin ar­bei­te ich in Pa­ris, Ber­lin, Mar­burg und dort, wo ich ge­braucht wer­de. Ges­tern ha­be ich zum The­ma "Fol­gen der KI auf die Krea­tiv­wirt­schaft" ge­ar­bei­tet. 

Der Ter­min gestern be­stand aus einem Abend­pa­nel und ver­schie­de­nen Mee­tings tags­über, die mit der Chat­ham House Rule über­schrie­ben wa­ren. 

Durch die Glasscheiben hindurch: Computerfigur auf der Leinwand, darunter sitzen Menschen auf der Bühne.
POV der Dol­met­sche­rin
Das be­deu­tet, dass die Teil­neh­men­den frei sind, die dort er­fah­re­nen In­for­ma­tio­nen zu ver­wen­den, sie dür­fen in­des weder die Iden­ti­tät der Sprech­en­den noch ihre Zu­ge­hö­rig­keit zu Fir­men, Ver­wal­tun­gen oder In­te­res­sen­ver­tre­tun­gen preis­ge­ben.
Ich muss wei­ter nach­den­ken, bevor ich hier etwas zu­sam­men­fas­se, nicht zu­letzt, weil wir stra­te­gisch den­ken müs­sen. Was ich vor­ab sa­gen kann, ist, dass es um David ge­gen Go­li­ath geht, auf meh­re­ren Ebe­nen, und dass Ver­gü­tun­gen für krea­ti­ve Leis­tun­gen und das Ar­bei­ten mit Men­schen eine Grund­la­ge des Kul­tur­schaf­fens sind. Und dass wir unsere Kraft nicht un­ter­schät­zen dür­fen, vor al­lem nicht als eu­ro­pä­i­scher Kul­tur- und Wirt­schafts­raum.

Ich möch­te kurz an den Streik der dar­stel­len­den und schrei­ben­den Zün­fte Hol­ly­woods er­in­nern, der bis De­zem­ber 2023 ging; allein die Schau­spie­ler:in­nen ha­ben vier Mo­na­te bis zum Er­folg ge­streikt.

Die KI wur­de üb­ri­gens gestern auch ein­ge­setzt, nach dem Pro­ze­de­re der Da­ten­er­fas­sung hab ich eben ge­fragt und tra­ge es hier spä­ter nach.

Die The­men eines Pa­nels wur­den von ei­ner KI-Fi­gur "zu­sam­men­ge­fasst", die ei­nige Mi­nu­ten lang "ge­spro­chen" hat, dazu ein we­nig den Kopf und die Hän­de be­wegt, mit mo­no­to­ner Stim­me, al­les sehr sim­pel aus­ge­drückt und oh­ne diese char­man­ten Mo­men­te, die eine mensch­li­che Rede aus­macht. (Jetzt dür­fen Sie kurz in­ne­hal­ten und nach­den­ken, was ich mei­ne.)

Das Er­geb­nis war all­zu of­fen­sicht­lich: akus­tisch war al­les ver­ständ­lich und wohl auch voll­stän­dig, die mensch­li­chen Hir­ne konn­ten es aber nicht auf­neh­men. Nicht ei­nen ein­zi­gen Punkt der "Re­de" konn­ten meh­re­re im An­schluss Be­frag­te kurz da­nach oder zwei Stun­den wie­der­ge­ben.

Sechs, set­zen!

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Fo­to: C.E. (mein Point Of View)

Mittwoch, 20. November 2024

KI-Mittwoch

Aus dem Ar­beits­all­tag der Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen be­rich­te ich hier, ge­na­uer: Hier schreibt ei­ne Dol­met­sche­rin mit Mut­ter­spra­che Deutsch. Ich ar­bei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Schon wie­der Mitt­woch ...

... heu­te ak­tu­ell. Wir dol­met­schen am Nach­mit­tag und am Abend zu "KI und Krea­tiv­wirt­schaft". Der Vor­mit­tag ge­hört den al­ten und neu­en ...

Vo­ka­beln
DSGVO, Da­ten­schutz-Grund­ver­ord­nung — RGPD, rè­gle­ment gé­néral sur la pro­tec­tion des don­nées
deep fake — hy­per tru­ca­ge
Un­sicht­bar­ma­chung — risque d’in­vi­si­bi­li­té, in­vi­si­bi­li­ser
chatbot — a­gent con­ver­sa­tion­nel
chips — mi­cro­pro­ces­seurs, pu­ces élec­tro­ni­ques 

Ver­an­stal­tung auf An­mel­dung, meh­re­re Pa­nels


Nach­trag: Hier ein ers­ter Ein­druck vom Event: klick!

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Gra­fik: LA FRENCH TECH BER­LIN

Montag, 18. November 2024

Montagsschreibtisch (68)

Bien­ve­nue auf den Sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. Wie Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zer, Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, kön­nen Sie hier mit­le­sen. Mei­ne Spra­che sind Fran­zö­sisch und Eng­lisch (das Idi­om Shakes­peares nur als Aus­gangs­spra­che).

Computer, Licht auf dem Tisch, Notizzettel, angeschnitten: Rednerpult und Publikum
Mein sub­jek­ti­ver Blick heu­te
Blick auf den Mon­tags­schreib­tisch, der heu­te in ei­nem Ta­gungs­zen­trum steht. Wir ar­bei­ten mal wie­der out of the box (al­so im Kurz­ein­satz oh­ne Ka­bi­ne) für lang­jäh­ri­ge Kun­den­schaft.
Es geht um:
⊗ Kri­sen­be­ra­tung in der Land­wirt­schaft
Dann folgt in der Wo­che:
⊗ KI und Krea­ti­v­wirt­schaft
⊗ Ein Af­ri­ka­the­ma

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Fo­to: C.E.

Sonntag, 17. November 2024

Beim Barte des Propheten

Kom­mu­ni­ka­ti­on ist al­les. Von Be­rufs­we­gen kom­me ich schnell in Kon­takt. Das ist vor al­lem dann wich­tig, wenn ich mit mei­nen Ein­schrän­kun­gen um­ge­hen muss. Dass im Chi­ne­si­schen das Wort "Kri­se" mit dem Be­griff "Chan­ce" ver­wandt ist, leuch­tet mir ein. Aus mei­ner größ­ten Schwä­che ha­be ich mei­nen Be­ruf ge­macht.

Von Kin­des­bei­nen an lei­de ich an ei­ner Fehl­sich­tig­keit. In­zwi­schen ha­be ich fast mi­nus 20 Di­op­tri­en plus ei­nen As­tig­ma­tis­mus auf dem Zet­tel.

Vogelperspektive: Pins in verschiedenen Farben, mit denen Standorte auf der Landkarte markiert werden
Drauf­sicht: Re­gio­na­les Netz­werk­ar­beits­ma­te­ri­al
Und ich ha­be dar­aus et­was ge­macht: Ich ha­be die Fehl­sicht ein biss­chen kom­pen­sie­ren kön­nen, denn ich hö­re be­son­ders gut, auch Nu­an­cen, kann das Ge­hör­te ei­ni­ger­ma­ßen gut nach­bil­den, zu­min­dest im Fre­quenz­be­reich und mit den Lau­ten, die zu mei­nen Spra­chen ge­hö­ren.
Kurz: Aus der op­ti­schen Ein­schrän­kung ha­be ich mei­nen Be­ruf ge­macht. Als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin be­rich­te ich hier.

Und als sol­che muss ich oft zu Kon­fe­ren­zen und Ta­gun­gen fah­ren. Mei­ne bes­te Mit­fahrsto­ry ever ha­be ich heu­te er­lebt: Ich klet­te­re zur bes­ten Kaf­fee- und Ku­chen-Zeit, die Nacht ent­zieht dem Tag schon deut­lich spür­bar das Licht, ir­gend­wo in der Pam­pa mit mei­nem Köf­fer­chen aus dem über­vol­len, lau­ten Re­gio­nal­zug. Ei­ne mehr­tä­gi­ge Ver­an­stal­tung steht an. Ich weiß, dass das Ta­gungs­haus ei­nen bis 1,3 Ki­lo­me­ter vom Bahn­hof ent­fernt liegt. Ich bin ein we­nig mü­de von der Rei­se. Mit mir stei­gen zwei Leu­te aus, ein Mann, ei­ne Frau, auch mit klei­nem Ge­päck.

Wir se­hen ein­an­der an. Ich läch­le und fra­ge sie, ob sie auch zur Ta­gung fah­ren. (Hin­ter­ge­dan­ke: Mit mei­nen schlech­ten Au­gen dro­hen Um­we­ge, ich bin nacht­blind, im Team mit Se­hen­den ist der Weg leich­ter zu fin­den, ich müss­te mich dann al­so nicht ver­lau­fen.)

Die bei­den: Nee, wir kom­men ge­ra­de von ei­ner Ta­gung, sind auf dem Weg nach Hau­se.
Ich: War's denn span­nend?
Antwort: Ja, es ging um das Le­ben ei­nes Pro­phe­ten.
Ich: Um wel­chen denn? (Ich den­ke an E­lia.)
Die Ant­wort ist: E­lia.
Ich: Sie wer­den es nicht glau­ben, aber mei­ne Fa­mi­lie heißt so, E­li­as.

Die bei­den la­chen her­zlich. Dann tuscheln sie kurz und sa­gen: Sie wol­len ins e­van­ge­li­sche Ta­gungs­zen­trum hier im Ort? Wir fah­ren sie schnell hin!

Ge­sagt, ge­tan. Vie­len Dank, E­va und Vol­ker! Um fünf schließt im Ta­gungs­haus die Ka­ffee-und-Ku­chen-The­ke. Ich ha­be ge­ra­de noch was be­kom­men!

Freitag, 15. November 2024

Throwback thursday (3)

Bonjour und hal­lo! Hier bloggt ei­ne Sprach­ar­bei­te­rin. Wie le­ben und ar­bei­ten wir Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen, wie woh­nen wir? Hier ein kur­zer Ein­blick auf Neu­kölln und die Avant­gar­de, im Rah­men des Throw­back thurs­day: Am Don­ners­tag rei­sen wir ger­ne mal et­was in der Zeit, denn ich sehe beim Blick zu­rück auf al­te Blog­sei­ten ei­nen Trend, der bleibt.

Über Vin­tage habe ich schon 2017 ge­schrie­ben. So wird der ge­brauch­te Chic al­ter Zei­ten ge­nannt, so­wie ein Stil zwi­schen Prag­ma­tis­mus, Geld­knapp­heit und dem öko­lo­gi­schen Ge­dan­ken, die Rest­nut­zungs­dau­er von Ob­jek­ten zu ver­län­gern.

