Montag, 6. Juni 2011

Der ganz normale Wahnsinn

Bin zu müde (*) zum Kopfschütteln. Also nur in Stichworten. Filmproduktion ruft an, sucht jemanden für den Abschluss von Recherchen, das Bauen eines Drehplans und schließlich fürs Fragen stellen und Antworten dolmetschen. Das Honorar, das da je Arbeitstag ausgelobt wird, ist, naja, nicht grade super, eher maximalmögliche Minimalunterkante. Zum Ausgleich werden alle Recherche- und Reisetage voll bezahlt, was ja bei manchem Thema der kritische Punkt ist, wenn sich die Drehvorbereitung als überaus zäh erweist, die dafür vorgesehenen Honorartage aber gedeckelt sind.

Mit der Mietdroschke zum Drehort
Ich lese mich ein, spannendes Thema. Wir mailen hin und her. Mein KVA (Kostenvoranschlag) kommt zurück: genehmigt! Ich plane die kommenden Wochen ab Drehbeginn rückwärts, flechte zeitig meine Recherchetage ein, damit Puffer bleibt, und gehe ins lange Himmelfahrtswochenende.

Sonntagabend kommen die Fragen: Welches der drei nachstehend aufgeführten Hotels ich fürs Team auswählen würde? (Ganz normale Frage. Ich hab schon erste Ideen zum Drehplan, Filmleute lieben einfache Abläufe, wo immer sie möglich sind, denn auch dieses Arbeitsfeld ist kompliziert genug.) Bei welchem Dienstleister ich normalerweise das Produktionsauto anmiete? (Auch noch normale Frage, ich hab schon oft Autos gemietet.) Ob ich da als Stammkundin Prozente bekäme und wie hoch die seien? (Naja, so oft auch wieder nicht ... oder war da nicht noch was über den Berufsverband? Muss nachsehen.)
Und ob in der Nähe meiner Wohnung ein Parkhaus wäre, damit ich abends schneller ins Bett komme. (Moment mal, ich hab aber niemandem vom Team mein Gästezimmer angeboten ...!)

Langsam schwant es mir. Ich frage direkt und erhalte eine ebenso direkte Antwort: Natürlich soll ich nicht nur recherchieren, die Interviews führen und dolmetschen, sondern auch noch den Wagen lenken. Ob man das am Anfang vergessen hätte zu sagen?

Hm, ich antworte sicher ebenso unterkühlt wie wahrheitsgemäß, dass ich bei all den Studien und während spannender Berufsjahre vergessen habe, meinen Führerschein zu machen und dass ich den in der Regel auch gar nicht brauche. Die Antwort kommt wieder postwendend: Keine Angst, man werde schon eine Lösung finden. Und wer sonst fahren würde? Also: Bei mittelgroßen Reportagedrehs der aufnahmeleitende Kamera- und Materialassi in Personalunion mit Fahrer, bei kleinen Newsproduktionen die Damen und Herren Mietdroschkenkutscher.

Jetzt bin ich gespannt, wie das weitergeht.


(*) Die Müdigkeit bezieht sich ebenso aufs Feilschen wie auf die Verkennung dessen, was den Dolmetscherberuf ausmacht, und last but not least auf die Entspannung eines viertägigen Wochenendes, das seeeehr erholsam war (paradoxerweise steigt dabei erstmal der Müdigkeitspegel).
______________________________
Foto: C. Elias

Keine Kommentare: