Ich habe leider eine Sonnenallergie, bin als große Freundin des Schattens also tagsüber keine Strandbesucherin - und träume ohnehin ständig vom Kino. So auch am 14. in nämlicher Stadt. Das Kino ist voll, die Klimaanlage funktioniert anständig. Ich sehe einen französischen Film.
"Die Tournée" schrieb und inszenierte Mathieu Amalric ausgehend von einigen Notizen der französischen Schriftstellerin Colette. In Amalrics Werk reist ein ausgestiegener TV-Produzent mit einer Gruppe exzentrischer Cabaret-Tänzerinnen durch die französische Provinz. Überall, wo er hinkommt - Hotel, Restaurant, Bar - bittet er darum, die Musik auszustellen oder leiser zu machen. "Ich denke, das wird schwierig" (ça me paraît compliqué), lautet stets die Antwort auf die erste Bitte, auf die zweite folgen nichtssagende Antworten wie "... weil die Musik auf einem bestimmten Niveau eingestellt ist" (parce que la musique est réglée à un certain niveau).
Die wiederkehrende Akustikmacke der Hauptfigur macht sie mir sympathisch (diese erste Frage stellte ich bereits mit sechzehn im Reisebus beim Schüleraustausch). Ja, es gibt Berufe, de zur Folge haben, dass es jenen, die sie ausüben, schwieriger wird, wegzuhören. (Der Rest ist wohl Veranlagung.)
Oder aber die Berufe führen dazu, dass diese (wir) Menschen schlicht Angst ums eigene Gehör haben. Das Feuerwerk zum Nationalfeiertag wird im alten Hafen angezündet, wir wollen es gemeinsam von den (sicheren!) Anhöhen am Stadtrand aus sehen. Nach dem Kino schicke ich einige SMS, denn fürs Telefonieren ist das Netz zu überlastet. Keine Antwort. Dann genieße ich den Sonnenuntergang am alten Hafen. Noch immer hab ich kein Netz. (Die SMS zur Verabredung werden spät in der Nacht endlich "durchkommen".) Am Hafen wird es dunkler, die ersten Teenagergruppen werfen Knaller in die Menge (beängstigenderweise sind es immer nur Jungs, die zu solch |einem Mist| einer Granatensauerei fähig sind).
Kurz - ich fliehe dahin zurück, wo ich herkomme, ins Kino. Das Feuerwerk kann mir gestohlen bleiben. Es gibt dort nur ein Problem: Die Klimaanlage, die einsam vor sich hinrödelt. Und ein zweites: Ich bin allein. Kurz drauf kommen noch drei Leute, wir sind zu dritt. Mehr werden wir aber nicht.
Ich gehe zur Kasse, frage, ob es möglich ist, die Kühlung auszuschalten. Ich spüre, dass er gleich kommen wird, der Das-wird-schwierig-die-ist-auf-das-Niveau-fest-eingestellt-Blick und hebe zu einem Slapstick an. Obwohl es außerhalb des Kinos siedendheiß ist, reibe ich mir die Oberarme, zittere und sage: Die Klimaanlage im Kinosaal ist mindestens auf minus drei Grad Celsius eingestellt - als würden 280 fieberkranke Leiber dort eng auf eng sitzen. Wenn uns niemand rettet, überleben wir die Vorführung im Gefrierschrank nicht!
Der Kinomitarbeiter muss lachen, ich habe gewonnen. Und sehe wohltemperiert mit "L'autre monde" einen gut gemachten (und leider irgendwie ständig absehbaren) Film über junge Erwachsene und eine Parallelwelt im Internet. Das überraschende Moment ist allerdings hier, dass die Haupthandlung des Films in der gleichen Stadt spielt, in der ich mich noch wenige Stunden aufhalte. Das versöhnt mich dann doch mit dem vergeigten Treffen zum Feuerwerk.
2 Kommentare:
Bonjour, on ne fête pas le 14 juillet 1789 mais le 14 juillet 1790. Sache qu'on ne commémore pas la prise de la bastille mais la fête de la fédération qui a eu lieu un an plus tard !
Übersetzung:
"Guten Tag, wir feiern nicht den 15. Juli 1789, sondern den 14. Juli 1790. Wisse, dass wir am Feiertag nicht des Sturm auf die Bastille gedenken, sondern das Fest der Föderation feiern, die genau ein Jahr später begründet wurde."
Dieses Erinnern im Juli hatte ich auch immer mit dem Jahr 1789 in Verbindung gebracht. 1989 war ja die große Zweihundertjahrfeier des Beginns der Französischen Revolution, die in Frankreich ausgiebig begangen wurde. Heiner, was sagst Du dazu?
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