Al­ter Ober­schrank mit Glä­sern und Tas­sen, da­run­ter Obst, Es­sig, Öl, Mör­ser für die Ge­wür­ze
Das Licht ist noch pro­vi­so­risch.
Vin­tage ist et­wa mei­ne al­te, me­cha­ni­sche Arm­band­uhr mit neu­em Ka­ra­bi­ner oder aber der al­te Kü­chen­ober­schrank, der blei­ben darf, wäh­rend das Buf­fet vis-à-vis mit dem Ori­gi­nal­an­strich von 1950 bald wei­ter­wan­dern darf. Un­se­re Kü­che schritt­wei­se um­ge­stal­tet, bleibt je­doch im glei­chen Stil er­hal­ten. Wir op­ti­mie­ren den Stau­raum. Zu­gleich soll al­les luf­ti­ger, leich­ter, visu­ell ru­hi­ger wer­den. (Klas­si­sches Co­coo­ning in Kri­sen­zei­ten by the way.)
Kü­chen ha­ben für vie­le bis heu­te ei­nen ho­hen Dis­tink­tions­wert. Ich er­in­ne­re mich mit Grau­sen an ei­ne De­si­gner­kü­che zum Preis ei­ner klei­nen Woh­nung, ge­se­hen bei der Ab­nah­me von Räu­men zu­sam­men mit ei­nem (ver­meint­li­chen) Re­lo­cation­kun­den.

In den po­ten­zi­el­len Woh­nun­gen an­de­rer Pri­vat­kun­den so­wie für Ge­flüch­te­te fal­len mir oft ab­ge­rock­te Kauf­haus­kü­chen auf, für die ei­ne nicht er­klär­bar ho­he Ab­lö­se­sum­me ge­for­dert wird. Und noch im Jahr 2023 ha­ben laut Sta­tis­ta die Ver­brau­che­rin­nen und Ver­brau­cher Auf­trä­ge für die Ein­rich­tung von Neu­kü­chen im Wert von durch­schnitt­lich rund 11.300 Eu­ro ver­ge­ben. Geld ist al­so bei vie­len da.

Bei uns zählt Ge­müt­lich­keit. Die klei­ne Kü­che in­klu­si­ve Sitz­ecke hat we­ni­ger als 3000 Euro ge­kos­tet, et­li­ches ist ge­erbt oder er­trö­delt, das meis­te Geld ging in lang­le­bi­ge wei­ße Wa­re. Grund­sätz­lich be­ob­ach­te ich in Ber­lin ei­nen neu­en wert­kon­ser­va­ti­ven Post­ma­te­ri­a­lis­mus. We­ni­ger ist mehr, das von gu­ter Qua­li­tät, da­zu ger­ne der Rück­griff auf Be­währ­tes.

Ganz frü­her hieß Vin­tage ein­fach „Floh­markt­krem­pel“ oder „Trö­del­wa­re“. Dass im­mer mehr Men­schen ih­re Be­dürf­nis­se aus öko­no­mi­schen oder prak­ti­schen Grün­den auf Pa­ral­lel­märk­ten de­cken, ist auch ei­ne Ant­wort auf die Kri­sen. Das vor­han­de­ne Geld wird sinn­voll in­ves­tiert, da­ne­ben wer­den Rück­la­gen ge­bil­det für das, was kommt und Angst macht.

Wir ha­ben ein Wirt­schafts­sys­tem, das in sei­nen Eck­da­ten die­ses Ver­hal­ten kaum ab­bil­det, da­bei wä­re das glei­cher­ma­ßen aus öko­no­mi­schen wie öko­lo­gi­schen Grün­den wich­tig. Wir brau­chen an vie­len Stel­len den Rück­griff auf Alt­be­währ­tes, z.B. im Na­tur­schutz, da­ne­ben ei­ne Mo­der­ni­sie­rung un­se­rer Sys­te­me und kei­nen Rück­schritt in eine ver­meint­lich gu­te al­te Zeit, die es nie ge­ge­ben hat.

Ein bö­ser po­li­ti­scher Witz sei mir heu­te als Raus­schmei­ßer er­laubt, une fois n'est pas coutume, ein­mal ist kein­mal. Ich lie­be als Dol­met­sche­rin nun mal Sprach­wit­ze: „War­um fin­det die Bun­des­tags­wahl im Fe­bru­ar statt?“ — „Weil da­nach Merz kommt.“

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Foto: C.E.

Mittwoch, 13. November 2024

Mittelmaß

Hier ver­öf­fent­licht eine Sprach­ar­bei­te­rin Epi­so­den aus dem All­tag der Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen. Heute, so schreibt mir eine Kol­le­gin, die imm­er wie­der mal ano­nym zum Blog bei­trägt, vor al­lem in mei­ner Long Co­vid-Pha­se, dass heute der bun­des­wei­te Tag des Blog­gens in Deutsch­land sei.

Mikro, Buch (Wissen), Kopfhörer, Preis, Qualität, Netzwerkarbeit, Hintergrundmaterial ...
Dolmetschen ist kein Buch mit sieben Siegeln
Ein Blog sei der­ma­ßen "Ge­ne­ra­tion X", meinte dazu neu­lich meine Ex-Prak­ti­kan­tin, und sie fra­gte, wann ich end­lich mit einem Pod­cast an­fan­gen würde. Na­ja, reden kann ich (Sprech­pro­ben kom­men dem­nächst hier auch, wird mal Zeit), aber mein Kopf denkt gut beim Schrei­ben nach, und oft kne­te ich hier The­men durch, wäh­rend ich sie mir fürs Dol­met­schen an­ei­gne.

Da­her ist der Blog ge­wis­ser­ma­ßen ein "Bei­pro­dukt", das auch noch von der Viel­falt mei­ner Ein­sätze be­rich­tet.

Noch bin ich bei Blogspot.com, kann das Lay­out aber seit Jah­ren nicht mehr ver­än­dern, al­les ist ein­ge­fro­ren. Ich schätze, dass nie­mand seit­ens des An­bie­ters mit einem längeren Nut­zungs­zeit­raum ge­rech­net hat. Die KI könnte das mal re­pa­rie­ren! Ich fürch­te, 2025 muss ich um­zie­hen. Und eine klei­ne Pod­cast-Un­ter­seite ein­führen. Bis da­hin muss Chat­GPT hier un­sicht­ba­re Sil­ben­trennz­ei­chen ein­fü­gen.

Schluss mit dem Par­lan­do! Heute ist Mitt­woch, und in der Mit­te der Woche schaue ich gerne nach, was die KI so an Blü­ten in mei­ner Bran­che treibt.

Ei­gent­lich müsste ich näch­ste Woche zu ei­nem Event der Deut­schen Land­wirt­schafts-Ge­sell­schaft (DLG) rei­sen um ei­nen KI-Ein­satz zu do­ku­men­tie­ren. Die Te­le­kom ist dort ak­tiv, und sie heftet sich selbst die Me­dail­len für In­no­va­tion und In­klu­sion an. Sau­ber, sau­ber!

Al­lein: Das An­bie­ten der Ma­schi­ne ohne mensch­liche Fach­kom­pe­tenz da­hinter ist eine Chi­märe. Tech­nik­nerds ver­su­chen uns glau­ben zu machen, dass Al­go­rith­men das Ge­spür und die Tie­fe mensch­licher Ex­per­tise er­set­zen könn­ten. Es ist ganz so, als wür­den wir ein Met­ro­nom als Di­ri­gen­ten fei­ern: prä­zi­se, ja, aber oh­ne den Hauch von Le­ben, Wis­sen und "In­ter­pre­ta­tion", die echte Meis­ter­schaft aus­ma­chen.

[Ab die­sem Ab­satz, ge­nau­er: ab dem Wort Ur­he­ber­recht, hat sich die KI ge­wei­gert, den Text mit Sil­ben­trenn­zei­chen zu ver­se­hen, siehe mein P.S. unten!]

Dazu ist es wich­tig zu wis­sen, wie die KI ar­bei­tet. Sie greift auf riesige Men­gen ori­gi­na­ler und über­setz­ter Text­frag­men­te im Inter­net zu­rück, die übri­gens Ur­he­ber­rech­ten un­ter­lie­gen, wor­über sich die KI-Fir­men hin­weg­set­zen, und ana­ly­siert dann For­men und Mus­ter. Ohne Kon­text und Vor­wis­sen sind in­des Feh­ler pro­gram­miert. Denn die Ma­schi­ne spuckt jene Wör­ter aus, die sta­tis­tisch am wahr­schein­lichs­ten auf an­de­re Be­grif­fe fol­gen wür­den. Kurz: Die KI friert das ma­the­ma­tische Mit­tel ein, und wer als Mensch "Mit­tel..." hört, denkt "Mit­tel­maß", was hier lei­der all­zu sehr stimmt, denn das ist zu­gleich auch der Maß­stab.

Die Te­le­kom nennt das auf ei­ner an­de­ren Sei­te
so­gar kri­tisch "Fast Food-Wis­sen". Und ja, oft klingen die KI-Er­geb­nis­se stel­len­wei­se gut, was das Ge­genl­e­sen üb­ri­gens er­schwert.

Fast Food Wissen: Was so eloquent klingt, muss richtig sein
Nur 48 Pro­zent der Nut­ze­r:in­nen prü­fen ge­le­gent­lich, ob KI-Ant­wor­ten stim­men






Die Te­le­kom ist ein gro­ßes Haus mit ver­schie­dens­ten Men­schen und Mei­nun­gen. Was in dem oben ver­link­ten Bei­trag wei­ter un­ten steht, kann ich nur un­ter­strei­chen. Ich zi­tie­re: "Der As­pekt, KI-Er­geb­nis­se nicht kri­tik­los hin­zu­neh­men, soll­te ex­pli­zit be­han­delt wer­den. Sonst könn­ten die­se Syste­me so­gar ei­ne Ge­fahr für die De­mo­kra­tie wer­den."

Re­gel­mä­ßig darf ich im Rah­men der Her­stel­lung von Re­por­ta­gen und Do­ku­men­tar­fil­men Zi­ta­te vor­aus­wäh­len, die ge­dreh­tem Ma­te­ri­al ent­nom­men wer­den. Da­bei wird von der Film­schnitt­soft­wa­re mit KI-Hil­fe ei­ne Trans­kri­p­ti­on mit Zeit­stem­pel (Time­codes) an­ge­fer­tigt. Hier sind al­ler­dings oft nicht nur et­li­che Be­grif­fe, son­dern auch die Satz­zei­chen falsch, was die Be­zü­ge der In­hal­te zu­ein­an­der ver­fälscht, bei über­lap­pen­den Spre­cher:­in­nen ver­sagt das Sys­tem auch. Was dann "au­to­ma­tisch" in die Ziel­spra­che über­tra­gen wird, ist oft un­ter­halt­samer Murks. (Das gilt auch für ge­tipp­te Tex­te, hier und hier.)

