Mittwoch, 14. Juli 2010

Vertonung

Augenzwinkernd sage ich manchen Delegationsreisenden oder Einzelkunden machmal, dass ich sie "synchronisiere". Das passt zu einer Unschärfe, die Worte wie "simultan" und "synchron" im Zusammenhang mit dolmetschen, übersetzen und vertonen betrifft. Um's mit einem Beispielsatz zu "entfitzen" (sächsisch für entwirren): "Die Simultandolmetscherin öffnet die Tür ihrer Kabine, verlässt die Konferenz und geht ins Kino, wo sie einen untertitelten Klassiker sieht, denn sie hasst synchronisierte Filme."


Gestern bekam ich direkte Rückmeldung zu einem Arbeitseinsatz. Eine Namenscousine sagte mir in etwa das Folgende: Ich bin überrascht, dass du dem Originalton immer nur ein Wort hinterher bist. Und manche Leute dolmetschst du immer in der gleichen Stimmlage, das betrifft zwei oder drei aus der Gruppe. Da muss ich gar nicht von den Notizen aufblicken und weiß gleich, wer jeweils spricht.

Diese zweite Bemerkung hat mich sehr gefreut, weil ich das nicht wusste. Es geschieht unbewusst. Die Festivalarbeit, konkreter: das simultane Einsprechen von noch nicht untertitelten Filmen, dürfte daran 'schuld' sein. Wobei ich mich im Kino davor hüten muss zu schauspielern, denn das ist der Job der Leute auf der Leinwand. Um auf unsere Arbeitsgruppen zurückzukommen, liebe Namenscousine Caroline, waren es Milena und Swen, die ich in anderen Stimmlagen verdolmetscht habe? Die beiden liegen eindeutig am oberen bzw. unteren Ende der Tonleiter ... Für den dritten Namen hab ich keinen Tipp, da bin ich auf mehr Infos gespannt.

In einer anderen Runde kam heute prompt jene Milena auf das Phänomen zu sprechen. Sie sagte, dass sie einen weiteren Teilnehmer, Bertram, so wahrnehme, als höre sie ihn im direkten O-Ton, allerdings in einer Sprache, die sie auf wundersame Weise plötzlich verstehe, und: "Für mich hat Bertram eine weiche, warme Frauenstimme!" Bertram wiederum ergänzte, dass ich mich wohl in die Sprechenden hineinversetzen würde, dass ihm meine Arbeit manchmal vorkomme, als sei ich eine Schauspielerin.

Und "ein Wort hinterher" als Beschreibung des Abstands zwischen Original und Übersetzung stimmt manchmal - mitunter bin ich sogar früher fertig, wenn etwa der Verlauf einer Redewendung absehbar ist, wenn jemand spricht, der die Neigung hat, die Dinge zu reformulieren oder ich das (französische) Verb bereits kenne, weil es früher im Satz kommt als auf Deutsch. Ich kann aber auch zwei Sätze hinterherhinken, das hängt ganz davon ab, was wie gesagt wird.

Merci beaucoup, Caroline, Bertram et Milena, rentrez bien ! 
Et merci Audrey pour la photo !

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Foto: Eric Vidal, Jeremy Gravayat,  die Autorin
dieser Zeilen, David Perrin (angeschnitten)

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