Montag, 24. Februar 2020

Licht und Liebe

Was und wie Kon­fe­renz­dol­metscher und Übersetzer (und Dolmetsche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen) arbeiten, darüber berichte ich auf diesen Blogseiten im drei­zehn­ten Jahr. Wir sind mitten in der Hochsaison der Konferenzen.

Wandinschrifti "Licht und Liebe"
Cineasten leben von Lichtspiel und Filmliebe
Eine großartige Ber­li­na­le­ini­tia­ti­ve ist "Berlinale goes Kiez", die Festival­fil­me in diverse Wohn­vie­rtel bringt. Neu­kölln war 2020 nicht da­bei. Gestern Mit­tag konnte ich auch nicht nach Potsdam fahren, als dort im Thalia ein fran­zö­sisch­spra­chiger Kin­der­film ge­zeigt wurde. Das Kin­der­­pro­­gramm der Berlinale richtet sich an die ganz Klei­nen.

Diese Filme sind die letzten, die durch die Berlinale normalerweise noch simultan eingesprochen werden. Dieses Mal war indes kein/e Sprecher/in eingeplant, der oder die alle Dialoge si­mul­tan ein­ge­sprochen hätte. War die Vorführung für Er­wachsene? Für Programmplaner und Filmdidakten? Oder nur für fran­zö­sisch­spra­chi­ge Kinder (von denen es in Berlin sehr viele gibt)? Ich allein kann das nicht auf­lö­sen. Vielleicht war jemand zugegen und könnte uns das im Kommentar erzählen.

In meinem Kiez wäre das übrigens mit türkisch- und arabischsprachigen Pro­gram­men möglich. Vielleicht kommt die Ber­li­nale eines Tages auf diese Idee. Sie könnte ja dann per Kopf­hörer die Dialoge deutsch und englisch und französisch ein­spre­chen lassen.

Sie müsste sich aber beeilen. Denn in meinem Bezirk sind wir nicht mehr nur von Gentrifizierung betroffen, der Verdrängungssanierung, wir haben es auch, dem Kalauer einer Freun­din zufolge, "Country­fizierung" zu tun, der Ver­drän­gung är­me­rer Schichten durch kaufkräftige Langzeittouristen aus di­ver­sen Ländern der Welt, die für einige Monate bis Jahre nach Berlin kom­men. (Jene, die hier hän­gen­blei­ben, normalisieren sich bzw. "berlinifizieren"; sie ver­ändern die Stadt, die Stadt ver­än­dert sie.)

Die Berlinale könnte hier vielleicht ihren Ruf wieder etwas verbessern. Vor Jahren, als die Sektion der Filme für Jugendliche, Generation, komplett auf Englisch um­ge­stellt wurde, englische Untertitel, auf Englisch geführte Diskussionen, haben ei­ni­ge junge Muttersprachler aus Berlin, Zöglinge einer internationalen Schule, Gleich­­al­tri­ge aus Neukölln öffentlich aus­ge­lacht.

Es ist wichtig zu erwähnen, dass für viele dieser Kinder der Migration Englisch die drit­te Fremdsprache darstellt (nach Türkisch- oder Arabischgrundlagen sowie, na­tür­lich, Deutsch). Grund war eine Fehl­in­ter­pretation infolge mangelnder Englisch­kenntnisse. Ein in jahrelanger Arbeit mühsam etablier­ter Filmclub hat das nicht überlebt.

Die heutige "Countryfizierung" hat möglich gemacht, dass in zwanzig Minuten Fuß­weg von uns ein altes Sexkino in ein szeniges Arthousekino umgewandelt wurde. Jetzt laufen dort Filme für Menschen der Nachbarschaft, die in den Wohnungen des Kiezes leben, die einst von Menschen aus Arbeiterschaft und un­te­rer Mit­tel­schicht bewohnt worden sind. Interessanterweise finden dort einige der am Rande des Filmfestivals privat organisierten Treffen, Frühstücke, meetups statt. Zweiter Fremdsprachenkalauer dieses Blogposts: keynote statt Kino.

Meine bisherige Berlinalebilanz ist ungewohnt: Sieben Empfänge und Treffen, zwei Abendessen, ein Film; Dolmetscheinsätze: ein Filmgespräch im kleinen Kreis sowie ein medienpolitisches Interview. Es wird meine an Filmen und Dolmetscheinsätzen schwächste Berlinale aller Zeiten werden.

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Foto: C.E. (gesehen in Neukölln)
tags: #Berlinale2020 #1nt #xl8

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