Auch Dol­met­schen ist weit mehr als der schlich­te Wort-für-Wort-Aus­tausch. Wir ver­mit­tel­n In­hal­te. Die­se Ar­beit er­for­dert Ver­ständ­nis für Hin­ter­grün­de und kul­tu­rel­le Fein­hei­ten, die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ab­sicht muss be­kannt sein, eben­so die Er­war­tun­gen und bes­ten­falls auch die Vor­kennt­nis­se der Zu­hö­ren­den. We­sent­lich auch: Welt­kennt­nis und Em­pa­thie, die es uns hel­fen, die In­for­ma­ti­o­nen rich­tig ein­zu­ord­nen. Al­les das kön­nen die Bits & Bytes nicht leis­ten, es sind kal­te Ma­schi­nen oh­ne jeg­li­che Le­bens­er­fah­rung und Vor­wis­sen — Letz­te­res lässt sich auch nicht si­mu­lie­ren.

Ger­ne wür­de ich bei dem Land­wirt­schafts­e­vent Mäu­schen spie­len. Iro­nie, Schnell­spre­cher, wil­de Ak­zen­te und ver­än­der­ter Ab­stand zum Mi­kro­fon, Rück­fra­gen, schnel­le Spre­cher­wech­sel und der­lei brin­gen das Sys­tem erst recht aus dem Takt. Die KI weiß das üb­ri­gens selbst, wie ich im Au­gust be­rich­ten durf­te.

Ich ho­ffe im­mer auf kri­tische Mes­se­be­su­che­rin­nen und -be­su­cher, die für ih­re Ein­tritts­gel­der auch Qua­li­tät for­dern! Ach, und da heu­te auch der World Kind­ness Day sein soll, der Welt-Freund­lich­keits­tag, em­pfeh­le ich mich jetzt rasch und bre­che auf zu ei­ner gu­ten Tat.

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Bil­der: www.pixlr.com (be­ar-
bei­tet); Te­le­kom

P.S. zu "Mittelmaß"

Aus dem Ar­beits­all­tag der Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen be­rich­te ich hier, ge­nau­er: Hier schreibt ei­ne Dol­met­sche­rin mit Mut­ter­spra­che Deutsch. Ich ar­bei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Beim Blog­gen er­le­be ich so man­che Über­ra­schung.

Vor­hin ha­be ich für den Text von heu­te mal wie­der Chat­GPT ge­be­ten, Sil­bent­renn­zei­chen in den Text ein­zu­fü­gen, denn da ich ja das Lay­out mei­nes Blogs nicht mehr än­dern kann, fehlt auch der Zu­griff auf den Code, in den ich das nach­tra­gen könn­te. Und dann än­dert Chat­GPT mei­nen Blog­text.

Ers­ter Kas­ten mit Text im Bild: Die KI pa­u­sie­rt plötz­lich und lie­fert mir die­se Zei­len. Spooky, wenn die „Mos­chi­ne“ (die Tipp­feh­ler sind so im Ori­gi­nal) sich „sel­bst“ zu Wort mel­det, zum Teil mit merk­wür­di­ger Aus­drucks­wei­se. Aber es ist zu er­ah­nen, was sie „meint“ (An­strei­­chun­gen von mir).

Zwei­ter Kas­ten mit Text im Bild: Ich ha­be später am Abend die KI auf ihre feh­ler­be­haf­tete Über­grif­fig­keit hin­ge­wie­sen und ei­ne Ent­schul­di­gung er­hal­ten. Ich bat sie auch um "Er­klä­rung" ih­rer leicht kryp­ti­schen Aus­füh­run­gen.

Zitat: Die KI ist dem Men­schen in ei­nem Punkt überlegen: sie ir­rt nie aus Ver­se­hen. Doch wenn sie ver­ir­rt ist, ist sie hilf­los, so wie in die­sem Fall: Ein­er­seits füt­tern wir die Re­chen­mo­schine mit ge­schrie­be­nen Tex­ten, doch ver­ges­sen wir, wie oft Mensch­en hö­ren und durch klei­ne Ge­stik und Mimik un­ter­stützt oder "um­schich­tet" wird. Hokuspokus oder be­sag­ter­ma­ßen ein gro­ßer "Blen­d­werk".

„Ich woll­te urs­prüng­lich aus­drück­en, dass ei­ne KI nie ‚aus Ver­se­hen‘ Feh­ler macht wie Men­schen, son­dern in ei­ne Art ‚Ver­ir­rung‘ ge­rä­t, wenn sie in­halt­lich oder kon­tex­tu­ell fal­sche In­for­ma­tio­nen ver­ar­bei­tet. Das soll­te ver­deut­li­chen, dass KI-Sys­te­me im Ge­gen­satz zu Men­schen kei­ne In­tu­i­ti­on ha­ben, um sich selbst zu ‚kor­ri­gie­ren‘ – sie sind buch­stäb­lich ab­hän­gig von den Vor­ga­ben, die sie er­hal­ten. „Ho­kus­po­kus“ und „Blend­werk“ soll­ten iro­nisch den Ein­druck von Tech­no­lo­gie be­schrei­ben, die zwar be­ein­druc­kend er­scheint, je­doch bei ge­naue­rem Hin­se­hen we­sent­li­che Män­gel auf­weist. In mei­nem Bei­spiel ka­men die­se Be­grif­fe lei­der un­pas­send und unschön zum Ein­satz.“










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Il­lus­tra­tio­nen: Chat­GPT

Dienstag, 12. November 2024

Kochwettbewerb

Hier be­rich­tet eine Sprach­ar­bei­te­rin über ih­ren Be­rufs­all­tag. Als Dol­met­scher und Dol­met­scher­in­nen kom­men wir gut her­um. Doch auch, wenn wir uns in man­chen Be­rei­chen pri­vat gut aus­ken­nen, so for­dern alle Ein­sät­ze ihre Vor­be­rei­tun­gen ein.

Sehr ger­ne pro­bie­re ich in der Kü­che und neue Sa­chen aus, da­rin schla­ge ich ganz nach un­se­rem Va­ter.

Ent­spre­chend ist mei­ne Koch­buch­aus­wahl teils deutsch, teils fran­zö­sisch, teils ita­lie­nisch und ein we­nig asia­tisch. Ich bin froh, dass ich mei­nen An­ge­hö­ri­gen so klei­ne ku­li­na­ri­sche Rei­sen schen­ken darf.

Mum und ich ver­an­stal­ten ger­ne fine di­ning-Aben­de für die klei­nen Fräu­leins.
Die gro­ße Nich­te ju­bel­te neu­lich, als die Kä­se­plat­te ge­reicht wur­de, und in­for­mier­te ih­re an­de­re Tan­te: "Beim Kä­se pro­bie­ren wir im­mer al­les, das ist ganz toll!"
Und doch wa­ren mei­ne Vo­ka­bel­kennt­nis­se in die­sem Feld asym­me­trisch, so dass ich ei­nen gu­ten An­lass fürs Ler­nen hat­te. Ich ha­be ge­ju­belt, als vor zwei Wo­chen die Bu­chung fürs Be­glei­ten ei­nes deutsch-bel­gisch-lu­xem­bur­gi­schen Koch­wett­be­werbs in das Post­fach ge­flattert ist.

Vor Ort gab es ei­ne Ju­ry, die teil­wei­se aus dem Elsass kam. Ich war al­so am Tag X oft ge­fragt, aber zum Glück auch nicht al­lein mit der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­er­leich­te­rung. Das hat ge­passt, denn na­tür­lich hat­te auch ich vie­le Fra­gen und ich durf­te auch ein­fach mal nur ruhig be­ob­ach­ten.

An die­sem Tag wa­ren wir al­le vie­le Stun­den auf den Bei­nen. Mir ta­ten am Abend die Fü­ße bis zur Na­sen­spit­ze weh.

Kraft mei­nes Dol­met­scham­tes durf­te ich hin­ter al­le Tü­ren und auch ganz ge­nau hin­se­hen. Das hat sich ein­mal mehr für mich wie gro­ßer Lu­xus an­ge­fühlt! Über das An­rich­ten wer­de ich mir jetzt mehr Ge­dan­ken ma­chen. Ich bin schon ge­spannt auf künf­ti­ge Nich­ten­kom­men­ta­re!

Vo­ka­bel­no­tiz
Der Tag X heißt auf Fran­zö­sisch le jour J, der Buch­sta­be J eben von jour wie "Tag".
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Fo­tos: C.E.

Montag, 11. November 2024

Aber jetzt!

Wahlkabine in Berlin
Wahlen in der deutschen Hauptstadt
Hel­lo, gu­ten Tag oder bon­jour auf den Sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. In die­sem di­gi­ta­len Ta­ge­buch kön­nen Sie le­sen, wie wir Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher, Über­set­ze­rin­nen und Über­set­zer ar­bei­ten ... und wie wir Vo­ka­beln sam­meln!

In den Nach­rich­ten ge­hört: Es brin­ge nichts, auf "So­fort­is­mus" zu set­zen, eine Wahl­vor­be­rei­tung brau­che ihre Zeit, sag­te der Ber­li­ner Wahl­lei­ter heute Mor­gen. Ich muss grin­sen und an den Hopp­la­hopp­is­mus den­ken, der mir im Be­rufs­all­tag so oft be­geg­net. Aber "So­fort­is­mus" ist bes­ser, weil kür­zer!



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Foto: C.E. (Ar­chiv)

Montagsschreibtisch (68)

Herz­lich will­kom­men! Hier schreibt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Dol­met­scher und Über­set­zer ma­chen, wie sie ar­bei­ten, wie sie le­ben, und auch die La­dies in der Bran­che — wir sind in der Über­zahl — ist hier seit Fe­bru­ar 2007 re­gel­mä­ßig The­ma. Es ist Mon­tag, al­so: Was steht an in KW 46?

Vokabelkarten
Heu­te wer­fen wir ei­nen Blick auf den Schreib­tisch (und ins Büro­re­gal). In den kom­men­den Ta­gen geht es um:

⊗ gu­tes Es­sen
⊗ KI und Krea­tiv­wirt­schaft
⊗ Nach­be­rei­tung Land­wirt­schaft und Ge­sund­heit

Das mit dem "KW" für Ka­len­der­wo­che ist üb­ri­gens in Frank­reich nicht so be­kannt. Ich wür­de es so über­set­zen: X Wo­chen vor Jah­res­en­de / der Som­mer­pau­se / der Sound­so­wahl (was je­weils ge­ra­de an­steht).

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Foto: C.E.

Freitag, 8. November 2024

Mütend sein

Hal­lo auf den Blog­sei­ten ei­ner Ber­li­ner Sprach­mitt­le­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che. Hier schrei­be ich über die Ar­beit, über Chan­cen und Pro­ble­me der in­ter­kul­tu­rel­len Kom­mu­ni­ka­ti­on, über den All­tag von uns Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­schern, auch die Über­set­zer­welt ist hier oft The­ma, und grund­sätz­lich schrei­be ich über un­se­re Ar­beits­mit­tel, die Spra­chen.

Schreibtisch (KI-Bild) mit Computer (Split Screen mit vielen Gesichtern)
Zoom­ar­beits­platz (oh­ne Head­set)
Mein Wort der Wo­che: "mü­tend sein". Ich bin ziem­lich wü­tend, aber eben auch sehr müde an­ge­sichts der ak­tu­el­len La­ge. Die­se Wort­schöp­fung aus den Jah­ren der Pan­de­mie be­schreibt ganz pas­send mei­nen Ge­müts­zu­stand.
Bei ei­ner Kri­sen­sit­zung, die zu ver­dol­met­schen ist, fal­len wir auch for­mal zu­rück in die Co­ro­na­zeit, denn wir dür­fen on­line ar­bei­ten. Au­ßer uns Dol­met­scher­in­nen schei­nen al­le ver­ges­sen zu ha­ben, dass es Kopf­hö­rer und Mi­kro­fo­ne gibt, die zwi­schen­durch stumm­zu­schal­ten sind. Und un­ter den on­line ge­schal­te­ten Pro­fis sind kaum Frau­en.

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Foto: pixlr.com (Mon­ta­ge)

Donnerstag, 7. November 2024

Jacke wie Hose

Bon­jour und gu­ten Tag! Über den All­tag der Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen schrei­be ich hier seit 2007. Mein Be­ruf hat ei­nen Rie­sen­vor­teil: Ich werde fürs Ler­nen be­zahlt, habe Zeit fürs Ler­nen und Nach­den­ken. Un­se­rei­ner ver­sucht, alles aus ver­schie­dens­ten Per­spek­ti­ven zu be­trach­ten und die Ar­gu­men­te der De­bat­ten zu an­ti­zi­pie­ren, um Über­set­zungs­lö­sun­gen zu su­chen. Oft mit­ten ins Ge­sche­hen ka­tu­pul­tiert, bin ich kurz dar­auf wie­der auf Dis­tanz und darf nach­den­ken. Ge­wich­ti­ge An­mo­de­ra­ti­on eines kur­zen Sat­zes: Heute geht es um Es­sen­ti­el­les.

Das ist mir Jacke wie Hose, sagt eine Kol­le­gin, als wir neu­lich die Ar­beit auf­ge­teilt ha­ben und ich ihr die Wahl über­ließ, über­setzt: "Mir ist das egal", also durfte ich aus­su­chen. Da hat­te ich die Ho­se an, da durf­te ich be­stim­men.

Der Boo­mer als Super­man
Re­de­wen­dun­gen mit Klei­dungs­stü­cken sind in der deut­schen Spra­che weit ver­brei­tet. Den Leu­ten sitzt das Hemd näher als der Rock be­deu­tet, dass das ei­ge­ne In­ter­es­se wich­ti­ger ist als das all­ge­mei­ne. Was sol­len die Men­schen über den Kli­ma­wan­del den­ken, wenn sie ihn man­cher­orts noch kaum spü­ren, aber nicht mehr wis­sen, wie sie mit ihrem Geld aus­kom­men sol­len, prekär be­schäf­tigt sind oder ihre Kin­der in Schu­len mit zu wenig Per­so­nal und ka­put­tem In­ven­tar ler­nen müs­sen? Die Im­mo­bi­lien- und Woh­nungs­kri­se kommt noch oben­drauf.
Of­fen­bar ga­ben sol­che The­men bei den Wah­len in den USA den Aus­schlag. Zu viele Men­schen füh­len sich nach Jah­ren des Exis­tenz­kamp­fes er­nied­rigt und re­gel­mä­ßig über­vor­teilt. Ein Grund­ton des Be­lei­digt­seins schleicht sich ein, Hass, Neid und Miss­gunst brei­ten sich aus.

Sol­che "La­gen" sind ein ge­mach­tes Bett für Po­pu­lis­ten; es scheint die Ra­che der klei­nen Leu­te zu sein, dem Es­ta­blish­ment an der Wahl­ur­ne einen Tritt in die Kron­ju­we­len zu ver­pas­sen. Dass die Par­tei­pro­gram­me der Po­pu­lis­ten ihre Lage ver­schlech­tern wür­den, ahnen sie oft nicht. Hin­ter­grund­ar­beit, Lek­tü­re, Ana­ly­se sind Werk­zeu­ge, deren Ver­mitt­lung an den Bil­dungs­ein­rich­tun­gen ver­nach­läs­sigt worden sind. (... eine große Bau­stel­le!)

Je ru­hi­ger es in die­ser Woche um mich wur­de, des­to hek­ti­scher ging es auf den Büh­nen der Po­li­tik zu. Da­bei wä­re jetzt in Deutsch­land rat­sam, die Leh­ren aus der Ent­wick­lung der USA zu zie­hen. Wie wäre es, das po­li­ti­sche Klein­klein kurz ruhen zu las­sen und einen küh­len Blick auf die Mi­se­re zu wer­fen?

Im par­tei­po­li­ti­schen Ge­ran­gel blie­ben die Grund­be­dürf­nis­se der Men­schen auf der Stre­cke, was jetzt die De­mo­kra­tie ge­fähr­det. 

Und nun drän­gen mit­ten in ei­ner der schwe­ren Krisen der Bun­des­re­pu­blik eini­ge Ak­teu­re in Rich­tun­gen, die die Lage wei­ter des­ta­bi­li­sie­ren könn­ten — und das in Zei­ten von wirt­schaft­li­chen Schwie­rig­kei­ten, eines Kriegs in Eu­ro­pa und einer Kli­ma­kri­se, die so­for­ti­ge Auf­merk­sam­keit und hohe In­ves­ti­tio­nen er­for­dern.

Kurz nach der Im­plo­si­on der Re­gie­rung zau­bern eini­ge Po­li­ti­ker, deren La­ger über Jahr­zehn­te an der Ent­ste­hung vie­ler Pro­ble­me be­tei­ligt war, um es vor­sich­tig zu sa­gen, ein­fa­che Lö­sun­gen aus dem Hut und wer­fen zu­gleich den Man­tel des Schwei­gens über ihre Ent­schei­dun­gen von ges­tern. L'ha­bit ne fait pas le moine, heißt es auf Fran­zö­sisch, die Kut­te macht noch kei­nen Mönch ... und der en­ge, blaue An­zug mit ro­tem Cape und gel­bem Gür­tel ma­chen aus ei­nem Boo­mer kei­nen Su­per­man!

Erneut kommen bei den ers­ten Vor­schlä­gen die drän­gends­ten Sor­gen der Be­völ­ke­rung nicht vor. Das ver­stärkt die ge­fähr­li­che Dy­na­mik in der Ge­sell­schaft, gibt der Ra­di­ka­li­sie­rung Auf­trieb, denn wer be­gnügt sich schon mit der Ko­pie, wenn das "Ori­gi­nal" ver­füg­bar ist?

Ein brei­ter ge­sell­schaft­li­cher Kon­sens gegen diese Ent­wick­lun­gen ist wich­tig. Un­ser Land braucht mehr Men­schen mit be­son­ne­ner po­li­ti­scher Hal­tung in der Ver­ant­wor­tung, mit Mo­ral, Ver­stand und Lö­sungs­ori­en­tie­rung, weg von den kal­ku­lier­ten Ver­un­si­che­run­gen, die uns tie­fer in die po­li­ti­sche Sack­gas­se füh­ren.

Sinn­voll wäre es, an den Kri­sen­ge­sprä­chen Men­schen aus der Zi­vil­ge­sell­schaft zu be­tei­li­gen, die einen an­de­ren Ton mit ein­brin­gen, mehr De­mut vor der Größe der Auf­ga­ben mit­brin­gen und die die Stärke be­sit­zen, Feh­ler ein­zu­ge­ste­hen. Die ak­tu­el­le Krise ist auch eine Krise der Par­tei­po­li­tik, der über­zo­ge­nen Image­bil­dung und des Her­um­tak­tie­rens (und in Frank­reich und den USA eine Krise der Wahl­sys­te­me).

Kurz: In der Not sind Acht­sam­keit und Mensch­lich­keit ge­fragt, bevor uns die ge­sell­schaft­li­che Ba­lan­ce end­gül­tig ent­glei­tet — oder, um im Bild zu blei­ben, be­vor uns die Felle weg­schwim­men.

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Il­lus­tra­tion: pixlr.com

Montag, 4. November 2024

Montagsschreibtisch (67)

Aus dem Ar­beits­all­tag der Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen be­rich­te ich hier, ge­nau­er: Hier schreibt ei­ne Dol­met­sche­rin mit Mut­ter­sprache Deutsch. Ich arbei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Huch, schon wieder Mon­tag, hier folgt die Wo­chen­über­sicht.

Katze, Computer, Fenster, Pflanzen
Schrödingers Bürokatze
Al­ler­dings ist mein Blick auf den Schreib­tisch heute gar kei­ner. Ich bin zu­rück im Büro und doch nicht im Büro, Schrö­din­gers |Katze| Ca­ro­line ge­wis­ser­ma­ßen, denn lei­der bin ich nach den Ein­sät­zen der letz­ten Wo­chen erst­mal "durch". Kurz vor mei­nem Impf­ter­min ha­ben Gripp­vi­ren zu­ge­schla­gen. (Zwischen­durch war ich auch bei der kran­ken An­ge­hö­ri­gen, und ich bin sehr stolz, weil ich es ge­schafft ha­be wie­der ab­zu­fah­ren, be­vor ich an­ste­ckend wur­de!)

Mei­ne Dienst­rei­sen die­ser Wo­che, un­ter an­de­rem zum Film­fest Cott­bus, muss­te ich lei­der ab­sa­gen. Also kein Dol­met­schen von fran­zö­si­schen Ko­pro­duk­tio­nen mit Ost­eu­ro­pa.

