Vor 25 Jahren habe ich viel und gerne Filme untertitelt. Seither ist die Nachfrage explodiert, einerseits durch die Digitalisierung der Filme selbst, andererseits durch die Vervielfachung der Kanäle. Den Gesetzen des Marktes zufolge hätten die Preise für gute Untertitelung steigen müssen. Sind sie aber nicht, sie sanken vielmehr ins Bodenlose. Der Grund: Qualität scheint kein Kriterium mehr zu sein.
Denn die Industrie hat flugs erklärt: "Jede(r) kann untertiteln!" Dem ist aber nicht so. Dazu gehören sprachliche und kulturelle Kenntnisse sowie Talent. Untertiteln ist so, als würde man ein Gedicht übersetzen, das aber ins enge Schema eines Kreuzworträtsels gepresst werden muss. Vom Pressvorgang darf allerdings am Ende nichts mehr zu spüren sein, nicht einmal zwischen den Zeilen. "UTs" müssen eindeutig sein, sich leicht lesen, schweben und das Wesentliche wiedergeben.
Und ich hielt das Wort "Wartesaal" für ausgestorben |
Doch das war mal. Inzwischen werden sogar auf von Schülern bevorzugten Sozialen Netzwerken "Untertitler" gesucht. Und solange sich das Publikum nicht massiv beschwert, kommen die Seggl damit durch. (Seggl: Schwäbisch für "Idioten".)
Beleg für den Niedergang: Neulich fragte mich eine Kundin, ob ich für sie für 25 Cent den Untertitel arbeiten würde. Das ist etwa ein Zehntel des Preises für Profititel ohne Festlegung der Ein- und Ausblendezeiten ("Spotting"). Sie sagte am Telefon: "Die Titel müssen da nur drunter sein, ob sie lesbar sind, ist nicht so wichtig. Vergiss Deine Qualitätskriterien, das wird niemand so untertitelkritisch lesen wie Du befürchtest."
Ha, neues Wort! Erste! Den Begriff kannte Google bislang noch nicht. Übersetzt bedeutet das: "Deine Arbeit ist egal, simuliere sie doch einfach."
Das passt dazu, dass die Gesellschaft insgesamt immer virtueller wird. Bullshit jobs, symbolische Politik, Theaterdonner statt Anpacken der echten Probleme, dominieren den Alltag. Ich geh dann mal essen. "Spaghetti Wartesaal" klingt gut. Vielleicht bekommen noch andere diese Missstände mit und wir ändern das alle zusammen. Weil: So geht's echt nicht weiter.
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Foto: C.E. (mit Schreibfehlern ...)
tags: #Berlinale2020 #1nt #xl8
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