Montag, 12. Juli 2010

Flow

Eine Erfahrung, die Sie sicher auch kennen, ist typisch fürs Dolmetschen. Wenn die vorab erhaltenen Informationen zu dem passen, was bei der Veranstaltung stattfindet, wenn ausreichend Zeit für die Vorbereitung vorhanden war und der Ablauf normal (Sprechgeschwindigkeiten, Arbeitssituation) ist, erleben wir Dolmetscher oft einen Flow. Der Begriff kommt aus dem Englischen und bedeutet ursprünglich fließen, rinnen oder strömen.
Im Flow verschwindet mein Zeitempfinden, dann vergesse ich mich selbst in der Arbeit. Das Erlebnis, vollständig das leisten zu können, was gefordert wird, es mit Eleganz zu meistern, es sogar zu beherrschen, ohne beherrscht zu werden, ist erfüllend. Es ist das Gegenteil von Langweile oder Routine. So muss sich ein 100-Meter-Läufer beim Wettkampf fühlen, wenn er nach hartem Training als erster über die Zielgerade läuft.

Der "Flow" setzt Glückshormone frei. Unsere Arbeit wirkt dann leicht, anstrengungsfrei, erfrischend, wie ein Bad im Meer. Ich merke es deutlich, wenn ich in einer solchen Situation bin. Ich werde wahrgenommen, werde angelächelt. Am Ende des Tages wird sie sich als eine Spur weniger ermüdend erweisen.

Stimmen die Rahmenbedingungen nicht, ist es nur harte Arbeit, sonst nichts. Wenn wir und gründlich vorbereiten, Veranstalter oder Redner nerven, indem wir regelmäßig um Hintergrundinfos oder ein Vortragskonzepte bitten, dann geschieht das eigentlich nur aus dem Wunsch heraus, am Ende wieder auf der Welle des Glücksgefühls schwimmen zu dürfen.

Wird uns das versagt oder werden bei Veranstaltungen nur die üblichen Floskeln ausgetauscht, droht Über- oder Unterforderung. Indes, auch aus dem Bewältigen von Überforderung entstehen Glückshormone, es fühlt sich aber irgendwie anders an.

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Foto: Am Mittelmeer

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