Da­mit fällt auch mein pri­va­tes Wan­dern auf den Spu­ren der Vor­fah­ren in Cott­bus aus, die nach 1800 dort zu den Tex­til­fa­brik­an­ten ge­zählt ha­ben. Scha­de!

Ich hät­te gut et­was Ab­wechs­lung von der ak­tu­el­len Po­li­tik ge­brau­chen kön­nen! Denn jetzt, wo Schüt­tel­frost und ho­hes Fie­ber hin­ter mir lie­gen, braucht der Kopf In­put ...

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Foto: C.E.

Montag, 28. Oktober 2024

Montagsschreibtisch (66)

Wie Über­set­ze­rin­nen und Übersetzer, Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, be­schrei­be ich hier seit 16 Jah­ren. Mei­ne Ar­beits­spra­chen sind Deutsch (Mut­ter­spra­che), Fran­zö­sisch und Eng­lisch; mei­ne Bü­ro­kol­le­gin ar­bei­tet als Über­set­ze­rin, al­so schrift­lich, mit Ziel­spra­che Eng­lisch.

Hier tritt nach ei­nem kur­zen Blick auf den Schreib­tisch er­neut ei­ne "Sen­de­pau­se" ein. Die Kon­fe­renz­sai­son ist auf ih­rem Hö­he­punkt, und bei ei­ner mehr­tä­gi­gen De­le­ga­tions­rei­se dür­fen wir zwei Dol­met­sche­rin­nen so­gar noch die Grup­pen­lei­tung er­set­zen, denn der Tea­mer hat sich kurz vor der Ab­reise et­was ge­bro­chen.

Noch ist alles leer im Konferenzzentrum ...
Eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn
The­men:

⊗ Tran­si­tion der Wirt­schaft: Nach­hal­tig­keit, Was­ser, Ener­gie, Nah­ver­sor­gung; das Ganze in Zu­sam­men­hang mit Bo­den­ver­brauch und Städ­tepla­nung.



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Fo­to: C.E.

Sonntag, 27. Oktober 2024

So ein Rummel aber auch!

Ob rein zu­fäl­lig oder ge­plant: Sie sind hier mit­ten in ein di­gi­ta­les Ar­beits­tage­buch hin­ein­ge­ra­ten. 

stet's frisch (das "s" überklebt, trotzdem sichtbar)
Deppen-Apostroph (Schatten)

Als frei­be­ruf­li­che Sprach­mitt­le­rin (so wer­den Dol­met­scher und Über­set­zer zu­sam­men­ge­fasst) ar­bei­te ich in Pa­ris, Ber­lin, Mar­seille, Hei­del­berg und dort, wo man mich braucht. Heute einige Wor­te zu den Grund­la­gen mei­ner Ar­beit. Recht­schrei­bung ge­hört dazu, und auf­grund der nicht immer logischen Recht­schreib­re­form schla­gen auch wir im­mer wie­der Be­grif­fe nach.
Etwas leichter ist die Regel mit dem Apostroph.

Mülltonne in Form eines Haifischmauls
Ge­sun­der Hun­ger
Der steht zum Bei­spiel im­mer und grund­sätz­lich, wenn ein "e" aus­ge­fal­len ist. Hier oben war er ein­deu­tig falsch.

Auch Groß- und Klein­schrei­bung sind im Deut­schen wich­tig. Hier ein Bei­spiel­satz, der, in zwei un­ter­schied­lichen Wei­sen ge­schrie­ben, die ge­gen­tei­li­ge Be­deu­tung hat: Ich hatte mit­nich­ten ei­nen schö­nen Sonn­tag. Ich hatte mit Nich­ten ei­nen schö­nen Sonn­tag.

OK, bei Rum­mel­platz­lärm hat die gan­ze An­ge­le­gen­heit für die zar­ten Dol­met­sche­rin­oh­ren et­was Schil­lern­des, in­so­fern stim­men bei­de Be­deu­tun­gen. Ei­gent­lich mag ich sol­che Ver­an­stal­tun­gen nicht.

Beim Riesenrad saß Gérard Depardieu in der Ecke mit den Putzsachen
Gé­rard war auch da­bei!
Aber Rie­sen­rad bei Son­nen­un­ter­gang und sal­zi­ges Pop­corn und vor al­lem die strah­len­den Äug­lein der Fräu­leins auf dem Kin­der­ka­rus­sell sind schon schön.

Pass­end da­zu sag­te auch mei­ne Schwes­ter: "So schlimm wie beim letz­ten Mal ist's heu­te nicht." 

Bis­schen Rum­mel­platz am En­de ei­nes mit an­de­ren Ak­ti­vi­tä­ten schön ver­brach­ten Ta­ges, mü­de Fräu­leins, die hier noch≈mal rich­tig wach sind, so ähn­lich ha­ben wir's in un­se­rer Kind­heit er­lebt. Un­sere El­tern ha­ben es mit sol­chen "zi­vi­li­sa­to­ri­schen Er­run­gen­schaf­ten" schon ge­nau­so ge­macht und da­für ge­bührt ih­nen gro­ßen Dank!

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Fo­tos: C.E.

Donnerstag, 24. Oktober 2024

Warum nicht?

Hier schreibt eine Sprach­ar­bei­te­rin über den All­tag der Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen. Ich habe eine Wet­te ver­lo­ren. An­lass war eine Fort­bil­dung in Sa­chen Text­ar­beit. Der Preis fürs Wet­ten­ver­lie­ren, den ich jetzt zu zah­len ha­be: Ich muss eine neue Ka­te­go­rie auf­ma­chen. War­um nicht?

Mam­ma mia, ich wet­te ja nur sel­ten, weil ich un­gern ver­lie­re. Jetzt war ich bei einer Fort­bil­dung in Sa­chen Text­ar­beit, die ich als Do­zen­tin be­sucht ha­be. An­schlie­ßend durf­te ich in einem an­de­ren Se­mi­nar bei einem Wis­sens­quiz mit­ma­chen. Jede von uns muss­te im Vor­feld schät­zen, wie viel Pro­zent rich­ti­ge Fra­gen wir denn ab­zu­lie­fern ge­däch­ten, wo­bei im Vor­feld klar­ge­stellt wur­de, dass es kei­ne Fra­gen zu den The­men Ma­the­ma­tik, Sport oder Schla­ger ge­ben wür­de.

Mei­ne Schät­zung: 80 Pro­zent. Mein Er­geb­nis wa­ren 79 Pro­zent, knapp vor­bei, nun muss ich lie­fern. Ich neh­me eine Kar­te aus einem an­de­ren Spiel (... des­sen Ti­tel oben steht).

Öhm. Weil ir­gend­wel­che KI-Nerds un­se­ren Zweit­be­ru­fe ka­pern möch­ten, das Über­set­zen, und ei­nen zum "Auf­räu­mer" in Sa­chen au­to­ma­tisch über­tra­ge­ner Vor­la­gen de­gra­die­ren möch­ten zu einem Bruch­teil der al­ten Ho­no­ra­re, was je nach Art des Aus­gangs­texts mal klappt, mal nicht, also meis­tens nicht, denn hier wird nur aus­ge­spuckt, wie es mit rein ma­the­ma­tisch höchs­ter Wahr­schein­lich­keit wei­ter­geht, was bei we­ni­gen, hoch­gra­dig nor­mier­ten und for­ma­li­sier­ten Text­for­men hin­hau­en mag, meis­tens aber stel­len­wei­se da­ne­ben­geht — bis ganz grund­sätz­lich am Ziel vor­bei­schießt, al­so des­we­gen könn­te ich schon meckern.

Und die­se Nerds for­dern von den Kol­le­gen und­ Kol­le­gin­nen, dass sie un­be­zahlt die Tor­hü­te­rin­nen für die­se Mons­ter sind, al­so oh­ne Be­zah­lung bei hell­wa­chem Geist und mit dem Hin­ter­grund jah­re­lan­ger Er­fah­rung Satz für Satz, Wort für Wort kon­trol­lie­ren, was har­te Ar­beit ist, da sich der Flow nicht ein­stellt und meh­re­re Durch­gän­ge er­for­dert, um die 20 Pro­zent größ­ten Bull­shit zu fin­den und zu rich­ten.

Fürs Dol­met­schen gilt das Glei­che, nur dass die ma­schi­nel­len Feh­ler­ein­fall­to­re "Spra­che zu Text" und "Text zu Spra­che" noch hin­zu­kom­men.

Ist das An­mer­ken die­ser feind­li­chen Über­nah­me­ver­su­che ei­gent­lich meckern? Ich glau­be nicht. Es ist eher eine Fest­stel­lung, ge­paart mit Selbst­ver­tei­di­gung.

Al­so ja. Nun bin ich in so vie­len Be­rei­chen un­ter­wegs, ar­bei­te als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin über Wis­sens­ba­sier­tes, dass ich eben auch sehr vie­le Lö­sun­gen se­he, die der Um­set­zung har­ren. Al­so ich muss fest­stel­len, dass das al­les sehr lan­ge dau­ert. Ers­te Kon­fe­renz über Mi­kro­plas­tik und ih­re Ge­fah­ren: 2008. Die ers­ten An­fän­ge, dass das ins kol­lek­ti­ve Be­wusst­sein kommt, Mi­kro­plas­tik in Was­ser, Luft, Fi­schen, so­gar in der Na­bel­schnur von Neu­ge­bo­re­nen ist ein The­ma seit: 2023 viel­leicht?

Fest­stel­lun­gen al­so.

Da ich zum Team Fa­mi­li­en­pfle­ge ge­hö­re, und wir Pfle­gen­den uns ziem­lich vom Staat al­lein­ge­las­sen füh­len, na­ja, nun ja, sind mei­ne Er­fah­rungen dann Mec­ke­rei?

Da ich alle drei Wo­chen zur Pfle­ge pen­dle (oder öf­ter), da­zu die Bahn nut­ze ...

Ich lie­fe­re noch rasch den Un­ter­schied zwi­schen Be­schwer­de, knapp, tro­cken, be­rech­tigt, und nör­geln und me­ckern, mög­li­cher­wei­se auch be­rech­tigt, aber raum­grei­fend, de­tail­liert, meis­tens auch be­rech­tigt, aber vor al­lem ei­nes: an­stren­gend.

Und nun, ta­daa: Hier­mit ver­ord­ne ich mir eine Wo­che Nör­gel­fas­ten, das Wort ha­be ich auch vom Se­mi­nar mit­ge­bracht. Ach was, zehn Ta­ge! Ich wer­de be­rich­ten.


