Mittwoch, 1. Juni 2011

80:20

Letztens bekam ich Post vom Coach. Ein Unternehmen, das sich auf die Beratung von kleinen Firmen spezialisiert hat, bot mir drei Stunden Coaching für den Sonderpreis von 150 Euro an. In einem Newsletter konnte ich eine Vorahnung davon bekommen, was mich erwarten würde.

Schauen Sie morgens nicht in den Mailbriefkasten, lautet eine der goldenen Regeln, die auf blütenweißem Büttenpapier mit aufgedruckter Goldkordel stehen.

Da ich im Team arbeite, immer irgendwelche Termine, Kostenvoranschläge oder Buchungsbestätigungen anstehen, muss ich morgens immer eine Viertelstunde verwalten, sonst läuft gar nichts. Wer an den kleinen Rädchen internationaler Projekte mitdreht, kann den Rat wirklich knicken. Aber nach der ersten Übersicht wird bei mir das Mailprogramm ausgeschaltet, und zwar für einige Stunden, ebenso bei nachmittäglichen Arbeitsphasen. Dann gibt's nur noch Monotasking!

Fangen Sie den Tag stattdessen gleich mit Problemlösungen an

Mal ehrlich, wenn ich morgens mit Problemen anfange, ist nicht nur der Schwung draußen, ich habe mir dann möglicherweise Ärger aufgehalst und Verwaltungsdeutsch inhaliert, so dass ich nur erschwert mit der Hauptarbeit anfangen kann. Meine ersten Arbeitsstunden gehören der Übersetzungsarbeit, da bin ich frisch, kreativ und nicht aus der Ruhe zu bringen.

Entdecken Sie die 80/20-Regel ...
... auch Pareto-Prinzip genannt. In 20% der Zeit wird 80% der Arbeit erledigt, und oft reicht es aus, Dinge zu 80% zu erledigen.

Wer das erfunden hat, ist Chef und hinter ihm (in Deutschland seltener: hinter ihr) wird aufgeräumt. Logisch, dass meine ins Deutsche diktierten Drehbücher nach einer Woche stehen, aber mit Tipp- und Logikfehlern, Gallizismen usw.
Bei mir reicht es im Kerngeschäft nicht, Dinge zu 80 % zu erledigen, die Bücher wären dann ohne Groß- und Kleinschreibung oder ohne Regieanweisungen.

... und für die restlichen 20% der Arbeit brauchen Sie 80% der Arbeitszeit.

Hier stimmt's ... fast. Ich würde sagen, fifty-fity, die Zeit der Korrektorin, die ich mit Korrekturzeit bezahle, die ich ihren Texten zugute kommen lasse, inbegriffen. Und genau für diese Arbeitsschritte sind wir bekannt: Schleifen, schmirgeln, noch mal nass machen das (hölzerne) Werkstück und weiterschleifen ...

Deshalb können wir mit unseren Preisen meist nicht runtergehen, denn Handwerk braucht Zeit. Zwei Produktionsfirmen lassen hauseigene Mitarbeiter gegenlesen, das hat sich eingespielt, so wird's günstiger. Was die Arbeit noch verteuern kann: Viele Änderungen, die erst mitten im Arbeitsprozess kommen, und Softwareprobleme, denn am Ende soll das übersetzte Buch ja zu 100 % so aussehen wie das Original. Aber Software ist jetzt wirklich eine andere Baustelle.

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Foto: C. Elias

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