Donnerstag, 1. Juli 2010

Prüfungen!

Heute schreibe ich mal nicht über uns Dolmetscher, auch wenn wir bei jedem Einsatz ein wenig das Gefühl haben, in die mündliche Prüfung zu müssen. (Ob das eigentlich in zwanzig Berufsjahren verschwindet?)

Da ich in Paris studiert habe, bin ich oft für andere eine wandelnde Sprachressource, so, wie es meine Freunde für mich sind. Neulich bekam ich eine Mail von I. mit folgender Frage: Was heißt auf Deutsch "les copies d'examens" (das, was die Studenten geschrieben haben)? Sind das einfach Prüfungen? Prüfungsbögen? "Kopien", wie selbst viele Deutsche hier sagen, weil sie wahrscheinlich schon zu lange in Frankreich wohnen? Beispiel: Aller chercher les copies au centre d'examen à partir de 9°° heures.

Das Wort "copies" hab ich in Paris auch verwendet, wo wir gemeinsam mit den deutschen DAAD-Studenten nicht selten einen grausamen Sprachmix verbrochen haben. 


Heute sage ich "Klausuren" oder "Arbeiten" dazu. In der Schule sind es "Klassenarbeiten", das meint eben jene Originale, von denen I. spricht.


Satzbeispiele: Ich muss noch Klassenarbeiten korrigieren oder: Hab einen Stapel unkorrigierter Klausuren auf dem Schreibtisch liegen. "Seminararbeiten" oder "Hausarbeiten" sind es an der Uni (und zum Teil schon an der Oberstufe, je nach Schulform). Das sind Texte, die auch in die Endnote einfließen, die aber zu Hause oder an den Werkstätten/Schnitträumen/Ateliers der (Hoch)Schule entstanden sind.

Ein wenig überrascht hat mich das "centre d’examen", so ganz im Singular, in Is Frage. Zu meiner Zeit schrieben wir die Prüfungen in der "maison des examens", im Prüfungshaus, einem Gebäude mit riesigen Sälen, das seit Anfang der 1980-er Jahre im Pariser Vorort Arceuil steht. Auf Französisch verlangt die Logik meines Sprachgefühls, dass hier die Prüfungen, les examens, im Plural stehen, denn hier finden parallel mehrere Prüfungen statt. 

Darauf I.:  Un centre d’examen ist ein Ort, meistens eine Schule, mit dem der betreffende Prüfungsleiter beruflich nichts zu tun hat, wo aber alles eine Woche lang zentralisiert wird. Im Grunde könnte eine Wohnung als "centre d’examen" fungieren. Du kannst es also beliebig mit oder ohne Plural-S schreiben.


P.S.: Chère I., Prüfungsbögen ist auch nicht schlecht, vor allem, wenn es um was Vordrucke geht, also Papier mit Linien, und dazwischen sind die Fragen gedruckt oder es muss etwas fertiggezeichnet oder angekreuzt werden. Beispiel: Prüfung für den Führerschein, der auf Ostdeutsch noch immer "Fahrerlaubnis" heißt.

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Alles Gute heute und morgen, 

liebe M., bei Deiner Prüfung!

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