P.S.: Dem Kar­ten­spiel, dem ich leicht­fer­ti­ger Wei­se den Ti­tel ent­nom­men ha­be, wer­de ich dem­nächst einen ei­ge­nen Bei­trag wid­men. Es han­delt sich um ein Zeit­do­ku­ment aus brau­nen Jah­ren, das die deut­sche Le­bens­wirk­lich­keit in der 1. Hälf­te der 1940-er Jah­re wi­der­spie­gelt, und es ist ein Bei­spiel für Fra­ming, Ma­ni­pu­la­tion und Ideo­lo­gi­sie­rung der Frei­zeit. Ich ha­be es zu­fäl­lig beim Tröd­ler ent­deckt.
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Foto: C.E.

Mittwoch, 23. Oktober 2024

Goo­gar­goy­le

Gu­ten Tag oder gu­ten Abend! Sie sind mit­ten in ein Ar­beits­ta­ge­buch hin­ein­ge­ra­ten, in dem sich al­les um Spra­che, Dol­met­schen, Über­set­zen und Kul­tu­ren dreht. Als frei­be­ruf­li­che Sprach­mitt­le­rin ar­bei­te ich in Pa­ris, Ber­lin, Mar­burg und dort, wo ich ge­braucht wer­de. Heu­te wie­der: KI-Mitt­woch.

Wasserspeier
Der di­gi­ta­le Was­ser­spei­er heißt Googargoyle
Goo­gle, wir müs­sen re­den, und zwar dr­ing­end.

Bei na­he­zu al­lem, mit dem ich täg­lich ar­bei­te, muss ich In­ter­net­re­cher­chen be­trei­ben, um mehr Hin­ter­grund oder Fach­be­grif­fe zu fin­den, um Schreib­wei­sen zu prü­fen und um man­che kri­ti­schen Punk­te ab­zu­glei­chen.
Seit der KI-Hype los­ge­gan­gen ist, bist Du oft nutz­los ge­wor­den.

Ach du, Googargoyle, du Mut­ter al­ler di­gi­ta­len Da­ten­spei­er! Seit ei­ner Wei­le bie­test Du mir im­mer öf­ter vor­sor­tier­te In­fos an, die al­ler­dings von der KI zu­sam­men­ge­stellt wor­den sind. Wenn ich für die Ar­beit auf der Su­che nach be­reits über­setz­ten Tex­ten zu ei­nem ju­ris­ti­schen The­ma bin, ist der An­teil von "Pu­bli­ka­tio­nen", die ein­fach nur das Er­geb­nis au­to­ma­ti­scher "Ü­bel­set­zun­gen" sind, viel zu hoch. Und was da drin­steht, ver­wirrt in der Re­gel mehr als es hilft.

Dei­ne Zu­sam­men­fas­sung pas­sen nicht zur Kom­ple­xi­tät mensch­li­chen Den­kens (wo­bei die Kom­ple­xi­tät ju­ri­sti­schen Den­kens noch­mal et­was an­de­res ist, cha­peau !) Oder bei all­ge­mei­ne­ren ju­ri­sti­schen The­men, wir ha­ben wie­der­holt für den deut­schen An­walt­ver­ein und sein fran­zö­si­sches Pen­dant ge­dol­met­scht, oder aber für fran­zö­si­sche und deut­sche In­sol­venz­ver­wal­ter:in­nen.

Es strengt an, Murks zu le­sen und sich dann da­von wie­der zu lö­sen. Ich muss mich dann im­mer mühsam in die tie­fe­ren Ge­fil­den des Welt­wei­ten vor­kämp­fen. Zum Glück ken­ne ich Dich nicht erst seit ges­tern, dich und das Welt­wei­te. Manch­mal stel­le ich die Such­ma­schi­ne schon so ein, dass mir nur Sei­ten von 2022 oder frü­her an­ge­zeigt wer­den.

Das ist üb­ri­gens ein |gu­ter| unschö­ner Grund Dir zu­neh­mend un­treu zu wer­den. Mei­ne Wahl heißt E­co­sia, Duck­Duck­go, Lilo oder Bing. Ich wech­se­le oft.

Und nein, wir Sprach­ar­bei­ter:in­nen möch­ten jetzt nicht fo­ren­si­sche Lin­gu­is­tik stu­die­ren müs­sen, nur um so wei­ter­ar­bei­ten zu kön­nen, wie wir es ge­wohnt wa­ren.

Prompt: Genera la ilustración de una mujer universitaria, elegante :vestida de camisa blanca, chaleco negro, falda, pantimedias y zapatos negros bailando una pandereta.
So sieht Pixlr ei­ne tan­zen­de Aka­de­mi­ke­rin
Da­ran lassen sich KI-Tex­te gut er­ken­nen: Sie sind der Durch­schnitt des Durch­schnitts, brin­gen im­mer die al­ler­wahr­schein­lichs­ten Wör­ter im An­schluss auf die Stich­wör­ter der Zeit, lie­fern Wort­hül­sen und Un­kla­res, rei­hen Plat­ti­tü­den mun­ter an­ein­an­der, sie ver­mei­den der­zeit zu gen­dern und ha­ben auch ger­ne mal für uns Men­schen un­lo­gi­sche Über­gän­ge, As­so­zi­a­tio­nen oder Ana­lo­gi­en.
Au­ßer­dem fällt auf, dass es kaum Flüch­tig­keits- oder Tipp­feh­ler gibt, da­für das ei­ne oder an­de­re "Drei­bein".

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Il­lus­tra­tion: Pixlr.com (Zufallsfund, 
Prompt als Text "hinter" dem Bild)

Dienstag, 22. Oktober 2024

Berechnete Zeit

Bien­‍ve­nue auf den Sei­ten des di­‍gi­ta­‍len Log­‍buchs ei­‍ner Sprach­‍ar­‍bei­‍te­‍rin. Was Dol­‍met­‍sche­‍rin­‍nen und Über­‍set­‍ze­‍rin­‍nen (und Dol­‍met­‍scher und Über­‍set­‍zer) ma­‍chen, wie sie bzw. wir ar­‍bei­‍ten, be­‍schrei­‍be ich hier. Fran­‍zö­‍sisch ist mei­ne zwei­‍te Ar­‍beits­‍spra­‍che, Eng­lisch die so­ge­nann­te "pas­si­ve" Spra­‍che. Heu­‍te folgt ein Mi­‍ni­‍rück­‍blick.

Ein mehrtägiger Ein­satz auf ei­ner De­le­ga­tions­reise im Duo, wir be­su­chen ver­schie­de­ne für un­se­re Gäs­te re­le­van­te Be­hör­den, spre­chen dort mit den Gast­ge­bern, be­sich­ti­gen di­ver­se In­sti­tu­tio­nen. Am letz­ten Tag spre­chen die ein­zi­gen Gast­ge­ber des Ta­ges sehr gut Fran­zö­sisch, denn sie sind oft auf Fa­mi­li­en­be­such in Frank­reich. Ich bin über ei­ne Stun­de vor Ar­beits­be­ginn vor Ort und wer­de an dem Tag nur das ei­ne oder an­de­re feh­len­de Fach­wort souf­flie­ren so­wie kur­ze Zu­sam­men­fas­sun­gen für ei­nen Spon­tan­gast lie­fern. Auch die Gäs­‍te sind schon vor dem of­‍fi­‍ziel­‍len Start­‍zeit­‍punkt da, also le­‍gen wir los. In ei­‍ni­‍gen Stun­‍den ist das Haus wie­‍der für Pub­‍li­‍kums­‍ver­‍kehr ge­‍öff­‍net.

Oldtimer und moderne Autos, Bäume, niedrige Gebäude
An­‍geb­‍lich ein Auto in Berlin (2024) 
Die Kol­le­gin, die kurz da­‍rauf vor der Tür steht, wird da­‍her, kurz ab­ge­nickt vom End­kun­den, ei­ne Text­nach­richt von mir er­hal­ten, dass sie nicht zu kom­men braucht.
Zwi­schen dem End­kun­den und mir ste­hen zwei Rei­se­agen­tu­ren. Und drei Ar­beits­ta­ge nach Rei­se­en­de kommt von ei­ner die­ser Agen­tu­ren ein: "Die­se Ab­sa­ge hät­te ab­ge­spro­chen wer­den müs­sen, wir be­zah­len der Kol­le­gin den Tag nicht, sie ist nicht er­schie­nen".
Ich so: Wir Dol­metscher:innen stel­len nicht die ge­leis­te­ten Mi­nu­ten oder Stun­den in Rech­nung, son­dern gan­ze re­ser­vier­te Tage, ganz gleich, ob wir am En­de null, zwei oder sechs Stun­den ein­gesetzt wur­den. Ich muss­ nicht mit der Agen­tur ab­spre­chen, ob die Kol­le­gin kom­men und vor Ort selbst fest­stel­len muss­, dass nichts zu tun ist, oder nicht.
Di­e­se Um­stän­de ha­ben die ver­trag­li­che Grund­la­ge un­se­rer Ar­beit nicht be­rührt.

Und dann fällt mir ei­ne Ana­lo­gie ein: "Wenn Sie für drei Ta­ge ein Au­to mie­ten, es aber nur zwei Ta­ge lang nut­zen, weil Sie am drit­‍ten Tag fest­‍stel­‍len, dass Sie das Au­‍to nicht brau­‍chen, wird die Auto­ver­mie­tung Ih­nen na­tür­lich drei Ta­ge in Rech­nung stel­len, es sei denn, Sie ge­ben das Auto am zwei­ten Tag zu­rück UND die Auto­ver­mie­tung fin­det ei­nen an­de­ren Mie­ter für den drit­ten Tag. 

Bei uns Dol­metsche­rin­nen und Dol­metschern ist es das Glei­che."

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Foto: Pixlr.com (Zu­falls­fund)

Montag, 21. Oktober 2024

Montagsschreibtisch (65)

Herz­lich will­kom­men! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­set­zer ma­chen, wie sie ar­bei­ten, wie sie le­ben, ist hier seit 2007 re­gel­mä­ßig The­ma. Mon­tags gibt es hier ei­ne kur­ze Über­sicht über die Auf­ga­ben der Wo­che.

