Donnerstag, 27. Februar 2020

Vergleichsweise

Was und wie Kon­fe­renz­dol­metscher und Übersetzer (und Dolmetsche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen) arbeiten ist im 14. Jahr Gegenstand von Dolmetscher-Berlin. Meinen Beruf übe ich mit viel Leidenschaft aus. Wirklich leidvoll ist nur manche Kundenkommunikation.

Pult, Mikro, Stuhlreihen und Namensschild
Kabine mit Namensschild (die Ausnahme!)
Anfrage für einen Berlinale-Vierteltag. Die Kundin, eine Presseagentin, würde am liebsten ein Viertelhonororar bezahlen.
Argumentiere ich jetzt oder lasse ich es sein?

1. Der Autovergleich. Ein Fahrgast steigt in ein Taxi. Was kostet die Fahrt nach ABC? Die Entfernung ist die Strecke XYZ.

Der Mensch am Lenkrad rechnet, murmelt XYZ, und er nennt den Preis. Fahrgast: "Im Taxi sind vier Sitzplätze. Ich belege nur einen, möchte deshalb nur 25 Prozent der Summe bezahlen."

2. Der Divenvergleich. Eine Operndiva soll gebucht werden. Sie nennt ihre Gage. Jemand, der sie nur eine Stunde lang beschäftigen möchte, bietet ein Achtel. Die Diva lacht laut und schallend. Ihre vielen Jahre Stimmbildung, Noten- und Rol­len­stu­dium, Proben und die Kosten für die Verwaltung ihrer Auftrtitte, die Ab­rech­nun­gen etc. müssen mitbezahlt werden, ebenso Zeiten, in denen sich ihre Stimme erholt.

3. Der Apfelvergleich. Jemand möchte auf dem Markt von einem Apfel nur das "Fleisch" kaufen, nicht aber das Kerngehäuse, Kerne, Stil und Schale.

4. Der OP-Vergleich. Ein Patient möchte nur für den Operateur bezahlen, und auch hier nur für die Zeit, die er am OP-Tisch steht. Nicht bezahlen will er (oder sie) für: Desinfektion, Anästhesist, Schwestern, Strom und Geräte, Pflegepersonal, Miete für Aufwachraum und Krankenzimmer, Medikamente, Krankengymnastik ...

5. Der Leerzeichenvergleich. Textübersetzung, der Preis wird debattiert. Alle Zeichen inklusive Leer- und Satzzeichen werden berechnet. Der Kunde ist der Meinung, dass das unverschämt sei. Für Luft wolle er nicht zahlen. Nunstellnsiesichmaltexteundderenlesbarkeitohneregelnundinterpunktionvor.

6. Der Kalendervergleich. Wenn ich als Dolmetscherin morgens für einen Kun­den arbeite, kann ich ab dem Mittag in den allerseltensten Fällen für einen anderen Kun­den tätig werden, weil dieser mich eher auch ab dem Morgen (und bis zum Abend, das ist der Kon­fe­renz­modus) beschäftigen möchte. Selbst wenn der Mor­gen­ein­satz nur kurz dauert, ist der Tag damit meistens gelaufen. Es gibt in jedem Jahr nur eine begrenzte Anzahl an Tagen, an denen wir Einkünfte erwirtschaften können, und ein Teil unserer (nicht bezahlten) Arbeitstage entfällt auf die Vor­be­rei­tung der (bezahlten) Einsätze.

P.S.: Die Agentin hat sich mit Kollegen abgesprochen und ich bekomme jetzt den vollen Satz ohne weitere Diskussionen.

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Foto: C.E.
tags:
#Berlinale2020 #1nt #xl8

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