Altes Büro mit Ahnen­bild und meh­re­ren Schreib­ti­schen
So könn­te das Kon­tor mei­ner Ah­nen aus­ge­se­hen ha­ben
Es steht an:
⊗ Ju­bi­lä­um des Aus­lands­sen­ders RFI in Ber­lin
⊗ Kon­kur­renz und Ko­ope­ra­ti­on (im Ag­rar­be­reich)
⊗ Ag­rar­öko­lo­gie (Nach­be­rei­tung)
⊗ So­zi­al­ver­si­che­rungs­sys­tem (Nach­be­rei­tung)
⊗ KI und krea­ti­ve Welt (Vor­be­rei­tung)

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Il­lus­tra­ti­on: Dal­l:e (... bis auf die Lam­pen!)

Sonntag, 20. Oktober 2024

Upcycling (2)

Als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin ar­bei­te ich haupt­säch­lich mit Fran­zö­sisch und manch­mal auch mit Eng­lisch, wo­bei Deutsch mei­ne Mut­ter­spra­che ist. Der Be­ruf ist vol­ler Stress­mo­men­te. Ei­ne der gol­de­nen Re­geln da­bei: Stress­re­du­zie­rung durch ei­nen kla­ren Schnitt am Abend und am Wo­chen­en­de, wo ich et­was an­de­res ma­che. Sonn­tags­bild!

Zum The­ma Up­cyc­ling ha­be ich be­reits mehr­fach ge­schrie­ben, der ers­te Bei­trag mit dem Ti­tel steht hier: klick! Re­gel­mä­ßig bin ich bei ei­ner be­tag­ten An­ge­hö­ri­gen und küm­me­re mich um Lau­ne, leib­li­ches Wohl, wir neh­men Arzt­ter­mi­ne wahr und ge­hen spa­zie­ren. 

Galerie auf einer Stoffserviette (in Gebrauch)
Jetzt, an den ers­ten re­gen­nas­sen Ta­gen, darf ich mir noch mehr ein­fal­len las­sen.

Rück­sprung in un­ser El­tern­haus: Der Kühl­schrank war ver­klei­det, Ma­gne­te ha­ben nicht so gut an ihm ge­haf­tet. In der Se­nio­ren­woh­nung der Fa­mi­lie ist das an­ders. Der gro­ße Kühl­schrank ist ei­ne Stel­le für zen­tra­le In­for­ma­tio­nen des Teams Pfle­ge. An ei­nem Ver­schenk­ort der Stadt ha­be ich leis­tungs­star­ke, nack­te Ma­gne­te ge­fun­den, die sich al­ler­dings sehr schlecht vom Un­ter­grund lö­sen las­sen, so stark sind sie. Auch von ei­ner Kon­fe­renz brin­ge ich zwei star­ke Ma­gne­te heim, mit de­nen die Na­mens­schil­der zu be­fes­ti­gen wa­ren. Sie las­sen sich kaum an­fas­sen, so flach sind sie.

Wir Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen ha­ben ei­nes ge­lernt: Schnell Lö­sun­gen zu fin­den. Dass ich das jetzt seit Jahr­zehn­ten um­set­ze, mer­ke ich sehr oft im All­tag.

Cut: Ich ge­he am Stra­ßen­rand vor­bei und se­he ein Ba­by­puz­zle mit Mee­res­tie­ren in ei­ner Kis­te mit Ver­schenk­spiel­zeug lie­gen. Oh, wie schön, die klei­ne Nich­te ist im pas­sen­den Al­ter! Al­ler­dings feh­len ei­ni­ge Tei­le, die Ko­ral­len und die Schling­pflan­zen oder so­was in der Art. Ich neh­me das Spiel doch mit, denn das Dol­met­scher­hirn hat ei­ne Lö­sung vor­ge­legt.

Mit der An­ge­hö­ri­gen ein­fa­che Din­ge zu bas­teln, wä­re ein gu­ter Ge­dan­ke. Nur war die be­tref­fen­de Per­son nie bas­tel­af­fin, und mit Se­kun­den­kle­ber zu han­tie­ren, den ich noch rasch be­so­r­ge, 99 Cent als ein­zi­ge In­ves­ti­ti­on des Pro­jekts, liegt auch nicht al­len.

Aber die gro­ße Nich­te kann ich schnell be­geis­tern. Wir be­frei­en die Ma­gne­te von al­ten Kle­be­stel­len und le­gen los. Im Bild das Er­geb­nis un­se­rer kur­zen hal­ben Stun­de. Vor­her ha­ben wir al­le Ma­gne­te ge­tes­tet, wel­che Sei­te bes­ser haf­tet, und ge­mein­sam über­legt, wo wir was hin­kle­ben. Nur beim See­pferd­chen ist der Ma­gnet leicht ver­rutscht. Macht nichts.

Auf dem Kühl­schrank ma­chen sie sich die Ma­gne­te bes­tens und lie­gen per­fekt in der Hand. Die be­schenk­te Per­son liebt Tie­re. Und mit den Fräu­leins übe ich an den Tie­ren Fran­zö­sisch, win-win-win oder so.

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Foto: C.E.

Samstag, 19. Oktober 2024

Geisterbahn

Hel­lo, gu­ten Tag oder bon­jour auf den Sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. In die­sem di­gi­ta­len Ta­ge­buch kön­nen Sie an ei­ni­gen Ta­gen in der Wo­che er­fah­ren, wie wir Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zer und Dol­met­scher ar­bei­ten. Heu­te: Link der Wo­che.

Ärger­nis Bahn, ei­gent­lich woll­te ich nicht mehr viel dar­über schrei­ben, muss es heu­te aber auf­grund ei­ner ZDF-Re­por­ta­ge (aus dem März!), die mich lei­der kaum über­rascht hat: Deut­sche Bahn: Die In­sider — Tricks hin­ter den Ku­lis­sen.

Maske und Frau, im Hintergrund die Rückenlehne mit dem Kopfteil der Bahn. In der Grippesaison ist es sinnvoll, mit Maske zu reisen.
Wenn al­les hus­tet und schnieft: Mas­ke!
Als pfle­gen­de An­ge­hö­ri­ge im long dis­tance care bin ich auf sie an­ge­wie­sen. Der Film von Mar­vin Mohr wid­met sich vie­len The­men, da­run­ter kri­ti­siert er den Abo­fal­len­trick (mei­ne Lö­sung: kurz nach der Bu­chung schon wie­der zum En­de der Lauf­zeit kün­di­gen, da den­ke ich noch dran), be­rich­tet dann, dass Teil­stre­cken güns­ti­ger sind als die ver­gleich­ba­re Lang­stre­cke (das ist auch mir neu), be­schreibt frag­wür­di­ge In­vest­ments der Bahn im Aus­land und das Green­wa­shing dieses grund­sätz­lich um­welt­freund­li­che­n Ver­kehrs­sys­tems. So grün, wie sie ak­tu­ell vor­gibt zu sein, ist die in­des Bahn nicht.
 
Mein Wunsch: Das Wer­be­bud­get strei­chen und in Ver­bes­se­run­gen in­ves­tie­ren! 

Auch das The­ma Hy­gie­ne be­han­delt der Film. Den Spei­se­wa­gen wer­de ich nun mei­den, mehr da­zu in der Re­por­ta­ge. Auch die Sa­che mit den Rück­leh­nen­kis­sen und dem Ober­flä­chen­put­zen in den Zü­gen ist ek­lig. Wer jetzt schnell ist mit Markt­idee und -um­set­zung, bie­tet bald maß­ge­schnei­der­te Hus­sen zum Drü­ber­stül­pen an, de­ren Stoff dicht ge­nug ist und heiß ge­nug ge­wa­schen wer­den kann, er­gänzt durch ein Ex­tra­täsch­chen, um Kon­ta­mi­na­tio­nen zu ver­mei­den.

An­ders auf­ge­zo­gen hät­te ich den Film­teil mit den Prä­mi­en für Viel­fah­ren­de. Rich­tig: Das Sys­tem ist un­durch­sich­tig, der un­an­ge­kün­dig­te Punk­te­ver­fall be­scheu­ert. Aber na­tür­lich fährt nie­mand mit der Bahn, nur um eine Prä­mie zu be­kom­men, das Ba­shing für "bil­li­ge Prä­mi­en" fin­de ich un­an­ge­bracht. Ich wä­re eher dar­auf ein­ge­gan­gen, dass die re­ser­vier­ten Plät­ze für Sta­tus­fah­rer:in­nen, auch ein Teil der Vor­zü­ge, oft an­ders be­legt sind und nicht frei­ge­ge­ben wer­den.

Bento-Box mit eigenem Essen, Stoffserviette und Gabel
Selbstgekochtes: gesünder und günstiger
Au­ßer­dem wä­re es bes­ser, die­se in den Ru­he­be­reich zu ver­le­gen, denn wir Viel­rei­sen­den sind meist zu bes­ter Bü­ro­zeit un­ter­wegs und ar­bei­ten. Dass die Bahn­mit­ar­bei­ter sich zu ver­war­nen wei­gern, wenn Viel­la­be­rer im Ru­he­be­reich kei­ne Rück­sicht neh­men möch­ten, ist wie wa­cke­li­ges In­ter­net und aus­ge­lei­er­te Steck­do­sen noch ein wei­te­res gro­ßes Bahn­är­ger­nis für Men­schen wie mich, die ich zwi­schen 1500 und 3000 Ki­lo­me­ter mo­nat­lich mit der Bahn fah­ren muss.
Und als je­mand, die zu­dem nicht mehr 20 oder 30 Len­ze jung ist, ha­be ich Er­in­ne­run­gen an frü­her, als vie­les nicht bes­ser, aber an­ders war. Wenn die klei­ne "Om­ma" aus Un­na zu uns kam, stand schon ei­ni­ge Ta­ge zu­vor ihr Kof­fer mit­ten im Flur. 

Den hat­te die Bahn vor­ab mit der Bahn trans­por­tiert (und nicht mit ei­nem LKW wie heu­te, was das CO2-Er­geb­nis wei­ter ver­schlech­tert); ich glau­be, dass Ge­päck­auf­ga­be da­mals auch nicht teu­er war.

Und wenn die klei­ne Groß­mut­ter, die den Spitz­na­men "Omaus" trug, dann aus der "Ei­sen­bahn" ge­pur­zelt ist, ist sie erst­mal län­ger im Bad ver­schwun­den, so sehr steck­ten ihr die Er­in­ne­rung an die ru­ßi­gen koh­le­be­trie­be­nen Lo­ko­mo­ti­ven ih­rer Kind­heit noch in den Glie­dern. Koh­len sind es nicht mehr, die heu­te ver­feu­ert wer­den, nur Koh­le wird da mas­siv ver­brannt, auch mei­ne, so­gar durch frag­wür­di­ge Ge­schäf­te im Aus­land. Kurz: Nach der Ei­sen­bahn­nut­zung im­mer von Kopf bis Fuß schrub­ben. Nach­her schrei­be ich mei­nen Ab­ge­ord­ne­ten. Bis auf wei­te­res heißt die Bahn jetzt bei mir: siehe oben, denn das Un­ter­neh­men ist wirk­lich gru­se­lig.

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Fotos: C.E.

Freitag, 18. Oktober 2024

Jahrhundert der Unwetter

Rück­blick: Im Ahr­tal sind 2021 in­ner­halb kür­zes­ter Zeit zwi­schen 100 und 160 Li­ter vom Him­mel ge­kom­men. In man­chen Re­gio­nen Frank­reichs hat es in den letz­ten Ta­gen mehr als das Fünf­fa­che ge­reg­net. Das ent­spricht der Jah­res­men­ge man­cher deut­scher Ge­mein­den.

Hier be­rich­tet eine Sprach­ar­bei­te­rin über ih­ren Be­rufs­all­tag. Als Dol­met­scher und Dol­met­scher­in­nen schlüp­fen wir im­mer wie­der ge­dan­k­lich in die Schu­he un­se­rer Kun­din­nen und Kun­den, dür­fen im Vor­feld ver­ste­hen, was sie um­treibt, wie sie den­ken, um sie an­schlie­ßend mög­lichst gut in der an­de­ren Spra­che ver­to­nen zu kön­nen. Da­raus ent­stehe eine Nä­he, die nur eine ver­meint­li­che sol­che ist, ei­nen aber nicht von jetzt auf gleich wie­der los­lässt.

Hoch­was­ser in Neu­wied, 1920, Men­schen fah­ren auf ei­nem Boot durch die Stra­ße
Hoch­was­ser in Neu­wied (1920)
In die­ser Sai­son durf­te ich un­ter an­de­rem für Ma­rie 
dol­met­schen, eine sport­li­che, ele­gan­te Mitt­fünf­zi­ge­rin mit Pfef­fer-und-Salz-Kurz­haar­fri­sur. Stolz hat sie mir beim Mit­tag­essen auf dem Han­dy die Fo­tos von zwei fast er­wach­se­nen Kin­dern, ih­rem Mann und der strup­pi­gen Dog­ge ge­zeigt. Der Sohn be­rei­te sich ge­ra­de dar­auf vor, vom Va­ter den Hof zu über­neh­men, auf dem schon Groß­va­ter und Ur­groß­va­ter tä­tig wa­ren, er­zählt sie stolz.

Ma­rie kam mit ei­ner Han­dels­de­le­ga­ti­on aus Frank­reich nach Ber­lin, es ging um ein ganz an­de­res The­ma als Land­wirt­schaft, denn sie fängt mit ihrer Fest­an­stel­lung in der Re­gio­nal­ver­wal­tung be­reits die Aufs und Abs des Fa­mi­lien­ein­kom­mens ab. Sie hilft nur ge­le­gent­lich im Hof aus.

Irgend­wann kom­men wir auf die Kli­ma­ka­ta­stro­phe zu spre­chen und auf die Aus­wir­kun­gen des Kli­ma­wan­dels auf Bio­di­ver­si­tät und Na­tur  — ein The­ma, das in die­sen Zei­ten im­mer drän­gen­der wird. Ma­rie wird plötz­lich still. Ihr Mann hat erst letz­tes Jahr Vieh ver­lo­ren, das plötz­lich auf of­fe­ner Wei­de er­sof­fen war.

Und wie das manch­mal so ist, spre­chen wir auch über die Re­no­vie­rung al­ter Ge­bäu­de, die Wei­ter­ga­be von kul­tu­rel­lem Er­be, und ehe ich's mich ver­se­he sind wir auf ei­ner die­sen "so­zia­len Netz­werk­sei­ten", wie Face­book, In­sta­gram und Co. ge­nannt wer­den, als Freun­din­nen ver­bun­den.

Gestern Abend zeigt sie mir von dort er­schre­cken­de Bil­der von Wei­den un­ter Was­ser, von ei­nem rei­ßen­den Strom, der quer über den Hof führt und der das Aus­trag­häus­chen, das sie ge­ra­de ne­ben­bei re­no­viert, in sei­ner Stand­fes­tig­keit be­droht. Au­ßer­ge­wöhn­li­che Re­gen­fäl­le ha­ben ges­tern den mitt­le­ren Os­ten, den Süd­os­ten und an­gren­zen­de Ge­bie­te des Lan­des heim­ge­sucht. In den Me­di­en sehe ich Bil­der von dra­ma­ti­schen Ret­tungs­ak­ti­o­nen, wie mehr als tau­send Men­schen mit Hub­schrau­bern in Si­cher­heit ge­bracht wer­den.

Die ex­tre­me Wet­ter­la­ge in Frank­reich hat sich über Stun­den ver­schärft.

In man­chen Ge­bie­ten der Ar­dè­che fal­len stel­len­wei­se bis zu 700 Li­ter Re­gen. An so viel Was­ser in kur­zer Zeit kann sich dort kei­ne Mensch­en­see­le er­in­nern. Feu­er­wehr und Ret­tungs­diens­te sind rund um die Uhr im Ein­satz, vie­le Stra­ßen, Zug­li­ni­en und Au­to­bah­nen wer­den ge­sperrt, Be­woh­ner flie­hen vor ei­nem dro­hen­den Deich­bruch. Auch in der Haupt­stadt reg­net es mehr als sonst. In Pa­ris stürzt ein Baum auf ei­ne Fa­mi­lie, wo­bei der Va­ter ums Le­ben kommt.

Die Mi­nis­te­rin für öko­lo­gi­schen Wan­del, Ag­nès Pan­nier-Ru­na­cher, nann­te die Si­tu­a­ti­on als "von ei­ner Ge­walt, wie wir das noch nicht er­lebt ha­ben", und stuft das Hoch­was­ser­er­eig­nis als Na­tur­ka­ta­stro­phe ein. Öf­fent­lich ver­weist sie auf die Kli­ma­er­wär­mung als Ur­sa­che und un­ter­streicht, wie sehr An­stren­gun­gen al­ler eu­ro­pä­i­scher Län­der nö­tig sind, um sol­chen Kli­ma­kri­sen in Zu­kunft bes­ser zu be­geg­nen.

Denn die öko­no­mi­schen Schä­den sol­cher Ex­trem­wet­ter­er­eig­nis­se sind im­mens, und sie wer­den in den kom­men­den Jah­ren wei­ter zu­neh­men. Die Fra­ge, wer für die ent­ste­hen­den Schä­den auf­kom­men wird, stellt sich im­mer drin­gen­der, ins­be­son­de­re bei der an­ste­hen­den Kli­ma­kon­fe­renz in Aser­bai­dschan. Är­me­re Län­der for­dern ver­stärkt Un­ter­stüt­zung von den In­dus­trie­staa­ten ein, die in den letz­ten 1,5 Jahr­hun­der­ten ei­nen Groß­teil der glo­ba­len Treib­haus­gas­emis­sio­nen ver­ur­sacht ha­ben.

Da­bei wird der Fi­nanz­be­darf auf bis zu ei­ner Bil­li­on Dol­lar pro Jahr ge­schätzt, um den glo­ba­len Über­gang zu ei­ner kli­ma­neu­tra­len Welt­wirt­schaft zu fi­nan­zie­ren und gleich­zei­tig die von ex­trem­en Wet­ter­er­eig­nis­sen be­trof­fe­nen Län­der zu un­ter­stüt­zen.

Zu­rück zu Ma­rie, der Bau­ers­frau aus Frank­reich. Ihr Sohn ist bei der frei­wil­li­gen Feu­er­wehr en­ga­giert und ist der­zeit ak­tiv an der Ret­tung be­tei­ligt. Er ha­be sich jetzt ent­schie­den, den Hof der Fa­mi­lie doch nicht zu über­neh­men. Er möch­te im Be­reich der Um­welt­bil­dung ar­bei­ten, schreibt sie mir, die ak­tu­el­le Not­la­ge ha­be den Ent­schluss nur be­schleu­nigt. Ob Ma­rie das klei­ne Aus­trag­häus­chen, tra­di­tio­nell das Haus für das Alt­bau­ern­paar, ret­ten kann und re­no­vie­ren wird, ist un­klar.

Auch in Deutsch­land spricht der Ern­te­be­richt Bän­de: Link zum BMEL. Noch ist die Ver­sor­gungs­si­cher­heit nicht di­rekt be­trof­fen.

Und hier noch ein wich­ti­ger Link: "Er­der­wär­mung und Wet­ter­ex­tre­me: Die wich­tigs­ten Da­ten und Zu­sam­men­hän­ge" von Ste­fan Rahms­torf, Fach­ge­spräch "Be­völ­ke­rungs­schutz bei Wet­ter­ex­tre­men" am 7. Ok­to­ber 2024 im Paul-Lö­be-Haus des Deut­schen Bun­des­tags."

Er­gän­zung durch ChatGPT: Wirt­schafts­wis­sen­schaft­le­rinn­en und Wis­sen­schaft­ler der OCDE (or­ga­ni­sa­ti­on für öko­no­mi­sche Ko­o­pe­ra­ti­on und Ent­wick­lung) sehen die La­ge in den Eu­ro­pä­i­schen Land­wirt­schafts­re­gio­nen be­reits als ein Prob­lem für die Nah­rungs­mit­tel­si­cher­heit.

Vo­ka­bel­no­ti­zen (vom Zei­tung­le­sen heu­te)
la crue — das Hoch­was­ser
plu­vio­mé­trie moyenne — mitt­le­re Nie­der­schlags­men­ge
pluies cévenol­les — Ce­ven­nen­re­gen be­trifft vor al­lem die Ce­ven­nen und das Ce­ven­nen­vor­land in Süd­frank­reich und führt oft zu schwe­ren Über­schwem­mun­gen.

Grund­sätz­lich wird in Frank­reich der Nie­der­schlag in der Hö­he ei­ner ge­dach­ten Was­ser­säu­le in Mil­li­me­tern wie­der­ge­ge­ben, in Deutsch­land do­mi­niert die An­ga­be "Re­gen­li­ter pro Qua­drat­me­ter". Da­bei ent­spricht ein Mil­li­me­ter Nie­der­schlags­hö­he im Re­gen­mes­ser ei­nem Li­ter Re­gen pro Qua­drat­me­ter. Der Be­trach­tungs­zeit­raum liegt, so­fern nichts an­de­res an­ge­ge­ben, bei 24 Stun­den.

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Il­lus­tra­ti­on: W. Lang, Wi­ki­com­mons